Zins [von lat. census >Abgabe<], l) Rechtsgeschichte: eine Abgabe an den Grundherrn (-» Landleihe, -» Zinsgut, -» Zinsleute).

2) Steuerrecht: Steuerschulden und Steuererstattungsansprüche werden nur in Ausnahmefällen verzinst. Insbes. werden bei den großen laufenden Steuern (Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz-, Grund- und Gewerbesteuern) keine Stundungszinsen (-» Stundung) erhoben (§ 127a -» Abgabenordnung.). Zu verzinsen sind dagegen hinterzogene Steuern (§ 4 a Steuersäumnisgesetz i. d. F. v. 14. 5. 1965) und rechts-hängige Steuerschulden sowie Erstattungsansprüche (§§ 111 ff. Finanzgerichtsordnung). Der Z.-Satz beträgt 6 v. H. Die verspätete Entrichtung fälliger Steuern löst -» Säumniszuschläge aus.

3) Volkswirtschaftslehre: der Preis für die leihweise Überlassung von Kapital. Der Ausdruck wird meist auf die am häufigsten vorkommende Bedeutung Geldzins (Preis für die Inanspruchnahme von Kredit) beschränkt, während das entsprechende Entgelt für die leihweise Nutzung von Realkapital (Mietzins, Pachtzins) vielfach nur noch >Miete< oder >Pacht< heißt.

Wie jeder Preis wird auch die Höhe des Z. von Angebot und Nachfrage bestimmt, d. h. auf der Nachfrageseite von der erwarteten Ertragsfähigkeit des Kapitals, auf der Angebotsseite von dem Umfang der Ersparnisse und der Liquidität der Gesamtwirtschaft. Der Z. erhöht sich je nach der Sicherheit um eine Risikoprämie; er enthält weiterhin meist eine Entschädigung für die Dienstleistung des Kreditgebers (Banken). Zieht man diese Bestandteile ab, so ergibt sich aus dem Gesamtzinssatz (Bruttozins) der Z. im Volkswirtschaftl. Sinn (Nettozins), d. h. der allein auf die Entlohnung des Produktionsfaktors Kapital entfallende Teil des Sozialprodukts.

Seit K. WICKSELL unterscheidet die Volkswirtschaftslehre zwischen dem natürlichen Z. (originären Z., Güterzins), der der Grenzproduktivität des Kapitals entspricht, und dem Marktzins (abgeleiteten Z.,

Geldzins), der jeweils für die Überlassung von Kapital bezahlt werden muß, dessen Höhe sich also aus dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage ergibt und der nach Wickseil stets um den natürlichen Z. oszilliert. Die Kreditaufnahme lohnt sich, solange der Güterzins über dem Marktzins liegt; der Anreiz zur Kreditausweitung, der dadurch gegeben ist, führt nach Wicksell zu einem kumulativen Wirtschaftsaufschwung (-» Konjunktur).

ZINSTHEORIEN

Bis zum 18. Jahrh. stand die Frage der ethisch-moral. Berechtigung des Z. im Vordergrund der Überlegungen über den Z. Die altchristl. Schriftsteller bekämpften unter (nicht zutreffender) Berufung auf die Hl. Schrift das Z.-Nehmen. Die kirchl. Gesetzgebung erließ zuerst für Geistliche, bald auch für Laien ein allgemeines Z.-Verbot. Es war in jener Zeit tatsächlich ein Wucherverbot. Seit der Hochscholastik wurde es als zulässig erklärt, vom Darlehensnehmer einen Ersatz für Schaden, der aus der Darlehensgewährung erwuchs, oder für Gewinn, der ihretwegen entging, zu fordern. Das kanonische Zinsverbot bezog sich in erster Linie auf den Konsumtivkredit (-» Kredit) und gilt insoweit nach kath. Kirchenrecht (c. 1543 CIC) noch heute, mit einem Vorbehalt zugunsten des positivrechtlich erlaubten Z. Das Zinsverbot galt nicht für Juden, die deshalb als Pfandleiher wirtschaftlich in eine Lücke traten, und wurde schon im MA. durch bestimmte christl. Kaufmannsgruppen (-» Lombarden, Kawertschen) sowie durch Leibrentenverträge und die Montes pietatis umgangen. Seit dem 15./l6. Jahrh. nahm die Scholastik eine wirtschaftsfreundlichere Haltung ein. J. ECK und K. PEUTINGER verteidigten die Darlehenspraxis der Fugger, während LUTHER (Sermon vom Wucher) an der Zinsfeindlichkeit des Tho-mismus festhielt. CALVIN verwarf das Zinsverbot für Produktivkredite. Im Zeitalter des Absolutismus haben die Hof Juden (-» Hoffaktoren) zur Ausbildung des modernen Finanzwesens mit seinen Z. beigetragen. Die Anfänge der Zinstheorie fallen zusammen mit dem stärkeren Aufkommen des Produktivkredits.

A. R. J. TURGOT erklärt den Z. durch die Fruktifikationstheorie. Diese besagt, daß, da auf Grund der Produktivität des Bodens durch den Ankauf von Land immer ein Einkommen aus dem Boden erzielt werden kann, auch bei anderweitiger Verwendung des Geldes ein Einkommen, der Z., entstehen müsse, da sonst alles Geld zum Ankauf von Land verwendet werden würde. Dagegen wird eingewendet, die physiokrat. Lehre von der Nettoproduktivität des Bodens (produit net) sei unhaltbar; die Grundrente (ihr kapitalisierter Wert) wird mit Hilfe des Zinssatzes berechnet.

Die seit den Physiokraten aufgestellten Theorien zur Erklärung der Entstehung, des Wesens, der Höhe und der Volkswirtschaftl. Bedeutung des Z. lassen sich in folgende Hauptgruppen gliedern: Die Produktivitätstheorie erblickt den Ursprung des Z. m der produk-tionssteigernden Wirkung der Kapitalverwendung, die Nutzungstheorie baut darauf auf, daß neben der Substanz des Kapitals auch seine Nutzung eine selbständige. Wirtschaftl. Bedeutung hat, die Abstinenztheorie (W. SENIOR) sieht im Z. die Entschädigung für das Opfer, das der Kapitalbesitzer durch den Verzicht auf unmittelbaren Konsum leistet, die Ausbeutungstheorie (K. MARX) faßt den Z. als dem Arbeiter vorenthaltenen -» Mehrwert auf. Die Agiotheorie (E.V. BÖHM-BAWERK) erblickt die Ursache des Z. in der Höherbewertung der Gegenwartsgüter gegenüber den Zukunftsgütern. Neuere >statische< Zinstheorien entstanden aus der Weiterentwicklung dieser Theorie durch W. EUCKEN, G. AKERMAN, K. WICKSELL und F. A. v. HAYEK: Die Produktivität des Kapitals und damit die Quelle des Z. wird mit der Mehrergiebigkeit längerer Produktionsumwege erklärt. Die Preistheorie (G. CASSEL) erklärt den Z. als Preis der Kapitaldisposition (Warten, Konsumverzicht), die dynamische Zinstheorie (J. SCHUMPETER) sieht die Entstehungsursache des Z in der Anwendung neuer, ertragreicherer Kombinationen der Produktionsfaktorcn durch die >dynamischen< Unternehmer. Eine evolutorische Wirtschaft ist ebenfalls zugrunde gelegt in den Theorien von L. WALRAS, V. PA-RETO und I. FISHER, die neben dem Z. auch die Unterschiedlichkeit der Zinssätze (Zinsstruktur) zu erklären versuchen.

Unter dem Einfluss der Lehre von J. M. KEYNES entstand schließlich eine Reihe monetärer Zinstheorien. Nach der Liquiditätstheorie hängt der Z. nicht nur von der Produktivität des Kapitals und vom Sparen (Angebot) ab, sondern auch von der vorhandenen Geldmenge und dem psychologisch zu erklärenden jeweiligen Liquiditätsbedürfnis der wirtschaftenden Menschen (-» Liquidität).

E. v. BÖHM-BAWERK: Kapital u. Kapitalzins, 1: Gesch. u. Kritik der Kapitalzinsthcorien (4-1921); W. LAUTENBACH H: Z., Kredit u. Produktion (1952); M. KEYNES: Allgem. Theorie der Beschäftigung, des Zinses u. des Geldes (a. d. Engl., 1955); F. A. LUTZ: Zinstheorie (21967). - Geschichte: M. AUSTEN: Das kanon. Zinsverbot, in: Theologie u. Glaube, 25 (I933); E RAMP: Das Zinsproblem (1949); H. SCHNEE: Die Hoffinanz u.der moderne Staat. 6 Bde. (1953-67); J. T. NOONAN : The scholastic analysis of usury (Cambridge, Mass., 1957); W.TRUSEN: Spaetmittelalterl. Jurisprudenz u. Wirtschaftsethik (1961); W WEBER: Geld u. Zins in der span. Spätscholastik (1962).



Zinsarbitrage ine Form der Devisenarbitrage, die den Zinsunterschied zwischen verschiedenen Ländern ausnutzt. Beträgt z. B. der Zins für 3-Monats-DM in der Bundesrep. Dtl. 4%, im Ausland für 3-Monats-Dollar aber 5 %, so wird ein Arbi-trageur in der Bundesrep. Dtl. 3-Monatsgeld aufnehmen und nach Umtausch in Dollar im Ausland für drei Monate ausleihen. Nach drei Monaten wandelt er die Dollar wieder in DM um und zahlt seinen Kredit zurück. Sein Zinsgewinn von einem Prozent kann aber beim Rücktausch durch einen niedrigeren Dollarkurs geschmälert werden. Das Kursrisiko wird daher meist durch ein -» Termingeschäft ausgeschaltet. Die Kurssicherungskosten im Falle eines -» Deports mindern ebenfalls den Zinsgewinn (-» Arbitrage).


Zinsenkonto, ein Konto der doppelten Buchführung, das nach den Kontenplänen regelmäßig getrennt in Aufwands-, Schuld- und Ertrags-(Guthaben-)Zinsen geführt wird. In der -» Gewinn- und Verlustrechnung gemäß § 157 Aktien-Ges. v. 6. 9. 1965 werden Aufwands- und Ertragszinsen grundsätzlich getrennt ausgewiesen.


Zinseszins, Zinsen, die entstehen, wenn die Zinsen eines Kapitals innerhalb eines bestimmten Zeitraumes, z. B. eines Jahres, jedesmal zum Kapital hinzugefügt (>kapitalisiert<) und mit diesem wieder verzinst werden. Dadurch entstehen fortgesetzt Zinsen der vorangehenden Zinsen. Ist c das Anfangskapital, p der Prozentsatz und l + ( p/100) = q, dann erhält man bei jährlicher Anrechnung der Zinsen nach n Jahren das Endkapital k = c • qn (Zinseszinsformel). Hieraus folgt, daß eine in n Jahren fällige Schuld k den heutigen Wert (Barwert) c = k • (1/q)nhat. Diese Berechnung des Barwertes heißt Diskontierung; q wird Verzinsungsfaktor oder Aufzinsungsfaktor, 1/q Abzinsungsfaktor oder Diskontierungsfaktor genannt. Werden die Zinsen in immer kleineren Zeitabständen kapitalisiert, so führt die Z.-Formel im Grenzfalle auf die Exponentialfunktion; sie kann dann bei regelmäßig und stetig zunehmenden Größen, wie Waldbestand, Bevölkerung usw., angewendet werden.

Das Nehmen von Z.. (Anatozisimus) war in Rom und Athen zur Zeit Ciceros (106 v. Chr.) noch allgemein üblich; es wurde im späteren röm. Recht verboten, um einer Ausbeutung des Schuldners vorzubeugen. Auch heute ist der Z. in vielen Ländern untersagt. Das Verbot, Z. im voraus zu vereinbaren, ist in das BGB. übernommen worden (§ 248 Abs. 1), jedoch wird dieser Grundsatz mehrfach durchbrochen, so im Verkehr mit Kreditinstituten (§ 248 Abs. 2 BGB.), für das Saldoanerkenntnis beim -» Kontokorrent (§ 355 HOB.) und für das Bodmereidarlehen (§ 687 HG B.). Im Kontokorrentverkehr der Kreditinstitute mit ihren Kunden beginnt nach dem üblichen viertel- oder halbjährl. Abschluß eine >neue Rechnung<, mit der fällige Zinsen zur zu verzinsenden Schuld gerechnet werden.

Das Österreich. Recht gestattet Z.: a) wenn dies vereinbart oder b) Zinsen eingeklagt oder c) Zinsen in laufende Rechnung aufgenommen sind (Ges. v. 14. 6. 1868; § 355 HOB.). - Nach schweizer. Recht gilt das Verbot, Z. zu nehmen, sowohl für Verzugszinsen (Art. 105 Abs. 2 O R) sowie für vertragliche Zinsen (Art. 314 Abs. 2 OR). Vorbehalten bleiben Usancen ueber Zinsberechnung im Kontokorrentverkehr.


Zinsgefälle, das unterschiedliche Niveau der Geld-und Kapitalmarktzinsen verschiedener Länder. Das Z. beruht auf dem ungleichen Stand der Kapitalversorgung, den besonderen politischen und wirtschaftl. Verhältnissen und vor allem auf der jeweiligen, meist binnenwirtschaftlich ausgerichteten Wirtschafts- und Währungspolitik. Bei freier Austauschbarkeit der Waehrungen wird das Z. über die -» Zinsarbitrage tendenziell wieder abgebaut.



Zinsgut, im MA. das von einem Grundherrn abhängige, zu dinglicher Leihe ausgegebene Bauerngut. Später erstarkte die Rechtsstellung des Inhabers vielfach zu Untereigentum oder zu freiem Eigen, auf dem eine bloße Reallast ruhte.


Zinshypothek, eine -* Hypothek, die im Unterschied zur Amortisationshypothek für eine bestimmte Anzahl von Jahren unkündbar gewährt und verzinst wird; die Tilgung ist erst nach der Kündigung möglich.


Zinsleute, latein. Censuales, Censuarii, im M A. Hörige, die an den Grund- oder Schutzherrn Zins zu entrichten oder ihm Dienste zu leisten hatten (^Zins-gut). Das >Zinsertum< brachte oft den Vorteil der Freistellung für gewerbliche Tätigkeit und bildete einen günstigen Übergang ins Stadtbürgertum.


Zinsli, Paul, Mundartenforscher, * Chur 30. 4. 1906, seit 1946 Prof. in Bern.


Werke. Grund u. Grat (1937, 21945); Waiser Volkstum in der Schweiz (1968). - Hg.: Sprachleben der Schweiz. Sprachwissenschaft, Namenforschung, Volkskunde (1963).


Zinsliberalisierung, die Aufhebung der staatlich festgesetzten Höchstsätze für Soll- und Habenzinsen der Kreditinstitute zum 1. 4. 1967. Seitdem richtet sich die Zinsbildung weitgehend nach dem freien Spiel der Marktkräfte. Allerdings üben die wirtschaftspolit. Instanzen einen bestimmenden Einfluß auf das allgemeine Zinsniveau aus (-»Zinspolitik, -» Zinsverordnung).


Zinspolitik, 1) alle Maßnahmen zur Herstellung eines gewünschten Zinsniveaus auf den Geld- und Kapitalmärkten einer Volkswirtschaft. Wichtigster Träger der Z. ist die Notenbank. Über die Beeinflussung des Geld- und Kreditvolumens mit Hilfe von Z. und -^Kreditpolitik soll die gesamtwirtschaftl. Nachfrage im Hinblick auf bestimmte Ziele (Vollbeschäftigung, Preisniveaustabilität, außenwirtschaftl. Oleichgewicht, stetiges und angemessenes Wachstum) gesteuert werden. Zur Z. gehören im wesentlichen die Diskontpolitik (-» Diskont), die -» Mindestreservenpolitik und die -» Offen-Markt-Politik.

2) Z. der Kreditinstitute: das Verhalten der Kreditinstitute bei der Festlegung der Zinssätze für Einlagen, eigene Schuldverschreibungen und Kredite.



Zinsrechnung, eine erweiterte Prozentrechnung (-» Prozent), da als weitere Größe die Zeitdauer des Zinslaufs berücksichtigt werden muß.


Zinsformel

Zinsen = (Kapital x Zinsfuß x Zinstage) / 100*360  = ((Kapital x Zinstage) /100) / (360 / Zinsfuß)  = Zinszahl / Zinsdivisor

Beispiel: Ein Kapital von 1250 DM ist mit 6% 120Tage zu verzinsen:
Die Zinszahl beträgt  (1250 x 120 ) / 100 = 1500
Der Zinsdivisor beträgt 360 / 6 = 60, so daß die Zinsen 1500 / 60 = 25 DM ausmachen.


Zinssatz, Zinsfuß, die in einem Hundertsatz des Kapitals ausgedrückte Höhe der Zinsen (Nominal-Z.). Unter Real-Z. versteht man dagegen den um die Rate der Geldwertänderung bereinigten, vom Nominal-Z. abweichenden Z. Falls nichts anderes vereinbart, bezieht sich der Z. auf ein Jahr.

Zinsschein, Zinsbogen, Zinskupon, -» Kupon.

Zinssenkung, Zinskonversion, Konversion 2).


Zinsspanne, in der Bankkalkulation die Differenz aus durchschnittl. Sollzins im Aktivgeschäft und durchschnittl. Habenzins im Passivgeschäft (Brutto-Z). Zur Ermittlung der Z. werden Zinsertrag und Zinsaufwand einer Periode in Prozent der durchschnittl. Bilanz-......


Zion, Sion, vorisraelit. Name des ältesten Teils von Jerusalem, des SO-Hügels, durch seine steilen Hänge und die Beherrschung der an seinem Ostfuß entspringenden Siloah-Quelle (heute: Marienquelle) eine starke Festung, die David von den Jebusitern eroberte (2. Sam. 5, 6ff.)- Mit der Ausdehnung der Stadt nach N durch den Tempel- und Palastbau Salomos ging der Name auf den Tempelberg (heute: Haram esch-Scherif) über, so in den prophet. und poet. Schriften des A. T. (Psalmen, Klagelieder); hier wird er auf ganz Jerusalem als Gottesstadt übertragen (Jes. 60, 14; PS. 48, 2f.) und schließlich als Ort des endzeitl. Heils gedeutet (Jes. 19,14f.;Joel3, 17; Sacharja2, 10; 8, 3; Hebr. 12, 22 und Offb. Joh. 14, 1). Erst seit heilenist. Zeit gilt der höher gelegene, vorher unbesiedelte SW-Hügel, das Zentrum des frühchristl. Jerusalem, als Z. Hier vermutet die Lokaltradition das Grab Davids und die Stätte des Abendmahls.

Tochter Z.s, poet. Bezeichnung der personifiziert gedachten Stadt Jerusalem (Jes. l, 8 u. ö.); Töchter Z.s, d'e Einwohnerinnen von Jerusalem (Jes. 3, 16 u. ö.).

G. DALMAN: Jerusalem u. sein Gelände (1930); J. J. SIMONS: Jerusalem in the Old Testament (Leiden 1952); J. SCHREINER: ?|on - Jerusalem, Jahwes Königssitz (1963); C. KOPP: Die ™. blatten der Evangelien (21964); G. WANKE: Die Zionstradi-uon der Korachiten (1966); F. STOLZ: Strukturen u. Figuren "n Kult von Jerusalem (1970).


Zionismus, die Bewegung des Judentums zur Rück-fuehrurig aller Juden in das >Land lsrael< mit dem religioes-polit. Mittelpunkt Zion, d. h. Jerusalem. Aus der messian. Zions-Sehnsucht der mittelalterl. Juden war damit eine polit. Bewegung entstanden. Die Voraussetzungen hierzu waren in der 2. Hälfte des 19. Jahrh. gegeben, im osteurop. Judentum mit der Aufklärung (Haskala), in den Verein. Staaten mit der wachsenden polit. Bedeutung der Juden. Der Z. selbst konnte sich zudem angesichts des -» Antisemitismus als notwendige Reaktion auf die mißglückte Emanzipation verstehen.

ZWI HIRSCH KALISCHER gilt als Vorläufer des reli-giösen Z.; seiner Forderung einer jüd. Kolonisation Palästinas schloß sich 1862 MOSES HESS (Heß 6) an. Unter dem Eindruck der russ. Pogrome, bes. von 1881, forderte der jüd. Arzt L. PINSKER in Odessa eine sichere Heimat der Juden in eigenem Land. Unter seiner Leitung brachte das Komitee des >Chibbat Zion< (Liebe zu Zion) 1882-94 rd. 25000 Juden nach Palästina. Von diesem prakt. Z. grenzte sich der Kultur-Z. des ACHAD HAAN (>ein Mann aus dem Volke<, eigentlich ASCHER GINZBERG) ab: Von einem geistigen Zentrum in Palästina müsse die Erneuerung des Judentums ausgehen. Unabhängig von Pinsker begründete Th. Herzl unter dem Eindruck der Dreyfus-Affäre den polit. Z. und gab ihm mit dem 1. Zionist. Weltkongreß (1897 in Basel) eine feste Form. Zunächst plante er eine jüd. Siedlung in Uganda, dies wurde jedoch 1903 in Basel abgelehnt. Im polit. Z. befehdeten sich in der Folge bürgerl. und Sozialist. Parteien. Ch. Weizmann einte schließlich den prakt. mit dem geistigen und kulturellen Z. im synthetischen Z.<. Bes. unter seinem Einfluß sagte die >Balfour-Declaration< (Balfour) den Juden eine Heimstätte in Palästina zu. - Seit den russ. Pogromen von 1905 hatte inzwischen erneut eine starke jüd. Einwanderung nach Palästina eingesetzt. 1908 übernahm in Jaffa ARTHUR RUPPIN das ein Jahr zuvor vom 8. Zionistenkongreß beschlossene Palästinaamt; er war Urheber und Förderer der Kibbuz-Bewegung (-»-Kib-buz). In der Auseinandersetzung um eine nationale Sprache setzte sich 1913 die Hebräische Sprache durch.

Die weitere polit. Entwicklung, die 1948 zur Gründung des Staates Israel in Palästina (Palästina, Britisches Mandat) führte, wurde von dem (in der Sache bis in die Gegenwart dauernden) Gegensatz zwischen Weizmann und W. JABOTINSKY bestimmt. Suchte jener auch den arab. Forderungen entgegenzukommen, so verlangte dieser die Rückkehr zum polit. Z. Herzls und gründete deshalb 1923 die Union der Zionisten-Revisionisten. Sein Ziel waren die histor. Grenzen Palästinas unter Einschluß des Ostjordanlandes. Sein polit. Erbe vertritt in der 8. Knesset Israels (1974) der Likud-Block unter MENACHEM BEGIN. -Zwischen den beiden Weltkriegen fand der religiöse Z. in M. Buber eine eigene Prägung. Am Ende dieser Zeit suchte Großbritannien noch die jüd. Einwanderung nach Palästina einzuschränken. Dorthin hatte sich jedoch schon der Schwerpunkt des Z. verlagert, sein aktivist. Flügel gruppierte sich um D. Ben Gurion, den Leiter der Palästina-Exekutive. Nach der Ausrufung des Staates Israel bestand die zionist. Organisationweiter. N.Goldmann 2) bemühte sich, dem Z. durch Förderungeinerjüdisch-nationalenErziehung auch in der Diaspora einen neuen Sinn zu geben.

A. BÖHM: Die Zionist. Bewegung, 2 Bde. (1935); W. JABOTINSKY: Der Judenstaat (1938); R. LICHTHEIM: Die Gesch. des dt. Z. (1954); ders.: Rückkehr (1970); J. BLOCH: Judentum in der Krise. Emanzipation, Sozialismus, Z. (1966); ders.: Selbstbehauptung. Zionist. Aufsätze (1972); H. J. SCHOEPS : Z. (1973).


internationaler Kapitalverkehr, die Gesamtheit aller nicht unmittelbar durch den Waren- und Dienstleistungsverkehr bedingten finanziellen Transaktionen zwischen den Ländern; in der makroÖkonom. Betrachtungsweise : die Kapitalströme, die zwischen den Ländern fließen. Das internationale Kapital läßt sich aufgliedern in kurz-, mittel- und langfristige Finanzierungsmittel, wobei dem langfristigen Kapital, bei dessen Bewegungen es sich um Direkt- oder Portefeuille-Investitionen handelt (Kapitalbewegungen), besondere Bedeutung zukommt. Durch Kapitalausfuhr des Inlandes erhält das Ausland die Möglichkeit zum Erwerb von Gütern und Dienstleistungen im Inland und in anderen Ländern. - Spekulative kurz-und mittelfristige Kapitalbewegungen werden gelegentlich als >vagabundierendes< Auslandskapital bezeichnet und können eine Gefahr für die Stabilität einer Währung werden (importierte Inflation). -Eine Grundvoraussetzung für einen flexiblen und breiten i. K., der den Produktionsfaktor Kapital seiner produktivsten Verwendung zufließen läßt, ist die freie Austauschbarkeit der Währungen untereinander (-> Konvertierbarkeit). Beschränkung findet der i. K. durch Devisenbewirtschaftungssysteme, die die automatisch wirkende, ausgleichende Bereitstellungsfunktion der Devisen- und Kapitalmärkte weitgehend ausschalten.



Internationaler Währungsfonds, IWF, engl. International Monetary Fund (IFM), errichtet am 27. 12. 1945 auf der Grundlage des Abkommens der Konferenz von Bretton Woods zur Neuordnung des Weltwährungssystems nach dem zweiten Weltkrieg durch Fixierung der Wechselkurse (Gold/Dollar-Paritäten), wobei der US-$ und das engl. £ Reserve-und Leitwährungen wurden Ziele des IWF: Förderung der Zusammenarbeit in der internat Währungspolitik und der Stabilität der Waehrungen Erleichterung eines gleichgewichtigen Wachstums des Welthandels, Aufrechterhaltung geordneter Währungsbeziehungen zwischen den Mitgliedern, - Verhinderung von Wahrungsabwertungen aus Wettbewerbsgründen, Errichtung eines multilateralen Zahlungssystems für laufende Transaktionen zwischen den Mitgliedern, Beseitigung von Devisenbeschränkungen, Unterstützung der Mitglieder bei der Behebung von Zahlungsbilanzungleichgewichten durch Bereitstellung von Fondsmitteln zur Vermeidung von Restriktionen im internationalen Zahlungsverkehr. Der IWF begann seine Tätigkeit am 1. 3. 1947 nach Festsetzung der Gold/Dollar-Paritäten von 32 Mitgliedstaaten im Dez. 1946; im Febr. 1969 sind es 111 Mitgl. (ohne Ostblockstaaten), die Bundesrep. Dtl. seit 14. 8. 1952. Die Mittel des Fonds werden aus den Beiträgen (Quoten) der Mitglieder gespeist; die Währungsreserven (Generalkonto) im Gegenwert von 21,2 Mrd. US-$ (Quote der Bundesrep. Dtl.: l ,2 Mrd. US-$, Stimmenanteil: 5,66%; Österreich: 175 Mill. US-$, Stimmenanteil: 0,83 %) müssen in Gold (25 %) und in den jeweiligen Währungen der Mitgliedsländer (75 %) entrichtet werden. - Die Währungsparitäten wurden als feste (gegenüber Gold-$ fixierte) Wechselkurse mit Schwankungsbreiten von je l % nach oben und unten festgelegt (Interventionspunkte). Die nationalen Notenbanken sind bei größeren Schwankungen zur Kursstützung verpflichtet. Fallweise Paritätsänderungen Aufwertungen und Abwertungen) von insgesamt mehr als 10% müssen vom IWF vorher genehmigt werden. Für geringere Kursänderungen besteht lediglich Meldepflicht.
Organe des IWF sind der Gouverneursrat (Board of Governors), bei dem alle Befugnisse liegen, und der Rat der Exekutivdirektoren (Board of Executive Directors) der die eigentliche Geschäftsführung übernommen hat und von einem Geschäftsführenden Direktor (Managing Director) geleitet wird.

FINANZTRANSAKTIONEN DES IWF

1) Verkauf von Devisen an Mitgliedsländer (Ziehungsrechte): Aus den Währungsreserven können die Mitglieder auf Antrag Devisen anderer Mitgliedstaaten gegen Zahlung in Landeswährung kaufen. Diese Ziehungen sollen in der Regel 25% innerhalb von 12 Monaten und insgesamt 200% der Quote, abzüglich des in Landeswährung einbezahlten Teiles der Quote, nicht übersteigen (d. h. bei 75 % in Landeswährung einbezahlter Quote dürfen insgesamt bis zu 125% der Quote Ziehungsrechte in Anspruch genommen werden). - Seit 1963 räumt der Fonds den vorwiegend nur rohstofferzeugenden Mitgliedstaaten zusätzl.Ziehungsrechte ein in Höhe von 25%, um diesen Ländern auch bei schwankenden Deviseneinnahmen eine kontin uier-liehe Entwicklungspolitik zu ermöglichen. Seit Bestehen des IWF wurden Ziehungen im Gegenwert von 17 5 Mrd. US-$ beansprucht; davon sind 4,8 Mrd. US-$ noch nicht zurückgezahlt. - Zur Ergänzung der bestehenden Währungsreserven einigten sich die IWF-Mitgliedstaaten 1967, Sonderziehungsrechte (Special Drawing Rights, SDR) neben den bereits bestehenden Ziehunngsrechten zu schaffen, um die internat. Liquiditaet im Falle von Zahlungsbilanzdefiziten oder Verlusten an Reservewährungen zu sichern. Die SDR stellen eine Kreditgewährung dar, die zum Ankauf einer konvertierbaren Währung berechtigt und über ein Sonderkonto abgewickelt wird. Jedes Mitglied ist verpflichtet, SDR bis zum zweifachen Betrag seiner eigenen Zuteilung zu übernehmen, die nach dem prozentualen Stimmenanteil im Generalkonto verteilt werden. Die in Anspruch genommenen SDR müssen nach einer bestimmten Zeit wieder zurückerworben (reconstitution) werden, ihre Verwendung ist nicht an wirtschaftspolitische Auflagen gebunden. Sie werden vom IWL mit einer Goldwertgarantie versehen und verzinst. Die Hoehe der Sonderziehunsrechte (als erste Tranche waren ein bis zwei Mrd. US-$ in Aussicht genommen, Anfang 1969 haben die Verein. Staaten jedoch 4 Mrd. US-$ für das erste Jahr und je 2 Mrd. US-$ für die folgenden 4 Janre der ersten Aktivierungsperiode vorgeschlagen) bedarf der Zustimmung von mindestens 85% der Stimmen aller Mitglieder. Die EWG-Staaten besitzen mit einem Stimmenanteil von 16 3% eine Sperrminorität. Das Abkommen über die SDR tritt in Kraft, sobald es von 67 IWF-Mitgliedern mit zusammen 80% der Gesamtstimmen ratifiziert worden ist. Ende März 1969 hatten 42 Mitgliedstaaten (darunter die Bundesrep. Dtl.) zugestimmt.

2) Gewährung von Standby-Krediten: Seit 1952 gewährt der IWF, kurzfristige Kredite (6-12 Monate, Verlängerung möglich) zur Abwehr oder Beseitigung von Zahlungsbilanzungleichgewichten. Zahlreiche Länder haben solche Kredite erhalten, darunter auch Frankreich und Großbritannien. 3) Anfang 1962 verpflichteten sich die zehn wichtigsten Industrienationen (^Zehner-Club) auf Anregung des IWF, in den "Allgemeinen Kreditvereinbarungen" (General Arrangements to Borrow) unter bestimmten Bedingungen Kreditbeträge von insgesamt 6 Mrd. US-$ zur Stärkung der Fondsmittel bereitzustellen, die im Gegensatz zu den Fondskrediten auch zum Ausgleich von Defizitsalden im Kapitalverkehr verwendet werden können. Diese Kredite haben vor allem bei spekulativen Angriffen gegen das Pfund-Sterling eine große Bedeutung erlangt.

BEDEUTUNG DES IWF

Zur Ordnung des Weltwährungssystems, des internationalen Zahlungs- und Kapitalverkehrs, der Zahlungsbilanzen der Mitgliedsländer sowie zur verbesserten Abwicklung des Welthandels hat der IWF besonders in den ersten Nachkriegsjahren einen bedeutenden Beitrag geleistet. Allerdings war er in den letzten Jahren immer weniger in derLage, Zahlungsbilanzungleichgewichte einzelner Länder zu verhindern und eine dem ständig wachsenden Welthandelsvolumen angemessene internationale Liquidität bereitzustellen. Daher waren zunehmende internationale Kredite der Zentralbanken notwendig (Swap-Kredit-Vereinbarungen zwischen den Notenbanken, die inzwischen einen Umfang von 10 Mrd. US-$ erreicht haben, Roosa Bonds, Kredite an IWF im Rahmen der allgemeinen Kreditvereinbarungen, Einführung der Sonderziehungsrechte). Es gab mehrere Reformvorschläge, z.B. >Triffin-Plan<, >Bernstein-Plan<, >Jacobsson-Plan<. (Währung)

O. VEIT: Grundriß der Währungspolitik (21961); H. JOER-GES u. G. SCHLEIMINGER: I. W., Weltbank, IDA, IFC (1965); H. LIPFERT: Einführung in die Währungspolitik (31967); R. TRIFFIN: Wegweiser vom Währungswirrwarr (1967); J.-D. KRAMER: Die Rechtsnatur der Geschäfte des I. W. (1967).

Veröffentlichungen. Annual Report of the Executive Directors; Balance of Payments Yearbook; Internat. Financial News Survey (wöchentl.); Internat. Financial Statistics; Staff Papers.


internationaler Zahlungsverkehr, die Gesamtheit aller Zahlungstransaktionen (Zahlungseingänge und Zahlungsausgänge) im Zusammenhang mit dem Kapital-, Güter- und Dienstleistungsverkehr mit dem Ausland. Zahlungen erfolgen in Devisen (Fremdwährungen), insbes. in den Leit- und Reservewährungen (US-$ und Pfund Sterling), seltener in Gold, wenn der Devisenbestand nicht ausreicht. Man unterscheidet im i. Z. zwei Systeme: 1) das System des freien Devisen-verkehrs, das freie Konvertierbarkeit der einzelnen Währungen gegeneinander voraussetzt; 2) das der Devisenbewirtschaftung (Devisen).



internationale Sozialabkommen, zwischen-staatl. Verträge oder überstaatl. Regelungen zur Erleichterung der Wanderung der Arbeitnehmer über die Staatsgrenzen hinaus. Sie betreffen insbes. die Arbeitsaufnahme und Beschäftigung sowie die Gewährung von Leistungen der sozialen Sicherheit (Zusammenrechnung von Versicherungszeiten, Zahlung von Renten an Berechtigte in anderen Vertragsstaaten, Leistungshilfe in der gesetzl. Kranken- und Unfallversicherung, Zahlung von Familienbeihilfen auch für Kinder, die in einem anderen Vertragsstaat wohnen u. a.). - Derartige Abkommen bestanden bereits vor dem ersten Weltkrieg. Ihre Zahl hat sich nach dem ersten und bes. nach dem zweiten Weltkrieg vervielfacht mit der Tendenz, die zweiseitigen durch mehrseitige Abkommen oder überstaatl. Regelungen mehr und mehr abzulösen.

Die Bundesrep. Dtl. hat zweiseitige Abkommen über Sozialversicherung einschl. Familienbeihilfen mit zahlreichen Staaten abgeschlossen (Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Portugal, der Schweiz, Spanien, der Türkei). Mit den Verein. Staaten besteht ein Freundschafts-, Handelsund Schiffahrtsvertrag. Mit einer Reihe von Staaten wurden Vereinbarungen über die Anwerbung und Vermittlung von Arbeitskräften (Gastarbeiter) sowie über den Austausch von jüngeren Arbeitnehmern zur Vervollkommnung der Berufs- und Sprachkenntnisse (Gastarbeitnehmer) getroffen. Unter den mehrseitigen Abkommen, die für die Bundesrep. Dtl. gelten, sind die beiden vorläufigen Abkommen des Europarates über die soziale Sicherheit vom 11. 12. 1953 seit 1.9. 1956 sowie die Europäische Sozialcharta vom 18. 10. 1961 seit 26. 2. 1965 in Kraft. Im Rahmen der Westeuropäischen Union wurde ein Übereinkommen ueber Grenzarbeitnehmer sowie über Gastarbeitnehmer am 17. 4. 1950 (für die Bundesrep. Dtl. seit 13. 9. 1960 in Kraft) geschlossen. Weitere mehrseitige Abkommen sind die Abkommen der Anliegerstaaten des Rheins über die soziale Sicherheit der Rheinschiffer vom 27. 7. 1950 (für die Bundesrep. Dtl. in Kraft seit l 6 1953) und über die Arbeitsbedingungen der Rheinschiffer vom 21. 5. 1954 (für die Bundesrep. Dtl. in Kraft seit 1. 12. 1959). Als Mitgliedstaat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sind für die Bundesrep. Dtl. (unter weitgehender Ablösung der bisherigen zwischenstaatl. Abkommen) unmittelbar geltendes überstaatliches Recht die VO. Nr. 38 vom 25.3.1964, ersetzt durch VO. Nr. 1612 vom 15.10.1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft, sowie die VO. Nr. 3 vom 25.9.1958 und Nr.4 vom 3. 12.1958 über die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer mit ergänzenden VO. (u.a. VO. Nr. 36/63 vom 2. 4. 1963 und VO. Nr. 73/63 vom 11. 7. 1963 über die soziale Sicherheit der Grenzgänger und der Saisonarbeiter). - Im Rahmen der Montanunion ist der Beschluß zu Artikel 69 des Gründungsvertrages betr. Freizügigkeit anerkannter Kohle- und Stahlfacharbeiter (Einführung einer Arbeitskarte u. a.) vom 8. 12. 1954 für die Bundesrep. Dtl. seit 1.9. 1957 in Kraft. Als Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation hat die Bundesrep. Dtl. eine größere Zahl von Konventionen ratifiziert oder für verbindlich erklärt, die den ausländ. Arbeitnehmer sozialversicherungsrechtlich dem dt. gleichstellen (u. a. die Übereinkommen Nr. 19 vom 5. 6. 1925 über die Gleichstellung in der Entschädigung bei Betriebsunfällen, Nr. 97 vom 1. 7. 1949 über Wanderarbeitnehmer, Nr. 102 vom 28. 6. 1952 über die Mindestnormen der sozialen Sicherheit). Die Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 118 vom 28. 6. 1962 über die Gleichbehandlung von In- und Ausländern in der sozialen Sicherheit ist noch in der Schwebe.

Ferner ist die Bundesrep. Dtl. dem Europäischen Fürsorgeabkommen vom 11. 12. 1953 beigetreten, das jeden Vertragsstaat zur Gleichbehandlung der Staatsangehörigen der anderen Vertragsstaaten bei den Leistungen der sozialen Fürsorge verpflichtet.

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft • Internationale Sozialpolitik • Sozialpolitik • Sozialversicherung.

E. WICKENHAGEN: Zwischenstaatl. Sozialversicherungsrecht (1958); K. JANTZ : Soziale Sicherheit (1966); H. PLÖGER u. A. WORTMANN: Dt. Sozialversicherungsabkommen mit aus-länd. Staaten (Loseblattslg., 1956 ff.); R. FISCHER: Rechtsvorschriften der Europ. Gemeinschaften und Internat. Verträge, in: Bundesarbeitsblatt, 14 (1963); G. KINTZEL: Internat. Sozialversicherungsrecht, in: RVO. Gesamtkommentar, Loseblattslg., 1960 ff.; Laufende Übersichten über die Internat. Sozialabkommen im >Bulletin< (seit 1967 >Internat. Revue für Soziale Sicherheit) und in den >Berichten< zu den Generalversammlungen (aus gegeb. Anlaß) der Internat. Vereinigung für Soziale Sicherheit (Genf 1950 ff.).


internationale Sozialpolitik, Zusammenarbeit von Staaten und Verbänden auf internationaler Ebene zur Regelung von Fragen der Sozialpolitik. Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrh. forderten Unternehmer und Sozialreformer nicht zuletzt aus Sorge um die Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt ein einheitl. Vorgehen auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes. Die erste von schweizer. Seite angeregte und von der dt. Regierung vorbereitete Internationale Ar-beiterschutzkonferenz fand im März 1890 in Berlin statt, an der 13 europ. Staaten teilnahmen. Um 1900 entstand die "Internationale Vereinigung für gesetzl. Arbeiterschutz" als Bindeglied für alle, die international einen Ausbau der Sozialgesetzgebung erstrebten, Sie organisierte sich in Landessektionen und errichtete in Basel als ständiges Sekretariat das "internationale Arbeitsamt". Die ersten internat. Arbeitsschutzkonventionen wurden 1906 auf einer internat. Konferenz in Bern beschlossen. Sie betrafen u. a. das Verbot der Nachtarbeit der Frauen. Während dieser Zeit entstanden die ersten zweiseitigen Staatsverträge zur Gleichstellung der Staatsangehörigen in der Sozialversicherung. Von besonderer Bedeutung wurde nach dem ersten Weltkrieg die auf Grund des Artikels XIII des Versailler Friedensvertrages errichtete Internationale Arbeitsorganisation als Sondereinrichtung des Völkerbundes, nach dem zweiten Weltkrieg im Rahmen der Vereinten Nationen. Zugleich wurde das Netz der zwischenstaatl. Sozialabkommen immer dichter (Internationale Sozialabkommen). Die nach dem zweiten Weltkrieg neu entstandenen Organisationen wie die Westeuropäische Union, der Europäische Wirtschaftsrat (OEEC), der Europarat nahmen sich auch sozialpolit. Fragen an und förderten durch entsprechende Abkommen insbes. die Gleichbehandlung der Angehörigen der Vertragsstaaten bei der Einreise und Aufnahme der Beschäftigung sowie auf dem Gebiete der sozialen Sicherung. Die nordischen Staaten schlössen ein Abkommen über die Errichtung eines gemeinsamen Arbeitsmarktes (1954) und über soziale Sicherung (1955). - In die neueste Zeit fällt der Beginn einer supranationalem Sozialpolitik. Die in der Montanunion, der Europ. Wirtschaftsgemeinschaft sowie der Europ. Atomgemeinschaft zusammengeschlossenen Mitgliedstaaten haben Hoheitsrechte auf Teilgebieten der Sozialpolitik den neuen Organisationen übertragen, so daß die zuständigen Organe z. T. unmittelbar verbindl. Recht für die Mitgliedstaaten schaffen können.

Neben den Staaten sind die Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer (Gewerkschaften) Träger der i. S. Zur Vertretung ihrer Interessen haben sie sich auf internat. Ebene zusammengeschlossen und sind bestrebt, auf die vorgenannten Organisationen Einfluß zu nehmen. - Die internat. Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Sozialpolitik wird schließlich durch internationale Vereinigungen gefördert, u. a. Internationale Vereinigung für sozialen Fortschritt, Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit, Internationale Gesellschaft für das Recht der Arbeit und der sozialen Sicherheit (Sozialpolitik, Sozialversicherung).

L. E. TROCLET: Legislation sociale internationale (Paris 1952); J. SCHREGLE: Europ. Sozialpolitik (1954); P. HEYDE: I-S. (1960); G. SCHNORR: Das Arbeitsrecht als Gegenstand internat. Rechtssetzung (1960); A. WIECHEC: Internationale und supranationale Sozialpolitik, in: Sozialpolitik in Dtl., 49 (1962); B. HEISE: Sozialpolitik in der Europ. Wirtschaftsgemeinschaft (1966). - Veröffentlichungen des Internat. Arbeitsamts; Bulletin der Internat. Vereinigung für Soziale Sicherheit (Genf 1950 ff., seit 1967 Internat. Revue für Soziale Sicherheit).


Internationales Presse (Institut, abgek. IPI, Sitz: Zürich, gegr. 1951 als private Vereinigung von Publizisten und Verlegern westl. Länder mit dem Ziel, den internationalen Nachrichtenaustausch und die publi-zist. Arbeitsbedingungen zu fördern sowie die Pressefreiheit zu schützen.
Veröffentlichungen. IPI-Report (Zürich 1952 ff.; dt. Ausgabe: IPI-Rundschau, ebd. 1953 ff.);IPI-Survey (ebd. 1953 ff.).
 


Internationales Privatrecht, abgek. IPR, engl. Law of the conflict of laws, französ. Lois de conflit, Grenzrecht, Gesamtheit der Kollisionsnormen, die bestimmen, ob inländ. oder welches ausländ. Recht anzuwenden ist, wenn ein Tatbestand Beziehungen zum Ausland hat, also kein Völkerrecht, sondern dt., engl., französ., Italien, usw. Privatrecht.

PROBLEME

Die Kollisionsnormen der einzelnen Staaten stimmen nicht überein, obwohl die Übereinstimmung höchst erstrebenswert ist. Internationale Abkommen -sowohl Einzelverträge zwischen zwei Staaten als auch Gruppenverträge - versuchen, diesem Ziel näher zu kommen. Einzelverträge, die das Dt. Reich abschloß, betrafen namentl. das Vormundschaftsrecht (Polen 1924, Österreich 1927), das Erbrecht (Estland 1925, Sowjetunion 1925, Österreich 1927, Türkei 1929) und das Eherecht (konsular. Eheschließung: Italien, Sowjetunion, Türkei, Bulgarien). Nach dem zweiten Weltkrieg wurden diese Verträge nur z.T. durch Abkommen der Bundesrep. Dtl. mit den jeweiligen Staaten wieder für anwendbar erklärt (Österreich, Türkei) oder durch neue Verträge ersetzt (konsularischer Vertrag mit der Sowjetunion 1958). Zu den wichtigsten Gruppen vertragen gehören die Haager Abkommen, deren erstes 1896 und deren neuntes 1960 getroffen wurde. Sie betreffen namentlich Ehe, Entmündigung, Vormundschaft, Zivilprozeß, internationalen Warenkauf, jur. Personen, Unterhaltsansprüche der Kinder, Vollstreckung. Zu nennen ist hier auch das Genfer Abkommen v. 28. 7. 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, dem die Bundesrep. Dtl. beigetreten ist (Art. l des Ges. v. 1.9. 1953). Quellen des IPR sind wie im übrigen Privatrecht Gesetz und Gewohnheit. Internationale Abkommen sind nur eine mittelbare Quelle. Erst die Erhebung zu Gesetzen durch einen Vertragsstaat macht sie für dessen Angehörige zu bindendem Recht. Hauptquelle des dt. IPR sind die Art. 7-31 des Einführungs-Ges. zum BGB. (EGBGB.). Außerdem finden sich Kollisionsnormen verstreut in einzelnen Gesetzen, z. B. § 12 Verschollenheits-Ges., Art. 91 ff. Wechsel-Ges., Art. 60 ff. Scheck-Ges. Gewohnheitsrecht hat sich in Dtl. wie in allen anderen Ländern herausgebildet. Von bes. Einfluß sind dabei Rechtsprechung und Gerichtsgebrauch. Die nationalen Gewohnheitsrechte sind erste Stufe für Bildung eines überstaatl. Gewohnheitsrechts. Es wird vorbereitet durch Forschungsgemeinschaften für internationales Recht. Die von ihnen ausgearbeiteten Satzungen üben einen entscheidenden Einfluß auf die Gerichte aus und haben auf dem Gebiet des Seerechts z. T. bereits gewohnheitsrechtl. Kraft in allen Ländern erlangt.

GRUNDSÄTZLICHE LÖSUNGEN

Die Person eines Ausländers und seine Rechtsgeschäfte können entweder dem Recht seines Heimatstaates unterworfen bleiben ( Staatsangehörigkeitsprinzip) oder von dem Recht des Staates abhängig gemacht werden, auf dessen Gebiet sie sich befindet (Gebietshoheitsprinzip). Dieser letzte Grundsatz wird zum erstenmal im 14. Jahrh. durch den Versuch von Bartolus und Baldus durchbrochen, die Gebietshoheit zugunsten der Ausländer durch Aufstellung des Personalstatuts einzuschränken. Hiernach sind für die Beurteilung der rechtl. Verhältnisse maßgebend die die Person begleitenden Sätze ihres Hcimatrechts im Gegensatz zum Realstatut, das für die Rechtsverhältnisse an einer Sache (res) die Gesetze des Ortes maßgeblich sein läßt, an dem sie sich befindet. Allerdings ist das Wort >Personalstatut< doppeldeutig, da sowohl die Anknüpfung an das Heimatrecht (lex patriac) als auch diejenige an den Wohnsitz (lex domicilii) hierunter verstanden werden. Hinzu kommen noch die statuta mixta: Für die Vornahme von Rechtshandlungen und deren Rechtsfolgen sind die Gesetze des Ortes maßgebend, an dem die Handlung vorgenommen wird. Bis ins 19. Jahrh. hinein blieb diese Unterscheidung der Statuten die Grundlage der Kollisionslehre. Eine strenge Scheidung zwischen den Statuten wurde allerdings nicht durchgeführt. Erst F. C. von Savigny stellte für das IPR den Satz auf, daß in der völkerrechtl. Gemeinschaft der miteinander verkehrenden Nationen der Ausländer einen Anspruch darauf habe, daß bei jedem Rechtsverhältnis dasjenige Rechtsgebiet aufgesucht werde, dem dieses Rechtsverhältnis seiner eigentümlichen Natur nach angehöre oder unterworfen sei (Sitzlehre). Praktisch führte diese Lehre in den meisten Fällen zur Anwendung des Wohnsitzrechts. 1851 stellte dann P. MANCINI (Italien) den Grundsatz auf, daß die Staatsangehörigkeit und nicht der Wohnsitz die Rechtsordnung bestimme, die jede Person überallhin begleite.

RECHT DER VERSCHIEDENEN LÄNDER

Verschiedene Rechtsordnungen unterwerfen die Ausländer dem Rechte des Wohnsitzes, so England, die Vereinigten Staaten, Dänemark, die Schweiz (mit vielen Ausnahmen zugunsten des Heimatrechts) und die sudamerikan. Staaten, die den >Vertrag von Montevideo< unterzeichnet haben. Für die Schweizer im Ausland gut das System der Verweisung. Das Bundesgesetz v. 29. 6. 1891 (Art. 28) unterwirft sie der grundsätzl. Entscheidung, die die Rechtsordnung des Aufenthaltsortes über die Losung der Gesetzeskollisionen trifft; es erkennt damit die Anwendung des Territorialrechtes wie die Rueckverweisung auf das Heimatrecht an. Das Staatsangehörigkeitsprinzip gilt in Frankreich und Italien. Für die Bundesrep. DtL ist nach den Vorschriften des EGBGB. Art. 7 ff. grundsätzlich das Recht des Staates maßgebend, dessen Beziehung am wichtigsten erscheint; so steht für die Form des Grunderwerbs das Grundstück im Vordergrund, bezüglich des sachl. Eherechts die Person der Ehegatten. Nach Personenrecht werden beurteilt: die Rechts- und Geschäftsfähigkeit (Art. 7 ff., 13), das Familien- und Erbrecht (Art. 13 ff.): nach Gebietsstatut: das Sachenrecht nach Lage der Sache (Art. 7 Abs. 3, Art. 11 Abs. 2, Art- 28), Vertragsschulden nach dem >Erfüllungsort<, Deliktsschulden nach dem Ort der Tat (Art. 12). Die Form eines Rechtsgeschäfts kann nach dem sachl. Recht oder nach dem Abschluß-ort gewählt werden (Art. 11).

Alte Gesetzgebungen aber schränken die allgemeine Anwendung des Heimatrechts durch zwei Ausnahmen ein:

1) durch die Regel Locus regit actum. Die Form der Rechtsgeschäfte bestimmt sich nach den am Ort ihrer Vornahme gültigen Normen oder läßt diese genügen (vgl. Art. 11 EGBGB.).

2) durch den Vorbehalt der öffentl. Ordnung (ordre public), d. h. die Rücksicht auf die guten Sitten und den Zweck der eigenen Gesetze (vgl. Art. 30 EGBGB.). Für Liegenschaften ist immer das Territorialrecht maßgebend (lex rei sitae).

L. v. BAR: Theorie u. Praxis des IPR. 2 Bde. (1889: E. FRANKENSTEIN: IPR, 4 Bde. (1926-35); A.-G. DE LA PRADELLE u, J.-P. NIBOYET: Repertoire du droit international. 10 Bde. (Paris 1929-31); E. RAUH: The conflict of laws, 3 Bde. (Ann Arbor, Mich-, 1945-50); G. BALLADORE PALLIERI: Diritto internazionale private (Mailand*1950); A.N. MAKAROV: Quellen des IPR.2 Bde. (1953); M. WOLFF: Das IPR Dtl.s. (19541; A-V. DICEY u, J. H. C. MORRIS: The conflict of laws (London 1958); H. BATIFPOL: Traite elementaire de droit international prive (Paris 1959); G. KEGEL; IPR (1960); G. PETERSEN in:NJW, 13(1960).

Zeitschriften: Ztschr. für intemat. Recht (seit 189I) hg.v TH. NIEMEYER; Ztschr. für ausländ. u. internat. Privatrecht, hg v. E.RABEL, nebst Sonderheften (seit 1927); Journal du Droit. International (Paris 1874 ff.), begründet von E. CLUNET; International and Comparative Law Quarterly (London 1952 ff).


Internationales Recht, im engeren Sinn das die Rechtsbeziehungen der Staaten in Frieden und Krieg regelnde und die Rechte und Pflichten der Staaten untereinander bestimmende -» Völkerrecht, dessen Rechtsquellen das Völkergewohnheitsrecht und das Völkervertragsrecht sind. Im neueren Sprachgebrauch beginnt, dem engl. (international law) und französ. (droit international) Vorbild folgend, der Ausdruck I. R. das Wort Völkerrecht (ius gentium) zu verdrängen, weil das Völkerrecht in zunehmendem Maß auch Rechte und Pflichten der Individuen begründet. Im weiteren Sinn bezeichnet I. R. alle Rechtssätze in be-zug auf Verhältnisse, die über das Gebiet eines Staates hinaus wirken, gleichgültig, ob die Rechtssätze auf einer übernationalen oder zwischenstaatl. Rechtsquelle beruhen, d. h. zum Völkerrecht gehören, oder ob sie nationales (staatliches) Recht darstellen, das den Umfang der Anwendung des jeweiligen nationalen Rechts festlegt (Kollisionsrecht, Normengrenzrecht). In diesem zweiten Sinn spricht man von -» Internationalem Privatrecht, internat. -» Strafrecht und internat.-» Verwaltungsrecht, obwohl es sich dabei um nationales Recht handelt, dessen Eigenart nur darin bestem, dass es das für Tatbestände mit Auslandsberührung massgebliche Recht bestimmt. Der Pflege des I. R. widmet sich eine Reihe von Vereinigungen von internat. Bedeutung: 1) das Institut de Droit International, eine 1873 in Gent gegr. Vereinigung von Gelehrten, die sich durch Zuwahl ergänzt. Die Ergebnisse seiner Tagungen und die auf ihnen ausgearbeiteten Vorschläge werden in einem Jahrbuch (Annuaire) veröffentlicht. 2) Die International Law Association, gegr. 1873 in Brüssel, der neben m internat. Rechtsleben beteiligten Juristen auch Kaufleute sowie Persönlichkeiten und Organisationen angehören, die eine Verbesserung der internat. Beziehungen anstreben (Sitz: London, mit zahlreichen regionalen Landesgruppen). Die bereits 1912 entstandene dt. Landesgruppe wurde 1951 als >Dt. Vereinigung für Internationales Recht< neu gegründet. Die Tagungen der International Law Association sind neben dem Völkerrecht besonders dem Internat. Privatrecht, dem Wirtschafts- und Verkehrsrecht und der Rechtsvereinheitlichung gewidmet. Die wesentl. Ergebnisse werden in Reports veröffentlicht. 3) Die Academie de Droit International, gegr. 1923 mit dem Sitz im Friedenspalast in Den Haag und von der Carnegie-Stiftung unterhalten, veranstaltet jährlich Vorlesungen über I. R., die im >Recueil des Cours< der Akademie veröffentlicht werden. 4) Die Dt. Gesellschaft für Völkerrecht besteht in Erneuerung der gleichnamigen, 1917 gegr. Vereinigung als Zusammenschluß der am Völkerrecht und am Internat. Privatrecht interessierten Juristen; die Verhandlungen der alle zwei Jahre stattfindenden Tagungen werden in Berichten veröffentlicht.

Internationale Vereinigung für Entwicklungshilfe, engl. International Development Association (IDA), seit dem 8.11.1960 tätige, rechtlich selbständige, in Personalunion geleitete Tochterorganisation der -» Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (Weltbank), die an Entwicklungsländer Darlehen zu >unkonventionelleren< Bedingungen als die Weltbank vergibt. Die IDA kreditiert Projekte, die einen bedeutenden Beitrag zur Hebung der Produktivität und des Lebensstandards leisten (z. B. Straßenbau, landwirtschaftl. Bewässerung). Sie dient gleichzeitig als Koordinierungsstelle der multilateralen Entwicklungshilfe der westl. Industriestaaten.

Die der IDA zur Verfügung stehenden Finanzierungsmittel (2,4 Mrd. US-$) werden im wesentlichen von den 18 Mitgliedern der Gruppe I, deren Beiträge in voll konvertierbarer Währung einbezahlt werden müssen (insges. 1,52 Mrd., davon von der Bundesrep. Dtl. 125,56 MilL, Österreich: 10,08 Mill. US-$), und durch Zuweisungen der Weltbank (bisher 210 Mill. US-$) aufgebracht. Die 80 Mitglieder der Gruppe II haben dagegen ein Recht auf Kreditgewährung. Seit ihrer Gründung hat die IDA meist zinslose Kreditzusagen über 1,79 Mrd. US-$ erteilt. 1967/68 finanzierte sie 18 Vorhaben mit 106,6 Mill. US-$ (davon entfielen 70% auf Afrika, 21,5% auf Asien und 8,5% auf Mittel- und Südamerika).


Internationale Vereinigung für sozialen Fortschritt, faßte die Bestrebungen der um die Jahrhundertwende gegr. internat. Vereinigungen: >Internat. ständiges Komitee für Sozialversicherung< (1889), internationale Vereinigung für gesetzl. Arbeiterschutz< (1900), internationale Vereinigung zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit< (1910) zusammen; am 24.9.1925 in Bern konstituiert. Es bestanden 26 nationale Sektionen. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Vereinigung 1952 neu gegründet (Sitz: Basel) mit 12 nationalen Sektionen, darunter als westdt. Sektion die -» Gesellschaft für Sozialen Fortschritt. Alle drei Jahre findet ein Kongreß statt (1961 Berlin, 1964 Bordeaux, 1967 Luxemburg).


Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit, abgek. IVSS, 1927 in Brüssel gegr., bezweckt sie, international beim Schutz, bei der Förderung und beim Ausbau der sozialen Sicherheit in der ganzen Welt mitzuwirken. Mitglieder sind Regierungsbehörden, Zentralanstalten und Spitzenverbände von Anstalten und Hilfsvereinen auf Gegenseitigkeit, die Träger aller oder einzelner Zweige der sozialen Sicherheit sind (1969: 223 Vollmitgl. und 51 assoziierte Mitgl. mit mehr als 500 Mill. Versicherten in 95 Ländern). Das Generalsekretariat befindet sich in Genf; alle drei Jahre tagt die Generalversammlung (1967 in Leningrad).


Veröffentlichungen. Internat. Revue für Soz. Sicherheit (seit 1950, bis 1966 Bulletin der IVSS; vierteljährlich); Internat. Zeitschrift für versicherungsmathemat. und Statist. Probleme der Sozialen Sicherheit (Genf 1958 ff., jährlich); Weltbibliographie der Sozialen Sicherheit (Genf 1963 ff., vierteljährl.) u.a.


Inter Nationes e. V. [lat. >zwischen den Völkern<], gemeinnützige dt. Vereinigung zur Förderung zwi-schenstaatl. Beziehungen in Bad Godesberg, gegr. 10.10.1952. I. N. erledigt die aus dem Ausland eingehenden Informationswünsche über polit., wirtschaftl. und kulturelle Verhältnisse in der Bundesrep. Dtl., stellt Kontakte zwischen Deutschen und Ausländern, auch in den Ostblockstaaten, her, betreut die von der Bundesregierung eingeladenen ausländ. Besucher, stattet die Bibliotheken dt. Kulturinstitute im Ausland aus, fördert dt. Ausstellungen und erteilt den Preis /. N. (10000 DM). Finanzielle Mittel erhält I. N. überwiegend von der öffentl. Hand. 1968 standen rd. 30 Mill. DM zur Verfügung.

Veröffentlichungen. Dt. Kulturnachrichten (monatl. seit 1958 in Dt., Engl., Französ., Italien., Portug., Span.); Dt. Musikleben (seit 1955 in Dt. und Engl.); Presse- u. Bilderdienste, Tonbandkataloge (seit 1953).


internes Staatengemeinschaftsrecht, die von Organen einer internat. Organisation kraft völkerrechtlicher Ermächtigung erlassenen Rechtssätze, durch die das Verhalten der dieser Organisation unterstellten Personen unmittelbar geregelt wird, z. B. das Beamtenrecht der Verein. Nationen.


Internationaler Bund Freier Gewerkschaften, ab gek. IBFG, wurde 1949 in London von den wichtigsten nichtkommunist. gewerkschaftl. Landeszentralen gegründet, die aus dem -^Weltgewerkschaftsbund ausgeschieden waren. Ihm gehören (1968) 122 Organisationen in 94 Ländern mit mehr als 63 Mill. Mitgl. an; Sitz: Brüssel.

Oberstes Organ ist der Weltkongreß, der alle drei Jahre zusammentritt (letzter Kongreß in Brüssel 1969). Der Vorstand tritt zweimal jährlich zusammen. Seine 28 Mitglieder, neben dem Präsidenten und dem Generalsekretär, werden auf regionaler Grundlage gewählt. Der DGB ist seit Jahren Inhaber eines der sechs Sitze für Kontinentaleuropa.

Im IBFG haben sich die Gewerkschaftsbewegungen der Industrieländer und der jungen Staaten sowie der Kolonialgebiete zu einer >Internationale< zusammengefunden; der IBFG fördert das Wachstum der Gewerkschaften in den Entwicklungsländern. In den ersten zehn Jahren stieg die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder in den jungen Staaten, bes. in Afrika, an. In den sechziger Jahren trat in Afrika ein gewisser Rückgang ein, weil die Machthaber der Einparteienstaaten die Entwicklung konkurrierender Machtgruppen zu verhindern suchten. Einige der afrikan. Landeszentralen wurden von ihren Regierungen gezwungen, aus dem IBFG auszuscheiden.

Regionalorganisationen bestehen für den amerikan. Kontinent (ORIT, Sitz in Mexiko), für Asien (Sitz in Neu-Delhi) und für Europa (Sitz in Brüssel); daneben besteht ein eigenes Sekretariat für die EWG-Staaten (Sitz in Brüssel). Ein Sekretariat für die EFTA-Staaten  wird aufgebaut (1969). Zweigbüros der europ. Regionalorganisation bestehen in Genf und Paris, für die interamerikan. Regionalorganisation ORIT in New York und auf Trinidad. Vertreter des IBFG wirken in afrikan. Staaten, in Asien (Beirut, Tokio, Djakarta) und in mehreren Hauptstädten lateinamerikan. Staaten. - Neben seiner Organisierungsarbeit in den Entwicklungsländern leistet der Bund eine umfassende Bildungsarbeit, er unterhält Internatsschulen fuer Afrika (Kampala), Asien (Neu-Delhi) und Amerika (Mexiko). Er arbeitet auch mit den Verein. Nationen und ihren Sonderorganisationen (insbes. der Internat. Arbeitsorganisation, der UNESCO, der FAO) zusammen zur Förderung einer fortschrittl. Wirtschafts-und Sozialpolitik und zur Verteidigung der Menschenrechte und der Gewerkschaftsfreiheit.

Die amerikan. Gewerkschaften erklärten am 28.2. 1969 ohne Angabe von Gruenden ihren Austritt aus dem IBFG. Dies wirkt sich in der schwächeren Position des IBFG in der Entwickfangshilfe und vor allem finanziell ans; es entfallen 18% der Einnahmen des IBFG (360 000 US-$).

Mitglieder aus den EWG-Staaten gründeten am 23. 4. 1969 den >Europäischen Bund der freien Gewerkschafien in der Gemeinschaft<; ihm gehören an: DGB (Bundesrep. Dtl.), F. O. (Frankreich), CiSL und UIL (Italien), MVV (Niederlande), FTGB (Belgien), CGT (Laxemburg); er umfaßt 12 Mill Arbeitnehmer. Organe sind der Kongreß (tagt alle drei Jahre), die Jahresversammlung, der Exekutiv-Ausschuß und das europ. Gewerkschaftssekretariat.

Der IBFG gibt ein Monatsorgan >DK freie Gewerkschaftswelt<, einen wöchentlich erscheinenden Presse-und Rundfunkdienst, eine Vierteljahresschrift >Die wirtschaftl. und soziale Übersicht< sowie Veröffentlichungen. ueber wirtschaftl, soziale und gewerkschaftl. Themen heraus.


Internationaler Frauenbund, engl. International Alliance of Women (IAW), 1904 in Berlin als >International Women Suffrage Alliance< gegr. Frauenorganisation; Sitz: Washington; heutiger Name seit 1926. Es bestehen über 50 Verbände m allen Erdteilen. Mitarbeit wird in der UNO und der UNESCO geleistet. (-» Frauenverbände)

Organ. International Women's News (London 1906 ff.)


Internationaler Frauenrat, abgek. IFR, engl. International Council of Women (ICW), die internat. Dachorganisation von Frauenverbänden, 1888 in den Verein. Staaten gegr., Sitz: Paris. In der Bundesrep Dtl. gehört der >Dt. Frauenring< zum IFR. Der IFR arbeitet in internat. Organisationen (UNO, UNESCO FAO, UNICEF) mit. (-» Frauenverbände)

Organ, dt. Ausgabe: Nachr. des Internat. Frauenbundes (Paris 1922 ff.).
 



Internationaler Genossenschaftsbund, abgek. IGB, engl. International Cooperative Alliance (ICA), Spitzenorganisation der Genossenschaftsverbände einzelner Länder, gegr. 1895, Sitz: London.

Organe: der Internat. Genossenschaftskongreß, der Zentralvorstand und der >Leitende Ausschuß<; daneben bestehen >Beratende Ausschüsse<.

Die Aufgaben des IGB umfassen insbes. die Förderung der wirtschaftl. Beziehungen zwischen den angeschlossenen Organisationen. Ferner arbeitet er eng mit dem Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen u. a. internat. Organisationen zusammen.

Während der IGB bis in die dreißiger Jahre eine in erster Linie konsumgenossenschaftlich ausgerichtete, überwiegend auf Europa beschränkte Vereinigung war, erweiterte sich sein Mitgliederkreis bes. nach dem zweiten Weltkrieg zunehmend auch auf Genossenschaften anderer Sparten und Kontinente. Der IGB umfasst 142 Organisationen aus 58 Ländern (1967); ihnen gehören 575 546 Genossenschaften mit 215,5 Mill. Mitgl. (Europa: 119 Mill., Afrika: 1,1 Mill., Ozeanien: 0,8 Mill., Amerika: 28 Mill., Asien: 66,6 Mill.) an.

Genossenschaften des IGB
Art ................ Anzahl ...... Mitglieder
Konsum-G. .......... 53 724 ...... 107 331 237
Landwirtschaftl.G.  119 956 ....... 23 509 928
Fischerei-G. ........10 003 ........ l 080 698
Arbeiterproduktiv-
u. Handwerker-G. ... 63 215 ........ 4 875 839
Wohnungsbau-G. ..... 23 627 ........ 4 637 372
Kredit-G. ......... 301 609 ....... 68 144 160
sonstige G. ......... 3 412 ........ 5 908 301
Insgesamt ......... 575 546 ...... 215 487 595

Von den dt. Genossenschaftsverbänden gehören der -» Zentralverband dt. Konsumgenossenschaften e.V., Hamburg, und der -» Gesamtverband gemeinnütziger Wohnungsunternehmen, Köln, dem IGB an; von den österreichischen der >Konsumverband< Zentralverband der Österreich. Konsumgenossenschaften, Wien, der "Österreich. Verband gemeinnütziger Bau-, Woh-nungs- und Siedlungsvereinigungen", Wien, und der "Österreich. Raiffeisenverband", Wien; von den schweizer, der >Verband schweizer. Konsumvereine (VSK)<, Basel, und der >Verband ostschweizer. land-wirtschaftl. Genossenschaften (VOLG)<, Winterthur.

Organ, dt. Ausg.: Internat, genossenschaftl. Rundschau (London 1908 ff.).


Internationaler Gerichtshof, ab gek. IGH, fran-zös. Cour Internationale de Justice (C. I. J.), engl. International Court of Justice, durch die Satzung der Verein. Nationen (Art. 92ff.) errichtetes Gericht mit dem Sitz in Den Haag, dem als >Hauptorgan der Rechtsprechung der Verein. Nationem umfassende Aufgaben der -» internationalen Gerichtsbarkeit zugewiesen sind (Statut vom 26.6.1945; Verfahrensordnung vom 6.5.1946). Der IGH ist an die Stelle des frueheren -» Ständigen Internationalen Gerichtshofs getreten; seine konstituierende Sitzung fand am 6. 4. 1946 statt.

Der IGH besteht aus 15 Richtern, die von der Generalversammlung und vom Sicherheitsrat auf neun Jahre gewählt werden; alle drei Jahre wird ein Drittel der Richter neu gewählt. Es finden vor dem Gericht Streitverfahren und Gutachtenverfahren statt. Die Streitsachen werden durch Klageerhebung anhängig gemacht und können alle Fragen der Auslegung und Anwendung des internat. Rechts zum Gegenstand haben. Die Gutachtenverfahren werden durch Antrag jedes Organs oder jeder Organisation, die durch die oder auf Grund der Satzung der Verein. Nationen dazu ermächtigt sind, eingeleitet und können jede Rechtsfrage betreffen. Nur Staaten steht das Recht zu, als Partei vor dem Gerichtshof zu erscheinen. Das Gericht entscheidet zwar mit Stimmenmehrheit, doch kann jeder Richter seine abweichende Meinung oder seine besonderen Gründe in einem Sondervotum (opinion dissidente) kenntlich machen. Es wendet die Rechtssätze und Grundsätze des Völkerrechts an, kann aber mit Zustimmung der Parteien auch nach Treu und Glauben (ex aequo et bono) entscheiden.

Der IGH veröffentlicht seine Rechtssprüche im Recueil des Arrets, Avis Consultatifs et Ordonnances sowie in einer Serie, in der die Verhandlungen wiedergegeben werden; er gibt daneben ein Jahrbuch (An-nuaire) heraus.

Alle Mitgliedstaaten der Verein. Nationen nehmen mit der Mitgliedschaft das Statut des IGH an, und es steht ihnen damit der Zutritt zu diesem Gericht offen. Andere Staaten können dem Statut unter besonderen Bedingungen beitreten. Die Unterwerfung unter die Gerichtsbarkeit des IGH kann durch Vereinbarung oder einseitige Unterwerfungserklärung begründet werden; sie kann allgemein oder für einzelne Streitsachen gelten. Die Unterwerfung kann insbes. in der Weise erfolgen, daß ein am Statut beteiligter Staat erklaert , gegenüber jedem anderen die gleiche Verpflichtung übernehmenden Staat die Gerichtsbarkeit des IGH als obligatorisch anzuerkennen (Fakultativklausel, Art 36 des Statuts). Nur etwa 40 Mitgl. der Vereinten Nationen haben sich bisher der Gerichtsbarkeit des IGH unterworfen.

Zu den bedeutenden Fällen die der IGH bisher entschieden hat, gehoeren die folgenden: britisch-französ. Streit um die Hoheit über die Kanalinseln der Minquiers und Ecrehos (Urteil v. 17.11.1953); Ersatz von im Dieste der Verein. Nationen erlittenen Schäden (Gutachten v. 11.4.1949, ; Status von Suedwestafrika (Gutachten v, 11. 7. 1950).

H- WEHBERG: Der I.G.. (1949); H.-J. SCHLOCHAUER: Artikel >I. G.< in: K. STRUPP u. H.-J. SCHLOCHAUER, Wh. des Völkerrechts, 2 (1961).


internationaler Jugendaustausch umfaßt die Gesamtheit der Aktionen und Beziehungen, die sich aus dem geplanten Zusammentreffen von Jugendlichen verschiedener Nationalitäten ergeben. Ein verbindl. Programm, von internat. Jugendaustauschorganisationen gefördert und gelenkt, soll unter pädagog. Leitung Einsichten in polit., Wirtschaft!, soziale und kulturelle Lebensverhältnisse vermitteln tmd so zur internat, Verständigung beitragen (-» Jugendgemeinschaftsdienste).

F. WEIGEL u. F. KIENAST: Die Auslandsfahrt, Hb. fiir I. J. (1959); D. DANCKWORTT: I. J. (1959, m. Bibl.); Jb. für Jugendreisen und I. J. (1960 ff.); H. W. OPASCHOWSKI In: Der Fremdenverkehr, 9 (1967); H. OTT: Hb. der internat. Jugendarbeit (1968).

internationaler Kapitalverkehr, die Gesamtheit aller nicht unmittelbar durch den Waren- und Dienstleistungsverkehr bedingten finanziellen Transaktionen zwischen den Ländern; in der makrooekonom. Betrachtungsweise: die Kapitalströme, die zwischen den Ländern fließen. Das internationale Kapital läßt sich aufgliedern in kurz-, mittel- und langfristige Finanzierungsmittel, wobei dem langfristigen Kapital, bei dessen Bewegungen es sich um Direkt- oder -» Portefeuille-Investitionen handelt (-» Kapitalbewegungen), besondere Bedeutung zukommt. Durch Kapitalausfuhr des Inlandes erhält das Ausland die Möglichkeit zum Erwerb von Gütern und Dienstleistungen im Inland und in anderen Ländern. - Spekulative kurz-und mittelfristige Kapitalbewegungen werden gelegentlich als "vagabundierendes" Auslandskapital bezeichnet und können eine Gefahr für die Stabilität einer Währung werden (importierte -» Inflation). Eine Grundvoraussetzung für einen flexiblen und breiten i. IC, der den Produktionsfaktor Kapital seiner produktivsten Verwendung zufließen läßt, ist die freie Austauschbarkeit der Währungen untereinander (-» Konvertierbarkeit). Beschränkung findet der i. K. durch Devisenbewirtschaftungssysteme, die die automatisch wirkende, ausgleichende Bereitstellungsfunktion der Devisen- und -» Kapitalmärkte weitgehend ausschalten.
 
 

internationale Gerichtsbarkeit, die Ausübung von Rechsprechung in bezug auf Völkerrecht!. Rechtsverhaeltnisse durch internationale Gerichte, die mit unabhaengigen Richtern verschiedener Nationalität besetzt sind und durch völkerrechtl. Vertrage zwischen zwei oder mehreren Staaten auf Dauer oder für eine bestimmte Zeit und allgemein zur Streiterledigung oder nur für bestimmte Angelegenheiten errichtet werden. Die Staaten sind einer i. G. nur kraft ausdruckt Erklärung und nur insoweit unterworfen, als sie es erklärt haben. Nach allgemeinem Völkerrecht ist kein Staat verpflichtet, einen Streitfall der i. G. zu unterbreiten. Vor einem internat. Gericht können als Parteien nur Staaten oder, sofern das Statut des Gerichts das vorsieht, Organe internat. Organisationen auftreten, nicht aber Einzelpersonen. Die i. G. kann nur an Hand der Normen des allg. Völkerrechts und des Völkervertragsrechts über das Bestehen von Rechten und Pflichten der Staaten, nicht aber über polit. Streitigkeiten entscheiden. Die bisherige prakt. Bedeutung der i. G. liegt daher weniger in der friedl. Streitschlichtung als in der Fortentwicklung und Verdeutlichung des Völkerrechts.

Die i. G. ist aus der älteren Einrichtung der internat.-» Schiedsgerichtsbarkeit hervorgegangen. Als erstes internat. Gericht gilt der Zentralamerikanische Gerichtshof, der 1907 von fünf mittelamerikan. Staaten eingerichtet wurde und bis 1918 bestand. Auf Grund des Art. 14 der Völkerbundsatzung wurde durch das Statur vom 16.12.1920 der -» Ständige Internationale Gerichtshof (Permanent Court ojInternational Justice) in Den Haag geschaffen, der von 1920 bis 1946 bestand An seine Stelle ist der -^Internationale Gerichtshof (International Court of Justice) getreten. Durch die am 4.11.1950 in Rom unterzeichnete Europäische Konvention zum Schütze der Menschenrechte und Grundfreiheiten haben die Mitgliedsstaaten des Europarates den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte errichtet (20.4.1959), der die Einhaltung der durch die Konvention übernommenen Verpflichtungen der Staaten sicherstellen soll (Verfahrensordnung in der Fassung vom 1./5. 8. 1960).

Der Gerichtshof der -^Europäischen Gemeinschaften (Verfahrensordnung vom 3. 3. 1959), dessen Zuständigkeiten sich aus den drei Gründungsverträgen ergeben, übt nur insoweit i. G. aus, als er über die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus den Verträgen entscheidet. Die Hauptaufgabe dieses Gerichts besteht darin, den Angehörigen der Mitgliedstaaten Rechtsschutz gegen die unmittelbar wirksamen Entscheidungen der Gemeinschaftsorgane zu geben und so bei der Auslegung und Anwendung der Verträge das Recht zu wahren. Internat. Gerichte in diesem weiteren Sinn, vor denen Individualansprüche gegen fremde Staaten oder gegen die Organe internat. Organisationen geltend gemacht werden können, sind schon öfters errichtet worden, so die wiederholt (1920, 1923, 1941) von den Vereinigten Staaten und Mexiko eingerichteten Mixe» Claims Commissions, die über Schadensersatzforderungen der beiderseitigen Angehörigen entschieden.

N.POLITIS: La Justice internationale (Paris 1924); E.KAUFMANN: Probleme der internat. Gerichtsbarkeit (1932); M. O.
HUDSON: The permanent court of international justice (New York 1934); A.-G. DE LA PRADELLE : Jurisprudence internationale (Paris 1936); A. H. FELLER: The Mexican Claims commissions (New York 1936); A. D. McNAiR: The development of international justice (ebd. 1954); H. GOLSONG: Das Rechtsschutzsystem der Europ. Menschenrechtskonvention (1958); W. SCHÄTZEL: Internat. Gerichtsbarkeit (1960); G. BEBR : Judi-cial control of the European communities (London 1962); H. GURADZE: Die Europ. Menschenrechtskonvention (1968); M. GUTSCHE: Die Bindungswirkung der Urteile des Europ. Gerichtshofes (1967).


Internationale Gesellschaft für angewandte Psychologie, französ. Association Internationale de Psychologie Appliquee, engl. International Association of AppliedPsychology, gegr. 1920 durch E. CLAPAREDE (Sitz: Paris, Sekretariat: Lüttich), mit (1968) 2754 Mitgliedern aus 89 Ländern. Die Gesellschaft gibt die Zeitschrift >Revue Internationale de Psychologie Appliquee< (seit April 1968) heraus.



France, Anatole, eigentl. Jacques Anatole Thibault, französ. Schriftsteller, * Paris 16.4.1844, + La Bechellerie (bei Tours) 13.10.1924, begann als Lyriker und Dramatiker, fand aber die ihm gemäße Form in der erzählenden und meditierenden Prosa.

Die glänzende Reihe seiner Romane begann mit>Le crime de Sylvestre Bonnard< (1881, Sylvestre B.s Verbrechen) und erreichte einen ersten Höhepunkt mit >Thais< (1890; dazu die Oper von J. MASSENET, 1894; paradoxe Geschichte einer Bekehrung in spätantiker Zeit, wobei die Bekehrte christlich wird, der Bekehrende aber in sinnl. Besessenheit untergeht).
>Les lys rouge< (1894, Die rote Lilie) ist sein bester Liebesroman. In der vierbändigen Romanreihe >Histoire contemporaine< (1896-1901) belichtet er sarkastisch die Bruechigkeit der französ. Gesellschaft zur Zeit der Dreyfusaffäre. >Les dieux ont soif< (1912, Die Götter dursten) zeigt an Szenen aus der Französ Revolution die Zwecklosigkeit und schönheitzerstörende Wirkung polit. Ideologien. Von seinen Aphorismenbüchern sind die bedeutendsten: >Les opinions de J. Coignard<(l 893) und >Le jardin d'Epicure< (1895). In >La vie de Jeanne d'Arc< (2 Bde., 1908) schrieb er die gut dokumentierte Geschichte der französ. Nationalheiligen. Seine literar-krit.Aufsätze sind in >La vie litteraire< (4 Bde.,1888-92) und in >Le genie latim (1913) gesammelt. Gegen Ende seines Lebens wandte er sich dem Sozialismus zu. 1921 erhielt er den Nobelpreis für Literartur. Seit 1896 war er Mitglied der Academie Francaise.
 
 

Anatole France
(Ausschnitt aus einer Radierung von A. Zorn)
 
In F. lebte noch einmal das Erbe der französ. Skeptiker und Weisen auf. Sein aus großer Belesenheit genährtes geistiges Genießertum steht allen künstler. und geschichtl. Erscheinungen offen, ist jedem Dogmatismus abgeneigt und von der glückspendenden Kraft der Illusion überzeugt. Ganz unchristlich, läßt er doch mit der schonenden Güte des echten Skeptikers die Froemmigkeit als mögl. Lebensinhalt gelten, neigt aber auch dazu, sie als patholog. Phänomen aufzufassen Seine graziöse Ironie berührt die ernstesten Fragen, entzieht ihnen aber jede bindende Antwort. Mit Vorliebe schildert er abgeklärte alternde Menschen und die überreife Spätzeit der Antike. In vielem mit der französ. fin-de-siecle-Stimmung verwandt, bewahrt ihn doch sein humanistisch geschulter Geschmack und seine überlegene Heiterkeit vor der Neigung zum Morbiden. Alles ist von größter Klarheit der Form. Mit seiner Deutung der geschichtlichen Begriffe als willkürlich gesetzter Mythen hat er stark auf P. VALERY gewirkt.

Weitere Werke. Romane: La rötisserie de la reine Pedauque (1893, Die Bratküche der Königin P.); L'ile des pinguins (1908, Insel der Pinguine); La revolte des anges (1914, Die Revolte der Engel). - OEuvres completes, 30 Bde. (1925 ff.); dt. 24 Bde. (1919-26); Dernieres pages inedites, hg. v. M. COR-DAY(1925); Vers les temps meilleurs, 2 Bde. (1949-53). Viele Einzel Übersetzungen.
Bibliographie von G. A. MASSON (Paris 1923). - J. SÜFFEL: A. F. (Paris'1946); ders.: A. F. parlui-meme (ebd. 1954); E. HENRIOT in: Courrier litteraire, XIXe-XXe siecle: Maitres d'hier et contemporains (ebd. 1955); J. THEISEN in: Antares 5,1 (1957); M. C. BANCQUART: A. F. polemiste (ebd. 1962); J. MARVAUD: A. F., ecrivain francais (ebd. 1962); J. LEVAIL-LANT: Les aventures du scepticisme. Essai sur evolution d'A. F. (ebd. 1965).


Freibetrag, bei der Berechnung der -» Steuerbemessungsgrundlage abzugsfähiger Betrag, der in jedem Fall steuerfrei bleibt (dagegen -» Freigrenze). -Wichtige F. sind bei der Einkommensteuer die Kin-der-F (1. Kind 1200 DM, 2. Kind 1680 DM, jedes weitere Kind l 800 DM) lt. § 32 EStG.; bei der -» Ver-mögensteuer 20000 DM je Familienmitglied (Kinder bis 18. Lebensjahr) lt. § 5 VStG.; bei der -» Gewerbesteuer von Personengesellschaften 7200 DM des jährl. Gewerbeertrages lt. § 11 GewStG.; bei der -» Umsatzsteuer 12000 DM lt. § 19 UStG., wenn der Jahresumsatz 60000 DM nicht übersteigt.


Freibeuter [aus niederl. vrijbuiter], Seeleute, die ohne Kaperbrief Schiffe aufbrachten (-» Kaper, -» Vitalienbrüder).


Freibeweis, Strafprozeß: ein Beweisverfahren, in dem sich der Richter seine Überzeugung auf jedem beliebigen Wege ohne Bindung an die sonst für die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung vorgeschriebenen Regeln und Förmlichkeiten verschaffen kann. Der F. ist in der Hauptverhandlung nicht für die Feststellung der Straftat und ihrer Folgen (^Beweis), sondern nur für die Ermittlung verfahrensrechtlich bedeutsamer Umstände zugelassen; außerhalb der Hauptverhandlung gilt er allgemein.

W. DITZEN: Dreierlei Beweis im Strafverfahren (1926).


freibleibend, ohne Obligo, häufige Klausel im Geschäftsverkehr, die die Bindung des Anbietenden an das Angebot ausschließt.


Freiburger Schule, eine an der Univ. Freiburg 2) um 1930 von WALTER EUCKEN, HANS GROSSMANN-DOERTH und FRANZ BÖHM begründete, vorwiegend wirtschaftspolit. Lehre, die vor allem die Gedanken der Wirtschaftsordnung (Ordo), der individuellen Freiheit und des Wettbewerbs in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen stellt (-» Markt Wirtschaft, -» neoliberal).


Freidank, der unbekannte Dichter der Lehrdichtung >Bescheidenheit< (nach latein. discretio, Unterscheidungsvermögen, hier Erkenntnis des moralisch und religiös Rechten), einer Sammlung von Lesefrüchten, Kernsprüchen und Sprichwörtern. Der Dichter, ein gelehrter bürgerl. Fahrender, ist vermutlich identisch mit dem Magister FRIDANCUS, dessen Tod die Annalen des bayer. Klosters Kaisheim 1233 verzeichnen. F. kam mit dem Kreuzheer Friedrichs II. in das Heilige Land, wo er um 1229 die letzten Teile seines Gedichts verfaßte; er nimmt darin bes. auf die furchtbaren Zustände vor Akkon (Akka) Bezug. Der von ihm verwendete Erfahrungsspruch in knappen Zweizeilern wurde so zum Typus, daß viele Sprüche dieser Art unter seinem Namen verbreitet waren. Eine Bearbeitung der >Bescheidenheit< durch SEBASTIAN BRANT wurde 1513 in Straßburg gedruckt.

Ausgaben von W. GRIMM (1834, 21860), H. E. BEZZENBER-GER (1872, Neudruck 1962), H.PAUL in: Sitzber. d. Bayer. Akad. d. Wiss., H. 2 (1899, Teil einer krit. Ausg.); neuhochdt. V. K.SlMROCK(1867),A.BACMEISTER(1861),K.PANNIER(1878). F. NEUMANN in: Dt. Lit. des MA., Verfasserlexikon, 5 (1955); H. DE BOOR: Gesch. der dt. Literatur, 2 ('1966, alle mit Bibliographie).


Freidenker, ein frei von religiösen Dogmen Denkender, der aber auch der Religion und ihren Erschei-nungs- und Lebensformen überhaupt ablehnend gegenübersteht. Insofern bezeichnet F. eine atheist. >Konfession<. In vielen Teilen der Welt verbreitet, sind die F. in zahlreichen Verbänden zusammengeschlossen, u. a. dem 1880 in Brüssel gegründeten internationalen Freidenker-Verband« und dem 1915 in Wien gegründeten internationalen proletarischen Freidenker-Verband<. 1913 wurde das >Kartell freigesinnter vereinigungen der Schweiz< gegründet. Die vom nationalsozialist. Regime 1933 verbotenen Verbände schlössen sich 1949 mit den Freireligiösen zuimVolks-bund für Geistesfreiheit< zusammen. Seit 1951 besteht in der Bundesrep. Dtl. der >Deutsche Freidenker-Ver-band< mit 6 Landesverbänden und dem selbständigen Landesverband Berlin (insgesamt etwa 11000 Mitglieder), der die Auseinandersetzung mit den Religionen auf Grund >der bewußten Überlegenheit unserer wissenschaftlichen Erkenntnisse< führt und für seine Mitglieder Ersatzfeiern zu den kirchl. Amtshandlungen (Namenweihe, Jugendweihe, Eheweihe, Grabansprachen) veranstaltet. In der Dt. Dem. Rep. besteht seit 1954 die -» Gesellschaft zur Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse. Sie ist in Name und Zielsetzung verbunden mit der in der Sowjetunion seit 1945 bestehenden >Allunionsgesellschaft zur Verbreitung polit. und wissenschaftl. Erkenntnisse< in welcher der bis dahin tätige >Bund der Gottlosem aufgegangen ist. (-» Atheismus, -» Gottlosenbewegung)

Geschichte: F., engl.freethinker, war ursprünglich die Bezeichnung der engl. Deisten (-»Deismus); sie wurde zuerst von MOLYNEUX (1697) in einem Briet an J. LOCKE für J. TOLAND gebraucht und von A. COLLINS durch seinen >Discourse of Freethinking< (17131 verbreitet. Später näherte sich das Wort dem Begriff des Freigeistes, der (nach KANT) keine Pflicht und kennen .... J. LOCKE für J. TOLAND gebraucht und von A. COLLINS durch seinen >Discourse of Freethinking< (1713) verbreitet. Später näherte sich das Wort dem Begriff des Freigeistes, der (nach KANT) keine Pflicht und keinen moralischen Grundsatz anerkennt. Durch den französischen Deismus (VOLTAIRE) und Materialismus (HELVETIUS, HOLBACH) erhielt er seine polemische, gegen Kirche und Christentum gerichtete Bedeutung. Aus dem evolutionären Materialismus und Monismus des 19. Jahrh. entstanden die Formen eines naturphilosophisch begründeten (L. BÜCHNER, E. HAECKEL, W. OSTWALD, -» Monistenbund) und eines marxistisch geprägten Freidenkertums (Religion ist Opium für das Volk). Beide Strömungen, zu denen gelegentlich als dritte mit ihrer Kirche zerfallene, ursprünglich christl. Gruppen (-» Deutschkatholizismus) traten, leben im modernen Freidenkertum fort.

F. MAUTHNER: Der Atheismus und seine Geschichte im Abendlande, 4 Bde. (1920-23, Neudruck 1963); K TAESLER Das Freidenkertum (1928); J. M. ROBERTSON: A history of freethought in the 19th Century, 2 Bde. (London 1929) M. P.Baskin: Materialismus und Religion (aus dem Russ., 1957): G. Fischl: Materialismus und Positivismus der Gegenwart (1958); E. Hirsch: Gesch. der neueren evang. Theologie, 5 Bade. (1965); A. ABYET: Histoire de la libre-pensee (Paris 1959).
 


Freideutsche Jugend, Zusammenschluß der studierenden und Älterengruppen der Jugendbewegung, die im Okt. 1913 auf dem Hohen Meißner (-» Meißnerformel) zusammen mit ihr nahestehenden lebens-reformer. Altersverbänden (Vortruppbund, Dürerbund, Bund für Freie Schulgemeinden) den 1. Freideutschen Jugendtag veranstaltet hatten. Nachdem die F. J. sich zum Gedanken der Selbsterziehungsgemeinschaft bekannte, zogen sich die Älterenver-bände zurück. Nur der Schulreformer GUSTAV WYNEKEN bemühte sich noch lange vergeblich um Anerkennung als Führer der F. J. - Die Erlebnisse des ersten Weltkrieges führten zur Spaltung in eine völkische (Jungdeutscher Bund) und mehrere Sozialist. Gruppen, was 1919 eine Auflösung der F. J. zur Folge hatte.
Nachfolgebünde bis 1933: Freideutscher Bund und Freideutscher Werkbund.


Freideutscher Kreis, Zusammenschluß von Angehörigen der verschiedenen Bünde der Jugendbewegung vor 1933 und ihr nahestehender Menschen, die an der Gestaltung des öffentl. Lebens der Gegenwart verantwortlich mitarbeiten wollen. Mitglieder aller Altersstufen, Berufe, polit. und konfessionellen Richtungen haben sich in ihm seit 1947 zu freimütigem Meinungsaustausch über alle bewegenden Fragen der Zeit zusammengefunden. Der F. K. gliedert sich in 12 Landsgemeinden und etwa 60 Ortskreise. Jährlich findet ein mehrtägiger >Konvent< auf Bundesebene in der Bun-desrep. Dtl. statt. - Ein Vorläufer des F. K. war die im Herbst 1928 in Berlin gegr. Bündische Gesellschaft Berlin, in der ältere Angehörige der Jugendbewegung die Jungmannschaft an die aktuellen polit., kulturellen und sozialen Aufgaben heranführen wollten.



Freie, Freihälse, Frilinge, in den germanischen Völkerschaften der Stand derer, die allein Rechtsfähigkeit (Mannheiligkeit) und polit. Rechte besaßen (Altfreie, Volksfreie). Aus ihnen ragten die -» Edelfreien hervor; zwischen F. und Unfreien entwickelte sich der Stand der Minderfreien (Liten, Barschalke), die zwar Rechtsfähigkeit, aber keine polit. Rechte innehatten. Unfreie konnten durch Freilassung in den Stand der Halbfreien oder den der F. erhoben werden.

In der frank. Zeit führten Königsdienst und Grundherrschaft zur Ausbildung eines Dienst- und Grundadels, der sich als bevorrechtigter Stand der Hochfreien über die Gemeinfreien erhob.

Im M A. sonderte sich ein Berufskriegerstand (Ritterstand) ab, der sich als niederer -» Adel gegenüber den Gemeinfreien abschloß. Der größte Teil der Vollfreien sank durch Eintritt in ein Schutzverhältnis gegenüber einem Herrn in die Schutzhörigkeit (Muntmannen) ab, die eine Art von Minderfreiheit war; sie verschmolz mit anderen Herrschaftsbeziehungen zur grundherrschaftl. Abhängigkeit. In der bäuerl. Bevölkerung setzte dieser Verlust der Freiheit sich bis zur Bauernbefreiung fast überall durch; nur in einzelnen deutschen Landschaften erhielt sich die alte Freiheit (-» Bauer). Diese alte Form der Freiheit wurde ergänzt durch Siedlungsfreiheit (Rodungsfreiheit), die eine neue Art von Freiheit schuf, die sich des öfteren gleichfalls bis in das 19. Jahrh. hinein erhielt. In den mittelalterl. Städten wurde die rechtl. Unfreiheit durch das Bürgerrecht beseitigt (>Stadtluft macht frei<).

TH. HECK: Beiträge z. Gesch. d. Stände im MA., l (1900); M. LINTZEL: Die Stände d. dt. Volksrechte (1933); E. F. OTTO: Adel u. Freiheit im dt. Staat d. frühen MA. (1937); A. WAAS: Die alte dt. Freiheit (1939); Adel u. Bauern im dt. Staat des MA., hg. v. THEODOR MAYER (1943); K. BOSL: Frühformen d. Gesellschaft im mittelalterl. Europa (1964); F. LÜTGE: Gesch. d. dt. Agrarverfassung (M967).


Freie Berufe, Berufe, die ohne Verletzung'ihres Ethos nicht rein wirtschaftlich (Anpassung von Leistung und Gegenleistung) ausgeübt werden können und selbständig betrieben werden. Heute zählt man zu den F B.: 1) die freien geistigen Berufe, z.B. Arzte, Apotheker, Architekten, Ingenieure, Künstler, Schriftsteller Rechtsanwälte, 2) sonstige Berufsgruppen, die eine freie Tätigkeit ausüben, z.B. Heilpraktiker, Hebammen, Feldmesser.

Der freiberuflich Tätige darf weder seine Leistungen nach dem -» Honorar abstufen noch sein Honorar über die Gebührenordnung hinaus (soweit eine besteht) ansetzen. Besondere Berufskammern mit strenger Ehren- und Berufsgerichtsbarkeit wachen darüber, daß die -» Gebührenordnungen eingehalten werden. Zur Wahrnehmung von Berufs- und Standesinteressen sind auf Grund gesetzl. Regelung wie auch auf Grund freier Vereinsbildung Zusammenschlüsse (Verbände) gebildet worden (1966 : 35), die dem >Bundesverband der Freien Berufe Dtl.s< angeschlossen sind (1965 rd. 350000 Mitgl.). Die gesetzl. Schutz genießenden Berufsbezeichnungen sind von der Ablegung einer Prüfung, die Ausübung des Berufes ist von einer Bestallung (Approbation) oder der Erlaubnis der Behörden abhängig (nicht für ausgesprochen künstlerische oder schriftstellerische Berufe).

Die Grenze zwischen F. B. und Gewerbebetrieb ist fließend; entscheidend für die Beurteilung sind Art und Ausmaß der ausgeübten Tätigkeit. Ein Künstler z. B., der seine Kunstwerke mechanisch vervielfältigt und verbreitet, gilt als Gewerbetreibender, wenn die ge-werbl. Seite der Tätigkeit überwiegt. Die F. B. unterliegen nicht der Sozialversicherung. Seit Ausdehnung der Staats- und Kommunaltätigkeit auf viele Bereiche der Wirtschaft und des Gesundheitswesens werden die Aufgaben der F. B. zunehmend von beamteten und bes angestellten Personen wahrgenommen, die als unselbständige Tätige (weisungsgebunden) dann nicht mehr zu den F. B. zählen (z. B. Kreistierarzt, Schul-, Amtsarzt, Regierungsbaumeister).

In Österreich und der Schweiz gelten im wesentlichen dieselben Bestimmungsgründe wie in Dtl. In Österreich sind die freiberuflich Schaffenden über die Standesorganisationen in der >Arbeitsgemeinschaft für Kunst und Wissenschaft zusammengeschlossen.

J. DENEKE u. F. VOLRAD: Die F. B. (1956); H. STIEGLITZ: Der soziale Auftrag der F. B. (1960); W. KRIENER: Wesen und Bedeutung der F. B. (1966).



Freie Demokratische Partei, abgek. FDP, polit. Partei in der Bundesrep. Dtl., gegr. im Dez. 1948 durch Zusammenschluß der liberal-demokrat. Parteien der drei Westzonen und West-Berlins. In Baden-Württemberg trägt die Partei als Zweitnamen noch die alte Bezeichnung vor dem Zusammenschluß Demokrat. Volkspartei, abgek. DVP.

In der FDP zeigten sich in den 50er Jahren Spannungen zwischen einer an der Tradition der alten de-mokrat. Parteien festhaltenden, stärker nach links geneigten Richtung und nationalliberalen Kräften, die die Stellung der Partei >rechts der CDU< festzulegen versuchten und die jede Bindung an die SPD ablehnten NachAbsplitterung der -» Freien Volkspartei (Febr. 1956) gelang es der Partei, wieder eine einheitlichere Linie zu finden.

Die FDP vertritt entschieden die überlieferten Ideale des Liberalismus, lehnt bes. die staatl. Wirtschaftslenkung das Mitbestimmungsrecht der Gewerkschaften und die Sozialisierung ab. Sie setzt sich für eine stärker unitarische Staatsgestaltung, als sie das Grundgesetz vorsieht, ein. Parteipolitisch ist die FDP bemüht, sich als >Dritte Kraft< zwischen CDU und SPD zu behaupten. Bei den Bundestagswahlen war sie daher bestrebt, die absolute Mehrheit einer Partei zu verhindern. Kulturpolitisch betont sie die Freiheit der Presse, Kunst, Wissenschaft und Lehre und ist ein Gegner der Konfessionsschulen und der konfessionellen Lehrerbildung. Außenpolitisch verficht sie die nationale Gleichberechtigung Deutschlands in einem System der übernationalen Völkerverbindung. Die FDP setzt sich seit Beginn der 60er Jahre in besonderem Maße für die Verbesserung der Beziehungen der Bundesrep. Dtl. zu den Ländern Ostmitteleuropas und für eine bewegliche Ostpolitik ein sowie für verstärkte Kontakte mit der Dt. Dem. Rep.

Vom Beginn der Geschichte der Bundesrep. Dtl. an ist die FDP eng mit den wechselvollen Regierungsbildungen verbunden. Mit ihrem Vors. TH. HEUSS (1948 bis 1949) stellte sie 1949-59 den ersten Bundespräsidenten. Sein Nachfolger als Parteivors. war 1949-54 F. BLÜCHER. Dieser war 1949-57 Vizekanzler in den beiden ersten Kabinetten Adenauer. 1954 übernahm TH. DEHLER den Parteivorsitz. Unter ihm hielt die Partei stärkere Distanz zur CDU und zur Regierung Adenauer. Besonders deutlich wurde dies in der Saar-hrage 1954/55. R. MAIER, dem 1957 die Leitung der Partei übertragen wurde, suchte nach der Absplitterung der Freien Volkspartei ebenfalls das Profil der Partei im liberalen Geiste zu stärken, konnte aber bei den Bundestagswahlen 1957 die absolute Mehrheit der CDU/CSU nicht verhindern. Die FDP ging daher in der dritten Legislaturperiode des Bundestages in die Opposition. Dem 1960 gewählten neuen Parteivors. E. MENDE gelang es bei den Bundestagswahlen 1961 mit der Parole >Mit der CDU, aber ohne Adenauer< die absolute Mehrheit der CDU zu brechen. Im vierten und fünften Kabinett Adenauer (1961-63) war die FDP wieder als Koalitionspartner beteiligt. In der Regierung Erhard (ab 16. 10. 1963) wurde Mende Vizekanzler. Nach den Bundestagswahlen von 1965 setzte sie die Zusammenarbeit mit der CDU in der Regierung fort. Am 26. 10. 1966 traten jedoch die vier FDP-Minister wegen unüberbrückbarer Gegensätze in der Haushaltsfrage 1967 zurück. Die Bildung einer Regierung der >Großen Koalition (CDU/CSU/SPD) am l. 12. 1966 verwies die FDP abermals in die Opposition. Seitdem ist die FDP-Fraktion bestrebt, trotz ihrer geringen Mandatszahl eine aktive Opposition zu Betreiben. Im Jan. 1968 wurde W. SCHEEL zum Vors. der Partei gewählt.



Freier Deutscher Gewerkschaftsbund, abgek. FDGB, der Zusammenschluß der Gewerkschaften in der Dt. Dem. Rep., hervorgegangen aus den 1945 gegr. Gewerkschaftskomitees. Über die Stellung des FDGB zur führenden Staatspartei heißt es in der auf dem 6. Bundeskongreß 1963 beschlossenen neuen Satzung >die Gewerkschaften anerkennen die führende Rolle der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, des marxistisch-leninistischen Vortrupps der deutschen Arbeiterklasse. Sie stehen fest zur SED und ihrem Zentralkomitee und schließen als treue Helfer die Arbeiter, Angestellten und Angehörigen der Intelligenz eng um die Partei zusammen< - Die Ziele der Gewerkschaften sind im Gesetzbuch der Arbeit v. 12. 4. 1961 (§4) niedergelegt. Sie fördern >den Kampf um den wissenschaftlich-technischen Höchststand, die Aneignung allseitiger Kenntnisse und eine hohe Sozialist. Arbeitsmoral und Arbeitsdisziplin zur raschen Steigerung der Arbeitsproduktivität. Sie mobilisieren die ganze Arbeiterklasse und die Intelligenz zur allseitigen Erfüllung der Wirtschaftspläne mit dem Ziele der ständigen Verbesserung ihres materiellen und kulturellen Lebensniveaus<.

Oberstes Organ des FDGB ist der Kongreß, der den Bundesvorstand wählt. Den FDGB bilden die 15 Industrie- und sonstigen Gewerkschaften. Gewerkschaftliche Grundorganisationen sind: Betriebsorganisationen, Kombinats-, Orts- und Dorfgewerkschaftsorganisationen. Der FDGB ist Träger der Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten, er hat die Kontrolle über den betriebl. Arbeitsschutz. Er ist Mitglied des Weltgewerkschaftsbundes, unterhält die Tageszeitung >Tribüne< und die Zeitschriften >Die Arbeit< und >Sozialversicherung< (-» Gewerkschaften).

Freimaurerei, Maurerei, Masoney, Masonnerie, Königliche Kunst, französ. franc-maconnerie engl. freemasonry, über die ganze Welt verbreitete Bewegung mit dem Ziel, ihre Anhänger auf der Grundlage einer natürl. Ethik zu dem Ideal edlen Menschentums hinzuführen. Der Name rührt von den nicht veröffentlichten symbol. Riten der F. her, die auf die Bräuche der mittelalterl. Bauhütten (engl. lodges, eigentl. >Lauben<) zurückgeführt werden.

WESEN UND ZIELE

Jeder Freimaurer verpflichtet sich, nach Wahrheit, Menschenliebe, Selbstkritik und Duldsamkeit zu streben; alle Freimaurer verehren Gott im Symbol des »Allmächtigen Baumeisters aller Weiten« und nennen sich Brüder. Sie setzen sich für die gemeinsamen Bestrebungen einer humanitären Ethik ein, bekämpfen Totalitarismus auf polit. und kirchl. Gebiet, Chauvinismus, Fanatismus, Aberglaube, Kastengeist und treten für ein friedl., sozial gerechtes Zusammenleben für Ehrfurcht vor dem Höchsten und seiner Schöpfung ein. Vorträge und Aussprachen über parteipolit. und bekenntnisgebundene religiöse Themen sind in den meisten Logen nicht gestattet. Der Freimaurer ist der Obrigkeit und den Gesetzen seines Landes Gehorsam schuldig; die polit. und konfessionelle Betätigung des einzelnen unterliegt allein seinem Gewissen. Die Logen bilden eine geschlossene Gesellschaft. Sie sind keine Geheimbünde. Alle Großlogen und Logen unterstehen dem Vereinsgesetz. Satzungen, Ziele, Mitgliederlisten und Vorstände sind den zuständigen Behörden bekannt.

ORGANISATION

Die Vereinigungen, in denen sich das freimaurer. Leben abspielt, heißen Logen, auch Johannistagen, nach dem Patron der ersten drei Grade, Johannes dem Täufer. Deputationslogen sind Vereinigungen zum Zweck einer Logengründung.

Großloge wird ein Bund von Logen innerhalb eines Staates genannt. In jedem Land gibt es in der Regel nur eine Großloge, in einigen Ausnahmefällen auch mehrere Großlogen, in den Verein. Staaten, in Kanada und in Brasilien eine in jedem Staat oder Distrikt. In der Bundesrep. Dtl. besitzen die Freimaurer eine gemeinsame Großlogenrepräsentanz in den bereinigten Großlogen von Deutschland - Bruderschaft der deutschen Freimauren, abgek. VGLvD. In ihr sind zusammengeschlossen zwei große Landeslogen (>Große Landesloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer<, abgek. GLL-AFAM, und die >Große Landesloge der Freimaurer von Deutschland - Freimaurerischer Ordern, abgek. GLL-FO) sowie drei Provinzial-großlogen (>Zu den drei Weltkugelm, die Logenprovinz britischer und die amerikanisch-kanad. Freimaurer). Nur solche Logen werden als >gerecht und voll-kommen< angesehen, die nach einem anerkannten Ritual arbeiten und die Erlaubnis zur >Arbeit< von der Großloge, der sie angehören wollen, besitzen. Die nicht anerkannten Logen heißen -» Winkellogen.

Die Logen wählen ihren Vorsitzenden, Meister vom Stuhl, auch Vorsitzender Meister, Logenmeister genannt, und ihre Logenbeamten für bestimmte Zeit. Die Großlogen wählen auf der jährl. Hauptversammlung (Konvent, Landesgroßlogentag) den Großmeister und seine Beamten. Sie führen durch ihre Organe die Aufsicht über die freimaurer. Regularität der Logen, bestätigen Neugründungen und die Wahl der Vorsitzenden Meister; vor allem achten sie auf die Reinhaltung des Brauchtums. Großlogen der schwed. Lehrart, auch Orden genannt, besitzen über die drei Johannisgrade hinausgehende Hochgrade (Erkenntnisstufen) und haben außer dem Großmeister einen auf Lebenszeit gewählten Ordensmeister an ihrer Spitze; ihm obliegt vor allem die Pflege der Lehr- und Kultangelegenheiten des Bundes, bes. der höheren Grade. Engbund nannten sich Anfang des 19. Jahrh. Vereinigungen von Freimaurern zu logenwissenschaftl. Forschungen.

Nach übereinstimmender Ansicht ist die gesamte freimaurer. Lehre in den drei Johannisgraden enthalten. Um ihre Vertiefung bemühen sich die Hochgrade. Diese Hochgrade - denen kein Freimaurer anzugehören braucht - unterscheiden sich von der Johannis-F. grundlegend dadurch, daß man in sie nur berufen werden kann, sofern man den Meistergrad erreicht hat. -Die in sich gegliederten Hochgradsysteme bauen auf den ersten drei Graden auf und führen ihre Mitglieder weiter zu Erkenntnisstufen, die sich aus der welt-anschaul. Grundlage der F. entwickeln, wobei z. T. ein religiöser Einschlag vorhanden ist. Der am weitesten verbreitete >Alte und Angenommene Schottische Ritus<, abgek. A.A.S.R., hat nach seiner Verfassung in jedem Land nur einen -» Obersten Rat als leitende Behörde unter einem Großkommandeur; in der Bundesrep. Dtl. gliedert sich dieser Ritus in Perfektionslogen, Kapitel, Areopage und Konsistorien, an die sich noch als Verwaltungsgrad der 33. Hochgrad anschließt. In den Verein. Staaten hat der Ritus z Z über 950000 Mitgl. Seit 1875 sind die >Obersten Räte< des Ritus (1965 waren es 34), darunter der >Deutsche Oberste Rat< mit Sitz in Frankfurt a. M., in der >Lau-sanner Konföderation zusammengefaßt. In den Verein. Staaten haben sich viele Mitglieder des 32. Grades und des Tempelherrengrades des -» York-Ritus zur Gesellschaft der -» Shriners vereinigt, bei deren Zusammenkünften Frohsinn herrscht. Sie zeichnen sich durch großzügige Wohltätigkeitspflege aus. Ein Hochgrad besonderer Art ist der des -» Royal Arch.

Über Frauenlogen -» Adoptionsmaurerei.

SYMBOLIK

Die dem Gebrauch der mittelalterl. Bauhütten entsprechenden bauhandwerkl. Geräte - wie Winkelmaß, Zirkel, Hammer, Kelle, Schurz - und formelhafte Redewendungen erhielten später symbol. Bedeutung. Tieferen Sinn haben die Form der Geselligkeit, der Brudergedanke, die Erkennungszeichen durch Wort und Griff und die Anrede Bruder. Um den weihevollen Charakter des rituellen Teils, der >Arbeit<, zu wahren, schließt man sich während derselben gegenüber den nicht zum Bunde Gehörigen ab; über das Ritual und die Symbole wird Schweigen bewahrt. Die Arbeitsstätten heißen >Tempel< (symbolisch für Auferbauung der eigenen Persönlichkeit in freimaurer. Sinne) oder -» Bauhütten 2); sie sind oft künstlerisch ausgestattet und stets ernst gehalten. Die Feiern werden meist von künstler. Darbietungen umrahmt, die Logenkleidung ist feierlich, sie entspricht dem sonst geltenden gesellschaftl. Brauch. Jede >Arbeit< ist mit Wohltätigkeit verbunden.

Die Einzelheiten der sittl. Forderungen der F. sind nur bei stufenmäßigem Fortschreiten in der freimau-rer. Erkenntnis vom Lehrlings- über den Gesellen- zum Meistergrad zu verstehen. Das Erlebnis der eigentüml. Lehr- und Arbeitsweise ist vorwiegend meditativ und stets individuell.

GEGENWÄRTIGER STAND Von den rd. 18000 Mitgl. der bereinigten Großlogen von Deutschland< entfallen (1966) 10200 auf die >Große Landesloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer<, 4000 auf die >Große Landesloge der Freimaurer von Dtl. - Freimaurer. Ordern, 2900 auf die englisch sprechenden Provinzialgroßlogen und 900 auf die >Große National-Mutterloge zu den drei Weltkugeln^

Während die F. in den diktatorisch geleiteten Staaten (der Sowjetunion und allen anderen kommunist. Ländern sowie in Spanien, Portugal, Indonesien und Ägypten) verboten ist, steht sie sonst überall in hoher Blüte. 1966 bestanden insgesamt 32370 Logen mit 6155000 Mitgliedern.

In Dtl. gibt es zwei Freimaurermuseen: das Freimaurer-Museum in Bayreuth (verbunden mit einer großen Freimaurer-Bibliothek) und das Berliner Freimaurer-Museum im Logenhaus der Berliner Bruderschaft. Außerdem bestehen Freimaurermuseen in vielen Ländern, als größtes das George-Washington-Freimaurermuseum in Alexandria bei Washington.

Forschungslogen widmen sich der wissenschaftl. Erforschung der Geschichte, Symbole, Bräuche und Lehren der F. Die erste und bedeutendste Loge dieser Art ist die 1886 gegr. Londoner Quatuor Coronati Lodge, die alljährlich einen Sammelband mit Arbeiten ihrer Mitglieder (-» Ars Quattuor Coronatorum) herausgibt. In Dtl. besteht seit 1951 eine Forschungsloge gleichen Namens mit dem Sitz in Bayreuth.

Freimaurerlogenähnliche Vereinigungen sind zahlreich und auch in Dtl. vertreten. Am bekanntesten sind: der -» Druidenorden, die -» Odd Fellows, die jüd. Vereinigung -»B'nai B'rith, der -» Guttempler-orden. Esperance-Logen entstanden vorübergehend im 18. Jahrh. in Frankreich, waren aber keine Freimaurerlogen. (-» Schlaraffia)

Der Kampf gegen die F. ist so alt wie die F. selbst. Politisch wird sie immer wieder verdächtigt, ein Weltbund mit dem Ziel der Weltrevolution und Weltrepublik zu sein. Tatsächlich stehen die Großlogen organisatorisch völlig selbständig nebeneinander und sind keiner gemeinsamen obersten Instanz unterworfen; sie pflegen nicht einmal alle untereinander Beziehungen.

In religiöser Hinsicht wurde zwischen der F. und der kirchlichen Form des Christentums bis in die Gegenwart ein oft zu höchster Leidenschaft entbrannter, zum Teil nur auf sachlicher Gegnerschaft beschränkter Kampf geführt; er betraf aber hauptsächlich die kath. Kirche, die schon 1738 mit Kirchenstrafen gegen die F. vorging. Er war mehr in den polit. Ausstrahlungen ihrer Lehre und hierarch. Organisation als in ihrem Glaubensbekenntnis begründet; das zeigte sich darin, daß stets prot. Geistliche unter den Freimaurern waren. Die kath. Kirche belegt die Zugehörigkeit zur F. mit der Exkommunikation (Bannbulle Klemens' XII., In eminenti apostulatus specula vom 4. 5. 1738, von Benedikt XIV. 1751 bestätigt), weil diese >gegen die Kirche und die rechtmäßigen Staatsgewaltem arbeite (c. 2335 CIC); da diese Begründung kaum noch haltbar ist, tritt auch die kirchl. Ablehnung der F. zurück.

GESCHICHTE

Die Geschichte der F. ist noch nicht lückenlos geschrieben. Ihre geistesgeschichtl. Einordnung war durch früheres Schweigen über die Rituale und Symbole erschwert. Erst spät löste man sich von alten Über lieferungen, die die Entstehung auf Salomo oder auf Mysterien, Sozietäten und Akademien der Spätantike auf den Orden der Templer oder auf die-^Rosenkreuzer zurückführen wollten. Es gilt jetzt als sicher, daß die F. aus der alten brit. Werkmaurerei entstanden ist 1717 gründeten vier Londoner Bauhütten unter ihrem ersten Großmeister A. SAYER die erste Freimaurer-Großloge. 1723 faßte J. ANDERSEN im >Konstitutions-buch< das freimaurerische Gedankengut zusammen und schloß darin die Alten Pflichten ein, die als frei-maurer. Sittengesetz anzusehen sind. Bei ihrer Ausbreitung über West- und Mitteleuropa versuchte die F. mehrfach, an die damaligen Vorstellungen über mittelalterl. Bewegungen anzuknüpfen, die durch Verfolgung untergegangen waren, namentlich den Templer-Orden (in Dtl. genährt durch die -» Strikte Obser-vanz des Reichsfrh. K. G. VON HUND, durch den auch die Rede von den >geheimen Oberen< aufkam). Diese Vorstellungen wurden überwunden. Eine betont christl. Einstellung bildete sich in Schweden und z. T. auch in Dtl. Dort entstand, von den einen als Fehl-, von den anderen als Weiterentwicklung betrachtet, die christliche F. 1743 tauchte der Royal Arch in Irland auf, der in Großbritannien und den Verein. Staaten verbreitet ist. Dort ist er mit dem York Ritus verknüpft, der seit 1950 auch in Dtl. Anhänger hat. Um 1740 erschienen in Frankreich als Erkenntnisgrade die Schottengrade (die aber mit Schottland nichts zu tun haben).

Diese und andere Hochgradsysteme kamen Ende des 18. Jahrh. nach Nordamerika, wo 1801 in Charleston (South Carolina) der erste >Oberste Rat< des >Alten und Angenommenen Schott. Ritus< gegründet wurde. Nach Dtl. kam die F. 1737 durch die Gründung der Loge Absalom in Hamburg. Es folgten Gründungen in Berlin, Braunschweig, Halle, Leipzig, Dresden, Frankfurt a. M. und dann in vielen anderen Städten. Im deutschsprachigen Gebiet stark verinnerlicht, fand die F. in der damals herrschenden humanist. Geistesrichtung wirksamste Unterstützung. Viele Fürsten, Staatsmänner, Feldherren, Gelehrte, Dichter, Künstler, Kaufleute, Industrielle sind Mitglieder der Logen gewesen, so Friedrich d. Gr., Friedrich Wilhelm L, Wilhelm L, Friedrich III.; Blücher, Scharnhorst, Harden-berg; Lessing, Wieland, Goethe, Fichte; Haydn, Mozart u. a. Vor 1933 übten die dt. Großlogen eine umfassende humanitäre Tätigkeit aus: sie unterhielten Unterrichtsanstalten, Alters- und Kinderheime.

Unter dem Nationalsozialismus mußten sich seit 1933 alle Logen auflösen; es kam zur Verfolgung und Verhaftung vieler Logenmitglieder; alle Logenvermoegen, Archive und Bibliotheken wurden beschlagnahmt. In den Verein. Staaten und in vielen europ. Ländern blühte währenddessen die F. weiter auf. Nach dem zweiten Weltkriee lebten von den vor dem Verbot der F. durch den Nationalsozialismus bestehenden Großlogen die meisten nur vorübergehend auf. Zu einem ersten Zusammenschluß dt. Logen kam es 1949 in Frankfurt a. M. in der Paulskirche, und zwar zur bereinigten Großloge von Deutschlands Diese schloß sich 1958 mit der >Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland< zu den bereinigten Großlogen von Deutschland< als gemeinsamer Großlogenrepräsentanz aller dt. Freimaurer zusammen. - Über die F. in Italien -> Massoneria. In den Verein. Staaten waren Freimaurer u. a. die Präsidenten G. Washington, J. Monroe, Th. und F. D. Roosevelt, W. Taft, H.Truman.

Volksglauben. Die Kampfstellung von Staat und Kirche gegenüber den Freimaurern hat im Volksglauben ängstl. Mißtrauen und legendäre Vorstellungen geweckt. Teufelsbündnis, Zauberkünste und unglückl. Tod gehörten zum volkstüml. Bild über die F. Ihre Logen sollten unterirdisch in sargförmigen Sälen tagen, jährlich würde ein Mitglied nach Auslosung rituell geopfert; Abtrünnige würden durch Fernzauoer getötet; Selbstmord und ewige Verdammnis sei das Schicksal der meisten. Sagen berichten über Geheimsprache, Erkennungsgruß und besondere Tracht.

Allgemein. R. F. GOULD: The history of freemasonry ..., 6 Bde (London 1884-87; neue Ausg., 4 Bde., 1958); A. WOLFSTIEG- Werden u. Wesen der F., 2: Die Philosophie der F 2 Bde' (1922); ders.: Bibliographie der freimaurer. Lit., 2 Bde u. Reg -Bd. (21923), Erg.-Bd. l, hg. v. B. BEYER (1926); I. S WARD: The higher degrees (London 1924); O. HEINICHEN: nie Grundgedanken der F. im Lichte der Philosophie (41929)-E LENNHOFF: Die F. (1929); F. RUNKEL: Die Große Landesloge der Freimaurer von DU., 3 Bde. (1932); F. CLEMENT: Contribution ä l'dtude des hauts grades de la Franc-Maconnerie (Paris 1937); A. HORNEFFER: Die F. (H948); ders.: Freimaurerisches Lesebuch (41951); B. SCHEICHELBAUER: Die Johannis-F. (1953); W. STUKENBERG: Die F. (1953); E. LENNHOFF u. O. POSNER : Internationales Freimaurerlexikon (1965). -F. UHLMANN: Leitfaden der F. (1933); G. RADBRUCH: Vom edlen Geist der Aufklärung (1948); F. J. BÖTTNER: Zersplitterung u. Einigung - 225 Jahre Gesch. der dt. Freimaurer (1962); P. MURIEL; Die wahren Söhne des Lichts (1963); A. MELLOR: Unsere getrennten Brüder, die Freimaurer (1964); M. STEFFENS: Freimaurer in Dtl., Bilanz eines Viertel-Jahrtsd. (1964); G. KUESS u. B. SCHEICHELBAUER: 200 Jahre F. in Österreich (1959); F. - Aufgaben in dieser Welt, Werte für die Welt (1965); U. v. MERHART: Panorama der Welt-F. (1967); R. PEYREFITTE: Les fils de la lumiere (Paris 1951); G. SERBANESCO: Histoire de la franc-maconnerie universelle, son rituel, son symbolisme, 6 Bde. (Paris 1963 ff.).

Kampfschriften für die F. A. SINGER: Der Kampf Roms gegen die F. (1925); Verein der F.: Die Vernichtung der Unwahrheiten über die F. (41929); D. BUCHOF: Internationalismus u. F. (1929); H. SCHNEIDER: Quest for mysteries. The masonic background for literature in 18th Century Germany (Ithaca, N. Y., 1947); O. HEGENER: Die F. (1949); A. PAULS: Das Pamphlet eines Kardinals oder Taxil redivivus (1952); BERNARD E. JONES: Freemasons' uuide and compendium (Neuaufl. London 1956.)

Kampfschriften gegen die F. F. WICHT: Welt-F., Weltrevolution, Weltrepublik (1922); F. HERGETH: Aus der Werkstatt der Freimaurer u. Juden im Österreich der Nachkriegszeit (1927); F. A. Six: Studien zur Geistesgesch. der F. (1942); W. HANNAH: Darkness visible (London 51953).

Kirchl. Darstellung. I. BERTELOOT: La Franc-Maconnerie et l'Eglise catholique, 2 Bde. (Lausanne 1947); Les Franc-Macons devant Fhistoire (1949).

Volksglauben. K. WEHRHAHN : Die F. i. Volksglauben (1921); K. OLBRICH: Die Freimaurer im dt. Volksglauben (1930).
 

PHOTO: Freimaurerei: Friedrich der Große als Meister vom Stuhl leitet die Aufnahme des Markgrafen von Brandenburg-Schwedt (Stich nach einer Zeichnung von G. Hoffmann, 1740)



Freimaurer-Liga, Allgemeine F.-L., in Esperanto Universala Framasona Liga, abgek. UFL, eine 1905 aus der Esperanto-Bewegung hervorgegangene Vereinigung von Freimaurern zur Pflege des völkerverbindenden Gedankens der Freimaurerei (Weltbruderkette).




Banken, Kreditinstitute: Anstalten oder Unternehmen fuer Geldverkehr und Kreditvermittlung: nach dem Kreditwesengesetz Unternehmen, die mindestens eine Art von Bankgeschäften betreiben, und zwar in einem Umlang, der einen in kaufmänn. Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Als Bankgeschäfte werden u.a. genannt: Einlagen-, Kredit-, Diskont-, Effekten-, Depot-, Garantie-, Girogeschäft' Betriebswirtschaftlich werden sie in Aktiv-, Passiv-und Dienstleistungsgeschäfte eingeteilt.

ARTEN DER BANKEN

1) Kredit-B., auch Universal-B., betreiben die Bankgeschäfte mit Ausnahme der Notenausgabe, des Pfandbrief- und des Hypothekengeschäfts. Die dt.Groß-B. verkörpern am ausgeprägtesten den Typ der Kreditbank. 2) Depositen-B. sind hauptsächlich in Großbritannien, Frankreich, Italien und den USA anzutreffen. Sie betreiben vorwiegend das Einlagen- und Kreditgeschäft, daneben auch Zahlungsverkehrsgeschäfte. Gründungs-, Emissions- und Beteiligungsgeschäfte werden von ihnen grundsätzlich nicht vorgenommen. 3) Effekten-B., Finanzierungs-B. (Emissions- oder Gruendungs-B ) dienen vor allem der Unternehmensfinanzierung, bes. bei Aktien- und Anleiheemissionen, Gründungen von Aktiengesellschaften, und dem Effektenverkehr (-» Banques d'Affaires). 4) Hypotheken-B, und Öffentlich-rechtL Grundkreditanstalten duch Realkreditinstitute genannt, beschaffen sich ihre Finanzmittel vorwiegend durch Ausgabe von Pfandbriefen und Kommunalobligationen. Ihre Finanzmittelanlage besteht in der Gewährung von Hypothekarkrediten und Kommunaldarlehen. 5) Sparkassen, i. d. R. öffentlich-rechtl. Kreditinstitute, ursprünglich die >B. des kleinen Mannes<, führen heute fast alle Bankgeschäfte durch. Die Sparkassen und Girozentralen entwickeln sich in zunehmendem Maße zu Universal-B. und treten dadurch immer stärker in den Wettbewerb mit Kredit-B. 6) Zu den Spezial-B. gehören alle Kreditinstitute, die sich auf bes. Geschäfte spezialisiert haben, z. B. Teilzahlungs-B., Außen-handels-B., Schiffspfandbrief-B., die den Schiffsbau durch Gewährung von Schiffshypothekarkrediten finanzieren, usw. 7) Kreditinstitute mit Sonderaufgaben sind in der Bundesrep. Dtl. auf Grund von Sondergesetzen entstanden und sollen bes. Aufgaben des öffentl. Interesses erfüllen, z. B. die -» Kreditanstalt für Wiederaufbau, die -» Landwirtschaftliche Rentenbank, die -» Lastenausgleichsbank; auf internat. Ebene bestehen die -» Bank für Internationalen Zahlungsausgleich und die -» Weltbank. 8) Noten-B, haben allein das Recht zur Notenausgabe.

Nach der Leitmaxime ihrer Geschäftspolitik und - damit weitgehend entsprechend - nach der Rechtsform teilt man die B. in drei große Gruppen ein: a) B. mit erwerbswirtschaftl. Ausrichtung: Aktien-B, und Privatbankiers, b) B. mit gemeinnütziger oder gemeinwirtschaftl. Ausrichtung: öffentlich-rechtl. Kreditinstitute wie z. B. die Sparkassen, die Girozentralen, die öffentlich-rechtl. Grundkreditanstalten oder die Kreditanstalt für Wiederaufbau, c) B. mit genossenschaftl. Ausrichtung: Kreditgenossenschaften in der Form von Volks-B., Spar- und Darlehenskassen und Zentralkassen.

BANKGESCHAEFTE

1) Aktivgeschäfte: Kreditgeschäfte: a) Finanzmittelverwendung durch Geldleihgeschäfte (Kontokorrent-, Diskont-, Lombardkredite, Anschaffungsdar-lehen und Kleinkredite, langfristige Kredite mit und ohne Sicherung durch Grundpfandrechte); b) Kreditleihgeschäfte, bei denen die Bank nicht Geld ausleiht, sondern ein bedingtes Zahlungsversprechen gibt (Avalkredite, Akzeptkredite); c) Treuhandkredite. -2) Passivgeschäfte: Finanzmittelbeschaffung durch: a) Depositengeschäfte: die Entgegennahme von Sicht-, Termin- und Spareinlagen; b) Ausgabe von festver-zinsl. Wertpapieren: Pfandbriefe, Kommunalschuldverschreibungen, Kassenobligationen. - 3) Geldgeschäfte, die sowohl Aktiv- als auch Passivgeschäfte sein können. Sie dienen dem kurzfristigen Ausgleich von Liquiditätsüberhängen oder -Verknappungen (-» Liquidität der Banken). - 4) Effekt eneigenge-schäfte: An- und Verkauf von Wertpapieren im Rahmen von Anlage- oder Spekulationsgeschäften. -5) Dienstleistungsgeschäfte: a) Zahlungsverkehrsund Inkassogeschäfte; b) Wertpapiergeschafte (Effektenhandel für fremde Rechnung, Depotgeschaeft, Emissionsgeschäft); c) Geldwechselgeschäft (Devisen-, Sorten- und Edelmetallhandel); d) sonstige Dienstleistungen (Vermögensverwaltung, Informationen, Beratung, Treuhänderaufgaben).

BANKVERKEHR

Der Bankverkehr mit der Öffentlichkeit wird nicht nur durch die allgemeinen Vorschriften des BGB. und des HGB. für den kaufmännischen Geschäftsverkehr geregelt, sondern auch durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der B. (AGB), die i. d. R. Vertragsgrundlage für alle Bankgeschäfte sind. Die AGB enthalten zur Hauptsache Schutzvorschriften zugunsten der B., z. B. den Ausschluß der Haftung bei Auskünften und bei Schäden, die durch Maßnahmen von hoher Hand entstehen und den Handel m Wertpapieren, Devisen und Sorten, das Verwahrungs- Einzugs- und Diskontgeschäft sowie den Wechsel- und Scheckverkehr betreffen. - Die B. unterliegen wegen ihrer Volkswirtschaft!. Bedeutung zusätzlich einer Sondergesetzgebung, die aus dem Kreditwesengesetz, KWG., v. 10. 7. 1961 und ergänzenden Verordnungen besteht und Vorschriften für die Geschäftsführung enthält. Besondere Bedeutung für die B. haben die Normen, die bestimmte Relationen zwischen dem haftenden Eigenkapital und dem Fremdkapital einerseits und den Finanzmittelanlagen andererseits geben. Durch die -» Zinsverordnung, eine Durchführungs-VO. des §23 KWG., werden die zulässigen Höchstsätze der Soll- und Habenzinsen einheitlich für alle B. geregelt.

Dem Interesse der Öffentlichkeit an der Geschäftsführung der B. wird ferner dadurch Rechnung getragen, daß alle B. dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (-» Bankenaufsicht) u. a. ihren Jahresabschluß (Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung) vorlegen müssen. Die B. in der Rechtsform der AG., der KGaA. und der GmbH, haben ihre Bilanzen nach einem vorgeschriebenen Bilanzschema zu veröffentlichen. Die Mehrzahl der B. muß außerdem Monatsausweise aufstellen, die der Dt. Bundesbank einzureichen sind. Jede B. ist weiterhin verpflichtet, ihren Jahresabschluß prüfen zu lassen. Für B. mit Wertpapier- und Depotgeschäften sind regelmäßige >De-potprüfungen< mit besonderen Richtlinien vorgeschrieben. Außerdem kann das Bundesaufrichtsamt jede zur Durchführung ihrer Aufgabe notwendige Prüfung anordnen.

VOLKSWIRTSCHAFTLICHE BEDEUTUNG

Die volkswirtschaftliche Bedeutung der B. liegt in den Funktionen, die sie für den Geld-, Kredit- und Kapitalverkehr haben. Ihre Hauptaufgabe ist es, die hereingenommenen Gelder (Spar-, Sicht- und Termineinlagen) dem Wirtschaftsprozeß wieder zuzuführen. Somit treten die B. einerseits als Kreditnehmer auf, indem sie Einlagen entgegennehmen, die Anlagezwecken oder dem Zahlungsverkehr dienen, andererseits auch als Kreditgeber. Im Rahmen ihrer zweiseitigen Marktverbindung erfüllen die B. die Aufgabe, die vielfach relativ kleinen Beträge ihrer Einleger, bes. der Sparer, zu sammeln und dem Kreditbedarf entsprechend auszuleihen. Die Dienstleistungsfunktion den Geldgebern gegenüber besteht also nicht nur in der Verwahrung der Mittel, sondern vor allem in der Auswahl geeigneter Anlageobjekte oder Kreditnehmer. Dabei muß sichergestellt werden, daß die Einlagen einer produktiven Verwendung zugeführt werden. Auswahlkriterien sind der Zins und die zu stellenden Sicherheiten, die sowohl eine Rentabilität als auch eine weitgehende Risikobeschränkung garantieren. Die kapitalsuchenden Unternehmen können auf Grund der Kapitalsammlungsfunktion der B. ihren Kreditbedarf in der Regel bei einem Institut abdecken. Von den B. geht damit für die Geldanlage wie für die Kreditaufnahme eine stabilisierende Wirkung aus. Voraussetzung für die Aufnahme von Kundeneinlagen und für die Kreditgewährung ist das Vertrauen in die sachgemäße Geldverwaltung durch die Banken.

Nebenden Kundeneinlagen dientauch der Zahlungsverkehr als Basis für Kredithergaben und eine -» Kreditschöpfung also eine Erhöhung der Geldmenge. Da über Kreditgewährungen und Kreditschöpfung das gesamte Volkswirtschaft!. Gleichgewicht und bes. die Währung erheblich gestört werden können, behalten sich die meisten Staaten einen Einfluß auf die B. vor (-» Bankenaufsicht). Vor allem übt die Notenbank mit ihrem währungspolitischen Instrumentarium (-» Währungspolitik) Einfluß auf die Kreditschöpfungsfähigkeit und das Kreditvolumen der B. aus. Die Volkswirtschaft!. Bedeutung der einzelnen B.-Grupen geht aus der Hoehe der Einlagen und der gewaehrten Kredite hervor (s. TABELLE)

BANKWESEN IN DEUTSCHLAND

Das Bankwesen in der BRD wurde nach 1945 zunaechst entscheidend durch Verordnungen der Militaerregierungen beeinflußt. Auf Grund der Bestrebungen zur Dekonzentration der dt. Wirtschaft wurden die B. ab 1.4. 1948 dezentralisiert: keine Bank durfte außerhalb des Landes, in dem sie ihre Niederlassung hatte, eine Zweigniederlassung errichten oder unterhalten. Die dadurch betroffenen ehemaligen Groß-B. wurden in Nachfolge-B, aufgeteilt. Diese Zersplitterung erwies sich bald als wirtschaftlich wenig sinnvoll und wurde durch die >Dreier-lösung< z. T. rückgängig gemacht, d. h. in der Großbankenreform von 1952 wurden die Nachfolge-B. zu je drei größeren Instituten in den drei Bankbezirken Nord, West und Süd zusammengefaßt. Durch das Ges. v. 24. 12. 1956 wurde die Voraussetzung für den Wiederzusammenschluß gegeben. 1957 schlössen sich die Nachfolgeinstitute der Dt. Bank und der Dresdner Bank, 1958 auch die der Commerzbank wieder zu Kredite an und Einlagen von Nichtbanken (Ende 1965 in Mill. DM, Angaben der der Dt. Bundesbank berichtenden B. zentralen Groß-B. zusammen. Die Berliner Nachfolge-B. blieben rechtlich selbständige Tochterunternehmen. In der Bundesrep. Dtl. gab es Ende 1965 11 836 B. (ohne Zweigstellen), davon sind 9492 ländl. Kreditgenossenschaften, von denen 1439 der Bundesbank monatlich berichten. Insges. berichten 3746 B. der Bundesbank im Rahmen der monatl. bankenstatist. Erhebungen (-» Bankenstatistik). Die 16 privaten und 14 öffentl.-rechtl. Bausparkassen sind hierin nicht eingeschlossen. Die 11836 B. verteilen sich auf folgende B.-Gruppen: 1) Kredit-B. 347 (6 Groß-B, 101 Staats-, Regional- und Lokal-B., 204 Privatbankiers, 36 Spezial-, Haus- und Branchen-B.); 2) Sparkassengruppe: 877 (13 Girozentralen einschließlich Dt. Girozentrale, 864 Sparkassen); 3) Genossenschaftl. B.-Gruppe: 10267 (19 Zentralkassen: 6 gewerblich einschließlich Dt. Genossenschaftskasse, 13 laendlich, 10248 Kreditgenossenschaften: 756 gewerblich, ueberwiegend >Volksbanken<, 9492 ländlich, >Spar- und Darlehenskassen<, >Raiffeisenkassen<); 4) Realkreditinstitute: 45 (16 öffentlich-rechtl. Grund- und Kommunalkreditanstalten, 29 Hypotheken- und Schiffs-B. und sonstige Realkreditinstitute); 5) Kreditinstitut mit Sonderaufgaben: 18; 6) Teilzahlungskreditinsti tute: 215; 7) Kapitalanlagegesellschaften: 11; 8) Kassenvereine: 7; 9) Sonstige Kreditinstitute: 49. Nicht enthalten in der Gesamtzahl sind die 15 Postscheck-und Postsparkassenämter. - Die Sparkassen bilden zusammen mit den Girozentralen mit rd. 38% (Mai 1965) der Bilanzsumme aller von der Bankenstatistik erfaßten dt. B. die größte, die Kredit-B, mit rd. 23% die zweitgrößte Gruppe.
 
Bankengruppe ......................... Kredite ........... Einlagen
Kreditbanken .......................... 64 118 ............. 56 611
Sparkassen, Girozentralen ............ 101 961 ............. 95 182
Kreditgenossenschaften, Zentralkassen . 21 337 ............. 25 290
Hypothekenbanken, öflentl.-rechtl.
Grundkreditanstalten .................. 52 578 .............    —
Sonstige Kreditinstitute .............. 29 978 ............. 10 392
Alle Banken .......................... 269 972 ............ 187 475

 
Das oberste Organ des Bankwesens in der Bundesrep. Dtl. ist die Deutsche Bundesbank, die Zentralnotenbank, am 1.8.1957 durch das Ges. v. 26.7.1957 durch Verschmelzung der ->Bank deutscher Länder (B. d. L.), der Landeszentralbanken und der Berliner Zentralbank errichtet.

In der Dt. Dem. Rep. und in Ost-Berlin wurden 1945 sämtliche B. geschlossen. Danach durften nur die öffentl. Sparkassen und die Genossenschaftsbanken ihre Tätigkeit in beschränktem Maße wiederaufnehmen, allerdings ohne ihre zentralen Spitzeninstitute, die Girozentralen und die genossenschaftlichen Zentral-B. Gleichzeitig wurden staatl. Institute eröffnet (Landeskreditbanken, Emissions- und Girobanken). Im März 1950 wurden diese neugegründeten B. m die 1948 als Zentralbank errichtete Deutsche Notenbank (DN) eingegliedert. Die DN ist Zentral- und Geschäftsbank; sie stellt gleichzeitig ein zentrales Planungs- und Kontrollinstrument für die staatl. Volkswirtschaftsplanung dar. Ihr obliegt die Kassenführung des Staatshaushaltes. Das gesamte Bankwesen ist als ein Teil des staatl. Wirtschafts-planungs- und Kontrollsystems zu verstehen der vor allem lenkende und überwachende Funktionen hat. - Zuständig für die finanzielle Ausgestaltung und Kontrolle der Landwirtschaft ist - in völliger Abhängigkeit von der DN - die Deutsche Bauernbank. Die Deutsche Investitionsbank ist der DN gegenüber verantwortlich für die Planung, Durchführung und Kontrolle der gesamten Investitionsfinanzierung. Sie nimmt nur noch wenig Funktionen eines Kreditinstituts wahr. Etwas außerhalb des mitteldeutschen B.Systems steht auch die 1956 errichtete Deutsche Handelsbank, die die Außenhandelsgeschäfte mit dem westl. Ausland abwickelt. Der Geld- und Kreditversorgung des Handwerks und des Gewerbes sowie der Bevölkerung widmen sich die zahlreichen Ge-nossenschafts-B. und Kreissparkassen. Auch sie sind dem Kreditplan und den Kreditlinien der DN unterworfen. Alle Kreditinstitute sind dem Gironetz der DN angeschlossen.

BANKWESEN IM AUSLAND Ö s t e r r e i c h. Die 3 Großbanken (Creditanstalt-Bank-verein, Österreich. Länderbank, Österreich. Credit-Institut) wurden durch Ges. v. 26. 7. 1946 verstaatlicht, zwei von ihnen 1957 durch Ausgabe von Volksaktien teilweise reprivatisiert. Sie unterhalten in ganz Osterreich Filialen und Depositenkassen, im Gegensatz zu den 10 Regionalbanken (9 AG., l GmbH.), die hauptsächlich in einzelnen Bundesländern tätig sind. Daneben gibt es noch 13 private Kreditanstalten H2 AG., l GmbH.) mit Sitz in Wien sowie 19 Privatbankiers. Die 173 Sparkassen lassen sich nach dem Haftungsträger in Vereins-, Gemeinde- und Bezirks-Sparkassen einteilen; ihr Spitzenorgan ist die Girozentrale der Österreich. Sparkassen AG<; dieser ist auch eine öffentl. Bausparkasse angeschlossen. Die 1870 lanclwirtschaftl. Kreditgenossenschaften (Raiff-eisenkassen) sind nach Bundesländern zusammengefaßt; Dachorganisation ist die >Genossenschaftl. Zentralbank AG<; Spitzenorgan der 164 gewerbl. Kreditgenossenschaften ist die Österreich. Zentral-genossenschaftskasse. 10 Landeshypothekenanstalten betreiben das Hypothekengeschäft. Das Österreich. Postsparkassenamt unterhält den Postspar- und Postscheckdienst und beteiligt sich u. a. an der Emission öffentl. Anleihen. Clearingstelle der Groß-B., des Postsparkassenamtes sowie der Spitzeninstitute der Sparkassen und ländl. Genossenschaften ist die Wiener Abrechnungsstelle (Nachfolgerin des >Wiener Saldierungsvereins<). Die Österreich. Kontrollbank ist Abrechnungs- und Wertpapiersammelbank. Notenbank ist die -» Österreichische Nationalbank.

Schweiz. Vorherrschend ist, auch unter den kleinen Instituten, der Typ der Universalbank. Von den 5 Großbanken (Schweizerische Kreditanstalt, Schweizer. Bankverein, Schweizer. Bankgesellschaft, Schweizer. Volksbank, AG. Leu & Co.) haben die >Big Three< nach der Größe ihres Geschäftsumfanges besondere Bedeutung. Die 28 Kantonalbanken (davon 24 Staatsinstitute) widmen sich bes. dem Hypothekengeschäft und der Kreditversorgung mittelständ. Unternehmen und öffentl. Körperschaften. Unter den 168 Lokal-B. sind 94 Bodenkredit-B., die übrigen sind Spar- und Leihkassen, Gewerbe-, Handels-, Volks-B. und Privatbankiers. Ferner gibt es 114 Sparkassen, davon 72 Genossenschaften. Die l 101 genossenschaftl. Darlehenskassen sind in 2 Verbänden zusammengeschlossen, davon allein 1087 im >Verband schweizer. Darlehens-kassem. Zu der sehr heterogenen Gruppe der 137 übrigen B. gehören u.a. einige Privat-B. und kleinere Aktien-B. - Maßgebl. gesetzl. Grundlage für die Mehrzahl der B., einschließlich der Sparkassen, ist das B.-Ges. v. 8.11.1934. Notenbank ist die -» Schweizerische Nationalbank.

Frankreich. Die traditionelle Spezialisierung der französ. B. wurde durch Ges. v. 17. 5. 1946 auch rechtlich verankert; danach werden die B. in drei Gruppen eingeteilt. Die rd. 270 Depositen-B. (Banques de Depots) betreiben vor allem das kurzfrist. Geschäft; die 4 größten B. sind Staats-B. 43 -»Banques d'Affaires widmen sich bes. dem Finanzierungsgeschäft. Ferner gibt es 22 B. für mittel- und langfrist. Kredite. Staatl. Überwachungsorgan ist die B.-Kontrollkommission. - Die rd. 600 Sparkassen, rd. 50 Volks-B. und rd. 6800 landwirtschaftl. Kreditgenossenschaften (3800 Caisses de Credit Agricole Mutuel und 3000 >freie< Genossenschaften) unterliegen besonderen Gesetzen. Unter den Spezial-B. sind von bes. Bedeutung die Caisse des Depots et Consignations (Anlagebank für die Gelder der Sparkassen, Postsparkasse, Sozialversicherung u. a.), der Credit National (Investitionsfinanzierung), die Caisse Nationale de Credit Agricole (Landwirtschaftskredite) und der Credit Foncier (Hypothekenbank). - Das ganze Kreditsystem wird gelenkt und kontrolliert durch den Nationalen Kreditrat (Conseil National du Credit) und die —>• Bank von Frankreich (Zentralnotenbank).

Großbritannien. Dasengl. Bankwesen kennt eine deutl. Trennung nach Aufgabenbereichen und Geschäftszweigen. Die Depositen-B. (^Big Five) pflegen bes. das kurzfristige Kreditgeschäft; die 10 Londoner B. sind im Bankers'' Clearing House zusammengeschlossen und vereinigen etwa 85 % aller Einlagen auf sich. Die 12 Diskonthäuser (Discount Hauses, Bill Brokers) betreiben, häufig in Zusammenarbeit mit den Depositen-B., das Diskontgeschäft. Uebersee-B. (Foreign Banks) und Kolonial-B. (Colonial Banks) widmen sich dem Auslandsgeschäft. Die Merchant Banks (Acceptance Hauses) finanzieren den Außenhandel durch die Akzeptierung von Handelswechseln; außerdem betätigen sie sich im Emissionsgeschäft, mit dem sich im übrigen besondere Emissionshäuser befassen. Das Spargeschäft pflegen die Trustee Savings Banks, die Postsparkasse und die Building Societies (Sondertyp der Bausparkassen); Sparkassen im dt. Stil sind nicht bekannt. Notenbank ist die -» Bank von England.

Vereinigte Staaten. Die Federal Reserve Banks als Noten-B. (-» Federal Reserve System) und die sämtlich diesen angeschlossenen privaten National Banks beruhen auf bundesstaatl. Recht. Letztere betreiben zusammen mit den ebenfalls privaten State Banks, die jedoch einer einzelstaatl. Genehmigung bedürfen und teilweise (freiwillig) dem Federal Reserve System angehören, als Depositen-B, primär alle kurzfristigen Bankgeschäfte. Den Depositenbanken ist es durch die B.-Gesetzgebung von 1933 und 1935 grundsätzlich verboten, Effektengeschäfte zu tätigen. Die drei größten (alle drei sind National Banks) sind die -» Bank of America N.T. & S. A., San Francisco, die -» Chase Manhattan Bank und die -» First National City Bank, beide New York. Die Securities Companies, die als Privatbankfirmen meist in der Rechtsform der >Partnership< das Wertpapieremissions- und -kommissionsgeschäft pflegen, dürfen keine Depositen annehmen. Die Trust Companies haben sich auf die Verwaltung und Anlage ihnen anvertrauter Vermögen spezialisiert. Von erheblicher Bedeutung sind auch die -» Investment Trusts. Mutual Savings Banks und Savings and Loan Associations betreiben das Spareinlagen-und das langfristige Kreditgeschäft; letztere bes. den Hypothekarkredit im Wohnungsbau, das Pfandbriefsystem kennen sie nicht. Der Refinanzierung dieser Institute dient das Federal Home Loan Bank System. Die Credit Unions sind städt. Kreditgenossenschaften. Die Federal National Mortgage Association vermittelt die Übernahme noch laufender Hypothekarkredite oder übernimmt sie auf eigene Rechnung. Mortgage bankers sind Hypothekenmakler. - Im Agrarkreditwesen sind neben Genossenschafts-B. vor allem die Federal Land Banks und die Federal Intermediate Credit Banks tätig; übergeordnetes Koordinierungsund Kontrollorgan ist die Farm Credit Administration, Washington, mit ihren regionalen Zweigstellen. - Die staatl. Export-Import-Bank, Washington, gewährt Kredite zur Förderung des Außenhandels. Eine Besonderheit stellen die Commercial Paper Hauses dar die als bankähnl. Institute das Wechseldiskontgeschäft für eigene Rechnung pflegen oder Wechsel zu kurzfristigen Anlage an B. weitergeben. - B. mit einem ausgedehnten Filialnetz gibt es nicht, da Zweigniederlassungen nur in einigen Staaten erlaubt sind und auch dann nur in dem Staat, in dem die Bank ihren Sitz hat. Die größeren Institute unterhalten zahlreich Filialen im Ausland. - Der staatl. Federal Deposit Insurance Corporation, die die Depositen jedes Einleger bis zu 10000 $ gegen Konkurs der Bank versichert gehören rd. 98 % der Banken mit über 99 % aller Depositenkonten an. Die Einlagen bei den Savings and Loar Associations sind in gleicher Weise durch die Federal Savings and Loan Corporation versichert.

Sowjetunion. Die B. sind Organe der zentralen Planbehörde und dienen zur Verwirklichung der In-vestitions- und Produktionspläne durch strenge Kontrollen der finanziellen Transaktionen. Diese werden über Verrechnungskonten durchgeführt. - Es gibt vier Arten von B.: 1) Die Staatsbank, das Kassen- und Emissionszentrum, verwaltet das Valutamonopol. 2) Die Investitionsbank finanziert die Anlageinvestitionen und überwacht die Investitionstätigkeit. 3) Den finanziellen Ausgleich mit dem Ausland führt die Außenhandelsbank durch. 4) Die Sparkassen pflegen den Verkehr mit der Bevölkerung (Steigerung der Spartätigkeit) und die Unterbringung und Bedienung von Staatsanleihen.

Banken mit internationalen Aufgaben wurden errichtet, um den Wiederaufbau zerstörter Wirtschaftsgebiete, die Wirtschaft!. Integrationsbestrebungen, die Gewährung von Entwicklungshilfen an noch nicht voll industrialisierte Länder usw. zu ermöglichen und zu erleichtern. Ihre übernat. Bedeutung besteht bes. darin, die Entwicklungs- und Aufbauhilfen gezielt und koordiniert einzusetzen. Die wichtigsten B. mit internat. Aufgaben sind: International Bank for Re-construction and Development (IBRD, die -» Weltbank); -» International Finance Cooperation (IFC);

-» International Development Association (IDA); -» Internationaler Währungsfonds (IWF); -» Europäische Investitionsbank (EIB); -» Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ).

GESCHICHTE DES BANKWESENS

Schon in der Antike entwickelten sich Banken bestimmten Typs. In den orientalischen Kulturen waren es Darlehensgeschäfte (Naturaldarlehen, später auch Gelddarlehen), die die Träger großer Vermögen, Tempel, Eigentümer großer Wirtschaftskomplexe (Oikenwirtschaften) tätigten. In der hellenist. Zeit entwickelte sich mit dem Aufkommen des Münzwesens ein weite Gebiete ergreifender Rechnungsverkehr. Im Römischen Reich wurde das gesamte Bankwesen mit geringen Ausnahmen in Rom konzentriert und zugleich einer staatl. Aufsicht unterstellt.

Im Vordergrunde der öffentl. Diskussion stand in der ganzen Antike weniger das Problem der wirtschaftl. Funktion und deren Verbesserung, als vielmehr das Problem des Zinses, also eine ethisch-sozialpolit. Fragestellung (-» Zins), der das Schicksal des Schuldners am wichtigsten schien.

Das abendländische Bankwesen entwickelte sich demgegenüber nicht so sehr am Darlehens-, sondern am Münzwechsel-Geschäft. Da die Notwendigkeit eines Wechseins an den großen Handels-(Messe-)Plätzen bes. dringlich war, entwickelten sich diese zu Bankplätzen. Urspr. wurden auf einem großen Tisch (banca) die verschiedenen Münzsorten ausgebreitet und dort gewechselt. Bald bildete sich ein eigener Berufsstand von Geldwechslern, den Vorläufern der Bankiers -vielfach verbunden mit dem Edelmetallhandel -, heraus, weil zu dem Beruf des Münzwechslers eine umfangreiche Sachkenntnis gehörte, denn die Ausprägungen waren sehr mannigfaltig und die Relationen änderten sich ständig. Von dieser Wechselbank nahm das abendlaend. Geldwesen seinen Ausgang, und zwar dort, wo der Handelsaustausch bes. rege war, d. h. in Oberitalien

(Lombardei). So wurde die italien. Fachsprache des Bankwesens bis heute weitgehend durch diesen histor Ursprung bestimmt (lombardieren, Lombardsbrücke -» Lombard Street u.a.). Die Geldwechsler hießen bald mallen westeurop. Ländern >Lombarden< (auch wenn sie nicht aus der Lombardei stammten). In Oberitalien kommt bereits im 12. Jahrh. der Name >bancherii< (Bankiers) auf, daneben auch >Cambisten< u. ä.

Das Bankwesen dieser Art breitete sich schnell über alle Handelsplätze aus; in Paris z. B. gab es bereits im 13. Jahrh. 80 Lombarden. Im 14. und 15. Jahrh. wurde das Wechselgeschäft durch das Depositen- und das Giro-Geschäft ergänzt. Die Kurie, auch sonstige kirchl. Anstalten, dazu die Könige und Fürsten nahmen die Dienste der großen Bankiers in Anspruch und belohnten sie durch Nobilitierung und andere Ehrungen (-» Medici, -» Fugger). Neben die großen Privatbankiers traten in dieser Zeit öffentliche (staatlich-städt.) B., so die >Casa di San Giorgio< in Genua (1407), die >B. des Hl. Ambrosius< in Mailand (1593), der >Banco di Rialto< in Venedig (1587), die >Girobank< in Amsterdam (l 609), die >Hamburger Bank<(1619), der >Banco Publico< in Nürnberg (1621) usw. Zu ausgesprochenen Stadt-B., die die städt. Finanzmittel bankmäßig nutzten, kam es in Straßburg und Frankfurt a. M. Des Kredites an die minderbemittelte Bevölkerung, d. h. in der Regel des Konsumkredites, nahmen sich kirchl. Leihanstalten (montes pietatis) an.
Für die Entwicklung in Deutschland waren neben den vielfaeltigen Verbindungen nach Oberitalien und nach den Niederlanden die Zuwanderungen Antwerpener Geldwechsler und Bankiers von Bedeutung, zumal in Frankfurt a. M. und Hamburg. Eine besondere Erscheinung des 17. und 18.Jah.rh. war der jüdische Hoffinanzier (Hoffaktor). Dazu traten im Zuge der kameralist. Politik staatl. oder staatlich angeregte und geförderte Staats-, Noten- und Kolonial-Banken.

Das 19. Jahrh. ist zunächst gekennzeichnet durch die Vorherrschaft großer Privatbankiers von oft internationalem Rang, so der Rothschilds, dann in Deutschland der Bethmanns, Oppenheims, Mendelssohns. Bleichröders, Delbrücks, Schicklers. Doch setzte sich in den 50er Jahren verhältnismäßig schnell die Aktienbank durch, wobei große Privatbankiers häutig die Anreger und Gründer waren. Sie wirkten als Emissionshäuser, Gründungs- und Finanzierungsunternehmen (>Wirtschaftsbanken<), zunächst beschränkt auf den dt. und europ. Raum, bis dann die 1870 gegründete Deutsche Bank betont internationale Zielsetzungen verfolgte und sich auch überseeischen Gebieten zuwandte. Sehr bald entstanden dafür weitere Spezial-B.

Die meisten der deutschen Groß-B. - mit Ausnahme der Berliner Handelsgesellschaft - bauten ein weitgespanntes Filialnetz auf, womit der 1853 in Frankreich gegründete >Credit Lyonnais< vorangegangen war. Das ausgebaute Banknetz erzwang die Entwicklung des Girosystems.

Neben die großen Finanzierungs-B. traten im 19. Jahrh. mehrere Gruppen von Spezialinstituten wie Hypotheken-B. (Realkreditinstitute, Pfandbriefanstalten), Kreditgenossenschaften, Sparkassen. Die ursprünglich zahlreichen B. eingeräumte Berechtigung zur Notenausgabe wurde von diesen bald wieder freiwillig aufgegeben oder ihnen im Zuge der Zentralisierung des Notenbankwesens (Schaffung der Zentralnotenbanken) wieder entzogen.

Diese Zentralnoten-B, sind erst langsam in diesen durch den Namen bezeichneten Rahmen hineingewachsen. Ursprünglich hatten sie oder ihre Vorläufer die Rolle etwa einer Staatsbank (die älteste, die -» Bank von England z.B., die der Aufbringung von Kriegskosten, die Banque Generale des John Law, die der Sanierung der zerrütteten Staatsfinanzen). Das Recht der Notenausgabe rückte erst nach und nach in denVordergrund.

Ausschlaggebend hierfuer wurde die Notwendigkiet das mengenmaessig nicht aureichende Edelmetallgeld durch Banknoten zu ergaenzen. Allmaehlich wurden aus diesem Banken Zentralbanken, (Zentralnotenbanken) im heutigen Sinn.

Allgemeines. A. R. HERRMANN: 200 Jahre öflfentl B -Wesen (1935); P. H. EMDEN: Money powers of Europe in t'he 19th and 20th centuries (London 1937); G. OBST u. O HINTNÜR-Geld-, B.- und Börsenwesen ("1963); A.WEBFR- Geld und Kredit, B. u. Börsen («1959); G. HALM: Geld, Kredit B. (1935); W. LEAF: Banking (London 1935); F. BRADFORD' Money and banking (New York "1949); J. M. PETERSON: Money and banking (ebd. 1949); K. F. HAGENMÜLLER: Der B.-Betrieb, 1-3 (1964); W. KALVERAM u. H. GÜNTHER: B.-Betriebslehre (31961); Die B., hg. v. K. THEISINGER u j LÖFFELHOLZ, 3 Bde. (1952); B.-Lexikon - Hwb. f. d. B.- u. Sparkassenwesen, hg. v. G. MÜLLER u. J. LÖFFELHOLZ (1963); S. WENDT in: Hwb. d. Sozialwiss., l (1956); Enzyklopäd. Lexikon f. d. Geld-, B.- und Börsenwesen, hg. v. M. PALYI u. P. QUITTNER (21958); Encyclopedia of banking and finance, hg. v. G. G. MUNN (61962); B.- u. Börsenlexikon, hg. v. F. SEIDENZAHL (1961); H. LIPFERT: Einführung in d. Währungspolitik (21965). - Einzelgebiete. A. WEBER: Depositenb. u. Spekulations-B. (41938); R. STUCKEN: Liquidität d. B. (1940); L. GLESKE: Die Liquidität in d. Kreditwirtschaft (1954); H. LIPFERT: Devisenhandel (1958); W. ACHTERBERG: Wie liest man B.-Bilanzen? (31954); H. BIRCK: Die B.-Bilanz (21961); E.AUST: Der Wettbewerb in d. B.-Wirtschaft (1963); B. HARTMANN: B.-Betriebsanalyse (1962); ST. KAMINSKY: Die Kosten-u. Erfolgsrechnung der Kreditinstitute (1955); C. ZIMMERER: B.-Kostenrechnung (1956); H. LIPFERT: Der Geldmarkt (M966). - Geschichte. W. SOMBART: Der moderne Kapitalismus (H955); R. STUCKEN: Dt. Geld- u. Kreditpolitik v. 1914-63 (31964); H. T. EASTON: History and pnnciples of banks and banking (London M924); CH. A. CONANT: A mstoryof modern banks issue (N. Y./London M927); F. FRANCOIS-MARSAL: Encyclopedie de banque et de bourse, 4 l e. (1928-30). - Statistik. Untersuchungen d. B.-Wesens, 2 Tle. (1933/34); Bankers' almanac (London, jährt.); PICKS Internat. B.-Adrelibuch (iährl.): Monatsber. d. Dt. Bundesbank ........

(seit januar 1949); Money and Banking (seit 1938); I. ESENWEIN-ROTHE: Die Struktur des Bankwesens als Gegenstand Wirtschaftsstatist. Analyse (1959). - Zeitschriften. Ztschr. f.d. ges. Kreditwesen (1948 ff., halbmonatl.); Sparkasse (1881 ff., halbmonatl.); B.-Betrieb (1961 if., monatl.); Österreich. B.Archiv (1952 ff., monatl.); The Journal of finance (1946 ff.); The banker (1948 ff.); Banking law Journal (seit 1889); Banque (1926 ff.).


Bankenaufsicht, die staatl. Beaufsichtigung der Kreditinstitute. Sie obliegt in der Bundesrep. Dtl. dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BAK), einer selbständigen Bundesoberbehörde (Sitz: Berlin) im Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsmin., und ist durch die Vorschriften des -» Kreditwesengesetzes geregelt. Zweck und Aufgabe der B. ist es, l) Einleger und Kunden zu schützen, 2) Mißstände im Kreditgewerbe zu verhindern, 3) Schädigungen des Volkswirtschaft!. Funktionsprozesses durch die Kreditwirtschaft nach Möglichkeit auszuschließen, 4) über die Kreditwirtschaft wirtschaftspolit. Ziele durchzusetzen. - Die B. wird in der Bundesrep. Dtl. und auch im Ausland meist zentral durchgeführt. Eine Ausnahme bilden die USA, in denen die Aufsicht den einzelnen Bundesstaaten zugewiesen ist. Die B. umfaßt sowohl das Konzessionssystem (Erteilung oder Rücknahme der Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb) als auch das System der materiellen und formellen Aufsicht über den laufenden Geschäftsbetrieb.



Bank für Gemeinwirtschaft AG., Frankfurt a. M., größte dt. -» Gemeinwirtschaftsbank mit 116 Zweigstellen; gegr. 1958; Kap.: 120 Mill.; Res • 60 Mill. DM (1965).


Bank für Internationalen Zahlungsausgleich,

abgek. BIZ, Basel, gegr. 1930 von den Zentralbanken der Länder Belgien, Dtl., Frankreich, Großbritannien, Italien und Japan sowie einer Bankengruppe der USA, bes. zur Durchführung des Transfers der dt. Reparationszahlungen nach dem YOUNG-Plan. Mit Ausnahme der Staatsbank der Sowjetunion sind jetzt die Zentralbanken aller west- und osteurop. Staaten und der Verein. Staaten an der BIZ beteiligt. Japan hat 1951 auf sämtl. Rechte verzichtet. - Zweck der BIZ ist es, die Zusammenarbeit der Zentralbanken und den Internat. Zahlungsausgleich zu fördern, neue Möglichkeiten für internat. Finanzgeschäfte zu schaffen und als Treuhänder der ihr übertragenen internat. Zahlungsgeschäfte tätig zu sein. Die BIZ war Ausgleichsstelle für das Intereurop. Zahlungsabkommen und regelt jetzt Verrechnung und Zahlungsausgleich des -» Europäischen Währungsabkommens. - Die Geschäftsführung obliegt dem Verwaltungsrat, der sich aus Vertretern der europ. Zentralbanken zusammensetzt. Stammkapital: 500 Mill. Schweizer Goldfranken (eingezahlt zu 25 %, Goldbestand: 2,3 Mrd. Schweizer Goldfranken 1964). H.L.SCHLÜTER: Die B.f.I.Z. (1932); P.EINZIG: The Bank for International Settlements (London 1950); C.U.PAPI: The first 20 years of the BIZ (Rom 1952); Jahresber. d. BIZ (seit 1931).



Bankgeheimnis, die auf dem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Kreditinstitut und seinem Kunden beruhende Pflicht des Instituts, über die bei ihm liegenden Vermögenswerte des Kunden und seine Aufträge Verschwiegenheit zu bewahren.

In Deutschland ist das Bankgeheimnis nicht gesetzlich geregelt, aber allgemein anerkannt, so vor allem im Zivilprozeß, wo dem Bankier Zeugnisverwei-eerungsrecht eingeräumt wird (§ 383 Abs. l Ziff. 5 ZPO.). Durchbrochen wird das B. durch gewisse öffent-lich-rechtl. Auskunftspfliehten, so durch die Auskunftspflicht gemäß VO. v. 13. 7. 1923 gegenüber obersten Bundesbehörden, ferner im Interesse staatl. Wirtschaftsaufsicht: Das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen hat gegenüber Kreditinstituten Prüfungs- und Auskunftsrechte (§ 44 Ges. über das Kreditwesen v. 10. 7. 1961), auch sind Groß-, Millionen- und Organkredite anzuzeigen (§§ 13-16 des Ges.); die Außenwirtschafts-VO. trifft Meldevorschriften bezüglich bestimmter Vermögensanlagen mit Auslandsberührung. Auch im Interesse der Strafverfolgung ist das B. zurückgedrängt; im Strafprozeß hat der Bankier kein Zeugnisverweigerungsrecht. Vor allem die Steuergesetzgebung (paragraf 175,183,187a,190ff. Reichsabgabenordnung) greift in das Bankgeheimnis ein, doch sind die Finanzbehörden angewiesen, von ihrem Recht auf Auskunft gegenüber Kreditinstituten zurückhaltend Gebrauch zu machen.

In Österreich sind die Kreditinstitute durch das bestehende B. grundsätzlich zur Verschwiegenheit in allen geschäftl. Angelegenheiten ihrer Kunden verpflichtet, doch ist das B. zur Wahrung des öffentl. Interesses oft durchbrochen (Auskunftspflicht gegenüber den Strafgerichten, Polizeibehörden, Exekutionsgerichten, Steuerbehörden, der Nationalbank und dem Rechnungshof).

In der Schweiz stellt die Verletzung des B. nicht nur einen Verstoß gegen die Vertragspflicht des Bankiers dar, sondern steht auch unter besonderer Strafandrohung (Art. 47 Bankenges.). Eine Auskunftspflicht besteht auch nicht gegenüber inländischen oder aus-länd. Verwaltungsbehörden. Lediglich gegenüber den Bankenrevisionsbehörden, die ihrerseits an das B. gebunden sind, müssen gewisse Angaben gemacht werden. - Im Strafverfahren besteht nach den meisten kantonalen Prozeßordnungen eine Zeugnispflicht des Bankiers. Gleiches gilt für denZivilprozeß, wobei in einigen Kantonen das Zeugnis nach Ermessen des Richters verweigert werden darf. In der Zwangsvollstreckung (Konkurs-, Nachlaß- oder Pfändungsverfahren) muß die Bank Auskunft geben, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts auch bei Arrestverfahren.

S. SICHTERMANN: B. u. Bankauskunft (1957); E. SCHINNERER: Bankverträge, l (M961); Hb. d. Bank- Geld- u. Börsenwesens d. Schweiz (1964).


Bankhalter, der Unternehmer einer Spielbank oder derjenige Spieler beim Glücksspiel, gegen den die uebrigen (Pointeure) spielen; gewöhnlich hat der B. größere Gewinnaussichten (Chancen).


Banknote, ein Geldschein, der von einer Notenbank ausgegeben ist und auf einen abgerundeten Betrag von Währungseinheiten lautet. Früher verkörperte die B. ein Forderungsrecht des Inhabers gegen die Notenbank auf Einlösung m bar (d. h. in Metallgeld). Dabei waren Art und Ausmaß der Deckungsvorschriften, die die Einloesbarkeit der B. sicherstellen sollten, verschieden. Heute besteht in keinem Land mehr eine Einloesungspflicht (-» Zeangskurs). Die B. sind viel mehr meist gesetzliches Zahlungsmittel und muessen unbegrenzt in Zahlung genommen werden (definitives Geld). Viele Staaten, auch die BRD, verzichten daher auf besondere Deckungsvorschrfiten und bestimmen den Banknotenumlauf als Teil des gesamten Geldvolumens nach wirtschaftspolitischen Erfordernissen

(-» Papiergeld, -» Währung). - Vorläufer der heutigen B. waren die Londoner Goldsmith Notes des 17. Jahrh und die Depositenscheine italien. Banken. Diese Anweisungen auf die bei den Goldschmieden und Banken deponierten Münzen und Edelmetalle entwickelten sich allmählich zu selbständigen Zahlungsmitteln Später wurde die Ausgabe von B. privilegierten Staatsbanken (Notenbanken, Privatnotenbanken) vorbehalten, denen dadurch das Banknotenmonopol gesichert war. Ihre B. hießen auch Staatsnoten oder Staats Papiergeld. In der Bundesrep. Dtl. hat nur die Deutsche Bundesbank, in der Dt. Dem. Rep. die Deutsche Notenbank das B.-Monopol inne.

H. MOELLER: Die Lehre vom Gelde (1925); F. LÜTGE: Einfuehrung in d. Lehre v. Geld (21948); G.OBST u. O. HINTNER: Geld-, Bank- u. Börsenwesen (351963); H. LIPFERT: Einf. in d. Währungspolitik (21965).


Banknotensteuer, Notensteuer, eine Zwangsabgabe, die zur Kontrolle des Geldumlaufs den Notenbanken bei Überschreitung einer bestimmten Umlautmenge ihrer Noten auferlegt wurde. Eine B. wurde zuerst in den USA (1866), später zeitweilig auch in Dtl. erhoben (-» Notenbank).



 
Bank von England, engl. Bank of England, Zentralnotenbank Großbritanniens, Sitz London, mit 8 Zweigstellen. 1694 als private Aktienbank (The Governor and Company of the B. ofE.) nach einem Plan des Schotten W. PATERSON gegr. Ihr ursprüngl. Zweck war, das gesamte Aktienkapital von 1,2 Mill. £ an den engl. Staat zu leihen. Die Bank war also eine Vereinigung von Staatsgläubigern. Sie erhielt das Recht, Noten auszugeben (gesetzl. Zahlungsmittel seit 1834) und Bankgeschäfte zu betreiben. Entsprechend den Grundgedanken der Currency-Schule wurde durch die Peelsche Bankakte von 1844 die Notenausgabe begrenzt und organisatorisch durch Schaffung einer eigenen Abteilung (issue department) von den Bankgeschäften (banking department) getrennt. Seit 1928 sind die Noten der B. v. E. alleiniges gesetzl. Zahlungsmittel. Die Goldeinlösungspflicht wurde 1931 aufgehoben. Zur Verhinderung größerer Schwankungen des Sterlingkurses wurde 1932 der Währungsausgleichsfonds geschaffen. 1939 wurden ihm die gesamten Goldbestände übertragen. Die B. v. E. wurde am 1. 3. 1946 verstaatlicht. Sie wird von einem Direktorium (>Court of Directors<, 18 Mitgl.) geleitet. 1965 hatte sie ein Kap. von 14,55 Mill. £, der Banknotenumlauf betrug 2604 Mill. £, der Goldbestand rd. 362000 £. - Der Schatzkanzler besitzt seit 1946 ein Weisungsrecht gegenüber der Bank, von dem jedoch noch nie Gebrauch gemacht wurde. Die B. v. E. betreibt seit Ende 1951 wieder eine aktive Geld- und Kreditpolitik, : nachdem der Diskontsatz seit 1932 meist unverändert . bei 2% gelegen hatte. Diese Politik, die in enger Koordination mit der Regierung verfolgt wird, beruht wesentlich auf freiwilligen Vereinbarungen mit den privaten Banken. Sie ist gekennzeichnet durch abwechselnde Brems- und Ankurbelungsmaßnahmen (>stop and go<) zur gleichzeitigen Aufrechterhaltung des innen- und außenwirtschaftl. Gleichgewichts unter Vermeidung einer Abwertung des Pfundes.


Bank von Frankreich, frz. Banque de France, französ. Zentralnotenbank, Sitz Paris, mit rd. 260 Filialen. Sie wurde 1800 von Napoleon gegründet, um eine kontinuierl. Versorgung der Wirtschaft mit billigen Krediten sicherzustellen. 1848 erhielt sie das Notenprivileg für ganz Frankreich, wofür sie seit 1857 dem Staat einen ständigen Kredit gewährt und fiskal. Bankgeschäfte erledigt. Die Goldwährung wurde infolge des I.Weltkrieges aufgegeben, 1928 wieder eingeführt, aber 1936 erneut aufgehoben. Danach versuchte die B. v. F., mit Hilfe des Stabilisierungsfonds (-» Währungsausgleichsfonds) den Franc zu verteidigen. Am 1.1. 1946 wurde die B. v. F. verstaatlicht. Sie wird von einem Gouverneur und zwei Untergouverneuren geleitet; zusammen mit 12 Räten (>Conseillers<) und zwei Zensoren bilden sie den Generalrat. Die B. v. F. ist ausführendes Organ des Nationalen Kreditrates (-» Conseil National du Credit), der entscheidenden Einfluß auf die allgem. Kredit-und Investitionspolitik ausübt. In den ersten Nach-kriegsjahren verfolgte die B. v. F. eine restriktive Politik. Die innere und äußere Befestigung des Franc seit 1958 erlaubte eine schrittweise Lockerung der Planwirtschaft!. Lenkungsmaßnahmen. Das Kapital betrug bei der Umwandlung in >NeueFrancs< 150Mill. F, der Umlauf an Banknoten und Scheidemünzen Ende 1964 62 Mrd. F

G.RAMON: Histoire de la B.d.F. d'apres les sources originales (Paris 21929); H.SCHMIDT: Die Struktur d. französ. Bankwirtschaft (1940); W. B. BING: Wirtschaft u. Währung in Frankr. im Spiegel d. Jahresber. der B.d. F. (1956); Bank für Internat.Zahlungsausgleich: Achteurop.Zentralbanken 1963).
 


 
Banking Prinzip, Geldtheorie; die Auffassung, daß Banknoten nicht voll in Edelmetall gedeckt zu sein brauchen. Im Gegensatz zur Cur-rency-Theorie geht das B. P. davon aus, daß die Papiergeldmenge ohne Inflationsgefahr dem Bedarf der Wirtschaft elastisch angepaßt werden könne, da die Wirtschaft insgesamt nie mehr Geld anfordere, als sie für die Bewältigung des Warenverkehrs benötige; Wechsel könne die Notenbank ohne Gefahr für den Geldwert diskontieren oder gegen Noten ankaufen, da durch die befristete Laufzeit die Noten relativ schnell zur Zentralbank zurückliefen.

-» Currency-Theorie • Notenbanken • Notendeckung • Rückströmungsprinzip.



Baubo, grch. Baubo, griech. Mythos: nach orphi-scher Tradition eine alte Frau, die die trauernde De-meter mit obszönen Gesten erheitert; eine wohl aus Kleinasien eingedrungene Personifikation der weibl. Fruchtbarkeit; Entsprechung zum -» Phallos.

W. FAUTH in: Der kleine Pauly, l (1964).


Autosuggestion [grch.-lat. >Selbsteingebung<], Selbstbeeinflussung: Ein zunächst ichfremder, nur vorgestellter Bewußtseinsinhalt mit affektiver Bedeutung wird schließlich ichhaft erlebt. Im Gegensatz zur -» Suggestion (Heterosuggestion) wird die A. nicht vom Arzt, sondern vom eigenen Selbst gegeben. Grundsätzlich besteht nach B. STOKVIS zwischen A. und Suggestion kein Unterschied. Unabsichtl. (als Einbildung bezeichnete) A. besteht, wenn durch affektbetonte Erwartungen oder Wünsche bestimmte Überzeugungen und Einstellungen zustande kommen, die der Prüfung an der Erfahrung nicht mehr unterworfen werden; so etwa viele persönl. Überzeugungen, bes. die Neigung, das für wahr zu halten, was man wünscht (Wunschdenken). Die A. reicht über subjektive Vorgänge hinaus bis zu objektiven physiolog. Symptomen. So kann die bloße Erwartung einer Armlähmung diese hervorrufen; auch manche der als Stigmatisation (-» Stigma) bezeichneten Erscheinungen sind A. Solche psychosomat. Beziehungen werden gezielt für Psychotherapeut. Zwecke benutzt, z. B. Behandlung der Schlaflosigkeit durch A. beruhigender Umstände. E. COUE gab eine Methode an, den unbewußten Willen zur Gesundheit und zum Wohlbefinden auf autosuggestivem Weg zu stärken. Dieser Ansatz ist in Deutschland vor allen durch J. H. SCHULTZ (-» autogenes Training) und in den USA von E. JACOBSEN (Relaxationsmethode) wei terentwickelt worden.

E. SCHLUNK: A. (21958); B. STOKVIS: Suggestion, in: Hb d. Neurosenlehre u. Psychotherapie (1959); B. STOKVIS u M. PFLANZ: Suggestion (1961); B. STOKVIS u. E. WIESENHÜT TER: Der Mensch in d. Entspannung (1961); E. COUE: Selbstbemeisterung durch bewußte A. (dt. 184. Tsd. 1963).