Wer sagt da, die deutsche Demokratie sei in der Krise? Weit gefehlt ist das: Gerade in Krisenzeiten regiert das Volk und greift um so mächtiger ein ins Geschehen, je weniger sich die Volksvertreter noch zu helfen wissen. Wo aber gähnt im Augenblick die gewaltigste Lücke? Genau! Heute basteln wir uns einen neuen CDU-Vorsitzenden.

Am Dienstag ist dem Volk durch seinen zuverlässigsten Volksseelen-Ableser die Kardinalfrage vorgelegt worden: „Wer soll“ – Bild fragt Deutschland – „die Partei aus der Krise führen?“ Kardinalfrage? Ob vielleicht Kardinal Ratzinger  .  .  . Nein, so hatten das die Frager sicherlich nicht gemeint. Im Grunde war sowieso klar, von welcher Art die Persönlichkeit sein muss, die das Land jetzt an dieser besonderen Stelle braucht. Eine ehrliche Haut! Eine charismatische Erscheinung! Eine stahlharte Führungsfigur, so ähnlich wie  .  .  . wie Kanther, nur eben noch ein wenig ehrlicher. So ehrlich wie Dieter Baumann vielleicht, nur etwas weniger belastet und dafür mehr aus der Mitte der CDU. Ja leider, leicht ist es nicht, auf die Schnelle den richtigen Aus-der-Krise-Führer zu finden. Wäre es einfach, dann hätte am Dienstag womöglich sogar der CDU-Vorstand einen neuen Moses gefunden statt wieder den alten Schäuble. Und wir hätten uns diese schwierigen Gedanken nicht machen müssen. Unglücklicherweise haben die Volksseelen-Ableser dem Volk, ein wenig undemokratisch, nur neun Personen zur Auswahl vorgestellt, lauter bekannte Christdemokraten. So standen weder Boris Becker zur Verfügung noch Jürgen Schrempp oder Gerhard Schröder, der doch soeben schon eine andere Partei erfolgreich aus der Krise geführt hat. (Warum hat noch niemand über eine Fusion nachgedacht? Allein, was man an Personal einsparen könnte!)

Am Mittwoch stand dann das Ergebnis im Blatt, sehr einleuchtend. Gewonnen hat unter 72 562 Lesern mit 16,8 Prozent Herr Christian Wulff, der in der Tat von allen Kandidaten der hübscheste ist und es auch am meisten verdient, weil er doch noch nie eine Wahl gewonnen hat. Möglicherweise ist der sympathische Mann aber nicht hart genug: Er soll während der Vorstandssitzung geheult haben, vermutlich aus Freude über seinen Sieg. An die zweite Stelle wählte Deutschland dann aber schon, mit 14,2  Prozent, eine strahlende Nachwuchskraft, auf die man beim ersten Nachdenken gar nicht gekommen wäre. Der Mann heißt Helmut Kohl und ist schon deshalb am besten geeignet, die CDU aus der Krise zu führen, weil er sie ja auch hineingeführt hat: Er kennt also den Weg schon. – Ein berühmter Satz über Volkes Stimme ist halb lateinisch formuliert und lautet so: vox populi, vox Rindvieh. Und schon haben wir den Beweis: Der Rinderwahnsinn ist jetzt doch nach Deutschland übergeschwappt