Tschuldigung, wir müssen noch einmal darüber reden, schon wieder und immerfort: vom Entschuldigen. Es bilden sich da nämlich laufend neue Untergruppen. Begonnen hatte alles mit Bill Clinton, der das Thema sehr schlicht intonierte, und sehr ergreifend obendrein, zumindest in dem Sinn, dass er selbst ganz ergriffen wirkte ob seiner Bereitschaft, das einzugestehen, was doch die ganze Welt längst wusste: I have done wrong. Das Tränlein, das sich seinerzeit aus Clintons Augenwinkel stahl, hätte auf Wolfgang Schäubles Gesicht höchst deplatziert gewirkt: Nicht nur für die Machenschaften seiner Partei, auch für seine höchstpersönlichen Fehlleistungen entschuldigte sich Schäuble weniger als Mensch denn als Staatsmann, so sachlich wie ungerührt. Weitere Varianten lieferten Johannes Rau, der sich entschuldigte, ohne zu sagen wofür, Christian Wulff, der weinte, ohne sich eigentlich zu entschuldigen, oder Jörg Haider, der sich lachend für alles entschuldigt, was zu tun oder zu sagen ihm nicht einmal im Traum einfiele.

Schwer einzuordnen ist der jüngste Fall: Roland Koch hat in seiner Aufklärungswut einen Lügner namens Roland Koch ausfindig gemacht – und möchte für diese Spitzenleistung offenbar auch noch bedankt sein. Ja zum Donner, gibt es denn keinen Politiker mehr, der den Dreck an seinem Stecken mit Anstand zu verbergen versteht, und einfach den Mund hält? Aber gewiss doch: Einen gibt es; und an den wollen wir uns halten, ich und du und jene Frankfurter Autobesitzerin, die der Polizei partout nicht verraten mag, wer in ihrem Fahrzeug widerrechtlich eine Anliegerstraße durchbrauste: Sie habe der betreffenden Person, die sich noch dazu vielfältig ums Gemeinwesen verdient gemacht habe, nun einmal ihr Ehrenwort gegeben, basta.

Nicht ohne heimliches Entzücken stellt man sich die ratlosen Mienen der Frankfurter Polizeibeamten vor. Mit Entschuldigungen, welcher Art und Untergruppe auch immer, kann denen keiner mehr kommen. Aber ein Ehrenwort, einfach ein Ehrenwort – das schafft zumindest eine ungewohnte Lage, wenn nicht gar, worauf sich jene Frankfurterin denn auch frohgemut beruft, „ein verändertes Rechtsverständnis“. Von eben dem, man ahnt es, wird in Zukunft allerlei nützlicher Gebrauch zu machen sein, und das keineswegs nur im öffentlichen Leben. Ohnehin haben beispielsweise Frauen längst die Nase voll von Männern, und Männer von Frauen, die sich immerfort jammerlappig entschuldigen oder ihnen tränenreiche Geständnisse aufdrängen, inklusive der Versicherung, es solle nie wieder vorkommen. Wieviel attraktiver wirkt demgegenüber die harte Variante: Ehrenwort, Achselzucken, Schweigen. Erzeugt das auch keine restlose Zufriedenheit, so erzeugt es doch Respekt. Der Preis dafür? Je nun, über den reden wir ein anderes Mal.