In einer Branche, in der Anstand nur nach Nützlichkeitsprüfung zur Anwendung kommt, ist es schon erstaunlich, wenn lediglich drei Bundesligisten – Borussia Dortmund, 1860 München, Energie Cottbus – den Trainer Christoph Daum unbesehen wieder anstellen würden. So ermittelte zumindest eine Bild-Umfrage bei den 18 Klubs. Das bedeutet immerhin auch, dass 15  Vereine nach der Daumschen Comedy-Show mit Sandstreu-Effekt vom vergangenen Freitag irgendwie ins Grübeln gekommen sind.

Anderen hat es völlig genügt, dass Graf Koks nach seinem Urlaub im Sonnenparadies Florida prächtig gelaunt eine Betroffenheitseinlage gab. Er habe das Zeug ja „im privaten Bereich“ konsumiert, und auch das nur, weil ihn eine schmerzende Hüfte förmlich dazu gezwungen hat. Nun macht das Gelenk offenbar nicht mehr aua, weshalb der Christoph raketenartig in den Kreis der Gutmenschen zurückgeschossen werden kann. Ausgerechnet der künftige DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder sieht seinen alten Günstling bereits wieder „auf dem Pfad der Tugend“ und empfiehlt ihn stante pede als Vorbild – für die Aktion Keine Macht den Drogen.

Hält der trinkfeste Verbandsboss eigentlich seine 6,5 Millionen Mitglieder für so blöde, dass ihnen da nicht ein paar logische Fragen durch den Kopf gehen? Zum Beispiel die nach einer Entziehungskur, die nach Expertenmeinung Voraussetzung für jede glaubhafte Abkehr ist? Und wie hat man sich eigentlich diesen „privaten Bereich“ vorzustellen? Etwa so, dass Daum im Kokaingeschäft an der nächsten Ecke ein Prischen erworben hat, weil am Samstagabend Freunde zu Besuch kommen: „Du Schatz, hol zur Feier des Tages mal den Jahrgangs-Kolumbianer raus“? Oder bedarf es da nicht doch der Kontakte zu Drogendealern, die man dem kriminellen Milieu zuzurechnen hat? Und: Ist es nicht ein Hohn, dass „Lügen-Daum“ (Welt am Sonntag) seinen größten Fehler darin sieht, sich einer Haarprobe unterzogen zu haben, die seinen Bundestrainer-Lebenstraum zerstörte – keineswegs aber in der Kokserei? Ungerührt faselte er schon wieder davon, doch noch oberster Fußball-Lehrer der Nation zu werden.

Unter einem Präsidenten Mayer-Vorfelder ist sogar das denkbar. Seitdem der ehemalige baden-württembergische Kultusminister, der einst seine Landes-Kinder vor Unterrichtsbeginn die Nationalhymne singen lassen wollte, die DFB-Geschäfte führt, ist Drogenkonsum offenbar zur Bagatelle geworden. Der deutsche Fußball wird den Präsidenten bekommen, den er verdient.