T R A D I T I O N E L L
V I R T U E L L Indisch heiraten Von Konrad Lischka Das Internet ermöglicht es Indern weltweit, den Partner ohne
traditionelle Vermittlung der Eltern zu finden - nach Kriterien, die zum
Teil Jahrhunderte alt sind.
Namen und ein paar Eigenschaften der Suchenden werden ausgerufen, vielleicht gefallen sie einer der anderen Familie. Dann setzt man sich in eine Ecke und verhandelt. 91 Prozent aller Eheschließungen in Indien werden so "arrangiert", ergab 1996 eine Umfrage des Wochenmagazins "India Today". In den USA und dem Rest der Welt ist es schwer, in den nächsten Tempel zu gehen - abgesehen davon, dass das Angebot an Heiratswilligen derselben Kaste in der Nachbarschaft ohnehin begrenzt ist. Die Eltern von Bharat Manglani suchten drei Jahre. Als sie über eine Anzeige endlich die passende Frau und Familie fanden, dauerte es noch einmal sechs Monate, bis ein Treffen arrangiert war. Heute meint Manglani: "Das kann man auf sechs Tage reduzieren." Sein Versprechen ist nicht so unrealistisch. In den USA sind 69 Prozent der asiatisch-amerikanischen Haushalte online, während die Gesamtbevölkerung gerade mal auf 43 Prozent kommt. Manglani ist Gründer und Direktor der Internetdienste Asian Matches und Suitable Match. 6037 Frauen und 1974 Männer suchen allein auf Suitable Matches nach Partnern fürs Leben. Ihre Profile können in der Datenbank durchsucht werden, auch danach, welcher Kaste sie angehören. "Eine erfolgreiche Heirat ist Glückssache. Wäre es nicht besser, von vornherein so schnell wie möglich zu wissen, ob es mit jemandem klappt oder nicht?", fragt Manglani. Bei einer traditionellen indischen Heirat darf nichts dem Zufall überlassen werden. So berechnen Astrologen tagelang den besten Zeitpunkt für die Trauung. Heirat aus Liebe, eine Beziehung, die mit einem zufälligen Treffen begann statt eines von den Eltern vermittelten Kennenlernens - so etwas sehen viele konservative Inder skeptisch. Das Internet schafft da einen Mittelweg. Der 29-jährige Harsha Kumar arbeitet im US-Bundesstaat Massachusetts für eine E-Commerce-Firma. Anfang 1998 begann er, unter www.matrimonials.com nach einer Ehefrau zu suchen. Heute lebt er mit ihr zusammen. "Meine Eltern bekamen, was sie wollten und ich auch. Wir passen besser zueinander, als es bei einer arrangierten oder einer Liebesheirat möglich gewesen wäre", erzählte er der "New York Times".
Es gibt Heiratswillige wie "AussieHotty", einen 27-jährigen Muslim aus Melbourne. Er gibt keine Kaste an, aber dafür "weniger als elf Prozent Körperfett". Aber es gibt auch eine 26-jährige Innenarchitektin aus Bombay, die ihre helle Haut betont und einen Mann mit ihrer Kastenzugehörigkeit aus einer angesehenen Familie will. Oder die sehr religiöse 26-jährige Hindu aus Illinois, die einen möglichst selbstständigen Vegetarier, Nicht-Raucher, Antialkoholiker aus der Sindhi-Kaste will. Auch sie betont ihre helle Haut. Es sind dieselben Kriterien, nach denen in Indien seit Jahrhunderten eine Heirat arrangiert wird. Deshalb werden die Heiratsseiten auch kritisiert. Koki Jhumra, eine 22-jährige Webdesignerin in Massachusetts hält sie für "heuchlerisch". Der "New York Times" sagte sie: "Letztlich ist das Fleischbeschau, selbst wenn es das ist, was man theoretisch vermeiden möchte. Es ist lustig, dass man Menschen online treffen will, nachdem man sie nach den alten Vorurteilen wie sozialem Status eingeordnet hat - statt einfach herauszufinden, ob man etwas gemeinsam hat und sich zu unterhalten." Aber nicht viele denken so. Ein neues Angebot wartet schon auf diejenigen, die im Netz ihren Partner gefunden haben. Unter www.weddingsutra.com gibt neben Tools für die Hochzeits-Homepage auch 20 Tipps, um beim großen Fest zu sparen.
© SPIEGEL ONLINE 33/2000
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