Als der Herr die Bundesländer schuf, da herrschte großes Geschrei unter den Menschen. Besonders die Niedersachsen jammerten und riefen: Herr! Du gabst den Schleswig-Holsteinern die Ostsee und einen Superteil von der Nordsee mit Sylt und allem Drum und Dran, uns aber gabst du nur das Steinhuder Meer und ein mieses Stück Nordsee mit schlechten Inseln drin! Du gabst den Berlinern das Brandenburger Tor und den Bundeskulturminister, den Bayern das Olympiastadion und Uschi Obermaier, aber wir haben hier nur Nebel und depressive Schafe und die Stadt Hannover, die eigentlich gar keine Stadt ist; Herr, was soll das geben? Da sprach der Herr: Leute! Wenn es euch hier nicht gefällt, dann könnt ihr euch ja ein paar Autos bauen und wegfahren. Die Niedersachsen taten, wie ihnen geheißen und erfanden den VW, und die Menschen in aller Welt sagten sich: Es gibt vielleicht nicht viel in Niedersachsen, aber gute Autos bauen sie da, verdammt gute Autos.
Nun ist ja gerade Expo in Niedersachsen, die sich aber irgendwie nur schleppenden Zuspruchs erfreut, weswegen Peter Ustinov und Verona Feldbusch in diversen Fernseh-Spots auftreten müssen, unterlegt von einem unmelodiös-hannoveranisch hingekreischten „Das gibt’s nur einmal, das kommt nie wieder.“ Damit aber nicht genug: In einer Anzeige sieht man unter anderem eine Rikscha, in der Peter Ustinov sitzt, und vorne strampelt Verona Feldbusch, die von dem dicken alten Grandseigneur an den Haaren gezogen wird, als seien es die Zügel eines Droschkengaules. Darunter steht: „Expo – eine neue Welt entsteht“.
Mal angenommen, irgend ein ausländischer Gast – sagen wir, ein Inder – kauft sich dieser Tage eine deutsche Illustrierte und entdeckt darin die Anzeige. Was sagt sie ihm? Vielleicht: Liebe Inder, in Deutschland, dem traurigen kalten Land am Ende der Welt – in Deutschland sind die Menschen so bettelarm, dass sie ihre Frauen als Ersatzmotoren verkaufen müssen. Deutschland ist eines der bedauernswerten Entwicklungsländer, in denen es keine so schönen Mercedes-Taxis gibt wie bei euch in Chandigarh; mit der Werbung möchten wir euch um eine Spende für motorisierte Taxen bitten. Natürlich könnte die Werbung auch sagen: Hallo Jungs, vergesst Eure blöde Benzinpreisdiskussion, eine Rikscha und eine gut trainierte Frau reichen völlig für den Stadtverkehr, und wenn sie nicht genug in die Pedale tritt, dann müsst ihr sie nur ordentlich an den Haaren ziehen. Kann sein, dass der Inder dann erschauert und denkt: Was für außerordentlich uncharmante, gewalttätige Heinis müssen diese Deutschen doch sein, und Niedersachsen ist bestimmt eine fiese Wüste, in die keiner freiwillig reist. Womit nebenbei mal wieder bewiesen wäre: Aus den bunten Traumbildern der Werbung schaut uns vor allem eines an: Die Wahrheit.