Zählen wie
in Florida
Man muss die Sache nur mal unter Marketing-Gesichtspunkten betrachten, und schon ist alles gut. „Spannung, Nervenkitzel, Bundesliga“, definiert der sid aufgeregt die Klimax des Fußball-Wahnsinns. Was gestern noch galt, ist morgen schon ganz anders. Wer hoch steigt, kann tief fallen, und zwar so schnell, dass für Hochmut erst gar keine Zeit mehr bleibt. Natürlich, so und nicht anders wollen wir die Bundesliga: unberechenbar wie die Stimmenauszählung in Florida. Wer gewinnt, weiß nur der Zufall, die Tabelle ist too close to call.
So würde man die Sache mit dem Drunter und Drüber in der Bundesliga gerne verkaufen. Aber mal abgesehen davon, dass es ja gar keinen Spaß mehr macht, gegen die Bayern zu gewinnen, wenn das jedem Wald- und Wiesenklub gelingen kann – seit wann sind Niederlagen ein Ausdruck von Qualität? Nach zwölf Spieltagen gibt es nur eine Mannschaft, die weniger als dreimal verloren hat, weshalb nicht einmal die Münchner Krise richtig in Gang kommen darf. Niemand mag die Bayern überholen, die auch mit vier Niederlagen noch in der Spitzengruppe kleben bleiben wie das Angebrannte in der Pfanne.
Vermutlich vermag die Bundesliga deshalb keine Formen herauszubilden, weil fast die halbe Liga noch immer durch Europa hetzt. Normalerweise hat sich zu jener Jahreszeit, da sich die Turbogebläse durchs Laub der Stadtparks fräsen, das Feld der internationalen Streiter längst gelichtet. Inzwischen aber ist vor allem der Uefa-Cup endlich so schwach besetzt, dass einfach keiner ausscheiden kann – weder gegen Wronki, Genk oder die Dösis aus Tirol. Die Gegner im Europapokal sind schwächer als der schwächste Bundesligakonkurrent, gefragt sind daher keine taktischen Finessen, sondern allenfalls grobe Überlebensstrategien: Welcher Wettbewerb erlaubt am wenigsten Einsatz? Gezockt wird also mit der Zweitbesetzung, mal im Uefa-Cup, mal im DFB-Pokal. Und die Bundesliga gerät mit in den Sog. „Mental abschalten“ würde er manchmal gerne, hat Werders Marco Bode gesagt, nachdem sein Klub zum zweiten Mal innerhalb von 48 Stunden antreten musste, doch die Rotation der Gedanken ist halt noch nicht erfunden. Alles ist Fußball, jeden Tag.
So wird in diesem Jahr die Tabelle wohl so durcheinander bleiben wie ein Patient im Fieberwahn, und nach dem letzten Spieltag empfiehlt sich auf jeden Fall die amerikanische Methode: Alles noch mal nachzählen, vielleicht sind ja irgendwo ein paar Spiele liegen geblieben.