So großartig hätte es sein können, ach. Entspannt zu Hause wäre man gesessen und hätte im Fernsehen – wenn es gesendet hätte – dabei zugeschaut, wie wütende Broker in Tokio auf ihre Computer eingeprügelt hätten, die ihnen fälschlich die feindliche Übernahme einer bayerischen Großmetzgerei durch die Firma Sony gemeldet hätten. Oder man wäre selbst dabei gewesen an der Front, in einer Münchner U-Bahn vielleicht, die, glücklich grinsend, in die falsche Richtung gefahren wäre, nach Italien statt nach Puchheim Bahnhof. Für den Rest des Lebens hätten wir unseren Kindeskindern von der geheimnisvollen Nacht erzählen können, in der die Menschheit in ihren Aufzügen stecken blieb, weil der Zauberlehrling keine Ahnung hatte, wo der Besen steht oder gar, wie er zu bedienen wäre. Sehr lange noch hätten die Theologen, die Bundespräsidenten, die Streiflichtschreiber von so einer klitzekleinen Katastrophe gelebt. Und statt dessen? Ein müdes pfff, millionenfach in die Lüfte geböllert. Das war’s dann.

Ist irgendwie ein blödes Gefühl – aufzuwachen in einem neuen Jahrtausend und zu merken, dass es dem alten zum Verzweifeln ähnlich sieht. Es ist so .  .  .  so demütigend, vor allem für die obersten Sich-Sorgen-Macher unter uns: Wieder heruntersteigen zu müssen vom Berge Sinai, um den immer noch bleichen Stern-Lesern zu erklären, warum es doch nicht Ernst geworden ist; oder wieder hinaufzusteigen aus den unterirdischen Lagezentren, den Kellern, und die nächsten vier Jahre von der eingebunkerten Vierfruchtmarmelade leben zu müssen und der unverfallbaren Cervelatwurst. Ein paar Tage lang wird man sich noch freuen an den Strategen, die ihre entmotteten Feldtelefone wieder einmotten, auch an der Staatssekretärin, die uns erklärt, dass alles Schreckliche von der Bundesregierung verhindert worden ist. Dann ist auch das vorbei.

Jetzt also zu neuen Ufern. Neue Ziele braucht die Welt, Herausforderungen, Fusionen sowieso: Südamerika mit Nordamerika! Unterhaching mit Oberhaching! Vor allem aber neue Anlässe zur Hysterie. Die Verhinderung des Millennium-Bug soll weltweit 1,9 Billionen Mark gekostet haben; wenn wir herausgefunden haben, wer die eingesteckt hat, wissen wir auch, wer die Katastrophe erfunden hat. Und können uns Gedanken darüber machen, wie wir beim nächsten Mal selbst dabei sein können. Ob man es mal mit dem Hinweis versuchen sollte, dass der Computer-Crash erst in einem Jahr passieren wird, weil in Wahrheit das Jahrtausend erst dann  .  .  .? Nein, nicht so gut? Dann müssen wir uns etwas ganz Neues ausdenken. – Ob sich schon überall die Gefährlichkeit dieser Computer-Viren herumgesprochen hat, die bald damit beginnen werden, aus dem Internet heraus zu steigen und in unsere Ohren zu kriechen? Demnächst mehr davon.