Die Landung von Viking


Zur Zeit des größten Erfolgs der Mariner-Missionen wollte die UdSSR ein völlig neues Kapitel der Geschichte der Marsforschung aufschlagen: Die im Mai 1971 gestarteten Raumsonden MARS 2 und MARS 3 beinhalteten - wie auch eine verunglückte Sowjet-Sonde von 1962 - Landemodule, die als erste von Menschenhand geschaffene Objekte auf der Marsoberfläche landen und Daten übertragen sollten. Doch das mutige Vorhaben scheiterte: Zwar konnten die Orbiter zahlreiche Aufnahmen vom Mars machen, doch unglücklicherweise gerieten die beiden Lander in einen globalen Staubsturm, der mit bis zu 600 km/h (fast schon Schallgeschwindigkeit) über die Oberfläche fegte und bis zu 40 Kilometer hoch reichte. Diese Stürme entstehen normalerweise während des sehr warmen Südfrühjahrs in den südlichen Breiten; wenn Staub in der Luft hängt, beschattet er die Oberfläche und hitzt sich parallel dazu selbst auf, so dass aufgrund des großen Temperaturunterschieds starke Winde entstehen. Diese Winde können solange es warm bleibt - im Süden also bis zu einem halben Marsjahr - anhalten, bevor sie spätestens am Ende des Sommers wieder in sich zusammenfallen. Und da die Mission von MARS 2 und MARS 3 stur vorprogrammiert worden war, gab es nun keine Eingriffsmöglichkeit mehr. MARS 2 zerschellte am 28. November 1971 auf der Oberfläche des Planeten. MARS 3 überstand zwar 5 Tage später allem Anschein nach die Landung und begann, ein Bild zur Erde zu senden, doch fiel die Übertragung der Daten bereits nach 20 Sekunden aus. Wahrscheinlich war die Sonde vertikal sanft, horizontal jedoch in halsbrecherischer Geschwindigkeit auf der Oberfläche gelandet und dann umgeweht worden. Damit war auch diese sowjetische Mission im Prinzip gescheitert, obwohl MARS 2 und MARS 3 die ersten irdischen Objekte auf dem Mars darstellten...
1973 versuchte es die Sowjetunion noch einmal, doch alle 4 Sonden (MARS 4 bis MARS 7) scheiterten trotz optimaler Verhältnisse. Die Lander erreichten die Oberfläche nicht in einem Stück und auch die beiden Orbiter versagten bereits nach der Übertragung einiger weniger Bilder und Daten über die Atmosphäre (sofern bekannt, waren sowohl technische Fehler als auch menschliches Versagen der Auslöser dieser Misere). Der Verlust der vier Sonden stellte einen herben Schlag für die ansonsten für ihre Zuverlässigkeit bei den Venera-Venus-Missionen bekannte russische Raumfahrtorganisation.

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Der größte Durchbruch in der Marsforschung glückte nun einem amerikanischen Projekt: Viking. Die beiden fast 500 Millionen Dollar teuren Schwestersonden Viking 1 und 2 waren jeweils aus einem Lander und Orbiter zusammengesetzt. Beide Lander waren mit 14 der höchstentwickelsten Experimente der Erde bestückt, die Geologie, Seismologie, Mineralogie, Meteorologie und viele anderer Wissenszweige von einer anderen Welt untersuchen sollten. Sie sollten nach Wasser Ausschau halten und Bilder von der Oberfläche zur Erde senden. Ihre Hauptaufgabe war es jedoch, nach Hinweisen auf Leben zu suchen, um einer der wichtigsten Fragen der Wissenschaft zu klären: Gibt es extraterrestrisches Leben?

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Eine erfolgreiche Suche könnte uns viel über die Entstehung des Lebens auf der Erde sagen, ganz abgesehen von der Befriedigung der unstillbaren menschlichen Neugierde. Auch könnte eine genauere Untersuchungen solcher Lebewesen zeigen, inwieweit die auf der Erde entstandene Form des Lebens Allgemeingültigkeit besitzt. Doch es war eine schwere Aufgabe, geeignete Experimente zu finden, die auf diesem Gebiet zuverlässige Ergebnisse versprachen und wirklich Leben aufspüren konnten. Sämtliche Experimente, um kohlenstoffbasierte Mikroben aufzuspüren, würden etwaige andere (zum Beispiel siliziumbasierte) Lebensformen oder Lebewesen, die ohne Wasser auskämen, nicht aufspüren können. Daher entwickelte unter anderem der Forscher Carl Sagan eine völlig neue Definition von Leben: Alles, was Energie zu benötigen schien (und umwandelte), könnte ein Hinweis auf Leben sein. Ein weiterer Wissenschaftler, Norman Horowitz, glaubte an zwei entscheidende Faktoren, die Lebewesen auszeichneten: Erstens sei Lebendiges komplexer als Nicht-Lebendiges und zweitens verfolgten Lebewesen das Ziel, zu überleben. Daher sei Leben gleichbedeutend mit dem Besitz genetischer Eigenschaften. Doch dies ließ sich in den Siebzigern nur in den größten High-Tech-Labors auf der Erde nachweisen. So musste man sich damit begnügen, nach komplexen chemischen Verbindungen zu suchen, die auf Kohlenstoff basierten, zumal ein derartiges Lebewesen die am wahrscheinlichsten anzutreffende Lebensform auf dem Mars war. Sechs Instrumente, darunter zwei neuartige Fernsehkameras (hier wurde langsam und Zeile für Zeile ein Spiegel gedreht und die Lichtreflexion gemessen), die später 4500 Bilder von der Oberfläche des Mars liefern sollten, wurden in die Konfiguration der Lander eingefügt, die die Hauptaufgabe hatten, nach Leben zu suchen. Die vier allein zu diesem Zweck konstruierten Versuchsanordnungen sollten hingegen in erster Linie mikrobielle Lebensformen aufspüren.

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Eines der vier Geräte war der Gas-Chromatograph-Massenspektrometer (GCMS) von Klaus Biermann, einem Spezialisten für organische Chemie. Durch den 3-Meter-Greifarm der Viking-Sonden würde eine gesiebte Bodenprobe in einen winzigen Ofen befördert und dort auf 480° C erwärmt, was eventuelle Molekülketten zersprengen und die verdampften Moleküle eine lange Säule entlang führen sollte. Dann sollte die extrem genaue und empfindliche GCMS-Apparatur mit Hilfe von elektrischen und magnetischen Feldern in der Lage sein, nach organischen Verbindungen suchen und sie voneinander zu unterscheiden. Somit sollte es dem Gerät eigentlich möglich sein, nicht nur jegliches auf der Erde bekanntes Leben zu erkennen, sondern auch organische Molekülketten als solche zu erkennen und genau zu identifizieren. Im nicht-organischen Sektor sollte es den hohen Anteil von Silizium und Eisen bestätigen und auch einige Überraschungen (niedriger Argongehalt, viel Schwefel) zutage fördern.

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Der Biologe Horowitz untersuchte, um herauszufinden, ob auf dem Mars Leben wie in den Wüste der Erde möglich sei, Tiere und Pflanzen, die in den aridesten Regionen unseres Heimatplaneten überleben konnten. Dabei stellte sich heraus, dass diese Lebewesen „nur“ komplexe Mechanismen entwickelt haben, um weniger Wasser zu verlieren und nichts erfanden, um weniger Wasser zu benötigen. Manche Tiere, zum Beispiel die nordamerikanische Kängururatte, benötigen allerdings überhaupt kein Wasser, solange sie ausreichend Kohlenhydrate zu sich nehmen. Andere kleinere Tiere beziehen ihr Wasser aus der Luft. Beide Techniken funktionieren aber nur bei Luftfeuchtigkeiten, die viel höher sind als diejenigen des Mars. Dem roten Planeten ähnlicher sind da schon einige trockene Täler in der Antarktis, in denen allerdings auch nur niedere Lebewesen wie Pilze, Hefen, Bakterien und Algen überleben können. Doch ist der Mars nochmals deutlich kälter und trockener als selbst der kälteste Fleck im ewigen Eis und er besitzt obendrein nur eine sehr schwache UV-Strahlen absorbierende Ozonschicht. Deshalb glaubte Horowitz nicht, dass dort Leben in der Form existent war, in der wir es von der Erde her kannten. Die einzige bekannte Pflanze, die, Wasser vorausgesetzt, ungeschützt auf der Oberfläche des Mars überleben könnte (und das auch nur in ganz wenigen Gebieten des Mars), wäre eine Flechte.

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Doch eine Möglichkeit blieb immer noch offen: Leben könnte sich in der Tiefe des Marsbodens versteckt halten, wo es besser vor der Kälte und der Strahlung geschützt wäre und wo sich eventuell noch flüssiges oder gefrorenes Wasser befindet. Selbst die mikroskopisch kleinen Ritzen in Felsbrocken stellen einen potenziellen Lebensraum dar (der auf der Erde selbst in der Antarktis von Algen und Mikroben tatsächlich genutzt wird). Das Ansehen dieser Theorie des unterirdischen Lebens auf dem Mars wurde auch durch ein Experiment von Carl Sagan gefördert, bei dem einige irdische Mikroben Kälte, Trockenheit und hoher Strahlung trotzten und damit sogar unter Marsbedingungen überlebten (Immerhin war die Erde vor etwa 4 Jahrmilliarden dem Mars sehr ähnlich, und manche der damaligen Eigenschaften der irdischen Kleinstlebewesen haben sich bis heute erhalten). Rückendeckung bekam diese in ihrer Popularität nach wie vor ungebrochene These noch zusätzlich von dem bekannten Mikrobiologen und Südpolforscher Wolf Vishniac, der davon überzeugte war, dass das Leben selbst unter den unwirtlichsten Umständen immer einen Weg fand. Doch kurz vor seinem Unfalltod im ewigen Eis der Antarktis fiel sein Experiment zum Nachweis von Mikroorganismen (mithilfe von Trübungsveränderungen einer organischen Nährlösung) unglücklicherweise Budgetkürzungen der Viking-Missionen zum Opfer.
Einer der Versuche von Horowitz, das pyrolytische Freisetzungsexperiment, wurde indes genutzt: Hierbei sollte eine Bodenprobe des Mars unter Marstemperatur in eine Kammer mit Marsatmosphäre aus CO
2 und CO sowie radioaktiv markiertem C14 gebracht werden. Nach 5 Tagen Lichtzufuhr sollte die Probe schließlich erhitzt werden. Wenn danach radioaktiver Kohlenstoff in organischem Material enthalten war und der C14-Detektor die richtigen Gase feststellte, musste es auf dem Mars mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit CO2-liebende Mikroben geben.

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Die anderen beiden Experimente suchten mithilfe von Nährstoffen in wässrigen Lösungen nach Leben.Obwohl die Versuche sehr ausgereift waren, hatten sie dennoch einen Haken: Das Wasser und die Mineralien würden die Lebensbedingungen für etwaige Lebensformen ganz gewaltig ändern: Schlagartig würden die Mikroben großer Wärme und viel Wasser ausgesetzt werden. Manche Forscher witzelten gar, ob dieser Versuch etwaige Marsbakterien wohl erst kochen oder erst ertränken würde. Dennoch entschloss man sich dafür, sie einzusetzen.
Beim ersten der beiden Versuche, dem Gasaustauschexperiment, sollten dieser Nährlösung unter einer simulierten Marsatmosphäre mit Kohlendioxid, Helium und Krypton auf dem Mars Bodenproben zugesetzt werden. Dann wollte man mithilfe eines Detektors für H
2, N2, O2, CH4 und CO2 beobachten, ob sich die Zusammensetzung der Gase in dem kleinen Behälter veränderte.
Der letzte Versuch, das markierte Freisetzungsexperiment, war dem anderen ähnlich; es war jedoch ungleich empfindlicher, da es eine sehr viel kleinere Menge einer einfacheren Nährstofflösung mit destilliertem Wasser und markierten Kohlenstoff benutzte. Nach 10 Tagen sollte sich zeigen, ob etwaige Marsbakterien C
14-haltige Gase (CO2, CO oder CH4) produziert hatten.
Jedes 5-Kilogramm-Experiment hatte mit etwa 50 Millionen Dollar Entwicklungskosten seinen Etat bereits gesprengt und konnte somit nur noch notdürftig getestet werden. Dennoch waren die Forscher optimistisch, die Frage klären zu können, ob auf dem Mars Leben existierte. Doch die Oberfläche des Mars sollte sich als anders erweisen, als die Wissenschaftler vermutet hatten...

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Nachdem schließlich alle Versuchseinrichtungen notdürftig getestet und eingebaut waren, waren die Ingenieure an der Reihe, die vielen Probleme zu lösen, die der Flug zum roten Planeten mit sich brachte. Doch ein noch größeres Risiko stellte die Landung dar. Die beiden Landeplätze durften kein Gefälle und keine großen Felsbrocken aufweisen, damit die Sonden nicht umkippten und dennoch sollten sie möglichst interessante „Fleckchen Mars“ zeigen.
Es gab noch ein weiteres Problem: Wenn es auch sehr unwahrscheinlich war, so war es dennoch möglich, dass von der Erde eingeschleppte Mikroben die einheimischen Lebensformen überrannten und ausrotteten. Deshalb wurden die Sonden in perfekt sterilisierten Räumen gebaut und dann für mehrere Stunden auf 110° C erhitzt. Die USA und viele andere raumfahrtreibenden Nationen wie zum Beispiel Russland, Japan und Europa unterzeichneten sogar eine Charta, dass sie alles in ihrer Macht stehende unternehmen würden, damit „schädliche Verunreinigungen jeglicher Art“ der Biosphäre des roten Planeten vermieden würden.

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Das größte Problem am Flug selbst stellten die letzten paar Stunden der Landung dar: Um die Gefahr eines Scheiterns der Landungen zu minimieren, mussten die Aufnahmen von Mariner 9 sorgfältig studiert werden. Zudem sollten die Orbiter die Landeplätze noch einmal vor Ort untersuchen und zum Beispiel bei einem aufkommenden Sandsturm den Abwurf des mit einem thermoelektrischen (Radioaktivität in Strom umwandelnden) 70-Watt-Reaktor ausgestatteten Landers hinauszögern. Die Landeplätze mussten nicht nur eben und frei von Geröll, sondern auch möglichst warm und damit recht äquatornah sein. Sie durften nicht mit driftenden Staubverwehungen bedeckt sein, denn dies würde auf starke Winde schließen lassen. Außerdem durften sie nicht zu hoch liegen, damit die dünne Atmosphäre für die Fallschirme ausreichte. Und der Boden musste recht hart sein, um ein Einsinken der Standbeine des Landers zu verhindern, durfte aber gleichzeitig auch nicht zu hart sein, so dass keine Proben mehr entnommen werden konnten.
Doch die Marinersonde hatte keine Details unter 100 Metern erfassen können und auch die Vikingsonden würden bei weitem nicht gut genug sein, um sich im Voraus ein genaues Bild vom Landegebiet zu machen. Die einzige Hoffnung der Ingenieure hieß Radar. Denn schroffe wie auch sehr weiche Gebiete streuten Radarstrahlen stärker und erschienen daher auf den Schirmen deutlich dunkler als ebene Gegenden, die die Strahlen ungebrochen zurücksandten. So wurden von der Erde aus (!) zwar relativ langweilige, aber sichere Landezonen ausgewählt, die erstaunlicherweise alle Vorraussetzungen zu erfüllen schienen. Viking 1 sollte demnach, um die Chancen, Leben zu finden, zu maximieren, mitten im Nordsommer in Chryse Planitia auf 21° nördlicher Breite nahe des Wendekreises landen. Hier wurde das Auslaufgebiet einer alten Flutkatastrophe vermutet. Viking 2 hingegen sollte in Cydonia auf 44° nördlicher Breite landen (eine Breite, die von der Erde aus nicht mit Radar untersucht werden konnte und daher doch ein gehöriges Risiko darstellte). Man vermutete, dass hier unter Umständen im Sommer flüssiges Wasser existieren könnte. Tatsächlich sollte man an der Oberfläche aber lediglich gefrorenes Wasser und Kohlendioxid feststellen...

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Letztendlich wurde Viking 1 am 20. August 1975 mit einer Titan-Rakete gestartet, Viking 2 folgte am 9. September. Viele Tausende von Menschen, die zum Teil bereits mehr als acht Jahre mit dem Projekt verbracht hatten, bangten während der zehnmonatigen Reise der 3½ Tonnen schweren Sonden um den Erfolg der Mission. Doch verlief der Flug ohne große Überraschungen, so dass Viking 1 am 19. Juli 1976 den Mars erreichte. Der Orbiter - beide zusammen schossen während ihres 4- beziehungsweise 2-jährigen Einsatzes bei einer Auflösung von 150 bis hin zu 8 Metern 52.000 Aufnahmen von 97 % des Planeten und den Monden - zeigte nun allerdings, dass der gewählte Landeplatz viele Furchen aufwies und so wurde die Landung schließlich verschoben und geringfügig umgeplant. Um 12:53 MEZ am 20. Juli 1976 schließlich war es soweit: Der Lander von Viking 1 setzte, durch Fallschirme und Raketen abgebremst, in Chryse Planitia (22° Nord, 50° West) wohlbehalten auf dem Marsboden auf. Der Lander der Schwestersonde setzte erst am 3. September 6000 Kilometer entfernt bei den Koordinaten 48° Nord, 226° West in der Tiefebene Utopia Planitia auf (Viking 2 hatte den Mars zwar bereits am 7. August erreicht, musste jedoch auch erst noch einen neuen Landeplatz ausfindig machen).
Gleich nach der Landung auf dem Mars schickte Viking 1 das erste Bild vom roten Planeten zur Erde, das eines seiner drei - glücklicherweise nicht im Staub versunkenen - Spinnenbeine zeigte. Bald wurden die ersten Panoramabilder zur Erde geschickt - und die Forscher waren verblüfft: Der Mars mit seinen roten Hügeln, den Felsen und dem Sand erinnerte viele an ihre eigene Heimat, den Südwesten der USA. Nur der durch den Marsstaub rosige Himmel, der wegen einer Fehljustierung der Kameras aber nicht sofort auffiel, passte nicht ganz in dieses Bild.
Schon bald nach der Landung fingen die wissenschaftlichen Untersuchungen an. Den Messinstrumenten der beiden Hightech-Sonden war keine Ruhepause vergönnt: Sie sollten im Laufe der kommenden 6 beziehungsweise 4 Jahren bis in die Achtziger noch zahlreiche wertvolle Langzeit-Klima- und Atmosphärenuntersuchungen (Wandel im Laufe der Jahreszeiten, Luftdruck und -zusammensetzung...) durchführen und viele interessante Bilder zur Erde schicken...

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Die Messungen der Atmosphäre während des Abstiegs hatten ergeben, dass sie zwar fast zu 97 % aus CO2 bestand, der N2-Anteil jedoch unerwartet hoch bei 2,5 % lag, was neue Hoffnungen auf Leben auf dem Mars schürte. An Sol 8, dem achten (Mars-)Tag nach der Landung auf dem roten Planeten, entnahm Viking - durch die Sonde war mittlerweile der Abstand vom Mars zur Sonne und Erde auf etwa einen Meter genau bestimmt worden - mit einem kleinen Greifarm eine Bodenprobe vom Mars und verteilte das Material an die Experimente. Drei Tage später trat die NASA mit ihren vorläufigen Ergebnissen an die Öffentlichkeit. Die beiden Nährstofflösungs-Versuche hatten überraschende Ergebnisse gebracht. Die Apparatur des ersten Versuches registrierte einen enormen Sauerstoffanstieg und auch der Anteil von radioaktivem Kohlenstoff in dem zweiten Lösungsversuch stieg an. Obwohl der Leiter des Biologen-Teams der Viking-Mission, Harold Klein, dazu mahnte, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen, hegte er positive Erwartungen: Es schien sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit um ein biologisches Signal zu handeln. Nun deutete endlich auch Horowitz’ Experiment auf Leben hin.
Doch allen Versuchen war ein Schönheitsfehler gemein: Die Ergebnisse traten viel zu schnell ein. Auch entsprachen sie nicht ganz den Erwartungen der Wissenschaftlern, da sie zum Teil auch in sterilisierten Proben auftauchten. Fieberhaft wurde nach einer anderen logischen Erklärung für die Versuchsergebnisse gesucht...

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Eine überraschende Alternativtheorie erregte schon bald Aufsehen: Demnach war der Mars mit einer Gruppe chemisch hochaktiver Substanzen, sogenannter Oxidantien, bedeckt. Solche Stoffe, in diesem Fall eine Art Tonerde, reagieren bekanntlich sehr schnell mit Wasser, können aber auf der ariden Marsoberfläche lange bestehen. Die starke UV-Strahlung auf dem Mars könnte zu einer verbreiteten Entstehung dieser wie ein chemischer Katalysator wirkenden Substanzen geführt haben. Diese Theorie fand weitere Rückendeckung, als das GCMS nach Anlaufschwierigkeiten überraschenderweise so gut wie keine organische Substanzen, nicht einmal so viele Kohlenwasserstoffe wie auf dem Mond, erkennen konnte (Daher glauben auch einige wenige Wissenschaftler, dass auf dem Mars eine Substanz existiert, die in der Lage ist, organische Moleküle aufzulösen).
Doch es gab auch zahlreiche Gegner dieser Theorie. Einerseits war beispielsweise in dem Kohlenstoffexperiment ein Gas- und Temperaturanstieg im 24 ½-stündigen Rhythmus festzustellen - das entspricht exakt einem Marstag und könnte zusammen mit dem plötzlichen Abbrechen und Nichtwiederaufflammen der Reaktion bei 160° ein aussagekräftiges Indiz für Leben darstellen. Und obwohl auch die merkwürdige grüne Färbung, die auf einigen Steinen zu erkennen ist und von manchen Wissenschaftlern als Flechten oder Moose erkannt worden zu sein glaubt, durch eine fehlerhafte Einstellung der Kamera hervorgerufen worden sein könnte, glauben immer noch einige Wissenschaftler, dass Viking hiermit den positiven Nachweis für Leben auf dem Mars erbrachte..

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Die sechs Wochen später durchgeführten Experimente von Viking 2 lieferten schließlich ähnliche Ergebnisse wie Viking 1. So vermerkte das Viking-Team im November 1976: „Alle Experimente lieferten Ergebnisse, diese sind aber Gegenstand abweichender Interpretationen. Es wurden keine Folgerungen bezüglich der Existenz von Leben auf dem Mars gezogen.“ Von den meisten Wissenschaftlern wurde allerdings bald die Oxidantien-Theorie als die plausibelste Erklärung erachtet. Auch heute noch wagt es kaum jemand, sie in Frage zu stellen. 5 Jahre nach den Landungen fasste Harold Klein, der Leiter des Biologen-Teams die Resultate folgendermaßen zusammen: „Die Ergebnisse der biologischen Experimente an Bord von Viking für sich genommen lassen die Möglichkeit zu, dass zumindest einige der Daten ... biologischen Ursprungs sein könnten. Aber es würde vernünftiger erscheinen, alle biologischen Signale nichtbiologischen Ursachen zuzuschreiben.“
Alles in allem halten heute die meisten Exobiologen die Experimente von Viking für wenig aufschlussreich: Man habe an der falschen Stelle und mit den falschen Mitteln nach Leben gesucht...

So hat die Viking-Mission trotz vieler enttäuschter Hoffnungen und einiger offengelassener Fragen das Wissen über den Mars aus dem Orbit enorm erweitert und sich nicht nur in den Augen der Forscher sondern auch in der Öffentlichkeit jahrzehntelang als die wichtigste und aufschlussreichste Marsmission etabliert. Vor allem die beiden Lander haben jedoch sehr erfolgreich gearbeitet und uns extrem wertvolle Erkenntnisse über die Lufthülle, das Klima und die Geologie des roten Planeten übermitteln können.
Unter dem Strich stellte Viking damit eine mehr als gelungene Abrundung der ersten Phase der Erforschung des geheimnisvollsten Himmelskörpers im Sonnensystem dar...

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