Alternative Gewaltlose Psychiatrie

- herkömmliche Psychiatrie -

Was der Basler Bund der Psychiatrie-Erfahrene einfordert

Wir vom BASLER BUND DER PSYCHIATRIE-ERFAHRENEN stehen alternativen Psychiatriekonzepten prinzipiell positiv gegenüber* Alternativen sehen wir in solchen Projekten wie z.B. den Soterias, dh. Weglaufhäusern, dem Ansatz von Land in Sicht e.V. und den Krisenwohnungen.

Wünschenswert wäre in unseren Augen auch eine Krisenbegleitung in vertrauter Umgebung %,ie z.B. der eigenen Wohnung. Erfahrungen mit dieser Form des Umganges von Extremsituationen werden in. den USA (siehe Edward M. Podvoll), aber auch immer wieder von einzelnen Psychiatrie-Erfahrenen in Deutschland siehe den Artikel von Regina Beilion im " IRRTU(R)M " und in der Sozialen Psychiatrie " u.a.m. ) gemacht. Sie gehen davon aus, daß man Krisen auch ohne Ärzte, ohne Psychopharmaka und ohne Klinik mit der Hilfe von vertrauten und in der Begleitung von Psychosen und Depressionen / Manien erfahrenen Personen bewältigen kann. In diesem Zusammenhang stellen wir die Forderung auf, daß Menschen, die andere in depressiven / manischen oder psychotischen Krisen begleiten, für ihre Arbeit bezahlt werden in Anlehnung an die Bezahlung des Personal in psychiatrischen Kliniken.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß wir uns eine Vielzahl von Alternativen wünschen, die mittel- bis langfristig die herkömmliche Psychiatrie ersetzen können. Die heutige Struktur der Unterbringung in Großkrankenhäuser lehnt die BASLER BUND DER PSYCHIATRIE-ERFAHRENE ab.

Der Psychiatrie stehen wir ablehnend gegenüber. Sie fungiert immer noch häufig als gesellschaftliche Repressionsinstanz und arbeitet mit Zwangsmaßnahmen und Druck. Daraus kann nach unserer Meinung und unseren eigenen Erfahrungen zuwenig Gesundes erwachsen.

Die herkömmliche Behandlung von psychiatrischen Krankheiten mit Psychopharmaka sieht ein Teil von uns als notwendiges Übel an, ein anderer Teil steht ihr skeptisch gegenüber und wiederum andere lehnen sie rundum ab. Daher werden von uns grundsätzlich herkömmliche psychiatrische Einrichtungen begrüsst, die zumindestens die freiwillige Einnahme von Psychopharmaka praktizieren.

Die freie Arztwahl während der Klinikbehandlung ist eine weitere Forderung der BASLER BUND DER PSYCHIATRIE-ERFAHRENE. Dabei wäre die Weiterbehandlung durch den schon ambulant begleitenden Psychiater sicherlich die optimale Regelung.

Außerdem setzen wir uns für die bessere finanzielle Unterstützung der Selbsthilfeinitiativen ein.

2. Psychopharmaka - Segen oder Geißel?

Die BASLER BUND DER PSYCHIATRIE-ERFAHRENE steht der Verabreichung von Psychopharmaka kritisch gegenüber. Es muss die provokative Frage erlaubt sein, ob diese Medikamente nicht häufiger den Mitarbeitern der Psychiatrien helfen als den Psychiatrie-Erfahrenen selber. Dies insofern, als ein ruhig gestellter Patient ein besser zu führender Patient ist als ein Patient in der Psychose mit all seiner Unruhe, seinen Aengsten, seinen verrückten Ideen, Gedanken und Taten.

Der BASLER BUND DER PSYCHIATRIE-ERFAHRENE ist aber auch bewusst, daß die Gabe bzw. Einnahme von Psychopharmaka extreme Ängste, die so manchen, weil sie nicht mehr auszuhalten waren, in den Selbstmord getrieben haben, lösen können. Sie stellen also im Einzelfall eine Hilfe dar. Allerdings sind nicht alle Psychosen angstbesetzt. Daher stellt sich die Frage, warum Psychiatrie-Erfahrenen, die nicht hinter den Inhalten ihrer Psychosen leiden, Psychopharmaka gegeben werden.

In diesem Zusammenhang weißt die BASLER BUND DER PSYCHIATRIE-ERFAHRENE aber auch darauf hin, daß es in

Bezug auf das Auftreten, die Häufigkeit, die Behandlung von Spätdyskinesien und den Zusammenhang mit der Einnahme von Psychopharmaka zu wenig

Wissen gibt. Es drängt sich dabei der Eindruck auf, daß von Seiten der Pharmaindustrie und der Ärzteschaft die Gefahr von Spätdyskinesien verharmlost

lost wird. Diese unwillkürlichen Bewegungen sind bis heute unheilbar und stellen für die Betroffenen eine starke Beeinträchtigung ihrer 1-ebensq-ualität dar.

Daher fordert die BASLER BUND DER PSYCHIATRIE-ERFAHRENE den Gesetzgeber auf,

1. die Einnahme von Psychopharmaka unter das

Freiwilligkeitsgebot zu stellen

2. die schriftliche Aufklärungspflicht bei jeglicher Gabe von

Psychopharmaka einzuführen die Pharmaindustrie dazu zu verpflichten, einen

Entschädigungsfond für unter Spätfolgen der psychiatrischen bzw. medikamentöse Behandlung

Leidende einzurichten

4. die Befreiung von der Zuzahlung für Psychopharmaka bei

anerkannter, chronischer bzw. längerfristiger psychischer

Erkrankung festzuschreiben

 

3. Wie kann der ideale Arbeitsplatz aus der Sicht von

Psychiatrie - Erfahrenen aussehen ?

- Bei der Diskussion über dieses Dilemma werden ii.a.

- ein gutes Betriebsklima,

flexible Arbeitszeiten, eine Bezugsperson beim Arbeitgeber und außerhalb, eine abwechslungsreiche Tätigkeit, die Möglichkeit zur Fortbildung, die Absicherung des Arbeitsplatzes bei kurzfristiger und längerfristiger Krankheit,

- die Möglichkeit der schrittweisen Wiedereingliederung

langfristiger Unterbrechung durch Krankheit und

- die Aufklärung über die Arbeitsrechte genannt.

Daher befürwortet die BASLER BUND DER PSYCHIATRIE-ERFAHRENEN die Schaffung von betroffenengerechten Arbeitsplätzen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Der Arbeitsplatz muß die Möglichkeit zur Kreativität und einen eigenen Verantwortungsbereich bieten. Wichtig sind Elemente der Teamarbeit im Wechsel mit Elementen der Eigenarbeit. Dabei wäre eine offene Arbeitszeit, d.h. die Möglichkeit der vollkommen freien Einteilung seiner Arbeitszeiten, sehr wichtig. Außerdem müsste die schrittweise Einarbeitung nach einer Krise ermöglicht werden.

Die BASLER BUND DER PSYCHIATRIE-ERFAHRENEN kritisiert dagegen die Arbeitsbedingungen für psychisch Kranke in Behindertenwerkstätten. Die geringe Entlohnung entspricht nicht der geleisteten Arbeit. Außerdem haben Psychiatrie-Erfahrene nach einer Beschäftigung in einer Behindertenwerkstatt kaum Chancen, wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tritt zu fassen.

Nach einer Krise oder längerer Arbeitsunfähigkeit ist die schrittweise Wiedereingliederung in das Arbeitsleben zu vollziehen. Alle Beschäftigungsangebote sollen die Möglichkeit einer betrieblichen Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt offenlassen statt einen Behindertenstatus unwiderruflich festzuschreiben.

4. Wie sieht die gesellschaftliche Stellung von Psychiatrie -

Erfahrenen aus ?

Wie sollte / könnte diese Stellung aussehen ?

In der Gesellschaft haben, psychisch kranke Menschen eine untergeordnete

Stellung. Sie sind nicht mit psychisch gesunden Menschen gleichberechtigt.

Psychisch krank zu sein gilt allgemein als schlimm, das Thema ist tabu und

anrüchig. Psychiatrie-Erfahrene leiden unter Vorurteilen, die ihre Ursachen in den Ängsten der Bevölkerung vor den "Verrückten" haben. Unter anderem besteht auch das Vorurteil, psychisch Kranke seien kriminell. Dabei ist die Anzahl der kriminellen Handlungen bei den Psychiatrie-Erfahrenen genauso hoch bzw. niedrig wie bei den psychisch gesunden Menschen. Die BASLER BUND DER PSYCHIATRIE-ERFAHRENEN beklagt, daß besonders auf dem Dorf Psychiatrie-Erfahrene schnell abgewertet werden. Auch Familienbande und Freundschaften überbrücken manchmal nicht die Krankheit. Die Ängste vor Psychiatrie-Erfahrenen werden auch deutlich an der Existenz von ' Bürgerinitiativen gegen die Einrichtungen von Kontaktstellen, Wohnheimen und Kliniken für Psychiatrie-Erfahrene. Die Gesellschaft hat eine falsche Vorstellung von Psychiatrie und psychischer Krankheit. Mit psychischer Krankheit ist das Vorurteil verknüpft, daß die Betroffenen hilfsbedürftig und unfähig zur Übernahme von Verantwortung sind. Die Beurteilung dazu ist oft pauschall und undifferenziert, sie kommt einer Verurteilung gleich. Die gesellschaftliche Abwertung der psychisch kranken Menschen beginnt schon im Kindermund: "Der spinnt ja" oder "Der ist verrückt" oder "Der ist reif für die Klapse". Der Erwachsene sagt dann: " Das ist ja schizophren.". Psychisch Kranke werden ähnlich angesehen wie Bettler und Obdachlose. Sie gelten als Drückeberger und realitätsflüchtig. Sie werden in eine Reihe gestellt mit den so genannten "bekloppten Taugenichts".

Die BASLER BUND DER PSYCHIATRIE-ERFAHRENEN wünscht sich eine Korrektur dieses "würdelosen Bildes vom Psychiatrie-Erfahrenen. Dabei könnte die Aufklärung über psychische Erkrankungen schon in der Schule hilfreich sein und zum Abbau von Vorurteilen beitragen. Wir wünschen uns, daß Kontakte zu gesunden Menschen von der Gesellschaft gefördert und gewollt werden. Der Kontakt mit gesunden Menschen ist wichtig. Ermutigt dazu werden wir, weil einzelne von uns bei der Offenbarung ihrer Krankheit keine Ablehnung erfuhren, sondern in ihrer Würde bestätigt werden. Wir wünschen uns einen normalen Stellenwert in der Gesellschaft und die "Akzeptanz der Normalität in der Verrücktheit".

 

 

4 . Eine psychiatrische Utopie

Wir wünschen uns einen Wald, eine Wiese und einen See und viel persönlichen Entfaltungsraum für jeden. Auf der Wiese steht ein Haus für 6 - 8 Bewohner und Begleiter. Dieses Haus sehen wir als einen Schutzraum, den wir in Krisen aufsuchen können. jeder Bewohner hat ein eigenes Zimmer, daß er nach seinen Bedürfnissen mit persönlichen Sachen einrichten kann. Das Haus steht nicht außerhalb der Stadt, sondern nmitten in einer Siedlung. Wir haben guten Kontakt zu den Nachbarn. Wir kommen freiwillig in diesen Ort und gehen, wenn wir uns stark genug fühlen. Ein Aufenthalt wird von uns nicht als Entmündigung bzw. Entwürdigung empfunden, sondern hilft uns in einer schweren Lebensphase. Haus- und Gartenarbeit werden von uns selbst verrichtet. Um unsere Psychosen aufzuleben, bietet das Haus viele Möglichkeiten. Die Begleiter haben die Bereitschaft, sich mit den Inhalten unserer Psychosen auseinandersetzen. Dafür sind sie speziell als Psychose-Begleiter geschult worden. Sie nehmen unsere Ängste ernst. Sie beraten uns über Medikamente, lassen uns aber die Entscheidung, ob wir Medikamente nehmen wollen oder nicht. Wir haben einen großen Raum, in dem wir schreien, tanzen, malen, Musik hören, boxen, uns zurückziehen, allein sein können. Außerdem soll im Haus neben den herkömmlichen Therapien Platz sein für andere Therapieformen. Beziehungen, Liebe und Sexualität sind im Haus erlaubt und nicht ausgeschlossen. Es gibt keine (zwangsweise) verschlossetienverschlossenen (geschlossenen) Türen und keine Fixierungen. Auch andere Zwangsmaßnahmen wie Kontaktsperre oder Telefonsperre gibt es nicht. Wir wollen ohne Druck zusammenleben. Konflikte sollen nicht durch Macht, sondern durch gleichberechtigte Auseinandersetzungen gelöst werden.