Das Mädchen
Ich konnte in der Dunkelheit ihr Gesicht kaum erkennen. Ich bat sie, mir ein Stück
unter die Strassenlaterne zu folgen, um sie besser betrachten zu können. Sie
tat es. Mir stockte der Atem in dem Moment, ich konnte kaum glauben, was ich sah:
Ihr Gesicht war wohlgeformt, jedoch gleichzeitig an ein Karussell erinnernd (bloss
wußte ich damals noch nicht warum!). Ihre Lippen standen wulstig und fordernd
aus dem Profil empor, die Augen versteckten sich etwas in ihren Höhlungen, aber
sie hatten einen dunklen Rand um die Iris, wie er sonst nicht so stark ausgeprägt
ist. Die Lider waren schräg nach aussen hin betont und bläulich schillernd
geschminkt. Ihr Haar war lang und weich, es duftete nach Hyazinthenblüten und
bedeckte ihre schmalen, knochigen und bleichen Schultern fast zur Gänze.
Ich atmete sie ein.
Nein: Ich verbrauchte sie sofort:
Niemals war mir ein Mensch so nahe gekommen, wie es jetzt war. Sie wusste das. Ich
wusste das. Die Welt schien verschmolzen, mit einem Male verschmolzen und gar nicht
mehr lebendig. Als hätte man die Erde an den Mond geschweisst.
Ja, mehr wie eine Geisterscheinung kam mir die Szene auch hinterher noch vor.
Ich sagte beinahe flehend:
"Du, ich muss jetzt gehen. Es ist Zeit für mich". Sie antwortete nicht.
Stiess mich ein wenig von sich und
drehte ab. Erst nach vielen Metern schien sie sich noch einmal vergewissern zu wollen,
ob ich ihr
nachsehe, ob mein Ich (das in sie eingetreten war) noch andauern würde.
Aber sie winkte nicht, sondern lachte nur, um sich endgültig abzuwenden.