Jesus an der Kette



Der kleine Jesus,

der an der Kette hing,

ward verschollen.


Ich habe ihn lange gesucht.

War nächtens aufgestiegen,

war Nacht für Nacht

auf der Suche nach ihm,

der mir die Zuversicht gab,

Dich eines Tages zu mir zu nehmen,

Dich an meiner Seite zu wissen,

mich ihm anvertrauen zu können.


Wer weiss schon,

welcher Glaube ihn Dir abgerissen hat.

Und wie achtlos

und bereitwillig Du ihn über die Brüstung

geworfen hast,

in einer Deiner Gralsnächte,

in denen Du residiertest

im Rausch verhaftet,

hoch oben!


Dein jetztiges Leben lebt

ohne den Jesus weiter.

Der Antichrist hat jenes Zeichen ersetzt:

Dionysos gab Dir einen neuen Kelch,

aus dem Du willfährig trinkst.


Es schmeckt,

wenn alles betäubt.

Es liebheimelt Dich,

umgibt Dich mit Gewissheit

im Nichts.


War da nichts anderes?

Die hohle Puppe,

die ein Schmetterling werden sollte,

schlüpfte aus und ward wieder eine Raupe.

Völlige Auflösung

ergab den Rückfall

und noch heute

bleibt mir

die eine Suche nach dem Ursprung

der Insekten,

die schwarz in

den Hügeln lauern

auf Deine neuen Nächte.


Der Jesus

hätte da helfen sollen.

Aber Jesus war ein Bild

und Bilder zerstören sich

im Rausch

und neue tauchen auf

und das Vergessen

beschleunigt den Mond

auf dem Weg in andere Sternensysteme.


Ach, Muscheln waren da.

Die bunten.

Die Ausgesuchten.

Für mich,

den Daheimgebliebenen,

den Verfluchten.


Gräser waren dort, die freundlich

lächelten im Wind,

als wir uns liebten.


Und jedes Mal schien ein letztes Mal,

jeder Blick ein Abschied.

Nur die Ähren waren stumm

und wurden nicht zu Zungen,

die soviel Unwahres

über uns breiteten.


Jeder scheint bescheid zu wissen.

Jeder weiss

um unsere Liebe,

die doch nirgendwo wieder aufersteht.


Die langen Sätze ihrer Münder,

ihre bösen und falschen Zeugen,

haben dem Jesus den Kopf abgerissen.


Wie taube Schlangen,

deren Köpfe spriessen,

kauen sie das Kreuz.


Du aber glaubst

und bist

Teil der Schlangen

und hast all jene Winde

längst vergessen,

die uns wärmten,

als wir noch

voller Unschuld

uns liebten.