Rahel
Sie streifte die neugekauften grünen,
mit weiten Maschen versehenen Netzstrumpfhosen, deren Füsse sie mit ihrer langen
Schere aufgeschnitten hatte, über ihre glatten blassen Ärmchen und mit
einem Mal schien sie einzutauchen in eine neue, in eine ganz andere Welt.
Nichts mehr blieb von ihrem Schattenreich, ihrem Kummer, ihrer dumpfen Angst, die
sie sich selbst kaum erklären konnte. Vorbei all der Schmerz, die Last, das
Kränklichsein, selbst ihre Lügen schien sie nun hinter sich zu lassen,
waren Verdammte und schienen in ein fernes Land entschwunden.
Sie wusste: "Das ist Dein Abend"! Stimmen, die ihr sonst wichtig erschienen,
blieben von nun an am Rande hängen, spülten wie die Gicht des Meeres an
ihrem Ufersaum an und weichten sich auf: sie erlöschten. Niemand schien mehr
da zu sein. Kein Geräusch, das sie stören oder verunsichern konnte. Kein
Klopfen. Keine Stimmen, von denen sie wusste, dass es sie nicht gab. Sie war wie
eine Pflanze in sich selbst eingewachsen, hatte Besitz ergriffen von ihrem eigenem
Blut, ihrem Haar, das seidenweich auf den dürren Schulterblättern wogte.
An diesem Abend sang ihr der Wind ein Lied, das ihr Ohr fand. Die Sonne war längst
untergegangen, niemand ausser ihr war zu Hause.
Er wird mich holen, ich werde bei ihm sein...nur für ihn will ich da sein an diesem Abend! Er wird eine Melodie für mich sein. Ein ungeheurer Schatten, ein Werk des Teufels. Es würde nun alles ganz anders sein wie sonst und sie spürte eine Art Erregung ihrer Sinne. Sie bewegte sich in ihrem Zimmer in den Kreisen, die sie von ihm gelernt hatte. Es waren Kreise, die es sonst nirgends gibt: imaginäre Linien ohne Anfang oder Ende. Sie waren wie eine Reise ohne Ankunft und ohne jemals an eine Rückkehr zu denken.
Draussen erschall Motorengeräusch. Es war der blaue Fiesta. Schnell warf sie einen Blick in ihren körpergrossen doch sehr schmalen Spiegel. Ja, alles schien zu stimmen, schien wie gemacht zu sein für ihn: ihre schwarzgefärbten glatten Haare, die Augenlider schwarz, das Gesicht hell und blasser noch geschminkt als es ohnehin schon war. Ein langer schwarzer Mantel verbarg ihren langen schwarzen Rock und die schweren schwarzen Lederstiefel mit den überlebensgrossen Schnallen an den Seiten. Selbst die langen Fingernägel glänzten schwarz im Licht der Zimmerlampe. Sie löste den Schalter.
Draussen verlosch das Motorengeräusch. Als sie zur Türe herauskam, schritt
sie in ein imaginäres Zimmer. Jetzt war sie zu Hause. Sie erkannte ihn sofort!
Seine langen, krausen Haare waren zu Rastalocken verfilzt und er schien wie immer
zu grinsen. Sie liebte sein Grinsen. Dies allein schien ihr Trost und Ansporn zu
sein. Schien ihr die Welt zu erklären, ohne überhaupt ein Wort hören
oder sprechen zu müssen. Sie war am Wagen angekommen, öffnete die Beifahrertür
und stieg ein.
"Hallo Mausi"! dröhnte es ihr entgegen. Die Anlage spielte Black Metall
und war kaum zu übertönen. Sie packte sanft sein rechtes Ohr und zog ihn
an ihr Gesicht, ihre Lippen trafen sich, schienen kurz verweilen zu wollen, ihre
Zungen waren noch nicht wieder aneinander gewohnt.
Ein Schauer lief ihr über den kleinen, wohlgeformten Rücken. Ein rodinscher
Rücken, voller Schatten und Wärme. "Fahr erst auf den Parkplatz, ich
will es mit Dir machen!" hauchte sie ihm ins Ohr. Sofort drehte er den Zündschlüssel
und der Motor meldete sich heulend zurück. Nicht weit, hinter der Ortschaft
in der sie wohnte, lagen linker Hand einige Anglerteiche. Ihnen vorgelagert war ein
grosser Parkplatz, umgeben von Hainbuchengebüschen: wie geschaffen, um von neugierigen
Blicken geschützt zu sein.
Sie zog den Schlüpfer über ihre Stiefel und steckte ihn in die rechte Tasche
des Mantels. Er hatte seinen Hosenschlitz bereits geöffnet und willig ragte
ihr sein Teil entgegen. Sie warf sich über ihn, fand sein Ding sofort dort,
wo es hinsollte und begann sich teils nach vorne, teils nach oben und unten zu bewegen.
Er fasste sie dabei nicht an. Er gab auch keinen Laut von sich. Sie wusste das. Er
war ihr erster Mann und sie kannte kein anderes Liebesspiel als das, das sie gerade
vollführte.
Obwohl sie keine Lust dabei empfand, hauchte sie ihm ins Ohr, biss sich auf die Lippen,
atmete schwer und unregelmässig. Er bewegte sich nicht, schien sie nur anzusehen,
oft kam es ihr vor, als begreife er gar nicht, was geschieht.
Ihre rechte Hand hatte sich unter ihren schwarzen Rock geschoben. Man konnte die
Bewegungen, die schnell und kreisend waren noch unter dem Mantel erahnen, derweil
sie im Verborgenen blieben. Nun schien sie doch ein wenig Lust an dem Spiel zu empfinden
und wurde schneller und wilder, ihr Atem wurde stossartiger, ab und an schien sie
zu japsen. Ihre Augen wurden immer grösser, die Ringe um ihre Iris weiteten
sich zu einer Landschaft, Begierde schien sich im Glanze der Hornhaut zu spiegeln.
Die Sonne ging gerade unter am Horizont, der in dieser Gegend zum Greifen nahe scheint.
"Genug jetzt!" brummte er kurz auf. Sie stieg von ihm ab, rutschte zurück
auf den Beifahrersitz und kramte ihr Unterhöschen hervor, das den selben Weg
zurück fand, den es zuvor genommen hatte.
"Wir fahren jetzt hoch!" herrschte er sie an. Sie war glücklich.