"Wir hatten viel Spaß mit dem Diskordianismus. Keiner von uns war sich damals dessen
bewußt, daß uns die Operation Mindfuck aus den Händen gleiten könnte..."[R.A.Wilson:
Cosmic Trigger, Reinbeck 1990, S. 78.]
Der Diskordianismus ist der kosmische Kicher-Faktor, Guerilla-Ontologie.
Die Diskordier gibt es natürlich nicht WIRKLICH, alles Lüge. (Hattet Ihr auch nicht anders
erwartet, oder ?) Der Diskordianismus ist als erste echte "wahre Religion" von zwei sehr
menschlichen Primaten 1958 gegründet worden, von Kerry Thornley und Gregory Hill. Er
basiert, wie der Name schon sagt, auf der Verehrung der griechischen Göttin Eris, zuständig für
Chaos und Zwietracht, in Rom Discordia geheißen. Am besten, man lese selbst aus Thornleys
"Manual für Discordian Evangelists": [Ich zitiere nach Wilson, R.A.: Cosmic Trigger, Reinbeck
1990, S.76ff.]
"Die SOKRATISCHE ANNÄHERUNG ist am erfolgreichsten, wenn ein Unwissender mit ihr
konfrontiert wird. Als sokratische Annäherung bezeichnet man das Aufstellen eines Arguments
mittels Fragen. Du näherst dich dem Unwissenden und fragst ganz einfach: "Hast du gewußt,
daß Gottes Name ERIS lautet und daß ER ein Mädchen ist ?" Wenn er mit "ja" antwortet, so ist
er vermutlich ein Anhänger der Erisianer, und du kannst es vergessen. Wenn er "nein" sagt,
dann fahre sofort weiter mit:
DER BLINDEN BEHAUPTUNG und sage: "Nun, Er ist ein Mädchen, und sein Name
ist ERIS !" Beobachte scharf, ob dein Gesprächspartner überzeugt ist. Wenn ja,
vereidige ihn für die Legion des Dynamischen Diskords, bevor er seine Meinung ändert. Falls
er nicht überzeugt zu sein scheint, fahre mit der:
VERTRAUENSFRAGE fort. "Du muß Vertrauen haben ! Ohne Vertrauen ist alles umsonst ! Es
würde mir so leid tun, falls du kein Vertrauen hättest." Füge dann:
DAS ARGUMENT DER FURCHT hinzu und frage mit einer ominösen Stimme: "Weißt du,
was denen zustößt, welche die Göttin ablehnen?" Falls er zögert, sage ihm nicht, daß er
bestimmt als Protestknopf wiedergeboren und an die Armen verteilt würde (was eine gemeine
Bemerkung wäre), sondern schüttle nur traurig dein Haupt. Während du eine Träne aus dem
Auge wischt, gehst du zur:
ERSTEN TRICKKLAUSEL über, indem du auf das Durcheinander und die Zwietracht in der
Welt hinweist und fragst: "Nun, zum Teufel, wer, meinst du, hat das alles getan, weiser Mann
?" Wenn er sagt, "niemand, lediglich unpersönliche Kräfte", so antworte schnell mit dem:
ARGUMENT DER SEMANTISCHEN GYMNASTIK. Sage, daß er völlig recht habe, daß diese
unpersönlichen Kräfte weiblich seien und daß ihr Name ERIS laute. Falls er - größtes aller
Wunder - noch immer hartnäckig bleibt, dann greife zum:
BILDLICHEN SYMBOLISMUS-KNIFF und vertraue ihm an, daß weltkluge Leute, wie er
selbst, erkennen, daß Eris ein bildliches Symbol für eine unbeschreibliche metaphysische
Realität sei und daß die Eristische Bewegung in Wirklichkeit mehr als ein Gedicht denn eine
Wissenschaft zu gelten habe. Sage ihm, daß er verantwortlich wäre, falls er in einer späteren
Inkarnation als Protestknopf an die Armen verteilt werden sollte. Setze ihn dann auf deine
Adreßliste."
In der Folgezeit wurde dieses klare, einleuchtende und von göttlichem Geist durchwehte
Konzept noch weiter ausgebaut und immer mehr hochgebildete Primaten beteiligten sich an
dem Projekt, so Bob Shea (u.a. Co-Autor von "Illuminatus !"), Camden Benares (der "Zen ohne
Zen-Meister" schrieb), Judith Abrahams (Dichterin), der Psychater Dr. Robert Newport und
andere. Der größte Erfolg war das generieren der Principia Discordia ,
der diskordischen Bibel. R.A. Wilson schreibt: "Nichts von allem war lediglich eine
Parodie auf die Religion per se. Es war eine Übung in der Guerilla-Ontologie - ein
Versuch, Nasreddins Esel sichtbar zu machen. Eine Marx Brothers-Version des Zen.
Wir nannten es Operation Mindfuck.
Im Diskordianismus gibt es keine Dogmen. Dafür gibt es Katmen, keine absoluten
Glaubensvorstellungen also, sondern eher einen relativen Meta-Glauben. Eines dieser Katmen
ist das Gesetz der Fünf. Es besagt, daß alles was geschieht, alle Vorfälle, alle
Geschehnisse, alle Ereignisse in irgendeiner Form mit der Zahl Fünf zusammenhängen. Oder
mit einer mit der Fünf in Beziehung stehenden Zahl, mit einem Vielfachen ihrer oder einem
Teil. Alles was man braucht, ist ein wenig Geschick bei der Interpretation. Dieser letzte Teil
wird natürlich bei der Ausbildung den Novizen nicht mitgeteilt, sie sollen schließlich ihren
Metaprogrammierer selbst entdecken und damit auch dieses Prinzip. Zu dem Gesetz der Fünf
tritt nun noch das Gesetz der 23 (2 + 3 = 5), von Wilson auf Burroughs zurückgehend
eingeführt.
Wilson: "Sie haben diskordische Erleuchtung erlangt, sobald sie realisieren, daß alles andere
auch nicht wahr ist, falls die Göttin Eris und das Gesetz der Fünf nicht buchstäblich wahr
sind."
Das Problem ist, daß das normal arbeitende Primaten-Gehirn von den millionen Signalen, die
ständig auf das selbe einstürmen nur die relevanten herausfiltert und den Rest einfach auf den
Datenmüllhaufen wirft. Diese gefilterten Signale werden nun noch durch eine
Glaubens-Schablone gepresst und den schon vorhandenen Strukturen angepaßt. Egal, ob man
der Meinung ist, es gebe keine kosmische Intelligenz oder Gott sei eine verrückte Frau, das
Gehirn ist fähig alle eingehenden relevanten Signale dem anzupassen. Der Weg zur Steigerung
der praktischen Intelligenz läuft also über die Steigerung der Durchlässigkeit des Filters für
Signale anderer Menschen, "egal, wie verschroben deren Realitätsgrundlage sein mag, und egal,
wie dumm oder langweilig sie sich beim erstenmal ausnehmen." [Wilson, S. 79.]
Der Diskordianismus steht in direktem Widerspruch zu den monotheoretisch-monotheistischen
Grundlagen der westlichen Religion, der westlichen Logik und den westlichen Gesetzen, die
alle von der Annahme ausgehen, daß es ein einziges korrektes, in allen Fällen der Wahrheit
entprechendes Modell gebe. Von daher lautet das erste Gestz des Diskordianismus:
Überzeugungen schaffen Überzeugte. Was immer du glaubst, schränkt
dich ein.
Also glaube das alles bloss nicht !!
Um diesem Grundsatz zumindest ein wenig gerecht zu werden, oder um es zu umgehen, je nach
Bezugspunkt, ist es sinnvoll, zwei Periodika von politischen oder religiösen Gruppen zu
konsumieren, die man verachtet. Damit läßt sich relativ leicht feststellen, welche Art Signale
gefiltert bzw. von der gewohnten Realitätsgrundlage herausgelöst werden. Die damaligen
Mitglieder der Diskordischen Gesellschaft begannen massiv, sich bekannt zu machen,
verbreiteten Schriften, erklärten ihre Standpunkte und brachten Techniken gewaltloser
Anarchie unter das Volk. Sie sollte zur sprunghaften Veränderung der Roboter-Gesellschaft
führen. "Eine davon war unser PURSE-Plan (Permanent Universal Rent Strike Exchange),
gemäß welchem jeder ganz einfach für immer aufhörte, seine Miete zu bezahlen. (Können sie
uns alle in den Atlantik oder den Pazifik vertreiben ?) Eine andere war unser PUTZ-Plan
(Permanent Universal Tax Zap), bei dem jedermann seine Steuern zu bezahlen aufhörte.
Parallel dazu plazierten wir zahlreiche Geschichten über den äonenalten Krieg der
Diskordischen Gesellschaft gegen die bösen Illuminaten; dazu gehören Nixon, Johnson,
William Buckley jr., wir selbst, Invasoren vom Mars, alle Verschwörungsanhänger, kurz
jedermann.
Die ganze Sache glitt diesen hochintelligenten Primaten etwas aus den Fingern.....oder
hatten sie nur etwas iniziert, auf das alle schon gewartet hatten.....oder nur eine Kruste wieder
aufgebrochen ohne es zu wissen....oder wissentlich ?
"Synchronizität, wohin man sah ... und die Merkwürdigkeiten nahmen zu. So hatten wir
Diskordier ein mystisches Zeichen wie die Freimaurer und alle anderen auch. Das unsere hatten
wir freundlichst vom guten alten Tory-Kriegstreiber Winston Churchill geklaut: es war das V
für Sieg (Victory), das Winnie den ganzen Zweiten Weltkrieg hindurch benutzt hatte. Natürlich
hatte es für uns spezielle diskordische Bedeutungen: das V, das römische Zeichen für 5,
illustrierte das Gesetz der Fünf. Die Art, wie das Zeichen gemacht wurde - zwei Finger gegen
oben, drei nach unten gebogen - , veranschaulicht die verborgene 23 innerhalb des Gesetzes der
Fünf. Die Tatsache, daß dieses Zeichen auch von katholischen Priestern beim Segnen und von
Satanisten beim Beschwören des Teufels verwendet wird, illustriert die grundlegende
Vielseitigkeit jeglichen Symbolismus, oder den kosmischen Kicherfaktor."
Ganze 3125 Kopien der Principia Diskordia wurden in den Jahren 1963-1969 von Wilson und
den anderen unter die Leute gebracht und doch hatte sich das V-Zeichen zum festen Symbol der
gesamten Gegenkultur dieser Jahre und darüber weit hinaus gemacht.
Das Pentagon ist natürlich für die Diskordier ein heiliger Schrein, nicht nur wegen der Form,
sondern auch weil in seinem Inneren uneingeschränkt ein nach Thornley grundlegendes
soziologisches Gesetz in Reinkultur herrscht:
"Auferlegung von Ordnung = Eskalation des
Chaos."
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Übrigens sind alle Mitglieder des Generalstabs diskordische Heilige ehrenhalber und
gehören dem Orden des Quichotte an, auch bekannt als Ritter der Fünfseitigen Burg.
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