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Interview mit einem Kollegen zur Situation bei Siemens Österreich und zur Demonstration der PSE-Angestellten Ende 2008 PR: Wie viele MitarbeiterInnen arbeiten jetzt, nach den diversen Aus- und Eingliederungen, bei Siemens Österreich? h.: Es gab in den Tat einige „Ausgliederungen“. Die wichtigste war die Ausgliederung großer Teile der Telekommunikation in ein Joint Venture mit Nokia („Nokia Siemens Networks“) im Jahr 2007 und die Übernahme von 50% der „Siemens Elin Buildings and Infrastructure“ durch die Ortner-Gruppe (die auch eine substantielle Beteiligung an der Porr AG hat) im Jahr 2008. Plus ein paar kleinere. Zugleich wurde aber 2005 der VA TECH-Konzern mit etwa 18.000 Mitarbeitern gekauft; die Wasserkraftwerkssparte (VA TECH Hydro, nunmehr Andritz Hydro) wurde postwendend an Andritz weiterverkauft, der Rest wurde integriert. Siemens Österreich ist dadurch größer geworden. Aus 17.600 Beschäftigten im Jahr 2004 wurden 32.700 in 2005 (und seither übrigens 50.000, v.a. durch Unterstellung Tschechiens und Ungarns unter österreichisches Kommando). Seine Stellung im Siemens-Konzern hat sich verbessert. Neue Geschäftsbereiche, z.B. Metallurgie und Transmission & Distribution, kamen dazu. Trotz der stetigen Expansion in Ost- und Südosteuropa sank die Gesamtzahl der Beschäftigten (ohne Berücksichtigung des Abgangs von 500 zu Nokia) zwischen 2005 und September 2008 um 1.700 oder 5,7%. Seitdem lief das soeben „erfolgreich“ abgeschlossene Personalabbau-Programm „Succeed II“, mit dem weltweit 1,2 Milliarden Euro bis 2010 eingespart werden sollen und in Österreich weitere 500 Leute abgebaut wurden. Und es läuft eine von noch etlichen weiteren Etappen beim Personalabbau im IT-Bereich. Macht zusammen bisher schon sicher deutlich mehr als 2.200 Leute. Der Personalabbau geht bei Siemens Österreich bisher immer ziemlich leise ab. Sie machen es sehr geschickt: Keine „Paukenschläge“, sondern „zizerlweise“, einmal dort, einmal da, „Sozialpläne“, einer nach dem anderen, „Arbeitsstiftungen“ mit Zuschüssen des AMS, Altersteilzeit-Modelle, ebenfalls mit Zuschüssen des AMS, etc. Die Betriebsräte immer mit von der Partie, immer um „Lösung der Probleme“ bemüht, immer „konstruktiv“, immer an der Profitlogik orientiert. Kein Wunder, daß der Herr Generaldirektor Löscher soeben sich selbst und seinen Aktionären gratulierte, daß man bei Siemens dank des Betriebsrates ohne „betriebsbedingte Kündigungen“ dasselbe erreicht wie anderswo mit. PR: Wie wirken sich diese sog. „Restrukturierungen“ auf die Arbeitsbedingungen aus? h.: Wie wirkt es sich wohl aus, wenn mehr als 2.200 KollegInnen schon abgebaut wurden, weitere 500 (zu den bisherigen 300-400) im IT-Bereich (in der PES) gerade abgebaut werden, weitere 150 aus diesem Bereich in einer „Arbeitsstiftung“ deponiert werden sollen…, und gleichzeitig der Umsatz in den letzten drei Jahren um 64% gestiegen ist und der Auftragseingang sogar um 97%. Der Pro-Kopf-Umsatz ist in drei Jahren um 75% gestiegen. Das heißt eine deutlich gestiegene Arbeitsintensität und -produktivität. Der Gewinn der Siemens Österreich AG („Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit“) ist allein im Geschäftsjahr 2008 um 32,2% gestiegen. Die „Personalkosten“ sind demgegenüber zwischen 2005 und 2007 von 27,7% des Umsatzes auf 25,1% gesunken, um im Jahr 2008 wegen der diversen „Sozialpläne“ auf 26,1% zu landen. Allein „Succeed II“ reduziert die österreichischen Personalkosten um weitere 50 Mio. Euro oder 2,5%. Personalabbau, sei es „freiwillig“, seien es „Zwangsaustritte“, die Kündigung der Leiharbeiter sowieso, – das ist die Hauptseite. Eine andere Seite sind neuerdings Versuche der Firmenleitung, an den Arbeitszeitregelungen zu drehen: Über Kurzarbeit wird gemunkelt. Konkreter scheint dieses Szenario bei der Tochtergesellschaft SIMEA (Fertigung elektronischer Komponenten in Siegendorf) zu werden, wo ein „Management buy out“ (= Verkauf an die Geschäftsführung mittels Fremdfinanzierung – nicht gerade eine bestechende Idee mitten in der „Finanzkrise“ und Wirtschaftskrise) geplant ist, von dem man nicht weiß, ob er klappt. Sehr konkret wird demgegenüber schon über „Flexibilisierung“ der Gleitzeitregelungen geredet. Es geht um ein Aufmachen der „Topfgrenzen“, also um den Aufbau eines hohen „negativen Saldo“, der in besseren Zeiten dann wieder mit Überstunden eingearbeitet werden kann. Dann die Löhne und Gehälter – darüber wird zwar offenbar dort und da gesprochen, aber Lohnsenkungen scheinen derzeit nicht der Haupthebel zu sein. Eine vierte Seite sind „Ausgliederungen“: Wenn z.B. die 43 Beschäftigten der Werksküche aus dem Elektro- in den Gastro-Kollektivvertrag expediert wurden, war das für sie eine massive Verschlechterung. Solche kleinere „Ausgliederungen“ gab es einige in den letzten Jahren. PR: „Sozialplan“ heißt offenbar das Zauberwort. Wie schaut so ein „Sozialplan“ aus und wie kommt es dazu? h.: Es ist immer dieselbe Masche. Die Aufgabe ist: Wie kann ich, als Firmenleitung, meine Pläne reibungslos über die Bühne bringen und jeden Widerstand dagegen zersetzen? Das geht so: Zuerst verbreitet man Horrormeldungen, daß man z.B. 500 Leute abbauen müsse. Das ist meistens noch ziemlich verschwommen. Es gibt angeblich oder wirklich noch keine Kündigungslisten. Als tatsächliches Ziel hat man z.B. 350 im Auge. Der Betriebsrat nimmt zwar zur Kenntnis, daß „es wahrscheinlich nicht anders geht“, geht aber in Pose und erklärt, daß es so bitte, v.a. ohne intensive Einbeziehung des Betriebsrats, nicht ginge. Indem er aber durch sein Taktieren klar zu verstehen gibt, daß man dagegen nicht wirklich etwas machen, sondern allenfalls nur die Folgen abmildern kann, trägt er zur Verunsicherung und Einschüchterung bei. Ist genug Angst und Schrecken verbreitet, wird es konkreter. Die „Einsparungsziele“ werden auf die einzelnen Standorte, Firmen, Abteilungen heruntergebrochen und exekutiert. Das geht wenn möglich „freiwillig“ (z.B. durch freiwillige Abfertigungen) oder durch Zwang und Druck oder beides kombiniert. Ohne „Zwangsaustritte“ – sogar ein neues Wort ist erfunden worden - geht es bei massiveren Wellen natürlich nicht. Inzwischen wurde in der Regel ein „Sozialplan“ vereinbart. Mit diesen „Sozialplänen“ soll alles vollständig individualisiert und jedem kollektiven Widerstand die Spitze genommen werden. Jeder ernsthafte Abwehrkampf wird damit von vornherein äußerst erschwert. Jeder wird auf sein individuelles Interesse zurückgeworfen und kann schauen, wo er bleibt. Man zahlt freiwillige Abfertigungen an diejenigen, die „freiwillig“ gehen. Das sind in erster Linie diejenigen, die entweder hoffen, etwas anderes zu finden, oder nicht mehr allzuweit vom Pensionsalter entfernt sind. Oder auch solche, denen man es so dringend nahelegt, daß sie lieber gleich „freiwillig“ das Handtuch werfen. Nach monatelangem Hin und Her hat die Firmenleitung dann ihren Plan durchgesetzt. Natürlich gibt es immer auch KollegInnen, die sowieso nicht mehr wollten oder das berühmte „Ende mit Schrecken“ einer dauernden Zitterpartie vorziehen. Aber für die Masse der Betroffenen trifft das nicht zu. Sie würden zweifellos vorziehen, ihren Arbeitsplatz zu behalten. Daher ist es mit der Freiwilligkeit nicht weit her. Oft stellt sich die Frage nur so: Entweder „freiwillig“ jetzt oder unfreiwillig und zu schlechteren Bedingungen später. So wird der „Sozialplan“ exekutiert. Die 350 gekillten Jobs werden mit mehr oder weniger Druck erreicht. Alle, von der Frau Ederer bis zum Betriebsrat, freuen sich, daß es nur 350 geworden sind statt 500, und angeblich alle freiwillig. Es dauert aber meist nicht lange, bis die Situation neuerlich „extrem schwierig“ ist und ein neuer „Sozialplan“ vorbereitet wird oder, in chronischen Fällen, die Verlängerung des alten. PR: Offenbar besteht eine besonders angespannte Situation in der PSE („Program and System Engineering“), einem „soft ware house“ von Siemens. Was ist dort los? h.: Ich habe nicht viel Kontakt zu Kollegen der PSE. Die Verbindungen zwischen den Standorten sind nicht sehr intensiv. In Erdberg hört man nicht viel über Floridsdorf und umgekehrt. Daß die Firma an Spaltung und Zersplitterung interessiert ist, ist logisch. Von Betriebsratsseite wird allerdings auch nichts dagegen getan. Aber einiges spricht sich doch herum. Bei der PSE ist die Lage insofern besonders ernst, als dort von den noch verbliebenen 2.440 MitarbeiterInnen wirklich sehr, sehr viele abgebaut werden sollen. Ein paar Hundert wurden ja schon. Jetzt geht es nicht nur um weitere vielleicht -20% oder -30%, sondern darum, den Bereich ganz oder teilweise dichtzumachen und in „low cost Länder“ zu verlegen. Auch hier lief es wie üblich. Zuerst Gerüchte und Hiobsbotschaften. Der ganze Bereich sei nicht „lebensfähig“, der Standort Österreich sei zu teuer und generell nicht zu halten. „Nicht lebensfähig“ heißt natürlich nur: nicht profitabel, denn von der Arbeitsleistung selbst her ist sogar der Geschäftsbericht 2008 voll des Lobs über das „herausragende methodische, technische und branchenspezifische Know-how“ der KollegInnen. Der Betriebsrat reagiert darauf „bestürzt“ und fordert „Verhandlungen“. Verhandlungen worüber? Über die Abmilderung der Folgen für die Arbeiter und Angestellten. Bestenfalls. Dazu die übliche Begleitmusik: Eine „österreichische Lösung“ wird gefordert, die „Erhaltung der PSE“ propagiert. Von der Bedeutung für den „Wirtschaftsstandort Wien“ ist die Rede. Man möchte offenbar dem Kapital erklären, daß es seinen eigenen Interessen zuwiderhandelt. Die Firmenleitung sieht das natürlich ganz anders. Es folgen Manöver zur Verbreitung von Angst und Verwirrung, aber auch dann und wann ein Zuckerbrot. Die Geschäftsführung „bemüht sich ernsthaft“ um andere mögliche Lösungen. Eine teilweise Unterbringung in anderen Siemens-Bereichen wird in Aussicht gestellt, der Betriebsrat reagiert „positiv“, es rührt sich nichts, die Frau Generaldirektor verspricht ein x-tes Mal, sich „zu verwenden“, aber die Sache erweist sich rasch als Rohrkrepierer, denn in allen anderen Bereichen wird ja ebenfalls abgebaut. Bleiben die „Sozialpläne“. 2006/07 kam der erste davon. Bis 30.9.2008 waren über 300 von etwa 2750 MitarbeiterInnen abgebaut und der Großteil der Leiharbeiter ebenso. „Großer Erfolg“, „Ziele sogar übertroffen“, alle, Firmenleitung und Betriebsrat, rundum zufrieden. War ja alles „freiwillig“. Und kein Radau. Aber es dauert nur zwei, drei Monate, dann „stellt sich heraus“: das reicht aber leider nicht. Weitere 500 werden jetzt von der Firmenleitung angepeilt. Der Betriebsrat „versteht das nicht“ und muß es erst „prüfen“. Gesagt, getan. Auf den „Sozialpartner“ ist Verlaß. Er hat Verständnis für die „objektiven Zwänge“. Dann wird der „Sozialplan“ bis 31.3.2009 verlängert. Weitere 150 Leute hat die Firmenleitung für eine „Stiftung“, nur ein „mildere“ und statistikfreundliche Form von Arbeitslosigkeit, angemeldet. Alles ständig begleitet von der Forderung nach einem „strategischen Gesamtplan“, Geschwätz über eine „österreichische Lösung“, lauter Appelle an das Kapital, doch von seinen Profitinteressen abzurücken. Dann wird der „Sozialplan“ exekutiert. Das ist aber immer noch erst der Anfang, denn das Ziel heißt nach wie vor: Verlagerung der Aktivitäten in „Billiglohngebiete“. Der weitere Weg führt jetzt über eine „taktische“ Aufspaltung der PSE. „Teile und herrsche!“ Die einen, die Mehrheit, sollen in eine neue Gesellschaft mit weiterhin unklarer Perspektive ausgegliedert werden. An der „Lebensfähigkeit“ ändert sich dadurch ja nichts. Die anderen können bleiben. Neue Illusionen, neue Spaltungen. Mittendrin wird plötzlich eine neue Leimrute ausgelegt: Vielleicht könnte man die gesamte PSE verkaufen. So könnte man sie „als PSE“ erhalten. Der Betriebsrat ist sehr interessiert. Ein paar Wochen später ist der Zauber wieder vom Tisch. Es wurde doch kein Käufer gefunden. Kein Wunder, ist doch ein evt. Käufer auch wieder ein Kapitalist, der sich dieselben Sorgen um seinen Profit macht wie die Firma Siemens. Allenfalls wäre denkbar, daß Siemens ihm Geld gibt, um das Problem los zu sein, wie bei BenQ oder Nokia. Diesmal wird es aber nichts. Weil die KollegInnen spüren, daß es ernst und das alles erst der Anfang ist, und weil man ihnen ganz „unsiemensianisch“ hart gegenübertritt, und weil inzwischen sogar der Betriebsrat, der im Vorjahr noch „wohlwollend die Zusicherung der Firmenleitung zur Kenntnis genommen hat, daß die Vorstandsmitglieder zur PSE und ihren MitarbeiterInnen stehen“, von der Gefahr einer endlosen Welle von „Restrukturierungen“ ausgeht, bis die PSE entweder weg oder zumindest sehr stark „redimensioniert“ ist, herrscht bei der PSE größere Sorge und Unruhe als anderswo ... PR: …. daher die Demonstration Anfang November… h.: … daher am 6.November 2008 die Demonstration vor bzw. auf dem Werksgelände in der Siemensstraße. 1.500 bis 2.000 nahmen teil. Das war schon einmal ein spektakulärer Schritt, nach Jahren, wo immer alles geschluckt wurde. Der Betriebsrat mußte offenbar reagieren und konnte nicht länger tatenlos zuschauen. Das war jedenfalls endlich einmal ein Zeichen, daß man nicht alles willenlos über sich ergehen läßt. Am Werkstor wurden alle „Firmenfremden“, hauptsächlich Angehörige, aber auch „firmenfremde“ Gewerkschafter und andere Unterstützer, auf Befehl der Firmenleitung gestoppt. Ein Aufgebot an Werksposten hinderte jeden „Fremden“ am Betreten des Geländes. Der Sprecher der GPA, Proyer, hält eine Rede: Es sei ein „Gebot der Fairness“, daß die Firmenleitung, wenn sie schon ein Geschäftsfeld wegrationalisiert, sich um Alternativen umschaut. Warum sollte sie das? „Fairness“, was immer das in diesem Zusammenhang sein mag, ist kein Ziel der Kapitalverwertung. Ein „klares Zukunftskonzept“ wird gefordert. Gibt es längst: Verlagern und zusperren! Dem Siemens-Boss Löscher „darf das Schicksal dieser Beschäftigten und ihrer Familien nicht egal sein“. Ist es ihm aber! Die Firma dürfe die Leute „nicht im Regen stehen lassen“. Doch, tut sie und darf sie! Lauter bodenloses „sozialpartnerschaftliches“ Geschwätz, aber kein einziges klares Wort für die Interessen der Belegschaft und daß man dafür kämpfen muß. Nur Schüren von Illusionen, nur Sand in die Augen. Zum Schluß entdeckt er sogar noch einen „Teilerfolg“: Er nehme „mit Wohlwollen (!) zur Kenntnis, daß vom Konzernsprecher die Existenz einer sog. black list (Kündigungsliste) dementiert wird“. Das sei „ein erster Schritt zu einer vernünftigen Lösung“. Abgesehen davon, daß es natürlich solche Listen gibt, wieso ist das ein erster Schritt und zu welcher Lösung? Abwiegeln ist angesagt. Keinesfalls den Unmut und womöglich Kampfmaßnahmen „aufschaukeln“. Statt sich mit so einem Blödsinn zu befassen, ob es eine black list, die „für den Fall daß“ selbstverständlich in der Lade liegt, gibt oder nicht und ob der Konzernsprecher lügt oder nicht, ginge es darum, die Belegschaft hinter klaren Forderungen gegen die Restrukturierungs- und Zusperrpläne zu sammeln und dem durch Streiks und andere Maßnahmen Nachdruck zu verleihen. Es ist ja in diesem Fall nicht einmal so, daß es keine Aufträge gibt und keine Arbeit da ist. Sie ist bloß zu wenig profitabel. Würde gestreikt, würde das die ganze Firma schwer treffen. Teilweise, z.B. gegenüber Nokia, würden sich Haftungs- und Schadenersatzfragen stellen. Es entstünde eine ganz andere Öffentlichkeit im Konzern und außerhalb. Die Firmenleitung käme unter Druck. So aber hat sich an der miesen Lage durch die Demonstration leider nichts geändert. Als Protestaktion seitens der betroffenen KollegInnnen gemeint, hatten ÖGB-Bonzen und Betriebsräte nur im Sinne, Dampf abzulassen. Der PSE-Betriebsrat, bestenfalls Spielball der Firmenleitung, meist aber Mitspieler auf ihrer Seite, könnte zwar eigentlich inzwischen eines Besseren belehrt sein, ist es aber natürlich nicht, weil es nach wie vor um dasselbe geht, nämlich massiven Personal- und Gehaltsabbau möglichst „geordnet“, jedenfalls ohne Streiks oder andere Aktionen, über die Bühne zu kriegen. Sein „Optimismus“ bezüglich einer „Lösung“ ist kleiner geworden, sein „Vertrauen“ in die Firmenleitung ist angekratzt, seine „Sorge“ wird etwas deutlicher artikuliert, sein „Wohlwollen“ gegenüber der Firmenleitung ist nicht mehr so groß wie noch vor einem Jahr. Oder er tut zumindest so. Deshalb hat auch bei der Demonstration der Herr Proyer den Part des „Wohlwollens“ übernommen. Und so geht es immer weiter mit leeren Hoffnungen, Täuschungen, sinnlosen Manövern, mit der Exekution dieses „Sozialplans“ und dann des nächsten - bis die Firmenleitung am Ende ihr „strategisches Ziel“ erreicht hat. Außer wir machen ihnen, der Firmenleitung und ihren gewerkschaftlichen Handlangern, einen Strich durch die Rechnung. Wenn die Lage so ernst ist wie bei PSE, muß man die Sache selbst in die Hand nehmen und darf man sich nicht auf die Herren „Sozialpartner“ verlassen. PR: Was ist aus der Ausgliederung des Telekommunikation-Bereichs und seiner Einbringung in das Joint Venture mit Nokia geworden? Hat es die KollegInnen dort auch so hart erwischt wie in Deutschland? War das auch nur ein Manöver, sich dieses Bereiches zu entledigen und einem anderen, der in Deutschland und Österreich kein „soziales Mäntelchen“ zu verteidigen hat,, das Bummerl des Personalabbaus umzuhängen? h.: Das kann man – obwohl schon fast zwei Jahre seit April 2007 vergangen sind – anscheinend noch nicht definitiv sagen. Per heute hat sich die Lage weniger dramatisch entwickelt als befürchtet. Es hatte ja in diesem Bereich bereits in den Jahren zuvor massiven Personalabbau gegeben, dann nochmals einen Schub 2006 von – 15%, vor dem Nokia-Deal, und jeder befürchtete, so würde es weitergehen. Man mußte das auch befürchten, war doch das erklärte Ziel Anfang 2007 die Einsparung von 2 Mrd. Euro. Durch „Synergien“, wie es hieß, aber wir wissen natürlich, daß die Haupt“synergie“ immer der Personalabbau ist. Das erklärte Ziel war der Abbau von 9.000 Jobs bis Ende 2010. Das war nochmals fast jeder Sechste. Da man Infineon und BenQ schon erlebt hatte, mußte man von einem solchen Szenario ausgehen. Und in Deutschland z.B. kam es mit – 3.000 Jobs auch so. Nach dem, was ich weiß, scheint es aber so zu sein, daß es Österreich nicht so heftig erwischt hat. „Nur“ etwa 10% der 500 Jobs in Österreich wurden abgebaut. Das von den KollegInnen befürchtete Szenario, daß der Standort rasch massiv heruntergefahren wird, ist nicht eingetreten. Jedenfalls bis jetzt nicht. PR: Du hast die Rolle des Betriebsrats bei PSE angesprochen. Welche Rolle spielen die Betriebsräte generell im Siemens-Konzern? h.: Das ist einfach gesagt. Der Zentralbetriebsrat und überhaupt die Spitzen der Betriebsräte bilden eine Agentur der Firmenleitung, um deren Ziele und Maßnahmen gegen die Arbeiter und Angestellten durchzusetzen. Wenn möglich, in einer „verträglichen“ Form. Vor allem ist es diesen Leuten auch ein Anliegen, jeden Widerstand, jeden Kampf, jeden Streik zu verhindern. Je näher die Betriebsräte den Beschäftigten sind, also weiter unten in den einzelnen Firmen und Standorten, desto schwieriger kann das manchmal werden. Dann muß eben noch mehr Demagogie und Gerede aufgeboten werden. Alle haben sie jedenfalls große Angst davor, daß die Arbeiter und Angestellten aktiv werden, vor einem wirklichen Streik z.B. Aber immerhin können die PSE-Betriebsräte angesichts der extremen Situation in ihrem Bereich nicht so agieren wie der ZBR. Da gibt’s auch Widersprüche, die man nutzen kann. In jedem Fall aber kann die Firmenleitung nur in die Schranken gewiesen werden, und um mehr geht es sowieso nicht, wenn wir eine selbständige und kämpferische Bewegung zustandebringen, die nicht nach der Pfeife von ÖGB- und ZBR-Bonzen tanzt. Deren Aufgabe und Ziel ist und bleibt, die Belegschaft zu zersplittern, zu spalten, zu desorientieren. Wenn im Bereich A „rationalisiert“ wird, wie z.B. im Zug des „Succeed II“, haben sie im Bereich B nichts anderes zu sagen, als daß man selbst zum Glück davon nicht betroffen sei. Das nächste Mal ist es dann umgekehrt. Sogar der PSE-Betriebsrat, ohnehin in Problemen, wurde nicht müde, sich aus dem „Succeed II“ herauszureklamieren, aber nicht etwa mit der Begründung, daß man diesem neuerlichen Vorstoß gemeinsam entgegentreten muß, sondern mit dem Argument, die PSE hätte gar keine nennenswerten Zentralbereiche und könne daher gar nicht betroffen sein. Statt Solidarität untereinander - das Florianiprinzip. P.R.: Gibt’s Kontakte nach Deutschland, wo einige Betriebsräte ja recht kämpferisch zu sein scheinen? h.: Ist mir nicht bekannt. Wäre aber sicherlich nützlich. Die Frage ist nur, wer und wie? Natürlich haben die Betriebsratsspitzen Kontakte mit ihresgleichen. Als übrigens im Herbst 2008 drei PSE-Betriebsräte uneingeladen zur Betriebsrätekonferenz des Siemenskonzerns in Berlin anreisten, wurden sie – nach eigenen Worten – „brüsk des Saales verwiesen“. Auch der ZBR-Vorsitzende von Siemens Österreich fiel ihnen offen in den Rücken. PR: Und wie ist es in Richtung „CEE“? Welche Rolle spielt Siemens Österreich dort? h.: Das sind die Neokolonien. So wie man in Richtung Deutschland „nach oben“ schaut, so schaut man in östlicher und südöstlicher Richtung „nach unten“. Der „Patriotismus“ kann sich hauptsächlich hier entfalten. Gegenüber der deutschen Konzernzentrale traut man sich nicht ernsthaft aufmucken. Hier herrscht volle Unterordnung. Früher wurde manchmal von Reibereien zwischen Wien und München berichtet, aber das ist anscheinend passé. Obwohl wahrzunehmen ist, daß der Prozeß der Aufwertung Österreichs und des gleichzeitigen mehr oder weniger scharfen An-der-Leine-Haltens nicht immer friktionsfrei ist. Kollegen aus Ungarn und Tschechien nehmen das z.B. so wahr, daß sie jetzt zwar zu Siemens Österreich gehören, aber sich trotzdem alles Mögliche von München genehmigen lassen müssen. Die Stellung von Siemens Österreich ist also in einem widersprüchlichen Prozeß begriffen. Trotzdem kann man sagen, daß Siemens Österreich immer mehr die eigentliche Zentrale der Ostexpansion des Siemens-Konzerns wird bzw. schon ist. Waren früher 10 Länder mit etwa 6.000 Beschäftigten unter österreichischem Kommando, so werden es jetzt 17 mit etwa 27.000. Es kamen nämlich dazu Ungarn (mit 2.100) und Tschechien (mit 18.500) sowie Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Moldavien und Ukraine. Insgesamt steigt die Zahl der Beschäftigten auf über 50.000. Siemens Österreich ist damit der Statthalter Münchens nicht nur in Ost- und Südosteuropa, sondern weit in den GUS-Raum hinein. In Österreich ist auch einiges an Forschung & Entwicklung angesiedelt und die sog. Zentralbereiche usw. Über das Absaugen von Gewinnen aus dem „CEE-Wirtschaftsraum“ („CEE“ in einem sehr weiteren Sinn) und übrigens auch aus anderen Ländern in aller Welt werden keine Zahlen publiziert. Aber aus den publizierten Umsatzzahlen kann man ermitteln, daß der durchschnittliche österreichische Mitarbeiter 123.000 Umsatz bringt (nicht weil er weniger oder weniger produktiv arbeitet, sondern weil hier auch größere unproduktive Bereiche („Zentralbereiche“), dann aber auch F&E (Forschung und Entwicklung) usw. in die Berechnungsbasis eingehen) und der in CEE 148.000. Man lebt zum Teil auf deren Kosten. Jedenfalls weiß man, auf welcher Seite man in der Arena des Imperialismus steht, wenn auch nur als Juniorpartner Deutschlands. PR: Was bedeutet die imperialistische Rolle von Siemens Österreich für die Arbeiter und Angestellten? h.: Es überrascht nicht, daß die gesamte Gewerkschaftslinie einen „rot-weiß-roten“ Zug hat. Sozusagen die patriotische Variante des Florianiprinzips. Wenn sich die Wirtschaftskrise vertieft, werden sich auch die Widersprüche zwischen den Standorten vertiefen. Bis jetzt spürt man das nur dort, wo wirklich etwas verlagert wird, was man auch hier machen könnte. Wenn es schlimmer wird, dann wird der österreichische Chauvinismus zu neuer Form auflaufen. Forderungen nach „Repatriierung“ und offene Feindseligkeit werden auftreten. Scheinbar richten sich solche Forderungen gegen das Kapital und seine „Globalisierung“. In Wirklichkeit richten sie sich, sobald es konkret wird, gegen die KollegInnen anderer Länder. Wenn z.B. bei der PSE eine „österreichische Lösung“ gefordert wird, ist das einerseits die Sorge, daß womöglich eine „Heuschrecke“ von irgendwoher kommt und ein viel brutaleres Vorgehen an den Tag legt als Siemens bisher, andererseits aber natürlich der Gedanke, die „Redimensionierung“ zulasten der KollegInnen anderer Länder durchzuführen. Für die Arbeiter und Angestellten ist das ein Holzweg. Solange sie sich gegeneinander ausspielen lassen und alle nur um das eigene Leiberl rennen, die Österreicher um das österreichische, die Rumänen um das rumänische, bald womöglich die nicht-ausgegliederten PSEler gegen die ausgegliederten usw., wird man immer schlechte Karten haben. Bei den Rumänen, um bei dem Beispiel zu bleiben, kann man es noch verstehen, denn sie sind die underdogs und Siemens Österreich der Chef. Aber in Österreich steht man mit so einer Haltung wirklich komplett auf der falschen Seite. Kontakt, Solidarität, Zusammenschluß mit den KollegInnen in CEE ist enorm wichtig. Kontakte, Zusammenarbeit, Solidarität (und wenn es einmal soweit ist Kampfgemeinschaft mit diesen Arbeitern und Angestellten) ist ein Gebot der Stunde. Die ÖGB-Linie, mißtrauisch auf „unsere Ossis“ hinunterzuschauen und im Ernstfall „unsere“ Arbeitsplätze gegen sie zu „verteidigen“, ist für jede wirkliche Arbeiterbewegung ein Schuß ins Knie. Wir sollten demgegenüber die Entwicklung und alle Bewegungen und Kämpfe im Konzern, außerhalb Österreichs, genau verfolgen, sie unterstützen, uns mit den betreffenden KollegInnen zusammentun. Strategisch ist das ganz entscheidend. P.R.: Wie wirkt sich die Wirtschaftskrise auf die Kampfbedingungen aus? h.: Die Wirtschaftskrise beschleunigt die „Restrukturierung“. Maßnahmen zur Steigerung der Ausbeutung werden forciert und vorgezogen. Der Herr Löscher hat dafür klare Worte gefunden. Die Krise verschärft auch die Konkurrenz. Die Phrase, jede Krise sei auch eine Chance, stimmt hier, sie bietet nämlich die Chance, der Konkurrenz Marktanteile wegzunehmen. Das denken sich natürlich die anderen auch. Daher wird es einen Wettlauf geben, wer schneller noch mehr aus seinen Arbeitern und Angestellten herauspressen kann. Wenn es nicht gelingt, dagegen Front zu machen, werden wir in ein, zwei Jahren drastische Verschlechterungen bei Löhnen und Gehältern, bei den Arbeitsbedingungen, Arbeitszeit, Intensität, etc. haben. Auf der subjektiven Seite macht die Krise zunächst einmal Angst, stärkt sie die Position der Kapitalisten, es gibt eben große Jobängste und wachsende Arbeitslosigkeit usw. Andererseits verbessern sich aber im Zug der Entwicklung der Krise auch die Kampfbedingungen, weil die Konkurrenz unter den Kapitalisten enorm zunimmt. In der Automobilindustrie z.B. positionieren sich gerade alle wie die Tiger vor dem Sprung. Natürlich gab es einerseits Überproduktion und immer noch Halden voller Autos. Aber jetzt wird der Wirtschaftskrieg der nächsten Jahre eingeleitet. Jetzt beginnt eine neue Offensive. Man hat massiv Personal abgebaut, und tut es noch, zuallererst die Leiharbeiter, dann „Stammbelegschaften“, und dadurch eine neue Ausgangsbasis in der internationalen Konkurrenz geschaffen. Jetzt haben wir einerseits Kurzarbeit bei gleichzeitig weit schneller laufenden Bändern in den z.B. drei Tagen, an denen gearbeitet wird. Die Lage in der Produktion ist jetzt sehr angespannt. Es gibt zugleich immer noch zu viele, aber gleichzeitig schon zu wenig Arbeiter, vor allem in der Produktion. Jeder Produktionsausfall würde die gerade anfahrende Marktoffensive hart treffen. Die Kapitalisten sind in so einer Lage zwar sehr selbstsicher, aber zugleich zunehmend verwundbar. Man sieht ja in Deutschland oder Frankreich, wo es wesentlich mehr und heftigere gewerkschaftliche Kämpfe gibt und wo diese in der Krise sogar massiv zunehmen, unter welchem Druck die Kapitalisten stehen, gerade in der Krise, welche Angst sie vor Kampfmaßnahmen haben. Bei Siemens ist es nicht anders. Zweifellos will auch Siemens die Krise nützen, nicht nur zu einem Feldzug gegen die Arbeiter und Angestellten, sondern auch gegen die Konkurrenz, gegen andere Kapitalisten. Siemens, verkündet das Management, muß aus der Krise gestärkt hervorgehen! Einen Streik kann man sich unter diesen Umständen weniger leisten denn je. Einen echten Streik wohlgemerkt, nicht eine gewerkschaftliche Alibiaktion. Das sollten wir nutzen. Einerseits müssen wir uns sowieso unserer Haut wehren, andererseits können wir das auch, auch in der Krise. P.R.: Das führt schon zur letzten Frage: Wie geht’s bei Siemens weiter? Mit was muß man rechnen? Mit was kann man rechnen? h..: Die Firmenleitung wird ihren Kurs weiter systematisch verschärfen. Sie kann gar nicht anders. Die „soziale“ Schminke, auch die der Frau Ederer, ist ziemlich ab. Siemens muß eine ordentliche Profitrate abliefern, die den Maßstäben des internationalen Finanzkapitals entspricht. Und sie wird alles tun, um das auch in Krisenzeiten zu schaffen. Die Folgen der Krise sind in einigen Bereichen, vor allem in den globalen Geschäften (z.B. der Metallurgie), bereits deutlich spürbar, in einigen aber noch kaum. Die Profite wird man jedenfalls, auch in der Krise, möglichst hoch zu halten versuchen, und das geht nur auf dem Rücken der Arbeiter und Angestellten. Leicht möglich, daß dort oder da Protest oder Widerstand aufflackert, wenn die Attacken härter werden. Sah man ja bei PSE. Das war seit langem das erste Mal, daß nicht alles an den Betriebsrat delegiert wurde. Bisher wurde alles, manchmal nicht ohne „radikales“ Gerede und „Machtdemonstration“ des Betriebsrates (z.B. beim Zeiterfassungssystem vor einigen Jahren), aufgefangen. Ich möchte das nicht überbewerten, aber wahrscheinlich haben sich doch in den letzten zwei Jahren die Bedingungen für evt. Abwehrkämpfe verbessert. Ich kann natürlich kein allgemeines Bild zeichnen, dazu fehlt jedem von uns der Gesamtüberblick, aber doch gibt es einige Elemente in diesem Sinn. Das klebrige Zeug, das man „corporate identity“ nennt, also die Identifizierung mit der Firma, daß man „stolz ist, ein Siemensianer zu sein“, ist schon seit längerem runzelig und brüchig geworden. Dazu haben auch Schmiergeldskandal, BenQ etc. beigetragen. Etliche genieren sich heute, Siemensianer zu sein. Brauchen sie nicht, sie sind ja nicht die Firma. Aber gut, daß diese „identity“ in die Brüche geht. Vielleicht schafft das bessere Bedingungen dafür, den Korpsgeist („wir Siemensianer“, in einer „besseren Lage“, ein „stabiler und starker Konzern“…) zu überwinden und ein paar Schritte in Richtung eines selbstständigen Klassenbewußtseins zu tun. Die Tiefe der Krise im Osten läßt sich noch nicht absehen. Nach dem, was man hört, spürte man bis vor kurzem im Auftragseingang etc. noch nicht viel von der Krise. Das kommt alles erst noch. Klar ist, daß es Siemens so geht wie den österreichischen Banken: Der strategische Vorteil, der jahrelang Extraprofite gesichert hat, wird in der Krise zum Nachteil. Vielleicht entwickelt sich bald Widerstand in Rumänien oder Bulgarien oder sonst irgendwo im CEE-Raum, wenn dort „unerwartet“ zu härteren Bandagen gegriffen wird. Jedenfalls ist dort die ideologische Bindung an die „corporate identity“ schwächer, dafür womöglich das Vertrauen in die „gottgewollte“ kapitalistische Ordnung noch größer, aber es gibt auch weniger Erfahrungen mit dieser Ordnung und daher leichter Enttäuschung, es gibt schon auch Privilegien, bei einigen jedenfalls, gegenüber der allgemeinen Situation im Land, aber doch sind sie zugleich unterprivilegiert und Knechte gegenüber den österreichischen oder deutschen Herren. Wenn es ums Eingemachte geht, wenn sich wirkliche oder vermeintliche Privilegien als Schall und Rauch erweisen und wenn das Vertrauen in die Segnungen des Kapitalismus erschüttert wird, kann es dort bald einmal krachen im Gebälk. Vielleicht entwickelt sich auch der Klassenkampf in Deutschland gut und schwappt etwas über die Grenze zu uns. Es wird aber sicher nicht leicht, denn von Klassenbewußtsein ist bei uns noch nicht viel zu sehen und die gewerkschaftliche Orientierung und Organisierung sind in einem verheerenden Zustand. Jahrzehntelange Abwieglerei und Spalterei zeitigen ihre Folgen. Noch glauben wahrscheinlich die meisten, daß „Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut.“ Aber sie werden zunehmend merken, daß es umgekehrt ist: Damit es den Siemens-Profiten weiter gut geht, muß es der Ausbeutung gut und ergo dessen uns schlechter gehen. Die Frage ist, wie lange und bis wohin das hingenommen wird. Ein paar Daten des Siemens Österreich Teilkonzerns für das Geschäftsjahr mit Ende 30.9.2008 Belegschaft: ca. 30.000 *), davon 18.000 in Österreich Zuwachs zum Stichtag 30.9.2008 gegenüber dem Vorjahr: +0,7% Umsatz: EUR 7,6 Mrd. (2007: 7,5) Umsatzwachstum 2008/2007: +1,4% Gewinn **): EUR 254,6 Mio. (2007: 192,6) Gewinnwachstum 2008/2007: +32,2% Auftragseingang: EUR 9,6 Mrd. (2007: 9,0) Auftragseingangswachstum 2008/2007: 6,9% Profitrate ***): 9,6% (2007: 7,6%) Erhöhung der Profitrate 2008/2007: 26,3% Bemerkenswert: Steuerquote ****)): 0,75% (2007: 0,62%) Erläuterungen *) Daraus wurden inzwischen durch die Zuordnung von Tschechien und Ungarn seitens der Münchner Konzernzentrale etwa 50.000. **) „Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit“ („EGT“), allerdings nur der „Muttergesellschaft", der Siemens Österreich AG; der Gewinn des Siemens Österreich Teilkonzerns (also incl. österreichische Tochtergesellschaften, CEE und sonstige internationale Töchter) wird nicht publiziert ***) Quotient aus EGT und dem aus der Bilanz ermitteltem Kapitaleinsatz (fixes und zirkulierendes konstantes sowie variables Kapital) für die Siemens Österreich AG. Diese „Profitrate“ ist sicher eine Untertreibung, allein schon weil die Bilanzierung gemäß österreichischem „Unternehmensgesetzbuch“ den Gewinn untertreibt. Bilanziert man wie der Siemenskonzern insgesamt nach den International Financial Reporting Standards, ist der Gewinn höher. Diese Zahlen gibt es natürlich alle auch für Österreich, sie werden aber nicht publiziert. Mehr als ein grober Anhaltspunkt ist diese „Profitrate“ nicht, aber ermittelt man sie jedes Jahr in gleicher Weise, ermöglicht sie immerhin ein Bild der Entwicklung, z.B. 2008/2007. ****) Steuern vom Einkommen/Gewinn (EGT) der Siemens Österreich AG. Im Jahr 2008 wurden für einen Gewinn von 255 Mio. Euro Steuern in Höhe von sage und schreibe 1,9 Mio. Euro gezahlt. Da man zugleich 12,2 Mio. Steuervorsorgen, mit denen man eigentlich gerechnet, die man dann aber doch nicht gebraucht hatte, auflösen konnte, war der bilanzielle Steuer“aufwand“ 2008 sogar ein gewinnerhöhender Ertrag. Zeigt, daß sie noch weniger zahlen, als das bißchen, das sie erwarten. KPR Kollektiv Proletarische Revolution Stiftg. 8, A-1070 Wien www.oocities.org/proletarischerevolution |