Attila The Stockbroker

Social Surrealist Zen Stalinist world travelling mandola-toting poet in the area!

Na, wer kennt nicht Attila The Stockbroker und seine neue Band Barnstormer? Raus mit der Sprache, ihr Banausen und Bagaluten! Mir war es bisher zweimal vergönnt Attila live zu sehen. Einmal auf dem 1.Mai Fest 1993 hier in Lübeck und 1996 mit seiner Band Barnstormer ebenfalls hier in Lübeck. Neben eigenen Songs gibt' s meistens auch die eine gewisse Fußballhymne ("You'll never walk alone...") dargeboten. Attila hat grad mit seiner Band Barnstormer ein neues Album namens "Siege of Shoreham" eingespielt. Ansonsten ist er sehr beschäftigt mit dem Kampf für den lokalen Fußballclub FC Brighton. Das Stadion des FC Brighton wurde von dem Präsidenten an einen Bodenspekulanten, der sich überhaupt nicht für Fußball interessiert, verkauft. "Ich bin einer der Führer unserer unabhängigen Fanorganisation und beschäftige mich sehr mit dem Kampf. Wir machen mehrere Aktionen, u.a. hatten wir einen "Fans United Day" im Februar, wo wir Fans aller Klubs in England und Europa eingeladen haben, nach Brighton zu kommen und gegen die Ausbeutung der Fußballfans und unserer Kultur durch Geldsäcke und Bonzen zu protestieren. Tausende Fans verschiedener Vereine sind gekommen..." Attila kann gut Deutsch. Wer ihm schreiben will, kann das an folgende Adresse tun: Attila The Stockbroker, 6 Colebrook Road, Southwick, Brighton BN42 4AL, GB. Aber lest nun selbst.

RT: Attila, stell' Dich doch kurz mal unserer Leserschaft vor! Seit wann machst Du schon Musik?

ATTILA: Sehr kurz: Ich bin Dichter und Liedermacher und habe 1980 damit angefangen, bei Punkkonzerten Gedichte vorzutragen. Ab 1982 habe ich' s geschafft, meinen Lebensunterhalt als Dichter zu verdienen (worauf ich auch sehr stolz bin!). Ich spiele auch verschiedene Instrumente (Geige, Mandoline, Flöte, Krummhorn, Schalmei, etc.) und 1994 - also nach 14 Jahren als Solodichter - habe ich mich entschieden, meinen Traum zu erfüllen und die erste Renaissance-Core Band dieser Welt zu gründen. Renaissance Core (Chamber Punk, Baroque 'n' Roll) ist eine Mischung aus Punk und Musik aus dem 16. und 17.Jahrhundert! Mit Texten aus dem Jahre 1997...sehr politisch. Ich habe bisher 12 Alben (GB, Deutschland, Kanada, Australien, Neuseeland) und zwei Bücher rausgebracht, mehr als 1000 Konzerte gespielt, verschiedene Singles, Samplerbeiträge. Punkrock und frühere Musikformen sind meine Lieblingsmusikformen.

RT: Einige Deiner Songs sind auf frühen Oi! Samplern drauf. Z.B. das wohl den meisten geläufige Stück "Andy is a corporatist". Wie ist Deine Beziehung zu Punks und Skins?

ATTILA: 1982 habe ich Gary Bushell getroffen. Bushell ist jetzt übrigens ein rechtsgerichteter SUN- Journalist - Arschloch!!! Zu dieser Zeit, wie Du sicher weißt, schrieb Bushell Artikel über Oi! für das SOUNDS Magazin und ich habe damals auch Artikel für das SOUNDS geschrieben. Er hat mich gefragt, ob ich Gedichte auf den 4. und 5. Oi! Sampler haben möchte. Als linksgerichteter Punker und Künstler wollte ich die Leute erreichen, die in der ehemaligen Oi! Szene von faschistischen Ideen beeinflußt waren, und deswegen habe ich meine Lieder "Away Day" und "Willie Whitelaws Willie" auf Oi!Oi! That's Yer Lot und - was wichtig ist - Andy is a corporatist auf Son of Oi!. "Andy" ist eine wahre Geschichte von einem Naziskin, der im Knast von linken Ideen überzeugt worden ist und nach seiner Entlassung in der Antifa-Szene aktiv geworden ist. Ab und zu kommen Leute zu mir und sagen, daß "Andy" ihr Leben geändert hat, und das ist für mich wirklich eine Ehre! Ich habe diesen Text zusammen mit Mindless Violence (= hirnlose Gewalt) von den Newtown Neurotics gemischt, weil der Text von ihrem Lied über das gleiche Thema ging.. Steve Drewett von den Neurotics war und ist mein bester Freund (1988 haben sich die Neurotics leider aufgelöst!)

RT: Welche politischen und musikalischen Vorbilder hast Du?

ATTILA: Politisch gesehen bin ich marxistisch orientiert, obwohl Noam Chomsky und existentialistische Ideen von u.a. Sartre und Camus auch Bedeutung für mich haben. Aber ich bin nicht nur politisch. Musik, Fußball, Bier und Spaß sind auch mir sehr wichtig!!! Musikalisch sind The Clash meine Lieblingsband aller Zeiten, auch Redskins, T.Rex, Matt The Hoople, Adverts, Neurotics, Velvet Underground, Bad Religion. Jetzt höre ich gern Blyth Power, Lightning Seeds, ASH...Ich höre natürlich auch gern frühe Musik von Horch, Gryphon und Komponisten wie Purcell, Phalesius...Red London habe ich gern (oder hatte, als Patty Smith Sänger war...weißt Du, ich habe die erste Single "Sten Guns in Sunderland" produziert ("John Opposition"). Revolution Times ist ein sehr schönes Stück! Ich habe damals das erste Label für sie gefunden (Razor rec.). Blyth Power ist meine Lieblingsband unserer Tage. Ich habe Kontakt mit vielen Leuten, organisiere Konzerte und Lesungen für Dichter und Liedermacher und ab und zu Bands. Natürlich trage ich meine Gedichte nicht nur bei Dichterlesungen, in Art Centres usw. vor, sondern überall! Von bürgerlichen Dichterlesungen bis zu Hardcore-Konzerten. Das ist meine Welt! Die Hälfte der Konzerte sind jetzt solo, die Hälfte mit Barnstormer.

RT: Bist Du oder jemand aus Deiner Band in irgendeiner Weise politisch aktiv außer in Deinen Texten?

ATTILA: Politisch aktiv bin ich auf meine eigene Weise. Besonders in der Fußball- und Musikszene. Ich spiele . Ich sage immer meine Texte sind mein politisches Engagement und jedes Attila Konzert ist politisch (obwohl nicht alle Texte politisch sind, es gibt auch Humor und Satire in meinen Liedern, wie Du wahrscheinlich schon mitbekommen haben dürftest).

RT: Was hälst Du von dem internationalen Netzwerk von Red & Anarchist SkinHeads (RASH)?

ATTILA: Natürlich unterstütze ich RASH. Eine sehr gute Idee! Wir wissen alle, daß die meisten Skins gegen Nazis sind und die Minderheit, die noch an faschistischen Ideen festhält, muß ideologisch wie auch physisch bekämpft werden!

RT: Was denkst Du über Menschen, die meinen Du wärst zu politisch?

ATTILA: Haut ab,. ihr Sackgesichter! Politics is life! Life is beer! Beer is politics!

RT: Du bist nicht nur ein Liedermacher. Du bist ja auch Antifaschist und Sozialist. Wie steht' s mit der antifaschistischen und linken Bewegung z.Zt. in England?

ATTILA: Sozialistische Bewegung - peinlich. Unsere Labour Party ist genauso Scheiße wie die SPD (obwohl sie natürlich besser ist als die Tories - die Tories sind so rechts, daß viele Faschisten zufrieden sind, Mitglieder der Konservativen zu sein. Die faschistische Bewegung in England ist nicht so stark wie z.B. in Österreich, Frankreich oder Deutschland. Gerade aus dem Grund, daß die Tories so rechts sind!!!). Die antifaschistische Bewegung ist sehr klein, aber stark (Antifascist Action)!

RT: Erinnerst Du Dich an Waterloo 1992, als Skrewdriver in London spielen wollten. Hat dieses Ereignis und die damalige Schlacht gegen die Faschisten heute noch irgendeine Bedeutung für die antifaschistische Bewegung in England?

ATTILA: Als die Schlacht von Waterloo (Battle of Waterloo) war, war ich auf Tour in Kanada. Viele meiner Freunde waren natürlich dabei. Ja, es hat dieses Ereignis hat seit damals eine große Bedeutung. Es ist wirklich Scheiße, daß Skrewdriver zu einem weltweiten Nazi-Kult geworden sind. Es liegt daran, daß die Musik von Skrewdriver anders ist als die meisten anderen musikalisch gesehen armen Nazibands. Ian Stuart war offensichtlich von R+B und Blues beeinflußt - d.h. schwarze Musik natürlich!!! In seiner Punkzeit (1978) habe ich ihn getroffen, bevor er seine politische Meinung geändert hat. Er war nicht dumm - und deswegen der gefährlichste Nazi-"Künstler" unserer Zeit.

RT: Sind die Texte nicht sehr wichtig für Dich? Denkst Du etwas ändern zu können durch Deine Musik?

ATTILA: Ja, die Texte sind unglaublich wichtig für mich! Ich glaube, daß man kleine Veränderungen durch die Musik bewirken kann, wenn die Texte wirklich gut sind. Das ist die echte Tradition der Liedermacher während der ganzen Geschichte! (wenn ich von Liedermacher rede, meine ich nicht nur Hannes Wader, sondern auch Mensi und Chris von den Redskins!)

RT: Wie sieht' s mit den Faschisten und den Boneheads aus? Gibt es viele rassistische Übergriffe?

ATTILA: Hier sind die meisten Nazis keine Boneheads mehr. Die ganze Skinhead-Sache ist wie Du wahrscheinlich weißt, fast tot hier in England! Es gibt leider ziemlich viele rassistische Angriffe, besonders in den Arbeitergebieten. Aber die Situation ist nicht so peinlich wie z.B. in Frankreich.

RT: Was denkst Du über Deine eigene Entwicklung in Hinsicht auf die Texte und die Musik?

ATTILA: Ich bin zufrieden: Ich habe jetzt angefangen meine musikalischen Wünsche zu verwirklichen. Ich bin immer noch stolz darauf Dichter zu sein und zu bleiben. Ich weiß natürlich, daß für viele Leute Renaissance Core zu "schwierig" bleiben wird, aber Punk bedeutet für mich, für sich selbst zu denken und zu machen, was du gern hast...es gibt schon mindestens 10.000 Hardcore Bands in dieser Welt, ich will was anderes tun!

RT: Hast Du eine Art Motto? Wenn ja, welches? KICK OUT THE TORIES! (hoffentlich passiert' s am 1.Mai!) und für unsere Band "500 Years out of Date!". Hier sagt die Presse immer, daß Punkbands veraltet sind.

RT: Gibt es etwas, an das Du immer noch glaubst? Sozialismus als Alternative zu diesem verdammten kapitalistischen Schweinesystem?

ATTILA: Ja, auf der Barnstormer LP steht drauf "I won' t run away!". Ich stehe fest zu meinen sozialistischen Idealen, ein bißchen anders als vor 10 Jahren (weniger Vertrauen in Gewerkschaftspolitik, mehr Interesse an ökologischen und ähnlichen Bewegungen). Der FC Brighton ist das Schlußlicht der Liga und wir Sozialisten sind nicht so stark wie früher, aber das wird sich ändern! Wir kommen zurück!

RT: Was für Zukunftspläne hast Du?

ATTILA: Viel mehr Konzerte, Rettung von FC Brighton, Tories raus, Archer raus, neues Buch...und dann noch vieles mehr! Deutschland-Konzerte im Mai und Juli (und im Juli vor dem Barnstormer-Konzert werde ich eine Rede über unseren Kampf für den FC Brighton auf dem BAFF-Kongreß im Ruhrpott halten). Dann geht' s nach Kanada...

RT: Letzte Worte und Grüße...

ATTILA: Grüße an alle RASH-Leute und an alle linken Skins (Ich war nie Skinhead, obwohl ich jetzt und auch in den 80ern viele Freunde hatte und habe, die Skins sind und waren, und habe natürlich viele Beziehungen zur Skin-Kultur). Grüße an den FC St.Pauli! Nie wieder 2.Liga! Lieber ein Verlierer sein als ein übles Volkspark-Schwein...Und viel Glück mit Deinem Zine...Schick' mir ein Exemplar...Attila, April 1997. (aus Revolution Times # 6)

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