Auschwitz als Alibi
Kritik des bürgerlichen Antifaschismus

**Exkurs: "Nazi-Haider" und Österreich**

"Deshalb müssen auch wir einmal die Politik unseres ehemaligen Strassenkämpfergenossen und Aussenministers Joschka Fischer gutheissen, der natürlich eigentlich ein Schwein ist."
Das Autonomen-Blatt Interim, Nr. 493

Nach der Regierungsbeteiligung der FPÖ entstand eine grosse Protestbewegung gegen die neue "blau-schwarze" Regierung in Österreich. Im Winter und Frühjahr 2000 gab es einige Wochen lang Demonstrationen und viele Aktionen der FPÖ/ÖVP-Gegner. Dabei richteten sich die Proteste gegen die Beteiligung der FPÖ an der Österreichischen Regierung. Der damalige Vorsitzende der FPÖ wurde hysterisch von Demonstranten in Deutschland und Österreich als "Nazi-Haider" betitelt. Es gelte der Beteiligung der "Nazis" an der Österreichischen Regierung Widerstand entgegenzusetzen bis die Regierung zurücktrete. So wurde die neue Regierung (durch den Vergleich v.a. der FPÖ mit den Nazis) dämonisiert und die alte im gleichen Zug nachträglich idealisiert.

Zum einen führt die Verteufelung Haiders und der FPÖ als "Nazis" zu einer Relativierung und Verniedlichung des historischen Faschismus, wie er in Deutschland, Italien, Spanien und in vielen anderen Ländern auftrat. Es entsteht der Eindruck: Wenn Haider ein Nazi ist, dann kann Faschismus ja gar nicht so schlimm sein.

Zum anderen lenkt das hysterische Geschrei über die "Nazis" der FPÖ vom wirklichen Charakter der neuen Regierung ab. Denn die neue FPÖ/ÖVP-Regierung setzt nur die Politik der vorherigen SPö/ÖVP-Regierung fort. Die Steuern (Tabak, Treibstoffe, Autobahnmaut) werden angehoben, Studiengebühren sollen eingeführt werden, den Kapitalisten werden Steuergeschenke gemacht ("Senkung der Lohnnebenkosten"), bei den Arbeitslosen wird eingespart, bei ärztlicher Behandlung droht eine Eigenbeteiligung ("Selbstbehalt"), viele Betriebe werden privatisiert, wodurch die Arbeitslosigkeit steigen wird. Doch darüber wird kein Wort verloren.

Gilles Dauve hat im Widcat-Zirkular Nr. 58, Dezember 2000, zurecht bemerkt, dass die Kritik an der FPÖ und Haider nicht aus deren realer Politik resultiert: "Le Pen und Haider werden zuerst und hauptsächlich nicht wegen ihres aktuellen reaktionären Programms angegriffen, dessentwegen, was sie selbst tun wollen, sondern wegen ihrer Sympathien (oder Entschuldigungen) für das, was der Faschismus in der Vergangenheit tat. Fragt einen Anti-Haider-Demonstranten: sein erster Kommentar wird sich nicht gegen Haiders politische Plattform richten, sondern darauf verweisen, welche ähnlichkeiten diese zu der von Hitler aufweist." Von Seiten der SPö und der anderen regierungskritischen bürgerlichen Kräfte ist dies nur allzu verständlich, da sie sonst die Kontinuität zwischen der vorherigen und der jetzigen Regierung zugeben müssten.

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Die Politik der FPÖ/ÖVP-Regierung unterscheidet sich genauso wenig von der der vorherigen SPö/ÖVP-Regierung wie von der jeder anderen europäischen bürgerlichen Regierung. Der einzige Unterschied ist nur, dass die FPÖ sich europakritisch gibt, während sie nun in Zusammenarbeit mit der ÖVP versucht die Kriterien für den Beitritt zur Währungsunion zu erfüllen. Auch die "Flüchtlingspolitik" ist in Österreich nicht unbedingt anders als in den anderen EU-Staaten (mit dieser Begründung wurden die Sanktionen von der EU bereits wieder zurückgenommen), die sich immer mehr gegen Flüchtlinge und unnütze Arme abschotten. Kurz gesagt: Das, was die FPÖ zusammen mit der ÖVP propagiert ist längst gängige Praxis in vielen Ländern der EU.

Viel eher müsste es darum gehen die Gleichartigkeit der FPÖ/ÖVP-Regierung mit der vorherigen darzustellen und die sozialen Forderungen der FPÖ als soziale Demagogie zu entlarven, da sie den Sozialabbau mitträgt und fortsetzt, anstatt Vertreter des "kleinen Mannes" zu sein, wie sie im Wahlkampf vorgegeben hatte. Die FPÖ und der dreiundzwanzigfache Millionär Haider sind Fleisch vom Fleische ihrer "demokratischen" Gegner. Wenn man den Protesten der "Antifaschisten" und Reden der Politiker Glauben schenkt, könnte man fast den Eindruck gewinnen, dass die Welt in Ordnung war bis Haider kam. Es regt sich die gequälte Seele des Kleinbürgers, der in nationalistischer Manier schreit "Haider ist nicht Österreich", weil es halt nicht "schick" ist Rassist zu sein und sich sowas nun mal nicht "gehört".

Die EU verurteilte bis heute nicht die asoziale Politik, welche nun von der FPÖ/ÖVP-Regierung betrieben wird, sondern lediglich Haiders "beleidigende und antieuropäische" äusserungen, welche Anlass zu den Sanktionen gewesen sein dürften, um Österreich gefügig zu machen. In diesem Zusammenhang ist auch interessant, dass es vor sechs Jahren nicht annähernd so starke Proteste der EG-Staaten gab, als in Italien eine Regierung aus rechtspopulistischer "Forza Italia", "rechts"-separatistischer "Lega Nord" und faschistischer "Alleanza Nazionale" gab. Insgesamt ist die Politik der Österreichischen Regierung nicht grundverschieden von der anderer europäischer Länder. Das wissen die Regierenden der EU, aber anscheinend haben die Antifas der Antifaschistischen Aktion/ Bundesweite Organisation (AA/BO) dies noch nicht bemerkt, denn sie forderten am 16. Februar 2000 unter dem Motto "Fight Fascism! Fight Austria!" zur Teilnahme an der internationalen Demonstration in Wien auf. So begleitete man bezeichnend die aggressiver gewordene Aussenpolitik des deutschen Staates und stellte ernsthaft auch noch im Aufruf zur SPö-Bündnisdemo in Wien fest, dass "v.a. der entschiedene Druck von Aussen, (...) in der derzeitigen Situation das Schlimmste verhindern" könne. Das Berliner Autonomen-Blatt "Interim" sprach Aussenminister Fischer, ihrem "ehemaligen Strassenkämpfergenossen", sogar ein Lob für sein Engagement gegen Österreich aus. Dieses Lob erfolgte gemäss dem Motto "Die Falschen tun das Richtige" und war bereits beim NATO-Krieg und ist auch heute wieder bei den Repressionen gegen "rechts" anzutreffen. So werden die Österreichischen Verhältnisse dramatisiert, die vorherige Regierung und die Verhältnisse vor dem Regierungsbeitritt der FPÖ idealisiert. Die FPÖ und Haider werden dämonisiert und eine Auseinandersetzung über den wirklichen Charakter der FPÖ und die Bewertung der Verhältnisse in Österreich findet nicht statt.

Wer sich nur gegen die Beteiligung der FPÖ an der Regierung ausspricht und nicht aufgrund der Gleichartigkeit der Politik dieser und der vorherigen Regierung beide ablehnt (und das hat ein Grossteil der Demonstranten in Deutschland und Österreich nicht getan, denn wo waren sonst ihre Demonstrationen gegen die asoziale Politik der SPö/ÖVP-Regierung), macht sich bewusst oder unbewusst zu einem Vertreter einer neuerlichen grossen Koalition, zumindest einer Regierung ohne FPÖ-Beteiligung. Wer die Sanktionen der EU gegen Österreich gutheisst, stellt sich auf die Seiten der EU-Befürworter. Aber die asoziale Politik ist Bestandteil des "grossen Hauses Europa", das die Herrschenden für uns erbauen wollen.

Das Geschrei der Demonstranten und die Sanktionen der EU gegen Österreich lenk(t)en ab von der Realität des Sozialabbaus. Ebenso befinden sich in der breiten Koalition der FPÖ-Gegner die SPö (welche Angst um ihre Parlamentssitze hat und zurück an die Pfründe der Macht will) und z.B. auch die Gruppe "SOS Mitmensch", deren Vertreter gegenüber der "Jungle World", angesprochen auf ihre Konzepte einer "humanen Schubhaft" (in der BRD heisst dies: Abschiebehaft), antwortete: "Ja, damals hat SOS Mitmensch tatsächlich neue Konzepte für eine humane Schubhaft angeboten. Ich weiss nicht, was da verwerflich dran sein soll." (Jungle World Nr. 10, 1. März 2000)

Die deutsche NPD übte angesichts der EU-Sanktionen "Solidarität" mit Österreich und ein Teil der Nazis zog mit Transparenten wie "Mein Freund ist Österreicher" (in Anlehnung an Parolen des bürgerlichen Schmalspurantifaschimus "Mein Freund ist Ausländer") auf Demos. In der Juni-Ausgabe der "Deutschen Stimme" war in einer "Regierungsbilanz der ersten 100 Tage" davon zu lesen, dass die neue Regierung bereits mehr an Reformen auf den Weg gebracht habe als die vorherige Regierung. "Das heisst aber nicht automatisch, dass jede Reform oder Umgestaltung für die Mehrheit der Österreicher zufriedenstellend ausfallen wird." Es sei mit "Härten (höhere Beiträge)" und "unangenehmen Begleiterscheinungen (Entlassungen)" zu rechnen. Dem kapitalistischen Denken im Rahmen der "Sachzwänge" bleibt auch das NPD-Organ treu: es sei kaum Geld für grössere Konzessionen vorhanden. Dieser seichte Umgang der NPD mit der FPÖ angesichts des von ihr praktizierten Sozialabbaus verrät einiges über den verbalradikalen "Antikapitalismus" und "nationalen Sozialismus" der NPD. Diese Bewertung verrät aber auch, dass die NPD trotz "antikapitalistischer" Phrasen dem kapitalistischen "Sachzwang"-Denken verhaftet bleibt und keine wirkliche Alternative zum profitorientierten System des Kapitalismus darstellt.

Die Fraktion der "Vereinten Europäischen Linken" im Europäischen Parlament, der auch die PDS angehört, hatte sich dafür ausgesprochen, den "politischen Druck auf die Österreichischen Autoritäten aufrechtzuerhalten, um dem Risiko der Banalisierung einer Situation entgegenzuwirken, die eine Gefahr für die Demokratie in ganz Europa darstellt". Die EU müsse energisch gegen die menschenverachtenden Strömungen handeln. Zusammen müsse man für ein "soziales, demokratisches und friedliches Europa" (O-Ton PDS-Vorsitzender Bisky) kämpfen.

Der deutsche Staat spielte beim Auf-den-Weg-bringen der Sanktionen gegen Österreich und beim NATO-Krieg eine wichtige Rolle und wurde seiner neuen "Rolle" und "Verantwortung" gerecht. Bundesaussenminister Fischer gab den Sanktionen wie auch dem Jugoslawien seine Legitimation und zeigte auf, in welchem Zusammenhang beide zu sehen sind. "Die Zeiten sind vorbei, in denen man als Staat in Europa etwas alleine machen konnte." (Fischer) Diese neue aggressive Politik sei eine "Antwort auf die Verheerungen des Nationalismus". Europa als "Schicksalsgemeinschaft" müsse die "Gemeinsamkeit der Werte" betonen. Die europäische Kampagne gegen "Extremismus" und für "Demokratie" passt in die Propaganda der UNO, deren Generalsekretär Annan den "Kampf für Demokratie" als Aufgabe des neuen Jahrhunderts bezeichnet hat. Vor diesem Hintergrund ist die aggressiver werdende Politik im Innern und nach aussen zu sehen.

Kontakt: revtimes@gmx.net


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