Kapitel "Beispiel Spanien: Faschismus und Demokratie gegen die ArbeiterInnen - Die Demokratie als Mittel zur Befriedung sozialer Konflikte"

Seit Ende der 1960er Jahre war es im Franco-Spanien zu einer Verschärfung der sozialen Konflikte mit einer Zunahme militanter Arbeitskämpfe und einer Radikalisierung gekommen, was das francistische Spanien in die Krise trieb. Der Francismus reagierte in seinen letzten Jahren auf die zunehmenden Streiks mit zunehmender Gewalt: Schlagstöcke, Tritte und Tränengas waren an der Tagesordnung. Immer wieder wurde auf streikende Arbeiter scharf geschossen, wobei etliche starben. „So wurden 1970 in Granada drei Bauarbeiter von der Polizei ermordet und bei der Räumung der SEAT-Fabrik in Barcelona 1971 starb ein Arbeiter.“ (8)

Die heutige spanische Demokratie ist Ende der 1970er aus dem francistischen Regime entstanden und es gab jede Menge Kontinuität zwischen dem Spanien unter Franco und dem demokratischen Spanien. Auch nach dem Regimewechsel (nicht Systemwechsel!) wurden ArbeiterInnen von der Polizei und der Guardia Civil verprügelt und erschossen: nun allerdings von einer demokratischen Polizei (zumindest diente diese Polizei einem demokratischen Staat), während es zuvor eine franco-faschistische Polizei gewesen war. Allein in den acht Monaten nach Francos Tod (20. November 1975) kamen 30 Menschen in Spanien aus politischen Gründen ums Leben. Die meisten wurden von der Polizei bei Demonstrationen erschossen (7). Einige Beispiele dieses Terrors: Im März 1976 wurden fünf ArbeiterInnen von der Polizei im baskischen Vitoria ermordet. „Am 3. März 1976 sollte in einer Kirche eine Streikversammlung stattfinden. Die Polizei schoß in die geschlossenen Räume Gasgranaten. Als die ArbeiterInnen in Panik herausstürmten, eröffneten die Polizisten das Feuer. Fünf ArbeiterInnen wurden getötet. 150 durch Kugeln schwer verletzt. Die Verantwortlichen wurden nie zur Rechenschaft gezogen.“ (8)

Die Demokratie war immer wieder Mittel zur Befriedung sozialer Konflikte. So vermochte die spanische Transformation (Übergang vom Francismus zur parlamentarischen Demokratie) die Periode sozialer Konflikte langfristig zu entschärfen. Im Gegensatz zum Francismus versprach die Demokratie dem Kapital als eine flexiblere Herrschaftsform eine größere Integration der ArbeiterInnen und ein Ende der sozialen Revolte(n). Dabei lief die Hoffnung darauf hinaus, daß die radikalen Kräfte befriedet und eingebunden werden könnten. Die „Financial Times“ lobte dabei die moderaten Interventionen der spanischen „K“P, als sie erwähnte, daß „die aktive Moderation der Kommunisten (...) entscheidend war, um zu verhindern, daß Spanien in einen Abgrund ziviler Konflikte hinabrutschte und die Kontinuität der Reformen zu ermöglichen“ (8). Die Demokratie ermöglichte es, die spanische „K“P wie andere Oppositionelle an der Regierung und am erforderlichen Krisenmanagement zu beteiligen. Auch wenn die Zahl der Streiks selbst in den ersten Jahren nach Francos Tod und dem Übergang zur Demokratie nicht zurückging, sondern sich im Gegenteil vergrößerte (50), so hat das spanische Kapital auf lange Sicht die – vor allem im Baskenland und in Katalonien - brennende soziale Revolte befrieden können.

Im Vergleich zum offen reaktionären Francismus war die demokratische Herrschaft des Kapitals weitaus fortschrittlicher. Gerade liberalere Fraktionen des Kapitals verlangten einen Bruch mit den bisherigen autoritären Institutionen und favorisierten eine Art „aufgeklärten“ Kapitalismus (51). Es hieß, daß die „Fortsetzung des Francismus eine brutale Abbremsung der Entwicklung und Modernisierung des Landes“ bedeuten würde (L’ Humanite, 31. Juli 1974). „La Vanguardia Espanola“ sprach im September 1975 von der „Erschöpfung der Wachstums- , Verhandlungs- und Dialogmechanismen“; Spanien suchte zudem Anschluß an den sich herausbildenden europäischen Markt, die Europäische Gemeinschaft (EG). In der bürgerlichen spanischen Zeitschrift „Indice“ vom März 1974 wies V. Perez Sabada in einem Artikel namens „Für ein Regierungsprogramm“ u.a. auf die „mangelnde Konkurrenzfähigkeit unseres Wirtschaftsapparates, die fehlende Harmonie zwischen den Produktionskräften (...) die starken Unterschiede zwischen den Regionen“ hin. In der monarchistischen Zeitung „ABC“ wurde das „unbewegliche Establishment“ kritisiert. In „ABC“ hieß es zutreffend: „Das demokratische und pluralistische System ist die beste Barriere gegen die kommunistische Diktatur.“

„Weitsichtige Westler (...) haben festgestellt, daß die Schwierigkeiten dieser Stunde den Dialog mit dem Gegner erfordern (...). Man muß sich an den Gedanken gewöhnen, daß sich der Augenblick nähert, wo die Regierungstätigkeit notwendigerweise eine gewisse Eingliederung der Opposition und der feindlichen politischen Gruppen zwingend machen wird. (...) Der ganze breite Prozess der Integration, der Eingliederung in die Gesellschaft oder in die Arbeitsgemeinschaft, in den Betrieb oder in den Staat muß als Richtlinie (...) im Bereich der strikt politischen Entscheidung dienen“, hieß aus den Reihen der Christdemokratie (Aguilar Navarro, in „Cuadernos para el Dialogo“, Oktober 1974)). Die behutsame Transformation der francistischen zur demokratischen Herrschaft – unter Beteiligung eines Teils des bisherigen politischen Personals (u.a. Juan Carlos) - unterstreicht, wie sehr eine Kontinuität des Staates und der Wirtschaftsordnung gewünscht und miteinander verbunden war.

Das Beispiel Spanien hat ebenso wie das Beispiel Deutschland oder Italien gezeigt, daß Faschismus und Demokratie nur verschiedene Formen der politischen Herrschaft des Kapitals sind, zugleich verschiedene Formen des (Krisen-)Managements des Kapitalismus. Ungewollt hat die „Humanite“, die Zeitung der französischen „K“P, die Aufgabe der Demokratie für das Kapital auf den Punkt gebracht: „Die Kontinuität des Staates erfordert die Nicht-Kontinuität des Regimes (...).“ Deshalb: Wechsel von der Demokratie zum Faschismus und wieder zur Demokratie. (52)

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