Auschwitz als Alibi
Kritik des bürgerlichen Antifaschismus

**Das Dilemma eines Teils der Antifa und der Restlinken**

"Fatal wäre es, wenn sich die antifaschistischen Gruppen und Organisationen der staatlichen Kampagne anschlössen ... Die rotgrüne Kampagne soll, indem sie die faschistische Barbarei denunzieren, die demokratische nach dem Prinzip des ‚kleineren Übels' legitimieren ..."
(Tjark Kunstreich in "Konkret", 9/00)

Nach dem Bombenanschlag von Düsseldorf hat der Staat eine Kampagne mit weitreichenden Folgen begonnen. Es gelang ihm einen Grossteil der Gesellschaft hinter sich zu scharen: "im Kampf gegen rechts". Die Mystifizierung des Gegensatzes "Antifaschismus"-"Faschismus" scheint ihr Ziel erreicht zu haben: Wie der Pawlowsche Hund reagiert die Linke, wenn es um die Lehren aus Auschwitz geht und wenn es darum geht ein neues Auschwitz zu verhindern. Auch wenn viele Linke nicht explizit den Staat unterstützt haben, so sind sie doch opportunistisch an die Situation herangegangen. Sie haben Repressionen und Verbote gefordert. Indirekt haben sie die Politik des Staates unterstützt, da sie diese nicht ausreichend kritisiert haben. Viele Gruppen haben das Niveau der Debatte auf dem staatlich vorgegebenen belassen und hatten ausser Verbotsforderungen und Demonstrationen nichts anzubieten. Anstatt also die Bewegung und das Bewusstsein vorwärtszutreiben, haben sie die bei vielen nun aufkommende Desillusionierung (z.B., dass Demos allein nichts nutzen, dann aber die Gruppen nicht mehr anzubieten) und neue Niederlagen organisiert.

Bei dem Engagement gegen "rechts" durfte die Linke, deren z.Zt. einzig relevantes Politikfeld seit der Annektion der DDR der Antifaschismus ist, natürlich nicht fehlen. Einem Teil der Linken gelang es breite Bündnisse mit bürgerlichen Parteien und Gewerkschaften einzugehen. Ein Teil der Antifa gewann an Akzeptanz, so dass antifaschistische Zeitungen und Ergebnisse antifaschistischer Recherchen von bürgerlichen Medien zitiert wurden, Vertreter einiger Antifa-Gruppen von den gleichen Rednertribünen sprachen wie die bürgerlichen Brandstifter, Krisen- und Kürzungspolitiker (so z.B. die Antifa und der CDU-Bürgermeister in Eisenach oder in Neumünster am 16. September 2000 die Gruppe "Avanti" und die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis). Einige Gruppen überschlugen sich, ihre Zusammenarbeit Internet-Providern im Kampf gegen "rechte" Homepages anzubieten (wie die VVN) oder Forderungen nach dem Verbot faschistischer Organisationen nur noch lauter zu erheben (z.B. MLPD und DKP), da diese nun auch staatlicherseits erhoben wurden. Auf einigen Homepages jubelten Antifas: "Endlich Repressionen gegen rechts". Jede Demonstration, auch wenn sie noch nicht einmal die Nazi-Aufmärsche stoppte, wurde als Erfolg gefeiert. In allem Überschwang forderten Gruppen wie "Linksruck" oder die PDS staatliche Gelder für antirassistische Initiativen.

Die Linke spielte das dreckige Spiel der bürgerlichen Politik mit, versuchte ihre gesellschaftliche Relevanz dadurch zu vergrössern, dass sie Bündnisse mit bürgerlichen Parteien einging. Dabei erlitt so manche "linke" Gruppe politischen Bankrott, da sie um der "Bündnisfähigkeit" willen sich dem Staat und bürgerlichen Kräften wie der SPD, den Grünen oder den Gewerkschaften opportunistisch annäherte und dem "Kampf" gegen die Nazis ihre politischen und sozialen Forderungen, also ihre politische Klarheit, unterordnete.

Die bürgerlichen Antifaschisten, das Kapital, der Staat und auch die Nazis gleichen sich in einem sehr entscheidenden Punkt: Sie wollen alle gleich welcher sozialen Herkunft und somit gleich welcher gesellschaftlichen Verantwortung für bestehende Probleme für oder gegen etwas zusammenbringen. Keiner von ihnen thematisiert die sozialen Gegebenheiten, welche nur einer Änderung bedürfen, um die meisten Probleme zu beseitigen. So wurde dann auf Demonstrationen dieser bürgerlichen Antifaschisten der Sorge um die Gewinnung von "Bündnispartnern", der Sorge um eine gute Berichterstattung in der bürgerlichen Presse oder der Sorge um den "ordentlichen" und "friedlichen" Ablauf von Demonstrationen alles andere untergeordnet: die politische Klarheit, die politische Effizienz Aufmärsche wirklich zu verhindern oder auch die Notwendigkeit mit dem Establishment, mit dem gesamten sozialen und wirtschaftlichen System und seinem Denken zu brechen. Anstatt Anstösse zu geben, beliess sie die empörte Öffentlichkeit auf dem Niveau der bürgerlichen Politik, vertrauend auf die staatlichen Institutionen.

Wer im Kampf gegen den Faschismus auf den Staat setzt, härtere Gesetze oder Geld für antirassistische Initiativen fordert oder ganz einfach mit staatlichen Stellen oder Unternehmen "im gemeinsamen Interesse" (schliesslich geht es ja gegen "rechts") zusammenarbeitet, trägt seinen politischen Bankrott offen zur Schau. Wer als "Linker" lediglich gegen das menschenverachtende Denken und Handeln der Nazis protestiert, bescheinigt dem kapitalistischen Alltag das genaue Gegenteil, dass er nämlich nicht "menschenverachtend", zumindest nicht "so" menschenverachtend wie die Nazis, ist. Der Rassismus wird von ihnen nicht als Bestandteil der bürgerlichen Politik und des kapitalistischen Systems verstanden, sondern als etwas ihm Gegensätzliches.

Das Verhalten der Linken führte eher zu mehr Konfusion als zu mehr Aufklärung, denn der Grossteil der Linken und der Antifa spielte ihre Rolle als linkes Feigenblatt der auf den Ausbau des Repressionsapparates abzielenden Debatte. Diese staatstragende Politik der meisten linken und antifaschistischen Gruppen ist allerdings nur die Fortsetzung der bisherigen Tendenzen zur Verbürgerlichung. Der allgemein gesellschaftliche "Rechtsruck", der die gesamte politische Landschaft im Laufe der 90er nach "rechts" rücken liess, zeigte nun seine Wirkung auf die linke und antifaschistische Bewegung. Weitere Teile der Linken werden folgen und andere noch weiter nach "rechts" rücken.

Ein Grossteil der "Linken" ist bereits nach der Annektion der DDR und den Pogromen von Hoyerswerda und Rostock immer mehr "verstaatlicht". Teile der Linken haben uns ihre "Verstaatlichung" bzw. Verbürgerlichung recht konkret vor Augen geführt: z.B. die Grünen, angetreten als "bürgerbewegte" Protestbewegung, sind zur Regierungspartei geworden, die den NATO-Krieg mitgeführt hat; die PDS, Erbin der SED, ist Regierungspartei im Wartestand und beweist ihre Zuverlässigkeit bereits auf Landesebene in Mecklenburg-Vorpommern.

Wer sich an bürgerlichen Wahlen unter verbalradikalen Slogans wie "Den Widerstand ins Rathaus tragen!" beteiligt, vom Staat Geld für antifaschistische Initiativen fordert, die "Unanständigkeit der Politiker" kritisiert, davon faselt "Millionäre zu besteuern" oder meint "Neue Politiker braucht das Land", akzeptiert nicht nur die Spielregeln des kapitalistischen Zirkus in der BRD, sondern ist bereits integrierter Bestandteil dieses Systems und schürt Illusionen in seine "Reformierbarkeit" bei der Arbeiterklasse. Wer Repressionen gegen Nazis (wie ein Teil der "Linken" dies gefordert hat), Sanktionen gegen Österreich zustimmt (wie z.B. die AA/BO oder die Interim), der wird ein anderes Mal vielleicht auch - unter Einschränkungen - dem nächsten "humanitären" Einsatz der NATO oder UN-Blauhelme zustimmen, wie dies Teile der PDS heute schon tun bzw. mit ihrer "Einzelfallprüfung" fordern. Wer die UNO zu einem Organ der Völker und, den Staat zu einem "neutralen" Gebilde erklärt, der ist der bürgerlichen Logik erlegen. Wer sich allerdings auf die Logik der Bürgerlichen einlässt, der wird "antifaschistische" Kriege der NATO-Demokratien gegen Diktaturen, "ausländerfreundliche" und "humane" Abschiebungen, die Verurteilung "faschistischer" und "totalitärer" Diktaturen erleben, als gerechtfertigtes Mittel ansehen und befürworten müssen, während er gleichzeitig die Diktatur der NATO-Staaten hinnimmt.

Ebenso hat sich ein Teil der Linken und der Antifa Illusionen darüber, dass der Staat (also die "Falschen") das "Richtige" (gegen Nazis) tun könne. Dieser Teil schwang sich zu Verteidigern der "Demokratie" auf, reduzierte sein Programm auf den Minimalkonsens einer "nichtrassistischen Gesellschaft" und die Stärkung "zivilgesellschaftlicher Strukturen" (was dem politischen Bankrott gleichkommt). Als wenn die Gesellschaft nur aus "Faschisten" und "Antifaschisten" bestehen würde und als wenn die EU "demokratisch" und "sozial" wäre, werden die sozialen Verhältnisse ausgeblendet.

Der Grossteil der Antifa und der Restlinken befand sich im Schlepptau der Regierung und der Parteien. Sie haben es jahrelang versäumt, eigene Akzente im Kampf gegen die Nazis zu setzen. Jahrelang sind sie den Nazis von einer Stadt in die andere hinterhergefahren. Das Problem an der Sache ist nicht, dass wir uns etwa nicht den Nazis in den Weg stellen sollten, wo sie auftauchen und marschieren wollen. Das Problem ist, dass der Grossteil der Antifa und der Restlinken stets nur auf die Aktivitäten der Nazis reagiert, statt selbst zu agieren und Akzente zu setzen. Wäre dies in der Vergangenheit nicht versäumt worden, würde die Lage heute (vielleicht) eine andere sein. Als sich der Staat sich als "antifaschistisch" aufspielte, war die Antifa in der Versenkung verschwunden. Denn: sie hat auch nichts anderes anzubieten als Forderungen nach einem Verbot der Nazi-Organisationen oder der "Ächtung des Rassismus". Das Thema "Antifaschismus" konnte so leicht vereinnahmt werden, weil es zum Selbstzweck geworden ist

. Ein Teil der Antifa und der Linken ist nun peinlich berührt, nachdem sie ihren Bankrott bemerkt haben. Sie geben zu, dass sie überrumpelt worden und auf den Zug der staatlichen Kampagne aufgesprungen sind. Jetzt distanzieren sie sich von der "Heuchelei" des Staates, dessen Handeln sie noch vor kurzer Zeit zum Applaudieren gebracht hatte. Doch die Frage bleibt: Warum sollte ich mich in der Antifa organisieren, wo doch der Staat nun ein Verbot der NPD favorisiert und "entschlossenes Vorgehen" angekündigt hat?

Der Antifaschismus, der ausser dem Rassismus der Nazis und des Staates keine Probleme kennt, und in den letzten Monaten mit den Herrschenden in ein Horn geblasen hat, ist alles andere als "revolutionär". Im Gegenteil: er wirkt herrschaftsstabilisierend und ist Bestandteil einer opportunistischen Politik.

Für wen die Arbeiterklasse diskreditiert ist, der hat die Perspektive auf gesellschaftliche Veränderung verloren, muss sich, will er nicht in offensichtliche politische Resignation verfallen, neue Aufgabenfelder und neue Bündnispartner suchen. Eines dieser neuen Aufgabenfelder ist für viele Linke der Antifaschismus, der Forderungen an den Staat richtet und sich über die Klassenpolitik des Staates empört ohne diese beim Namen zu nennen. Für wen die Arbeiterklasse diskreditiert ist, ist somit eine wirklich grundlegende Alternative zum Kapitalismus diskreditiert und er wird sich in diesen reaktionären Zeiten an den "progressiven" Bestandteilen des gewöhnlichen Reaktionären festhalten.

Ähnlich funktionierte dies im Falle des antifaschistischen Sommers. Ein Grossteil der Linken witterte Morgenluft und sprang recht kritiklos auf den Zug der staatlichen Antifa-Kampagne auf und stimmte in den Chor derjenigen mit ein, welche im Namen der "Demokratie", "Menschlichkeit", der "Toleranz" und anderem ideologischen bürgerlichen Plunder Repression gegen "rechts" forderten. Wie der Pawlowsche Hund reagierten sie - wie gewünscht - reflexartig, diskreditierten sich selbst und überliessen die Initiative dem Staat. Dem antifaschistischen Sommer folgte dann der reaktionäre Herbst, der erneut durch die Debatte um den "Asylmissbrauch" und die "nationale Identität" das taktische Verhältnis der Herrschenden zum Rassismus und Nationalismus unter Beweis stellte. Solange der Profit und somit das Interesse einer Minderheit bestimmt, werden Leben, Tod und Gefühle weiterhin ein Geschäft bleiben und solange werden auch Menschen in rassistischer Manier in "nützlich" und "unnütz" gemäss der kapitalistischen Verwertung eingeteilt.

Kontakt: revtimes@gmx.net


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