Spiegel der Seele |
Als sie in seine Augen sah, war sie entsetzt. Wie hatte er sich in so wenigen Jahren so verändern können? Sie hatte nicht ein Wort gesagt, als er zur Tür hereingekommen war, acht Jahre nachdem er sich ihr traurig zugewandt hatte und gegangen war. Sie konnte nichts sagen. Auch er schien wie gebannt, nachdem er nur vier Worte gesagt hatte, hatten sie sich nichts mehr zu sagen. Sie redeten mit den Augen. Sie konnte sehen wie er litt. Damals als er gegangen war, war er enttäuscht und traurig gewesen, seine Augen hatten seine Gefühle widergespiegelt und dennoch hatten sie einen Glanz, der von Lebensfreude zeugte. Jetzt wo er wieder vor ihr stand, sie ihm wieder in die Augen sah, nach so langer Zeit, konnte sie nichts von diesem Glanz entdecken. Beinahe ausdruckslos sah er sie an. Doch sie konnte mehr sehen. Hinter dieser Mauer, die er aufgebaut hatte, spiegelte sich in seinen Augen der Schmerz und das Leid der letzten Jahre wieder. Nie hatte sie so große angst gesehen, nie hatte sie erwartet, dass ausgerechnet er so kaputt gehen würde. Er versuchte zu lächeln. Es misslang, zumindest für ihre Augen. Sie hatte Fotos gesehen, sein verzweifeltes Lachen, er hatte ihr leid getan, doch niemals hatte sie das erwartet was sich jetzt in seinen Augen widerspiegelte. Der Schmerz und die Angst schienen auch sie einzunehmen. Viel zu groß waren sie für nur einen Menschen. Doch er hatte gelernt diese Last zu tragen. Er hatte gelernt damit zu leben, sich hinter einer Mauer zu verstecken und nur keine Gefühle zu zeigen. Auch er las in ihren Augen, sah ihr Entsetzen, wollte ihr aufmunternd und zuversichtlich zulächeln und musste feststellen, das das alles nichts nützen würde. Sie hatte über die Mauer geschaut, hatte gesehen wie es dort aussah, wusste ohne, dass er ein Wort darüber verloren hatte, alles. „Hallo! Wie geht’s dir?“ war alles was er gesagt hatte, weiter wusste er nicht. Er hatte sich gefreut sie wieder zu sehen, hatte er mit ihr doch einen großen Teil seiner Jugend verbracht, seiner Kindheit. Nie hatte er erwartet, dass sie ihn noch so gut kannte, die Mauer ohne große Anstrengung nahm und all seine Ängste, Schmerzen, Nöte, die schlaflosen Nächte, alles offen legte. Er wusste schon beim ersten Blick in ihre Augen, sie würde ihn nicht wegstoßen, nicht verachten, so wie all die anderen es getan hatten, nachdem sie genommen, was sie gewollt hatten. Nein, sie würde ihn nicht so verraten. |