LACHEN, RAUCHEN, SPUCKEN

oder warum chinesische Videokinos so viel Vergnügen bereiten, Teil 1

"Die schlagen ja eine Frau!" rief mein Schweizer Reisegefährte Leo zutiefst empört. - "Und das finden die auch noch lustig!" Unauffällig erstickte ich mein Lachen in einem Husten. Zweifellos, das war Leos erster und letzter Besuch in einem chinesischen Videokino. Ich hingegen, hatte mich schon drei Tage zuvor in diesen dunklen Raum hinter der geheimnisvollen Tür mit den bunten Aushangbildern gewagt.

Bereits am ersten Tag in dem mit Touristen überfüllten südchinesischen Dorf Yangshuo, fiel mir diese Tür mit den Filmbildern auf. Zweimal täglich wechselten die Fotos, pausenlos kamen und gingen Gäste. Vom Restaurant nebenan hatten wir einen hervorragenden Blick auf dieses Treiben, während wir bei leckerem Essen und leichtem Bier abenteuerliche Vermutungen darüber anstellten. Von meinen Reisebekanntschaften war niemand gewillt, dieses Mysterium mit mir zu ergründen, und so ganz allein traute ich mich zuerst auch nicht.

Das änderte sich jedoch am zweiten Abend, als ich zwischen den verschiedenen Bildern auch das des Hongkong-Superstars Chow Sing Chi (Stephen Chiau) bemerkte. Es handelte sich um die Ankündigung der Spielerkomödie "All for the Winner", einer Persiflage auf Hongkongs Kassenschlager "God of Gamblers". Innerhalb kürzester Zeit übertrumpfte die Persiflage ihren Vorgänger in der Publikumsgunst um Längen. Wie in Hongkong ist der Komiker Chow Sing Chi auch in China ein sicherer Garant für den durchschlagenden Erfolg eines Filmes. Da gab es kein Halten mehr, diese Komödie mußte ich unbedingt sehen.

Filmplakate Filmplakatwand in Hongkong (1994): So ähnlich, nur kleiner und nicht so ordentlich sehen die Bilderwände vor den chinesischen Videokinos aus. Die Plakate in der Mitte preisen übrigens Chow Sing Chis historische Komödie "Hail The Judge" an.

Nach anfänglichem Schock, mit einer Europäerin kommunizieren zu müssen, war die Kassiererin sehr freundlich. Ich deutete auf das Bild, sie nickte. "Zwei Yuan" antwortete sie auf meine Frage nach dem Preis. Das sind umgerechnet 60 bis 70 Pfennig. Schnell bezahlte ich, worauf sie mich in einen verrauchten, dunklen Raum voller Bänke schob, in dem ein Film über einen Videobeamer auf eine Leinwand projiziert wurde. - Nur leider war es der falsche Film.

Sofort stand ich wieder auf der Schwelle, ein Bild des Jammers. Äußerst geduldig bedeutete sie mir, daß jeden Abend drei Aufführungen hintereinander liefen. "All for the Winner" sei der zweite Film, der Eintrittspreis gelte für alle drei. Beruhigt suchte ich mir im Dunklen einen Platz auf den vollbesetzten Bänken. Mein Erstaunen, doch noch eine Lücke gefunden zu haben, legte sich umgehend, denn vor mir saßen die beiden größten Teenager des Ortes. Nach einigem Herumgerutsche fand auch ich eine annehmbare Stellung und konnte meinen ersten Abend in einem Videokino genießen. Natürlich blieb ich bis zum Schluß.
Anja Böhnke

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