Den modernen Menschen charakterisierte Jung so:

„Die Einstellung moderner Menschen erinnerte mich manchmal an einen psychotischen Patienten in meiner Klinik, der selber Arzt war. Als ich ihn eines Morgens fragte, wie es ihm ginge, sagte er, er hätte eine wunderbare Nacht gehabt und den ganzen Himmel mit Quecksilberchlorid desinfiziert, bei diesem gründlichen Reinigungsprozeß aber keine Spur von Gott entdeckt. Dafür haben wir hier eine Neurose oder etwas Schlimmeres. Statt Gott oder „Gottesfurcht“ hat er eine Angstneurose oder eine Art Phobie. Die Emotion ist dieselbe geblieben, aber ihr Objekt hat seinen Namen und seinen Charakter unheilvoll verändert.“

„Solche Vergleiche zwischen primitiven und modernen Menschen sind, wie ich später noch ausführen werde, wesentlich für ein Verständnis der menschlichen Fähigkeit zur Symbolbildung sowie für die Rolle, die die Träume als Ausdrucksmittel dieser Fähigkeit spielen. Wie man feststellen kann, zeigen viele Träume Bilder und Assoziationen, die primitiven Vorstellungen, Mythen und Riten analog sind. Solche Traumbilder nannte Freud „archaische Überreste“; diese Bezeichnung impliziert, dass es sich dabei um psychische Elemente handelt, die historisch im menschlichen Geist überlebt haben. Eine derartige Auffassung ist aber nur für Menschen typisch, die das Unbewußte als Anhängsel des Bewußtseins betrachten. Meine weiteren Untersuchungen zeigten mir, daß dieser Standpunkt unhaltbar ist. Ich fand heraus, daß Assoziationen und Bilder dieser Art ein wesentlicher Bestandteil des Unbewußten sind und überall beobachtet werden können, bei gebildeten und ungebildeten Träumern. Sie sind durchaus keine leblosen und bedeutungslosen Reste, sondern immer noch wirksam und gerade wegen ihrer „historischen“ Natur besonders wertvoll . Sie bilden eine Brücke zwischen unserer bewußten, abstrakten und einer primitiveren, farbigeren, bildhafteren Ausdrucksweise. Diese „historischen“ Assoziationen sind das Bindeglied zwischen der rationalen Welt des Bewußtseins und der Welt des Instinkts.“