"Auch nur ein oberflächlicher Blick auf die Seiten meiner Arbeit zeigt, wieviel ich den genialen Konzeptionen Freuds zu verdanken habe. Ich kann versichern, daß ich mir von Anfang an natürlich alle diejenigen Einwände gemacht habe, welche in der Literatur gegen Freud vorgebracht werden.“

Dabei war es zur damaligen Zeit schwer sich in der Welt der Wissenschaft als Schüler Freuds zu behaupten. Es gab enorme Vorurteile ihm gegenüber. Dazu kam der Antisemitismus der sich gegen Freud selbst und gegen seine jüdischen Schüler richtete. Auch die Fachwelt außerhalb Wiens war Freud gegenüber eher negativ eingestellt. Ein Medizinalrat namens Weygandt meinte z. B. auf einem medizinischen Kongreß: „Freuds Theorien gehen die Wissenschaft nichts an, sie sind vielmehr eine Angelegenheit der Polizei...“

Die Fachwelt lachte erst über die Freudschen Theorien und schimpfte dann darüber. Später schrieb Jung über diese Zeit: „Für uns damals junge Psychiater war  es eine Quelle der Erleuchtung, während es für unsere älteren Kollegen ein Gegenstand des Spottes war.“

Im Jahre 1907 folgte Jung einer Einladung Freuds. Jung meinte, anfangs sei ihm Freud als fremdartige Erscheinung vorgekommen und so schien er auch auf andere Menschen gewirkt zu haben. Er übte aber einen sehr starken Eindruck auf Jung aus: „Ich fand ihn außerordentlich intelligent, scharfsinnig und in jeder Beziehung bemerkenswert.“ Trotz der Begeisterung über Freuds Werk gab es von Anfang an verschiedene Ansichten zu verschiedenen Themen. Jung schilderte sich als einen introvertierten Typ, Freud hingegen als extrovertiert. Neben diesem Unterschied der Persönlichkeit spielte zum Teil auch das unterschiedliche Alter und das verschiedenartige Milieu aus dem die beiden Männer kamen eine Rolle. Während Freud in den verschiedenartigsten menschlichen Äußerungen sexuelle Triebfedern zu erkennen glaubte, während Jung dieser Theorie zu widersprechen versuchte. Freud hingegen versuchte aus seiner Sexualtheorie ein Dogma zu machen,was Jung nicht akzeptieren konnteEine weitere Differenz bestand in der Beziehung zum Okkultismus, dessen Ablehnung Freud ebenfalls zu einem „Bollwerk“ machen wollte. Darüber schrieb Jung:

„Was Freud unter „Okkultismus“ zu verstehen schien, war so ziemlich alles was Philosophie und Religion, einschließlich der in jenen Tagen aufgekommenen Parapsychologie über die Seele auszusagen wußten. Für mich war die Sexualtheorie genauso „okkult“, d. h. unbewiesene, bloß mögliche Hypothese, wie viele andere spekulative Auffassungen. Eine wissenschaftliche Wahrheit war für mich eine für den Augenblick befriedigende Hypothese, aber kein Glaubensartikel für alle Zeiten.“

Zu dieser Zeit lehnte Freud dieses Thema als Unfug ab, erst mehrere Jahre später konnte er diesen Fragen  „einen realen Kern von noch nicht erkannten Tatsachen“ zubilligen.

Jung schilderte ein Gespräch über Parapsychologie während einem Besuch bei Freud:

„Während Freud seine Argumente (gegen die Ernsthaftigkeit der Parapsychologie) vorbrachte, hatte ich eine merkwürdige Empfindung. Es schien mir, als ob mein Zwerchfell aus eisen bestünde und glühend würde – ein glühendes Zwerchfellgewölbe. Und in diesem Augenblick ertönte ein solcher Krach aus dem Bücherschrank, der unmittelbar neben uns stand, daß wir beide furchtbar erschraken. Wir dachten, der Schrank fiele über uns zusammen. Genauso hatte es getönt. Ich sagte zu Freud: „Das ist jetzt ein sogenanntes katalytisches Exteriorisationsphänomen.“ – „Ach“, sagte er, „das ist ja ein leibhaftiger Unsinn!“ – „Aber nein“ erwiderte ich, „Sie irren, Herr Professor. Und zum Beweis, daß ich recht habe, sage ich nun voraus, daß es gleich nochmal so einen Krach geben wird. „ – Und tatsächlich; kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, begann der gleiche Krach im Schrank.
Ich hatte das Gefühl, ich hätte ihm etwas angetan.“

Darüber wurde nie wieder gesprochen. Aber Jung hatte mit seinem Gefühl recht.
Jung diagnostizierte bei Freud eine Neurose und meinte, wenn Freud nicht einmal die eigene Neurose heilen könne, sei die entwickelte Theorie in der Praxis nicht anwendbar. Zudem hatte Freud einen autoritäten Stil, der dem jüngeren, von Freud als Sohn empfundenen Jung nicht behagte. So kam es schließlich zum Bruch, indem Jung sich zurück zog.