Träume eines Mädchens Einen sehr wichtigen Fall brachte mir ein Mann, der selbst Psychiater war. Er zeigte mir eines Tages ein handgeschriebenes Büchlein, das er zu Weihnachten von seiner zehnjährigen Tochter geschenkt bekommen hatte. Es enthielt eine ganze Serie von Träumen, die das Mädchen im alter von acht Jahren gehabt hatte, und war die merkwürdigste Traumserie, die ich je gesehen hatte. Obgleich kindlich, waren sie doch unheimlich und enthielten Bilder, deren Ursprung dem Vater völlig unbegreiflich war. Dies waren die Motive: 1. Das böse Tier, ein schlangenähnliches Ungeheuer mit vielen Hörnern, tötet und verschlingt alle anderen Tiere. Aber Gott kommt, in Gestalt von vier einzelnen Göttern, aus den vier Ecken und gibt den toten Tieren das Leben wieder. 2. Eine Auffahrt in den Himmel, wo heidnische Tänze zelebriert werden; und ein Abstieg in die Hölle, wo Engel gute Taten tun. 3. Eine Schar Tiere ängstigt die Träumerin. Die Tiere werden ungeheuer groß, und eins von ihnen verschlingt das kleine Mädchen. 4. Eine kleine Maus wird von Würmern, Schlangen, Fischen und Menschen durchdrungen. Dadurch wird die Maus menschlich. Dies schildert die vier Stadien des Ursprungs der Menschheit. 5. Man sieht einen –Wassertropfen, wie er erscheint, wenn man ihn durch ein Mikroskop betrachtet. Das Mädchen sieht, daß der Tropfen voller zweige ist. Dies illustriert den Ursprung der Welt. 6. Ein ungezogener Junge bewirft alle Leute, die an ihm vorbeigehen, mit kleinen Erdklumpen. Dadurch werden alle Vorübergehenden schlecht. 7. Eine betrunkene Frau fällt ins Wasser und kommt erneuert und ernüchtert wieder heraus. 8. Die Szene spielt in Amerika, wo viele Leute auf einem Ameisenhaufen rollen, wobei sie von den Ameisen angegriffen werden. Die Träumerin fällt in panischer Angst in einen Fluß. 9. Auf dem Mond gibt es eine Wüste, und die Träumerin sinkt so tief in den Boden, daß sie in die Hölle gerät. 10. In diesem Traum hat das Mädchen eine Vision von einem leuchtenden Ball. Sie berührt ihn. Dämpfe steigen von ihm auf. Ein Mann kommt und tötet sie. 11. Das Mädchen träumt, es sei gefährlich krank. Plötzlich kommen Vögel aus ihrer Haut und bedecken sie vollständig. 12. Mückenschwärme verdunkeln die Sonne, den Mond und die Sterne, bis auf einen. Dieser eine Stern fällt auf die Träumerin. Jeder Traum beginnt mit: „Es war einmal..“ Das Mädchen starb etwa ein Jahr nach dem Weihnachtsfest, an dem es dem Vater die Träume schenkte. Neun der zwölf Träume haben das Thema der Zerstörung und Wiederherstellung. Und keiner dieser Träume zeigt Spuren spezifischer christlicher Erziehung oder Einflüsse. Sie sind im Gegenteil sogar enger mit primitiven Mythen verbunden. Jung |