Vom Werden und Vergehen
“Zwischen Zeiten” - Bewegende Uraufführung bei den Rheinsberger Musiktagen zu Pfingsten


Rheinsberg, die einstige Kronprinzenresidenz Friedrichs II., ist heute eins der tonangebenden Musikzentren im Land Brandenburg und mit seiner sommerlichen Kammeroper längst europaweit Begriff. Seine Anziehungskraft wird noch wachsen, wenn im kommenden Jahr das wiederaufgebaute Schloßtheater zur Verfügung steht, das Prinz Heinrich, ein jüngerer Bruder Friedrichs der Großen, errichten ließ. Die alljährlich von Hunderttausenden besuchte kleine Stadt pflegt jedoch nicht nur die großen künstlerichen Traditionen des 18. Jahrhunderts. Die nach der politischen Wende gegründete Musikakademie setzt auch für das Schaffen der Gegenwart gewichtige Akzente und fördert nachdrücklich junge Komponisten bei ihrer Suche nach neuen Wegen.

Ein Höhepunkt dieses weitreichenden Engagements für das neue Schaffen war während der Rheinsberger Musiktage zu Pfingsten eine fast einstundige audiovisuelle Komposition, die in deutsch-polnischer Zusammenarbeit entstand, “Zwischen Zeiten”. Ein hochbefähigter junger Warschauer Komponist, Maciej Zóltowski, 1971 geboren, schrieb die Musik. Sie konfrontiert erregend und spannungsreich Live-Klänge von Oboen, Klarinetten und Schlagzeuginstrumenten mit zum Teil bedrängend verfremdeten Tonbandeinblendungen. Der Berliner Künstler Andreas Schmid begleitete und kontrapunktierte die Musik mit vielfarbigen Lichtwirkungen, die faszinierend die Rheinsberger Schloßfassade, die Bäume des Parks und das Wasser des Grienericksees aus dem nächtlichen Dunkel hoben und durch überraschende Spiegelungen und Brechungen Werden und Vergänglichkeit bewußst werden Ließen.

Die Idee zu dieser eigenwilligen Kreation entstand vor zwei Jahren bei einem gemeinsamen Studienaufenthalt der beiden Autoren im Künstlerhaus Schloß Wiepersdorf. Die Live-Musik erklang, von Studierenden der Musikhochschule “Hans Eisler” in Berlin und der Warschauer Musikakademie gespielt, von einem Schiff der Reederei Halbeck, die zu den Sponsoren gehörte. Ein weiteres Schiff brachte die Zuhörer in das Zentrum des Geschehens. Die Tonbandzuspielungen, produziert im Elektronikstudio der Akademie der Künste in Berlin, wurden von Lautsprechern über den See gestrahlt.

Ob alle Hörer und Zuschauer sogleich beim ersten Erleben nachvollziehen konnten, was den ideenreichen Künstlern bei ihrem sehr nachdenkenswerten Versuch vorschwebte, bleibt allerdings die Frage. Sie hatten mehr im Blick als bloße Schaueffekte. Der Komposition liegen Gedanken eines für die europäische Kulturentwicklung sehr bedeutungsvollen spätantiken Philosophen, Plotin, zugrunde. Gedanken über Zeit und Ewigkeit, über die Vollendung des menschlichen Seins und die Überwindung des Bösen. Diese Zusammenhänge zu verstehen, hätte es allerdings einer gründlicheren Einführung der Besucher bedurft.

Wolfgang Hanke
Lausitzer Rundschau