Atomkraft

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Energie aus Wind statt Atomstrom

Frischer Wind im Atomstreit


Energie aus Wind statt Atomstrom
Schweizer Atomstrom könnte dereinst auch mit Windstromimporten aus der Nord- und Ostsee ersetzt werden, sagen neue Studien.

Von Felix Maise, Bern

Mit dem Einstieg in den europäischen Windstrom sei der Atomausstieg der Schweiz billiger, sicherer und sauberer als bisher angenommen möglich. Zu diesem Schluss kamen am Montag in Bern Vertreter der SP, der Grünen und der Schweizerischen Energiestiftung. Der Basler SP-Nationalrat und Energie-Fachmann Rudolf Rechsteiner stellte vor den Medien drei kürzlich erschienene Berichte zu einem CO2-neutralen Ersatz der Schweizer Atomkraftwerke durch Windstromimporte vor. Das Bundesamt für Energie und die Beratungsfirmen Prognos und Infras kommen darin zum Schluss, dass der Import von sauberem Windstrom aus den europäischen Nachbarländern den Schweizer Atomstrom dereinst mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand ersetzen könnte.

Die Berichte waren von der Kommission des Nationalrats, welche das neue Kernenergiegesetz und die beiden im nächsten Jahr zur Abstimmung kommenden Initiativen «Strom ohne Atom» und «Moratorium Plus» berät, in Auftrag gegeben worden. Trotz nach wie vor grosser Unsicherheiten sei Windstrom zukunftsträchtig und erlebe zurzeit einen rasanten Aufschwung, so das Resultat der Untersuchungen. «Im Falle einer Annahme einer der Atominitiativen wären Windstromimporte eine der viel versprechenden Alternativen zur Kernenergie, zusammen mit der rationellen Stromverwendung und den übrigen erneuerbaren Energien», stellt das Bundesamt für Energie deshalb fest. Dabei würde der Windstrom vor allem aus geplanten grossen Windparks in der Nord- und Ostsee kommen. Auf einer Tagung der Schweizerischen Vereinigung für Atomenergie (SVA) bezeichnete BFE-Direktor Walter Steinmann die Idee des Windstromimports gleichentags als interessanten Denkansatz, der allerdings noch mit vielen Unsicherheiten verbunden sei. Auf keine Sympathie stiess die Idee bei Steinmanns Gastgebern. Für die SVA ist ein Atomausstieg volkswirtschaftlich unverträglich: Bis zum Jahr 2044 würde er Mehrkosten von jährlich einer Milliarde Franken nach sich ziehen.

Ein Schweizer Reaktor wurde bereits am Montag vorübergehend abgeschaltet: Nach einer Störanzeige stellte man Block 2 von Beznau vorsorglich ab.


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Kommentar
Frischer Wind im Atomstreit

Von Felix Maise

Der Ausstieg aus der Atomenergie galt zwar schon bisher als machbar, aber als teuer und ökologisch umstritten. Die Atomlobby wurde nicht müde, AKW im Vergleich zu fossilen Energieträgern als sauber anzupreisen. Angesichts der Klimaerwärmung sei die ohne CO2-Emissionen arbeitende Atomtechnologie ein Segen für die Menschheit. Vom ungelösten Atommüllproblem sprach man lieber nicht. Wirtschaftlich konkurrenzfähige, CO2-freie Alternativen mit genügendem Potenzial gebe es nicht, hiess es lange.

Das stimmt heute nicht mehr. Der Druck der sich öffnenden nationalen Strommärkte und die fehlende Akzeptanz für den Bau neuer AKW hat seit Anfang der 90er-Jahre zu einer rasanten Entwicklung der Windstromproduktion geführt. Allein im letzten Jahr kamen 6800 Megawatt Windkraft hinzu, und der Boom dauert an. 25 000 Megawatt werden heute weltweit erzeugt, im Jahr 2007 sollen es 60 000 sein.

In der Schweiz nahm man diese Entwicklung bisher kaum zur Kenntnis. Hier führen die meisten Energiepolitiker lieber den Grabenkrieg um die Option Kernenergie weiter. Dabei glauben nicht einmal die grössten Atomlobbyisten daran, dass bei uns je noch ein neues AKW gebaut wird. Denn schon aus rein wirtschaftlichen Überlegungen lohnt sich das nicht mehr. Atomstrom aus neuen Anlagen ist heute schon teurer als Windstrom, und Investoren für neue AKW-Projekte sind kaum mehr zu finden. Auch ausgesprochene Atomkonzerne wie die französische EDF haben deshalb inzwischen den Wind entdeckt, und auch Spanien, Holland, Grossbritannien und Dänemark setzen voll auf dieses Potenzial.

Als Binnenland mit schwachen Winden eignet sich die Schweiz zur Windstromproduktion kaum. Auch aus Gründen des Landschaftsschutzes sind grosse Windparks keine Option. Doch was spricht dagegen, sauberen Windstrom einfach dort einzukaufen, wo er optimal und am schonendsten produziert wird? Mit der neu entdeckten Option Windstromimport ist unser Handlungsspielraum jedenfalls plötzlich viel grösser, als uns das Bundesrat und Atomlobby weismachen wollen.

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