Zu Potsdam unter den Eichen Im hellen Mittag ein Zug Vorn eine Trommel und hinten eine Fahn In der Mitte einen Sarg man trug. Zu Potsdam unter den Eichen In dem hundertjährigen Staub Da trugen sechse einen Sarg Mit Helm und Eichenlaub. Und auf dem Sarg mit Minnigerot Stand geschrieben ein Reim Die Buchstaben sahen häßlich aus: "Jedem Krieger sein Heim!" Das war zum Angedenken An manchen toten Mann Geboren in der Heimat Gestorben am Chemin des Dames. Gekrochen einst mit Herz und Hand Dem Vaterland auf den Leim Belohnt mit dem Sarge vom Vaterland: Jedem Krieger sein Heim! So zogen sie durch Potsdam Für den Mann am Chemin des Dames Da kam die grüne Polizei Und haute sie zusamm.
1 Es steht zu Sonnenburg Ein deutsches Lager Insassen und Posten Sind beide mager. 2 Die hungrig draußen gehn Bewachen die drinnen Daß die nicht aufstehn Und dem Hunger entrinnen. 3 Sie zeigen auch Waffen her: Ruten und Pistolen Damit gehen sie in der Nacht Hungernde holen. 4 Wenn sie den Führer sehn Stehn sie wie Wände Und strecken die Arme hoch Und zeigen die Hände 5 Daß er sieht, wie sie Tag und Nacht Hinter ihren Brüdern her sind Ihre blutigen Hände aber Immer noch leer sind. 6 Wären sie klüger, dann Rissen sie aus den Ketten Schleunigst den magern Mann Und holten den fetten! 7 Dann hätte in Sonnenburg Das Lager einen Nutzen Wenn die Fetten den Magern Die Stiefel putzen.
Was an dir Berg war Haben sie geschleift Und dein Tal Schüttete man zu Über dich führt Ein bequemer Weg.
Ich bin eine alte Frau. Als Deutschland erwacht war Wurden die Unterstützungen gekürzt. Meine Kinder Gaben mir ab und zu einen Groschen. Ich konnte aber Fast nichts mehr kaufen. Die erste Zeit Ging ich also seltener in die Läden, wo ich früher täglich gekauft hatte. Aber eines Tages dachte ich nach, und dann Ging ich doch wieder täglich zum Bäcker, zur Grünkramhändlerin Als alte Käuferin. Sorgfältig wählte ich unter den Eßwaren Griff nicht mehr heraus als früher, doch auch nicht weniger Legte die Brötchen zum Brot und den Lauch zum Kohl und erst Wenn zusammengerechnet wurde, seufzte ich Wühlte mit meinen steifen Fingern in meinem Lederbeutelchen Und gestand kopfschüttelnd, daß mein Geld nicht ausreiche Das Wenige zu bezahlen, und ich verließ Kopfschüttelnd den Laden, von allen Kunden gesehen. Ich sagte mir: Wenn wir alle, die nichts haben Nicht mehr erscheinen, wo das Essen ausliegt Könnte man meinen, wir brauchten nichts Aber wenn wir kommen und nichts kaufen können Weiß man Bescheid.
Anmut sparet nicht noch Mühe Leidenschaft nicht noch Verstand Daß ein gutes Deutschland blühe Wie ein andres gutes Land. Daß die Vöker nicht erbleichen Wie vor einer Räberin Sondern ihre Hände reichen Uns wie andern Völkern hin. Und nicht über und nicht unter Andern Vökern wolln wir sein Von der See bis zu den Alpen Von der Oder bis zum Rhein. Und weil wir dies Land verbessern Lieben und beschirmen wir's Und das liebste mag's uns scheinen So wie andern Ländern ihrs.
Gut ist die Vergeßlichkeit! Wie sollte sonst Der Sohn von der Mutter gehen, die ihn gesäugt hat? Die ihm die Kraft seiner Lieder verlieh und Die ihn zurückhält, sie zu erproben. Oder wie sollte der Schüler den Lehrer verlassen Der ihm Wissen verlieh? Wenn das Wissen verliehen ist Muß der Schüler sich auf den Weg machen. In das alte Haus Ziehen die neuen Bewohner ein. Wenn die es gebaut haben noch da wären Wäre das Haus zu klein. Der Ofen heizt. Den Hafner Kennt man nicht mehr. Der Pflüger erkennt den Laib Brot nicht. Wie erhöbe sich ohne das Vergessen der Spurenverwischenden Nacht der Mensch am Morgen? Wie sollte der sechsmal zu Boden geschlagene Zum siebenten Mal aufstehen Umzupflügen den steinigen Boden, anzufliegen Den gefährlichen Himmel? Die Schwäche des Gedächtnisses verleiht Den Menschen Stärke.
Lehren ohne Schüler Schreiben ohne Ruhm Ist schwer. Es ist schön, am Morgen wegzugehen Mit den frisch beschriebenen Blättern Zu dem wartenden Drucker, über den summenden Markt Wo sie Fleisch verkaufen und Handwerkszeug: Du verkaufst Sätze. Der Fahrer ist schnell gefahren Er hat nicht gefrühstückt Jede Kurve war ein Risiko Er tritt eilig in die Tür: Der den er abholen wollte Ist schon aufgebrochen. Dort spricht der, dem niemand zuhört: Er spricht laut Er wiederholt sich Er sagt Falsches Er wird nicht verbessert.
Viele sehen es so, als drängten wir uns Zu den abgelegensten Verrichtungen Bemühten uns um seltene Aufträge Unsere Kräfte zu erproben oder unter Beweis zu stellen- Aber in Wirklichkeit sieht besser,wer Uns einfach das Unvermeidliche tun sieht: Möglichst gerade zu gehen, die Hindernisse des Tages Zu überwinden, die Gedanken zu vermeiden, die Schlimme Folgen gehabt haben, die günstigen Ausfindig zu machen, eben: Den Weg des Tropfens zu bahnen im Fluß, der sich Durch das Geröll den Weg bahnt.
Wer baute das siebentorige theben? In den Büchern stehen die Namen von Königen. Haben die König die Felsbrocken herbeigeschlappt? Und das mehrmals zerstörte Babylon- Wer baute es so viele Male auf? In welchen Häusern Des goldstrahlenden Lima wohnten die Bauleute? Wohin gingen an dem Abend, an dem die chinesische Mauer fertig war Die Maurer? Das große Rom Ist voll von Triumphbögen. Wer errichtete sie? über wen Triumphierten die Cäsaren? Hatte das vielbesungene Byzanz Nur Paläste für seine Bewohner? Selbst in dem sagenhaften Atlantis Brüllten in der Nacht, wo das Meer es verschlang Die ersaufenden nach ihren Sklaven. Der junge Alexander eroberte Indien. Er allein? Cäsar schlug die Gallier. Hatte er wenigstens einen Koch bein sich? Philipp von Spanien weinte, als seine Flotte Untergegangen war. Weinte sonst niemand? Friedrich der Zweite siegte im Siebenjährigen Krieg. Wer Siegte außer ihm? Jede Seite ein Sieg. Wer kochte den Siegesschmaus? Alle zehn Jahre ein großer Mann. Wer bezahlte die Spesen? So viele Berichte. So viele Fragen.
1 An jenem Tag im blauen Mond September Still unter einem jungen Pflaumenbaum Da hielt ich sie, die stille bleiche Liebe In meinem Arm wie einen golden Traum. Und über uns im schönen Sommerhimmel War eine Wolke, die ich lange sah Sie war sehr wieß und ungeheuer oben Und als ich aufsah, war sie nimmer da. 2 Seit jenem Tag sind viele, viele Monde Geschwommen still hinunter und vorbei. Die Pflaumenbäume sind wohl abgehauen Und fragst Du mich, was mit der Liebe sei? So sag ich dir: Ich kann mich nicht erinnern Und doch, gewiß, ich weiß schon, was du meinst. Doch ihr Gesicht, das weiss ich wirklich nimmer Ich weiß nur mehr: ich küßte es dereinst. 3 Und auch der Kuß, ich hätt ihn längst vergessen Wenn nicht die Wolke dagewesen wär Die weiß ich noch und wird ich immer wissen Sie war sehr weiß und kam von oben her. Die Pflaumenbäme blühn vielleicht noch immer Und jene Frau hat jetzt vielleicht das siebte Kind Doch jene Wolke blühte nur Minuten Und als ich aufsah, schwand sie schon im Wind.
Ich sitze am Straßenrand Der Fahrer wechselt das Rad. Ich bin nicht gern, wo ich herkomme. Ich bin nicht gern, wo ich hinfahre. Warum sehe ich den Radwechsel Mit Ungeduld?
O Lust des Beginnens! O Früher Morgen! Erstes Gras, wenn vergessen scheint Was grün ist! O erste Seite des Buchs Des erwarteten, sehr überraschende! Lies Langsam, allzuschnell Wird der ungelesene Teil dir dünn! Und der erste Wasserguß In das verschweißte Gesicht! Das frische Kühle Hemd! O Beginn der Arbeit! Öl zu füllen In die kalte Maschine! Ertster Handgriff und erstes Summen Des anspringenden Motors! Und erster Zug Rauchs, der die Lunge füllt! Und du Neuer Gedanke!
Der erste Blick aus dem Fenster am Morgen Das wiedergefundene alte Buch Begeisterte Gesichter Schnee, der Wechsel der Jahreszeiten Die Zeitung Der Hund Die Dialektik Duschen, Schwimmen Alte Musik Bequeme Schule Begreifen Neue Musik Schreiben, pflanzen reisen, singen Freundlich sein
Hier gibts noch weitere Gedichte von
Brecht !!
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