Gedichte von Bert Brecht

 

Über den Gebrauch gemeiner Wörter

Sonett Nr. 15

Mir, der ich maßlos bin und mäßig lebe
Gestattet, Freunde, es euch zu verweisen
Mit rohen Wörtern so um sich zu schmeißen
Als ob es daran keinen Mangel gäbe!
 
Beim Vögeln können Wörter Lust erregen:
Den Vögler freut es, daß das vögeln heißt.
Wer mit dem Wort zum Beispiel um sich schmeißt
Kann sich auf löchrige Matratzen legen.
 
Die reinen Vögler sollte man nur henken!
Wenn sich ein Weib mitunter auspumpt: gut.
Den Baum spült sauber keine Meeresflut!
 
Nur nicht dem Geiste eine Spülung machen!
Die Kunst der Männer ist’s: vögeln und denken.
(Der Männer Luxus aber ist’s: zu lachen).



Liebeslied aus einer schlechten Zeit

Wir waren miteinander nicht befreundet
Doch haben wir einander beigewohnt.
Als wir einander in den Armen lagen
Warn wir einander fremder als der Mond.
 
Und träfen wir uns heute auf dem Markte
Wir könnten uns um ein paar Fische schlagen:
Wir waren miteinander nicht befreundet
Als wir einander in den Armen lagen.



Der Jüngling und die Jungfrau

Keuschheitsballade in Dur

Ach, sie schmolzen fast zusammen
Und er fühlte: Sie ist mein.
Und das Dunkel schürt die Flammen.
Und sie fühlt: Wir sind allein.
Und er küßte ihr die Stirne
Denn sie war ja keine Dirne -
Und sie wollte keine sein.
 
Oh, das süße Spiel der Hände!
Oh, ihr Herz war wild wie nie!
Daß er die Kurasche fände
Betet er und betet sie.
Und sie küßte ihm die Stirne
Denn sie war ja keine Dirne
Und sie wußte nur nicht wie...
 
Und um sie nicht zu entweihen
Ging er einst zu einer Hur
Und die lernte ihm das Speien
Und die Feste der Natur.
Immerhin ihr Leib war Lethe
Bisher war er kein Askete
Jetzt erst tat er einen Schwur.
 
Um zu löschen ihre Flammen
Die er schuldlos ihr erregt
Hängt sie sich an einen strammen
Kerl, der keine Skrupel hegt.
(Und der haute sie zusammen
Auf die Treppen hingelegt.)
Immerhin sein Griff war Wonne
Und sie war ja keine Nonne
Jetzt erst war die Gier erregt.
 
Und er lobte sein Gehirne
Daß es klug gewesen sei:
Als er sie nur auf die Stirne
Einst geküßt im sel’gen Mai - 
Er als Mucker, sie als Dirne
Sie gestehn Scham auf der Stirne:
 
Es ist doch nur Sauerei.



Entdeckung an einer jungen Frau

Des Morgens nüchterner Abschied, eine Frau
Kühl zwischen Tür und Angel, kühl besehn
Da sah ich: eine Strähn in ihrem Haar war grau
Ich konnt mich nicht entschließen mehr zu gehn
 
Stumm nahm ich ihre Brust, und als sie fragte
Warum ich, Nachtgast, nach Verlauf der Nacht
Nicht gehen wolle, denn so war’s gedacht
Sah ich sie unumwunden an und sagte
 
Ist’s nur noch eine Nacht, will ich noch bleiben
Doch nütze deine zeit, das ist das Schlimme
Daß du so zwischen Tür und Angel stehst
 
Und laß uns die Gespräche rascher treiben
Denn wir vergaßen ganz, daß du vergehst
Und es verschlug Begierde mir die Stimme



Die Freunde

Wenn du in einer Kutsche gefahren kämst
Und ich trüge eines Bauern Rock
Und wir träfen uns eines Tages auf der Straße
Würdest du aussteigen und dich verbeugen.
Und wenn du Wasser kauftest
Und ich käme spazieren geritten auf einem Pferd
Und wir träfen uns eines Tages auf der Straße
Würde ich absteigen vor dir.



Ich der Überlebende

Der Gouverneur, von mir befragt, was nötig wäre
Den Frierenden in unsrer Stadt zu helfen
Antwortete: Die Decke zehntausend Fuß lang
Die die ganzen Vorstädte einfach zudeckt.



Liebeslied II

Wenn du mich lustig machst
Dann denk ich manhmal:
Jetzt könnt ich sterben
Dann blieb ich glücklich
Bis an mein End
 
Wenn du dann alt bist
Und du denkst an mich
Seh ich wie heute aus
Und du hast ein Liebchen
Das ist noch jung.



Ansprache des Bauern an seinen Ochsen

O großer Ochse, göttlicher Pflugzieher
Geruhe, gerade zu pflügen! Bring die Furchen
Freundlichst nicht durcheinander! Du
Gehst voraus Führender, hü
Wir haben gebückt gestanden, dein Futter zu schneiden
Geruhe jetzt, es zu verspeisen, teurer Ernährer! Sorg dich nicht
 
Beim Fressen um die Furche, friß!
Für deinen Stall, du Beschützer der Familie
Haben wir ächzend die Balken hergeschleppt, wir
Liegen im Nassen, du im Trockenen. Gestern
Hast du gehustet, geliebter Schriftmacher.
Wir waren außer uns. Willst du etwa
Vor der Aussaat verecken, du Hund?



Bei der Geburt eines Sohnes (nach Su Tung-pò)

Familien, wenn ihnen ein Kind geboren ist
Wünschen es sich intelligent.
Ich, der durch Intelligenz
Mein ganzes Leben ruiniert habe
Kann nur hoffen, mein Sohn
Möge sich erweisen als
Unwissend und denkfaul.
Dann wird er ein ruhiges Leben haben
Als Minister im Kabinett.



Liebeslied III

Sieben Rosen hat der Strauch
Sechs gehör`n dem Wind
Aber eine bleibt, daß auch 
Ich noch eine find.
 
Sieben Male ruf ich dich
Sechsmal bleibe fort
Doch beim siebten Mal, versprich
Komme auf ein Wort.



Als der letzte Krieg vorüber war

Gab es Sieger und Besiegte.
Bei den Besiegten das niedere Volk 
Hungerte. Bei den Siegern
Hungerte das niedere Volk auch.



Liebeslied IV

Die Liebste gab mir einen Zweig
Mit gelbem Laub daran.
 
Das Jahr, es geht zu Ende
Die Liebe fängt erst an.



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