Karoline von Günderode

(1780-1806)


Die Einzige
 

Wie ist ganz mein Sinn befangen,
Einer, Einer anzuhangen;
Diese Eine zu umfangen
Treibt mich einzig nur Verlangen;
Freude kann mir nur gewähren,
Heimlich diesen Wunsch zu nähren,
Mich in Träumen zu betören,
Mich in Sehnen zu verzehren,
Was mich tötet zu gebähren.

Widerstand will mir nicht frommen,
Fliehen muß ich neu zu kommen,
Zürnen nur, mich zu versöhnen,
Kann mich Ihrer nicht entwöhnen,
Muß ich im lauten Jubel stöhnen;
In den Becher fallen Tränen,
Ich versink in träumrisch Wähnen;
Höre nicht der Töne Reigen,
Wie sie auf und nieder steigen,
Wogend schwellen Well' in Welle;
Sehe nicht der Farben Helle
Strömen aus des Lichtes Quelle.
Mich begrüßen Frühlingslüfte,
Küssen leise Blumendüfte,
Doch das all ist mir verlohren,
Ist für mich wie nicht geboren,
Denn mein Geist ist eng umfangen
Von dem einzigen Verlangen
Eine, Eine zu erlangen.
Hungrig in der Zahl der Gäste
Sitz ich bei dem Freudenfeste,
Das Natur der Erde spendet;
Frage heimlich ob's bald endet?
Ob ich aus der Gäste Reigen
Dürf' dem eklen Mahl entweichen,
Das verschwendrisch Andre nähret:
Mir nicht einen Wunsch gewähret?
Eines nur mein Sinn begehret,
Eine Sehnsucht mir verzehret;
Eng ist meine Welt befangen,
Nur vom einzigen Verlangen
Was ich liebe zu erlangen
 
 

Einstens lebt ich süßes Leben
 

Einstens lebt ich süßes Leben,
denn mir war, als sei ich plötzlich
nur ein duftiges Gewölke.
Über mir war nichts zu schauen
als ein tiefes blaues Meer
und ich schiffte auf den Wogen
dieses Meeres leicht umher.
Lustig in des Himmels Lüften
gaukelt ich den ganzen Tag,
lagerte dann froh und gaukelnd
hin mich um den Rand der Erde,
als sie sich der Sonne Armen
dampfend und voll Glut entriß,
sich zu baden in nächtlicher Kühle,
sich zu erlaben im Abendwind.
Da umarmte mich die Sonne,
von des Scheidens Weh ergriffen,
und die schönen hellen Strahlen
liebten all und küßten mich.
Farbige Lichter
stiegen hernieder,
hüpfend und spielend,
wiegend auf Lüften
duftige Glieder.
Ihre Gewande
Purpur und Golden
und wie des Feuers
tiefere Gluten.
Aber sie wurden
blässer und blässer,
bleicher die Wangen,
sterbend die Augen.
Plötzlich verschwanden
mir die Gespielen,
und als ich trauernd
nach ihnen blickte,
sah ich den großen
eilenden Schatten,
der sie verfolgte,
sie zu erhaschen.
Tief noch im Westen
sah ich den goldnen
Saum der Gewänder.
Da erhub ich kleine Schwingen,
flatterte bald hie bald dort hin,
freute mich des leichten Lebens,
ruhend in dem klaren Äther.
Sah jetzt in dem heilig tiefen
unnennbaren Raum der Himmel
wunderseltsame Gebilde
und Gestalten sich bewegen.
Ewige Götter
saßen auf Thronen
glänzender Sterne,
schauten einander
selig und lächelnd.
Tönende Schilde,
klingende Speere
huben gewaltige,
streitende Helden;
Vor ihnen flohen
gewaltige Tiere,
andre umwanden
in breiten Ringen
Erde und Himmel,
selbst sich verfolgend
ewig im Kreise.
Blühend voll Anmut
unter den Rohen
stand eine Jungfrau,
Alle beherrschend.
Liebliche Kinder
spielten inmitten
giftiger Schlangen. -
Hin zu den Kindern
wollt ich nun flattern,
mit ihnen spielen
und auch der Jungfrau
Sohle dann küssen.
Und es hielt ein tiefes Sehnen
in mir selber mich gefangen.
Und mir war, als hab ich einstens
mich von einem süßen Leibe
losgerissen, und nun blute
erst die Wunde alter Schmerzen.
Und ich wandte mich zur Erde,
wie sie süß im trunknen Schlafe
sich im Arm des Himmels wiegte.
Leis erklungen nun die Sterne,
nicht die schöne Braut zu wecken,
und des Himmels Lüfte spielten
leise um die zarte Brust.
Da ward mir, als sei ich entsprungen
dem innersten Leben der Mutter,
und habe getaumelt
in den Räumen des Äthers,
ein irrendes Kind.
Ich mußte weinen,
rinnend in Tränen
sank ich hinab zu dem
Schoße der Mutter.
Farbige Kelche
duftender Blumen
faßten die Tränen,
und ich durchdrang sie,
alle die Kelche,
rieselte abwärts
hin durch die Blumen,
tiefer und tiefer,
bis zu dem Schoße
hin, der verhüllten
Quelle des Lebens.
 
 

Liebst du das Dunkel
mündliche Improvisation, niedergeschrieben von Bettina Brentano
 

Liebst du das Dunkel
Tauigter Nächte?
Graut dir der Morgen,
Starrst du ins Spätrot,
Seufzest beim Mahle,
Stößest den Becher
Weg von den Lippen?
Liebst du nicht Jagdlust,
Reizet dich Ruhm nicht,
Schlachtgetümmel?
Welken die Blumen
Schneller am Busen,
Drängt sich das Blut dir
Pochend zum Herzen?
 
 

Adonis Tod

                       1.

Die Göttin sinkt in namenlosem Leide;
Den Jäger traf des Tieres wilde Wut;
Die Rose trinkend von des Jünglings Blut,
Glänzt ferner nicht im weißen Lilienkleide.

Das Abendrot der kurzen Liebesfreude
Blickt traurig aus der Blume dunklen Glut;
Adonis tot im Arm der Göttin ruht;
Das Schönste wird des kargen Hades Beute.

Verhaßt ist ihr des langen Lebens Dauer,
Das Götterlos wird ihrer Seele Trauer,
Die sehnsuchtskrank den süßen Gatten sucht.

Und still erblühet heißer Tränen Frucht;
Den stummen Schmerz verkünden Anemonen,
Den ew'gen Wunsch, im Schattenreich zu wohnen.

                         2.

Den Lilienleib des Purpurs dunkler Schleier
Dem irren Blick der Göttin halb entzieht;
Der Trauer Bild, die Anemone, blüht
So weiß als rot zur stillen Totenfeier.

Erloschen ist in ihm des Lebens Feuer,
Sein totes Aug' die Blume nimmer sieht. -
Doch plötzlich schmilzt der Göttin Leid im Lied,
Die Klage tönt, die Seele fühlt sich freier.

Ein Kranker, der des Liedes Sinn empfunden,
Durch ihrer Töne Zauber soll gesunden. -
Der Andacht gerne Liebe sich vertraut.

Und gläubig einen Tempel er sich baut,
Auf daß er pflege in dem Heiligtume
Der Sehnsucht Kind, die süße Wunderblume.
 
 

Adonis Totenfeier
 

Wehe! daß der Gott auf Erden
Sterblich mußt geboren werden!
Alles Dasein, alles Leben
Ist mit dem Tod gegeben.
Alles wandelt und vergehet,
Morgen sinkt, was heute stehet;
Was jetzt schön und herrlich steiget
Bald sich hin zum Staube neiget;
Dauer ist nicht zu erwerben,
Wandeln ist unsterblich Sterben.

Wehe! daß der Gott auf Erden,
Sterblich mußt geboren werden!
Alle sind dem Tod verfallen,
Sterben ist das Los von allen.
Viele doch sind, die nicht wissen,
Wie der Gott hat sterben müssen;
Blinde sind es, die nicht sehen,
Nicht den tiefen Schmerz verstehen,
Nicht der Göttin Klag und Sehnen
Ihre ungezählten Tränen,
Daß der süße Leib des Schönen
Muß dem kargen Tode fröhnen.

Laß die Klage uns erneuern!
Rufet zu geheimen Feiern,
Die Adonis heilig nennen,
Seine Gottheit anerkennen,
Die die Weihen sich erworben,
Denen auch der Gott gestorben.
Brecht die dunkle Anemone,
Sie, die ihre Blätterkrone
Sinnend still hinunterbeuget,
Leise sich zur Tiefe neiget,
Forschend ob der Gott auf Erden
Wieder soll geboren werden!

Brechet Rosen; jede Blume,
Sei verehrt im Heiligtume,
Forscht in ihren Kindermienen,
Denn es schläft der Gott in ihnen;
Uns ist er durch sie entstanden
Aus des dumpfen Grabes Banden.
Wie sie leis hervor sich drängen
Und des Hügels Decke sprengen,
Ringet aus des Grabes Engen
Sich empor verschloßnes Leben;
Tod dem Raub muß wiedergeben,
Leben wiederkehrt zum Leben.
Also ist der Gott entstanden
Aus des dumpfen Grabes Banden.
 
 

Aegypten
 

Blau ist meines Himmels Bogen,
Ist von Regen nie umzogen,
Ist von Wolken nicht umspielt,
Nie vom Abendtau gekühlt.

Meine Bäche fließen träge,
Oft verschlungen auf dem Wege
Von der durstgen Steppe Sand
Bei des langen Mittags Brand.

Meine Sonn', ein gierig Feuer,
Nie gedämpft durch Nebelschleier,
Dringt durch Mark mir und Gebein
In das tiefste Leben ein.

Schwer entschlummert sind die Kräfte,
Aufgezehrt die Lebenssäfte;
Eingelullt in Fiebertraum
Fühl' ich noch mein Dasein kaum.
 
 

An Creuzer
 

Seh' ich das Spätrot, o Freund, tiefer erröten im Westen,
Ernsthaft lächelnd, voll Wehmut lächelnd und traurig verglimmen,
O dann muß ich es fragen, warum es so trüb wird und dunkel;
Aber es schweiget und weint perlenden Tau auf mich nieder.
 
 

Ariadne auf Naxos
 

Auf Naxos Felsen weint verlassen Minos Tochter.
Der Schönheit heisses Flehn erreicht der Götter Ohr.
Von seinem Thron herab senkt, Kronos Sohn, die Blitze,
Sie zur Unsterblichkeit in Wettern aufzuziehn.

Poseidon, Lieb entbrannt, eröffnet schon die Arme,
Umschlingen will er sie, mit seiner Fluthen Nacht.
Soll zur Unsterblichkeit nun Minos Tochter steigen?
Soll sie, den Schatten gleich, zum dunklen Orkus gehen?

Ariadne zögert nicht, sie stürzt sich in die Fluthen:
Betrogner Liebe Schmerz soll nicht unsterblich seyn!
Zum Götterloos hinauf mag sich der Gram nicht drängen,
Des Herzens Wunde hüllt sich gern in Gräbernacht.
 
 

Buonaparte in Egypten
 

Aus dem Schoos der Nacht entwindet mühesam die Dämmerung sich,
Und der Dämmerung Gebilde löset einst des Tages Licht.
Endlich fliehet die Nacht! und herrlicher Morgen
Golden entsteigst du dem bläulichten Bette der Tiefe
Und erleuchtest das dunkle Land wo der Vorzeit
Erster Funke geglüht, wo Licht dem Dunkel entwunden.
Früh gelodert im Schutze der mystischen Schleier
Dann auf lange entfloh und ferne Zonen erleuchtet. -
Ewig weicht sie doch nicht vom heimischen Lande
Die Flamme, sie kehret mit hochaufloderndem Glanz hin.
Alle Bande der Knechtschaft löset die Freiheit,
Der Begeisterung Funke erwekt die Söhne Egyptens. -
Wer bewirkt die Erscheinung? Wer ruft der Vorwelt
Tage zurük? Er reiset Hüll und Ketten vom Bilde
Jener Isis, die der Vergangenheit Räthsel
Dasteht, ein Denkmal vergessener Weisheit der Urwelt?
Bonaparte ist's, Italiens Erobrer,
Frankreichs Liebling, die Säule der würdigeren Freiheit
Rufet er der Vorzeit Begeisterung zurüke
Zeiget dem erschlaften Jahrhunderte römische Kraft. -
Möge dem Helden das Werk gelingen Völker
Zu beglükken, möge der schöne Morgen der Freiheit
Sich entwinden der Dämmerung finsterem Schoose.
Möge der späte Enkel sich freuen der labenden
Der gereiften Frucht, die mit Todesgefahren
In dem schrecklichen Kampf mit finsterem Wahn, der Menge
Irrthum, der großen Härte, des Volks Verblendung
Blutige Thränen vergiesend die leidende Menschheit
Zitternd in dieses Jahrhundert Laufe gepflanzt.
 
 

Der Kaukasus
 

Mir zu Häupten Wolken wandeln,
Mir zur Seite Luft verwehet,
Wellen mir den Fluß umspielen,
Türmn sich und brausen, sinken. -
Meine Schläfe Jahr' umgaukeln,
Sommer, Frühling, Winter kamen,
Frühling mich nicht grün bekleidet,
Sommer hat mich nicht entzündet,
Winter nicht mein Haupt gewandelt.
Hoch mein Gipfel über Wolken
Eingetaucht in ew'gen Aether
Freuet sich des steten Lebens.
 
 

Der Kuß im Traume
 

Es hat ein Kuß mir Leben eingehaucht,
Gestillet meines Busens tiefstes Schmachten.
Komm, Dunkelheit! mich traulich zu umnachten,
Daß neue Wonnen meine Lippe saugt.

In Träume war solch Leben eingetaucht,
Drum leb' ich, ewig Träume zu betrachten,
Kann aller andern Freuden Glanz verachten,
Weil nur die Nacht so süßen Balsam haucht.

Der Tag ist karg an liebesüßen Wonnen,
Es schmerzt mich seines Lichtes eitles Prangen
Und mich verzehren seiner Sonne Gluthen.

Drum birg dich Aug' dem Glanze irrd'scher Sonnen!
Hüll' dich in Nacht, sie stillet dein Verlangen
Und heilt den Schmerz, wie Lethes kühle Fluthen.
 
 

Der Luftschiffer
 

Gefahren bin ich im schwankenden Kahne
Auf dem blaulichen Ozeane,
Der die leuchtenden Sterne umfließt,
Habe die himmlischen Mächte begrüßt.
War in ihrer Betrachtung versunken,
Habe den ewigen Äther getrunken,
Habe dem Irdischen ganz mich entwandt,
Droben die Schriften der Sterne erkannt
Und in ihrem Kreisen und Drehen
Bildlich den heiligen Rhythmus gesehen,
Der gewaltig auch jeglichen Klang
Reißt zu des Wohllauts wogendem Drang.
Aber ach! es ziehet mich hernieder,
Nebel überschleiert meinen Blick,
Und der Erde Grenzen seh ich wieder,
Wolken treiben mich zurück.
Wehe! das Gesetzt der Schwere
Es behauptet nur sein Recht,
Keiner darf sich ihm entziehen
Von dem irdischen Geschlecht.
 
 

Der Nil
 

Aber ich stürze von Bergen hernieder,
Wo mich der Regen des Himmels gekühlt,
Tränke erbarmend die lechzenden Brüder,
Daß sich ihr brennendes Bette erfüllt.

Jauchzend begrüßen mich alle die Quelle,
Kühlend umfange ich, Erde, auch dich;
Leben erschwellt mir die Tropfen, die Wellen,
Leben dir spendend umarme ich dich.

Teueres Land du! Gebärerin Erde!
Nimm nun den Sohn auch, den liebenden, auf,
Du, die in Klüften gebar mich und nährte,
Nimm jetzt, o Mutter! den Sehnenden auf.
 
 

Die Bande der Liebe
 

Ach! mein Geliebter ist tot, er wandelt im Lande der Schatten,
Sterne leuchten ihm nicht, ihm erglänzt kein Tag
Und ihm schweigt die Geschichte; das Schicksal der Zeiten
Gehet den mächtigen Gang, doch ihn erwecket es nicht;
Alles starb mit ihm, mir ist er doch nicht gestorben,
Denn ein ewiges Band eint mir noch immer den Freund.
Liebe heißet dies Band, das an den Tag mir geknüpft
Hat die erebische Nacht, Tod mit dem Leben vereint.
Ja, ich kenne ein Land, wo Tote zu Lebenden reden,
Wo sie, dem Orkus entflohn, wieder sich freuen des Lichts,
Wo, von Erinnerungen geweckt, sie auferstehn von den Toten,
Wo ein irdisches Licht glühet im Leichengewand.
Seliges Land der Träume! wo mit Lebendigen Tote
Wandeln, im Dämmerschein, freuen des Daseins sich noch.
Dort, in dem glücklichen Land, begegnet mir wieder die Teure,
Freuet, der Liebe, sich meiner Umarmung noch;
Und ich hauche die Kraft der Jugend dann in den Schatten,
Daß ein lebendig Rot wieder die Wange ihm färbt,
Daß die erstarreten Pulse vom warmen Hauche sich regen,
Und der Liebe Gefühl wieder den Busen ihm hebt.
Darum frage nicht, Gespielin, was ich so bebe?
Warum das rosige Rot löscht ein ertötendes Blaß?
Teil ich mein Leben doch mit unterirdischem Schatten,
Meiner Jugend Kraft schlürfen sie gierig mir aus.
 
 

Die eine Klage
 

Wer die tiefste aller Wunden
Hat in Geist und Sinn empfunden
Bittrer Trennung Schmerz;
Wer geliebt was er verlohren,
Lassen muß was er erkohren,
Das geliebte Herz,

Der versteht in Lust die Thränen
Und der Liebe ewig Sehnen
Eins in Zwei zu sein,
Eins im Andern sich zu finden,
Daß der Zweiheit Gränzen schwinden
Und des Daseins Pein.

Wer so ganz in Herz und Sinnen
Konnt' ein Wesen liebgewinnen
O! den tröstet's nicht
Daß für Freuden, die verlohren,
Neue werden neu gebohren:
Jene sind's doch nicht.

Das geliebte, süße Leben,
Dieses Nehmen und dies Geben,
Wort und Sinn und Blick,
Dieses Suchen und dies Finden,
Dieses Denken und Empfinden
Giebt kein Gott zurück.
 
 

Die malabarischen Witwen
 

Zum Flammentode gehn an Industranden
Mit dem Gemahl, in Jugenherrlichkeit,
Die Fragen, ohne Zagen, ohne Leid,
Geschmücket festlich, wie in Brautgewanden.

Die Sitte hat der Liebe Sinn verstanden,
Sie von der Trennung harter Schmach befreit,
Zu ihrem Priester selbst den Tod geweiht,
Unsterblich gegeben ihren Banden.

Nicht Trennung ferner solchem Bunde droht,
Denn die vorhin entzweiten Liebesflammen
In einer schlagen brünstig sie zusammen.

Zur süßen Liebesfeyer wir der Tod,
Vereinet die getrennten Elemente,
Zum Lebensgipfel wird des Daseins Ende.
 
 

Einer nur
 

Einer nur und Einer dienen
Das ermüdet meine Seele.
Rosen nur und immer Rosen
Andere Blumen blühen noch bunter;
Wie die Bienen will ich schwärmen
Mich in Trauben Glut berauschen,
In der Lilie Weiß mich kühlen,
Ruhen in der Nacht der Büsche.
....................................
Wehe, wer mit engem Sinne
Einem, nur sich Einem weihet:
Schmachvoll rächt sich an dem Armen
Alles was er streng verschmähet!
Nicht zur Heimat wird die Weite,
Ungestaltet in die Ferne,
Aufgelöst in leeres Sehnen
Wird der Inhalt so des Lebens.
Schön ist was sich grenzt und g'nüget,
Treu um eines sich beweget
An dem Einen sich erneuet,
Wie des Pulses rege Schläge
Stets sich um das Herz bewegen,
Stets zum Herzen wiederkehren
Stets am Herzen sich erneuen
Sich an seiner Glut entzünden ...
 
 

Gebet an den Schutzheiligen
 

Den Königen aus Morgenlanden
Ging einst ein hell Gestirn voran
Und führte treu sie ferne Pfade,
Bis sie das Haus des Heilands sah'n.

So leuchte über meinem Leben,
Laß glaubensvoll nach dir mich schaun,
In Qualen, Tod und in Gefahren
Laß mich auf deine Liebe traun.

Mein Auge hab ich abgewendet
Von allem, was die Erde gibt,
Und über alles, was sie bietet,
Hab ich dich, Trost und Heil geliebt.

Dir leb ich und dir werd ich sterben,
Drum lasse meine Seele nicht
Und sende in des Lebens Dunkel
Mir deiner Liebe tröstlich Licht.

O leuchte über meinem Leben!
Ein Morgenstern der Heimat mir,
Und führe mich den Weg zum Frieden,
Denn Gottes Friede ist in dir.

Laß nichts die tiefe Andacht stören,
Das fromme Lieben, das dich meint,
Das, ob auch Zeit und Welt uns trennen,
Mich ewig doch mit dir vereint.

Da du erbarmet mich erkoren,
Verlasse meine Seele nicht,
O Trost und Freude! Quell des Heiles!
Laß mich nicht einsam, liebes Licht!
 
 

Hochroth
 

Du innig Roth,
Bis an den Tod
Soll mein Lieb Dir gleichen,
Soll nimmer bleichen,
Bis an den Tod,
Du glühend Roth,
Soll sie Dir gleichen.
 
 

Ist Alles stumm und leer
 

Ist Alles stumm und leer.
Nichts macht mir Freude mehr;
Düfte sie düften nicht,
Lüfte sie lüften nicht,
Mein Herz so schwer!

Ist Alles so öd und hin,
Bange mein Geist und Sinn,
Wollte, nicht weiß ich was
Jagt mich ohne Unterlaß
Wüßt ich wohin? -

Ein Bild von Meisterhand
Hat mir den Sinn gebannt
Seit ich das Holde sah
Ists fern und ewig nah
Mir anverwandt. -

Ein Klang im Herzen ruht,
Der noch erfüllt den Muth
Wie Flötenhauch ein Wort,
Tönet noch leise fort,
Stillt Thränenfluth.

Frühlinges Blumen treu,
Kommn zurück aufs Neu,
Nicht so der Liebe Glück
Ach es kommt nicht zurück
Schön doch nicht treu.

Kann Lieb so unlieb sein,
von mir so fern was mein? -
Kann Lust so schmerzlich sein
Untreu so herzlich sein? -
O Wonn' o Pein!

Phönix der Lieblichkeit
Dich trägt dein Fittig weit
Hin zu der Sonne Strahl -
Ach was ist dir zumal
Mein einsam Leid?
 
 

Liebe
 

O reiche Armuth! Gebend, seliges Empfangen!
In Zagheit Muth! in Freiheit doch gefangen.
In Stummheit Sprache,
Schüchtern bei Tage
Siegend mit zaghaftem Bangen.

Lebendiger Tod, im Einen sel'ges Leben
Schwelgend in Noth, im Widerstand ergeben,
Genießend schmachtend,
Nie satt betrachten
Leben im Traum und doppelt Leben.
 
 

Novalis
 

Novalis, deinen heil'gen Seherblicken
Sind aufgeschlossen aller Welten Räume,
Dir offenbart sich weihend das Gemeine,
Du schaust es in prophetischem Entzücken.

Du siehst der Dinge zukunftsvolle Keime
Und zu des Weltalls ewigen Geschicken,
Die gern dem Aug' der Menschen sich entrücken,
Wirst du geführt durch ahndungsvolle Träume.

Du siehst das Recht, das Wahre, Schöne siegen,
Die Zeit sich selbst im Ewigen zernichten
Und Eros ruhend sich dem Weltall fügen;

So hat der Weltgeist liebend sich vertrauet
Und offenbart in Novalis Dichten,
Und wie Narziß in sich verliebt geschauet.
 
 

Schicksal und Bestimmung

                       an Charlotte

Blumen flecht' ich scherzend nicht für dich zum Kranze,
Und mein Rhythmus weiht sich nicht zum leichten Tanze,
Von Bestimmung re' er ernste Worte dir.

Hoffend, wünschend, suchst du - doch vernimm die Lehre,
Wenn dem Herzen jeder Wunsch befriedigt wäre,
Ungestillet bleibt das Sehnen deiner Brust.

Keins von allen Gütern dieser weiten Erde,
Keines! dem nicht Schmerz und Reue sei Gefährte,
Ueberall verfolgt die Plagegöttin dich.

Freundschaft, Liebe winken freundlich aus der Ferne,
Wie am Horizonte hell die Brüder Sterne,
Doch das eherne Geschick verschont dich nicht.

Reißt dich fremde Schuld nicht von verbund'nen Herzen,
Ha! so fühlst du's spät, durch tief're Schmerzen,
Eigner Wahn zerriß der Erde schönstes Band.

Drum entsage willig auch dem liebsten Gute,
Daß dein oft getäuschtes Herz nicht schmerzlich blute.
Edlerm Streben spare deines Geistes Kraft.

Folge nur der Pflicht, ob sie am ödsten Strande
Einsam, ungeliebt und unbeweint dich bannte:
Deiner Götter Abkunft Siegel ist sie dir.

Tugend ist das Ziel, nach dem die Millionen
Geister, die den ungemess'nen Raum bewohnen,
Ringen zur Vollendung und zur Göttlichkeit.

Wie Planeten um die Sonn' in ew'gen Kreisen,
Eilen sie auf Millionen Weg' und Weisen
Hin zum Ideale der Vollkommenheit.

Blicke stolz hinauf zum herrlich hohen Ziele,
Dräng' ihm zu, und wankst du, irret auch dein Wille,
Deiner Würd' und Freiheit bleibst du dir bewußt.

Zwar im Kampfe wird noch deine Kraft ermüden,
Schwache Erdentugend gibt dem Geist nicht Frieden,
Dennoch deinem Ideale naht sie dich.

Laß denn immerhin die Göttin Schicksal walten,
Ob sich dunkle Wolken gegen dich auch ballten,
Groß und ruhig siehst du ihrem Gange zu.
 
 

Überall Liebe
 

Kann ich im Herzen heiße Wünsche tragen?
Dabei des Lebens Blütenkränze sehn,
Und unbekränzt daran vorübergehn,
Und muß ich trauernd nicht in mir verzagen?

Soll frevelnd ich dem liebsten Wunsch entsagen?
Soll mutig ich zum Schattenreiche gehn?
Um andre Freuden, andre Götter flehn,
Nach neuen Wonnen bei den Toten fragen?

Ich stieg hinab, doch auch in Plutons Reichen,
Im Schoß der Nächte, brennt der Liebe Glut,
Daß sehnend Schatten sich zu Schatten neigen.

Verloren ist, wen Liebe nicht beglücket,
Und stieg er auch hinab zur styg'schen Flut,
Im Glanz der Himmel blieb er unentzücket.
 
 

Verschiedene Offenbarungen des Göttlichen
 

Zum Menschen schwebte sonst der Geist des Herr hernieder,
Mit Menschen wandelt' er nach Menschensitte
Und er erhörte frommer Beter Bitte.
Zu Mose sprach der Geist, errette deine Brüder.
Propheten schauten ihn in seiner Himmel Pracht.
Zu Samuel sprach er in heil'ger Träume Nacht.
So hat im Alterthum sich Gott geoffenbahret,
Doch allen nicht, und wenig Auserwählten nur.
Denn fremd war Göttliches der menschlichen Natur,
Mit Christus stieg das Reich des Göttlichen hernieder,
Das Unsichtbare offenbahrt dem Menschen sich,
Dem Pilger öffnen nun des Himmels Thore sich.
Das unsichtbare Reich schließt sich uns nimmer wieder,
Denn durch der frommen Liebe heiliges Band
Knüpft Christus uns an jenes bessere Land.
 
 

Vorzeit, und neue Zeit
 

Ein schmahler rauher Pfad schien sonst die Erde.
Und auf den Bergen glänzt der Himmel über ihr,
Ein Abgrund ihr zur Seite war die Hölle,
Und Pfade führten in den Himmel und zur Hölle.

Doch alles ist ganz anders jetzt geworden,
Der Himmel ist gestürzt, der Abgrund ausgefüllt,
Und mit Vernunft bedeckt, und sehr bequem zum gehen.

Des Glaubens Höhen sind nun demolieret.
Und auf der flachen Erde schreitet der Verstand,
Und misset alles aus, nach Klafter und nach Schuen.
 
 

Wunsch
 

Ja Quitos Hand, hat meine Hand berühret
Und freundlich zu den Lippen sie geführet,
An meinem Busen hat sein Haupt geruht.

Da fühlt ich tief ein liebend fromm Ergeben.
Mußt ich dich überleben, schönes Leben?
Noch Zukunft haben, da du keine hast?

Im Zeitenstrome wirst du mir erbleichen,
Stürb ich mit dir, wie bei der Sonne Neigen
Die Farben all' in dunkler Nacht vergehen.
 
 

Zueignung
 

Ich habe dir in ernsten stillen Stunden,
Betrachtungsvoll in heil'ger Einsamkeit,
Die Blumen dieser und vergangner Zeit,
Die mir erblüht, zu einem Kranz gewunden.

Von Dir, ich weiß es, wird der Sinn empfunden,
Der in des Blüthenkelchs Verschwiegenheit
Nur sichtbar wird dem Auge, das geweiht
Im Farbenspiel den stillen Geist gefunden.

Es flechten Mädchen so im Orient
Den bunten Kranz; daß vielen er gefalle,
Wetteifern unter sich die Blumen alle.

Doch Einer ihren tiefern Sinn erkennt,
Ihm sind Symbole sie nur, äußre Zeichen;
Sie reden ihm, obgleich sie alle schweigen.
 
 

Des Knaben Abendgruss
 

Mitternacht! Mitternacht!
Ich bin erwacht,
Der Mondenschein
Schaut hell herein
In mein Kämmerlein;
Da muß ich traurig sein.
Denn sonst im Mondenschein
War mit mir am Fensterlein
Ein lieblich Mägdelein.
Nun muß ich traurig sein,
Weil jetzt im Mondenschein
Ich bin allein.
 
 

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