4. Rücktrittserklärung Raoul Vaneigems

Genossen!

Die Richtung, die sich am 11. November 1970 in der französischen Sektion gebildet hat, hat das Verdienst, die letzte Abstraktion zu sein, die in der, für die und im Namen der S.I. formuliert werden konnte. Wenn auch wahr ist, daß die Gruppe nie mehr war als die Summe der, sehr ungleichmäßig verteilten Fähigkeiten und Schwächen ihrer Mitglieder, so gibt es doch in diesem Moment, der uns beschäftigt, keine scheinbare Gemeinschaft mehr und auch keine Richtung, die darüber hinwegtäuschen könnte, daß jeder allein für sich selbst einzustehen hat. Wie konnte sich das, was an Leidenschaftlichkeit in dem Bewußtsein eines gemeinsamen Projekts vorhanden war, in ein Unbehagen verwandeln, zusammen zu sein? Das werden die Historiker feststellen. Ich fühle mich nicht zum Historiker berufen und auch nicht zum Denker — mit oder ohne Pension —‚ um Veteran zu werden. Zudem wäre die leichte Analyse der geringen Durchsetzung der situationistischen Theorie im Arbeitermilieu und der geringen Durchsetzung der Arbeiter im situationistischen Milieu augenblicklich lediglich ein Vorwand für das falsche gute Gewissen unseres Scheiterns.
Doch zweifellos muß ich, um endlich konkret zu sein — denn es gibt keine konkrete Antwort außerhalb des Beweises, den Jeder für das liefern muß, was er wirklich ist —‚ eher von meinem Scheitern sprechen. Bisher habe ich immer sehr leichtfertig den Genossen oder Ex-Genossen der S.I. zumindest ebenso große Fähigkeiten wie Redlichkeit zugeschrieben, wie ich sie in mir selbst erkannte, und habe mir dabei gleichzeitig über die anderen und über mich selbst Illusionen gemacht. Ich ermesse sehr wohl, was eine solche Haltung widersprüchlich in der Internationalen an mehr oder weniger geschickten, aber stets widerwärtigen taktischen Manövern hervorrufen konnte, Das heißt, daß die individuelle Geschichte der Genossen, die meinige und die kollektive Geschichte mit auf meinen Irrtümern und meinen richtigen Entscheidungen beruhen (Ich weise mit aller Deutlichkeit darauf hin, daß ich jedem ins Gesicht spucke, der mir jetzt oder später irgendwelche verborgenen Absichten unterstellt, in dem kritischen guten Glauben, der sich so häufig nachträglich eingestellt hat.)
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt genügt mir die Feststellung, daß es mir nicht gelungen ist, eine Bewegung voranzutreiben, die ich stets für die Bedingungen meiner Radikalität gehalten habe. Es hieße, die Naivität selbst zu entwaffnen, wollte ich eine Gruppe noch retten, um mich selbst zu retten, wo ich doch aus ihr nichts von dem zu machen wußte, was ich wirklich wollte, das sie war. Ich ziehe es daher vor von neuem die Wette aufzunehmen, die mein Beitritt zu der S.I. lediglich verschoben hat: mich absolut zu verlieren oder absolut meinen eigenen Zusammenhang neu herzustellen und ihn allein neu herzustellen, um ihn zusammen mit der großen Mehrzahl neu herzustellen.
Doch bevor ich es der Revolution überlasse, die Ihrigen zu erkennen, lege ich von heute an Wert darauf, daß auf mich die Forderungen Anwendung finden, die ich für die autonomen Gruppen formuliert habe: ich werde Kontakt mit den Genossen, die es möchten, und die ich wiedersehen möchte, nur bei dem tatsächlichen Erfolg einer revolutionären Agitation wiederaufnehmen, die mein Geschmack an der radikalen Lust vorzunehmen versteht.
Sollte die Richtung jedoch — ohne weiteren Beweis — ihre Kritik für an sich begründet genug halten, um die französische Sektion neuzubilden, hat sie mich sofort als zurückgetreten zu betrachten mit den Konsequenzen, die ich akzeptiere, uns nie wiederzusehen.