"Der Bund" 26. Juli 1880

Schrecklicher Seeunfall auf dem Bielersee! - Stop - viele Tote - Stop - 2 Überlebende - Stop - Taucher angefordert - Stop - Wrack wurde geborgen - Stop -

Seeunfall

Die Stadt Biel ist gestern von einem furchtbaren Unglück heimgesucht worden, unsere Bevölkerung befindet sich in einer ungeheuren Aufregung. Der kleine Schraubendampfer "Neptun", etwa 20-22 Personen haltend, wurde von der Insel heimkehrend, gegen Tüscherz hin, von einem heftigen Sturme plötzlich überfallen, von demselben umgeworfen und sank. 14 Personen die sich in der Kajüte befanden, und der Führer des Dampfers liegen ertrunken im Schiffe auf dem Grund des Sees, der dort gegen 200 Fuss tief sein soll. Nur zwei Herren, die sich oben auf dem kleinen Verdecke befanden und welche vom Schiffe in den See hinausgeschleudert wurden, konnten sich an der Schaluppe, die das Schiff mit sich führte, festklammern und wurden gerettet. Unter den Ertrunkenen befanden sich 5 Männer samt Frauen, alle in Biel anwohnend und sich allgemeiner Achtung und Beliebtheit erfreund. Zur Hebung des Schiffes und der Leichen hat man sich telegraphisch um Taucher und Apparate nach Zürich und Genf gewandt.

Von anderer Seite erhalten wir aus Biel folgende verdankenswerten Mittheilungen: Schreckliches Unglück auf dem Bielersee. Gestern machten folgende Personen auf der kleinen Dampfyacht eine Vergnügungsfahrt auf dem See. Abends auf der Heimreise von dem schrecklichen Sturme überrascht, schlug die Yacht um und begrub die sämtlichen Personen, die da sind: Herr und Frau Fritz Eberhard, Bankier; Herr und Frau E(?) Zigerli, Oberlehrer; Herr und Frau Hunziker-Seitz vom Hause Montandon; Herr und Frau J. Schneider-Lanz, Gaveur; Herr und Frau G. Gerber-Jossi, Lehrer; Frau Tschantre-Lanz, Negotiant; Frau Engel-Deutsch, Eisennegotioant; Fräulein Zigerli, Lehrerin, Fräulein Jester, Lehrerin; Maschinist Affolter. Die Herren Engel und Tschantre konnten sich retten.

Nach weiteren Erkundigungen kehrte der "Neptun" von Auvernier heim (.....) und ereignete sich das Unglück oberhalb Tüscherz, wo wahrscheinlich das Schiff Zuflucht vor dem Sturme suchte, zwischen 8 und 8½ Uhr. Bis jetzt wurde die Leiche des Herrn Zigerli aus dem Wasser gezogen. Die zwei Geretteten, Eisenhändler Engel und Negotiant Tschantre, welche erst in einer geschlossenen Kabine und dann auf dem Deck waren, hielten sich an dem mitgeführten Schiffchen fest, bis beherzte Männer von Tüscherz, welche das Unglück sahen, heranfuhren und sie aufnahmen. Das Schiff soll gehoben werden; der See ist an der Unglückstelle tief. Die Verunglückten sind alles beliebte noch jüngere3 Leute.

 

Nachtrag:

Die Neptun würde 1875 von der Firma Gebr. Sulzer in Winterthur gebaut. Der Schraubendampfer fuhr als "Schwalbe" auf dem Vierwaldstättersee. 1879/80 kam das Schiff auf den Bielersee und wurde umgetauft. Das Deck war 10m lang und 2m breit. Die Dampfmaschine hatte eine Leistung von 10PS.

Das kleine Freibord und die un-unterteilte Schiffschale und der einbrechende Sturm führte zum oben beschriebenen Unglück.

Ein Notar Favre in La Neveville erfand einen Zangen-Apparat der vom Ingenieur Wolf aus Nidau erbaut wurde. Mit diesem gelingt am 25.August die Bergung des Schiffes aus 45m Tiefe. Das nur wenig beschädigte Schiff kommt auf dem Bielersee nicht mehr in Dienst, sondern wird nach Strassburg verkauft, wo es noch lange gute Dienste geleistet haben soll.

Mehr über dieses Boot ist leider nicht in Erfahrung zu bringen....

Quelle: Die Geschichte der Schiffahrt auf den Juragewässern, Erich Liechti, Jürg Meister, Josef Gwerder, Verlag Meier

 

1) Man beachte die Reihenfolge der Passagierliste: vom Bankier, Oberlehrer, Lehrer bis zum Maschinisten...

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Nachtrag: Am 23. Juli 1999 ist ein wunderbarer Bildband von Flavia Tavaglini erschienen. Wer interesse daran hat kann sich mit mir in Verbindung setzen!

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