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4.6. Meine erste Schulreise
Damit jeder Schüler einmal in den Genuss einer grösseren Schulreise kam, war es in Aeschlen seit Jahrzehnten Tradition, dass jedes dritte Jahr mit der 7. bis 9. Klasse eine zweitägige Schulreise durchgeführt wurde. Das ist übrigens noch heute so. Nun musste ich schon in meinem ersten Amtsjahr zwei Schulreisen organisieren: Mit den kleineren Schülern eine eintägige und mit den oberen eine zweitägige. Die kleine Exkursion ist mir nicht mehr in Erinnerung, doch die grosse zweitägige, die vergesse ich sicher nie mehr. Da ich als Junglehrer noch keine Erfahrung mit Schulreisen hatte, schlug ich der Schulkommission einen Ausflug  ins Wallis vor, denn ich kannte aus meiner eigenen Schulzeit den Gemmi-Pass und auch Leukerbad. So musste ich diese Reise nicht vorab selber rekognoszieren. Mein Vorschlag wurde in einer Sitzung genehmigt. Nun musste nur noch der Tag bestimmt werden. Präsident Fritz Reusser bot sich an, uns ins Wallis zu begleiten.
Als wir in Kandersteg aus der BLS stiegen, goss es in Strömen. Wir überlegten uns, ob wir die Reise abbrechen und auf einen schöneren Tag verschieben wollten. Da alle Schüler einen guten Regenschutz im Rucksack hatten, entschlossen wir uns, den Aufstieg auf den Stock zu wagen. (Eine Seilbahn gab es damals noch nicht.) Nach dem Berghaus Schwarenbach, dem Taubensee entlang wehte uns der Wind den Regen waagrecht ins Gesicht. Im kalten Schweiss gebadet und auch von aussen nass, kämpften wir uns durch bis zum Gemmipass. Obschon die Schulreise nicht viel kosten durfte, entschlossen wir uns dort den Schülern ein Glas heissen Tee zu bestellen. Ich hatte mich schon damit abgefunden, dass meine erste Schulreise buchstäblich "ins Wasser gefallen" war. Nachdem wir uns etwas erwärmt hatten, wollten wir den Abstieg in Angriff nehmen. In unseren Köpfen machte sich dabei der Gedanke breit, sofort nach Leukerbad zu wandern und dort den nächsten Zug nach Hause zu besteigen. Aber, es kam anders als wir dachten. Schon nach den ersten Schritten öffnete sich vor uns das Wallis in seiner ganzen Pracht bei strahlendem Sonnenschein. Wer das nicht erlebt hat, kann sich unsere Gefühle auch nicht vorstellen. Wieder trocken, erfreut aber müde kamen wir nach dem steilen Abstieg in Leukerbad an. Dort richteten wir uns nach einem einfachen Nachtessen in einem Massenlager ein. Ruhen und schlafen wäre jetzt angesagt gewesen, aber...  Die meisten Schüler waren damals noch nie auswärts übernachtet. Von Heimweh möchte ich nicht sprechen, aber etwas Galgenhumor war doch zu erkennen. Einer der Knaben erklärte nämlich, jetzt seien wir im Chemmeribodenbad. Alle mussten herzhaft lachen. Um 10 Uhr gab ich zu bedenken, dass wir am zweiten Tag noch einiges vor hätten und bat um Nachtruhe. Es wurde tatsächlich still, bis einer das Wort "Chemmeribodenbad" von sich gab. Ein schallendes Gelächter erfüllte die Unterkunft. Kaum kamen die Schüler wieder zur Ruhe, tönte es ganz leise unter einer Wolldecke hervor: "Chemmeribodenbad". Wieder lachten alle. Dies wiederholte sich unaufhaltbar bis um Mitternacht: "Chemmeribodenbad", Gelächter, "Chemmeribodenbad", Gelächter... Einige Mädchen steckten ihren Kopf tief in die Decke und nach und nach lachten nur noch zwei Knaben, bis endlich die Müdigkeit auch diese übernahm.
Am nächsten Morgen bewunderten wir die alten hölzernen Walliserhäuser und die Speicher im Dorfe. Alle waren sehr beeindruckt. Es sieht dort ja wirklich ganz anders aus als bei uns im Emmental. Erst noch staunten die Schüler (aber auch Fritz Reusser), als wir in einer Wiese eine heisse Quelle entdeckten. Etwas weiter unten floss das Wässerchen in ein Fussbad mit einer hölzernen Sitzgelegenheit. Alle zogen rasch ihre Schuhe und Socken aus und tasteten mit den Zehen, ob es für den ganzen Fuss nicht zu heiss sei. Einige genossen die Wärme sofort, andere aber quietschten zuerst und wagten sich nur nach und nach in die Hitze.
Dieses Fussbad existiert schon lange nicht mehr. Ein modernes Thermalbad und vieles mehr ist inzwischen in Leukerbad entstanden. Nur eben, damals bauten sie dort nur, was sie auch bezahlen konnten.
Was wir weiter auf dieser Schulreise noch erlebt und gesehen haben, ist meiner Erinnerung entgangen. Wahrscheinlich lief eben alles so gut, dass es selbstverständlich und nicht so beeindruckend für mich war. Sicher wüssten die ehemaligen Schüler noch einiges zu erzählen.
Für mich ging diese Schulreise einfach als "Chemmeribodenbad-Reise" in die Geschichte ein.
Zum nächsten Kapitel: Das Examen

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