Aktuelle Meldungen bei MM-Physik 

25. Mai 2000 © email: Krahmer

20 Prozent weniger Studenten 
in technischen und naturwissenschaftlichen Fächern 
Pressemitteilung Akademie für Technikfolgenabschätzung 
in Baden-Württemberg, 09.Mai 2000
siehe auch
VDI-Präsident Prof. Hubertus Christ fordert eigenen Technik-Unterricht
nicht nur an den Hochschulen reagieren - nein
das Problem beginnt ganz unten- mm-physik
siehe dazu z.B. Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr
TA-Akademie untersuchte im Auftrag des Wissenschaftsministeriums Baden-Württemberg die Studien- und Berufswahl junger Menschen: Was zählt, sind persönliche Neigungen und Interessen und weniger die Berufschancen Ganze Branchen suchen nach Ingenieuren und Naturwissenschaftlern - aber der Arbeitsmarkt scheint leergefegt. Nicht genug damit: Auch in Baden-Württemberg gibt es immer weniger Studierende in natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fächern. In diesen Studiengängen nahm die Zahl der Studienanfänger an den Hochschulen des Landes zwischen 1994 und 1998 um 20 Prozent ab. So sank etwa die Zahl der Studienanfänger in den Fächern Physik/Astronomie und Bauwesen um jeweils 32 Prozent, in Chemie um 30 Prozent, in Mathematik um 24 Prozent und bei der Elektrotechnik um 21 Prozent. Zudem weisen diese Fächer hohe Zahlen von Studienabbrechern und -wechslern auf: So erwägt etwa jeder zweite Chemiestudent, sein Studium abzubrechen oder zu wechseln. Dies ergab eine Studie* der Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg (Stuttgart) im Auftrag des Wissenschaftsministeriums Baden-Württemberg. Die Studie dokumentiert, dass sich die Mehrheit der heutigen Abiturienten bei der Studien- und Berufswahl weder an gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Anforderungen noch an Karrierechancen orientiert. Entscheidend ist vor allem die Verwirklichung persönlicher und fachlicher Interessen. Knapp 90 Prozent der Abiturienten geht es deshalb darum, dass ihr Beruf "interessant" ist. Deutlich weniger träumen von hohem Einkommen (Frauen: 17 Prozent; Männer: 30 Prozent) oder gesellschaftlichem Nutzen (rund drei Prozent). Der Rückgang der Studienanfänger in technischen und naturwissenschaftlichen Fächern ist nach der Studie zur Hälfte auf die sinkenden Geburtenzahlen seit Mitte der 60er Jahre zurückzuführen. Dieser demographische Wandel betrifft zwar auch andere Studienfächer - nur "profitieren" Geistes- und Sozialwissenschaften vom überproportionalen Rückgang der Studienanfänger in den technischen Fächern. Doch auch das mangelnde Vertrauen junger Menschen in Arbeitsmarktprognosen beeinflusst die Studienwahl zuungunsten von Technik und Naturwissenschaft. So hält die Entlassungswelle, die Ingenieure und Techniker zu Beginn der 90er Jahre traf, von der Aufnahme eines Ingenieurstudiums ab. Nur elf Prozent der Schüler, die ein ingenieurwissenschaftliches Fach anstreben, begründen ihre Studienwahl mit guten Berufsaussichten - bei Interessenten für wirtschaftswissenschaftliche Fächer tun dies immerhin 26 Prozent. Skeptisch stimmt junge Menschen auch, dass Führungskräfte in der Wirtschaft zunehmend betriebswirtschaftliche und weniger technische Studien absolviert haben - und nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeit noch immer etwa 60.000 Ingenieure und rund 31.000 EDV-Spezialisten arbeitslos sind. Der Soziologe Dr. Michael Zwick von der TA-Akademie fragte unter anderem über 400 Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg danach, welche Faktoren ihre Studienentscheidung beeinflussen. Sein Fazit: Mehr als zwei Drittel aller Befragten machen die Studienfachwahl von persönlichen Neigungen und Begabungen abhängig. "Individuelle Motive stehen dem hohen Grad gesellschaftlicher Individualisierung entsprechend ganz oben", so Zwick. Wichtige Bezugspersonen wie Eltern und Lehrer empfehlen technische und naturwissenschaftliche Fächer eher selten. Wachsen junge Menschen zudem in einem Umfeld auf, das keine entsprechenden Anreize bietet, sinkt die Motivation zum Studium technischer und naturwissenschaftlicher Fächer noch mehr. Eine Rolle spielt dabei auch, dass die frühzeitige Vermittlung von Technik in unserer "vaterlosen Gesellschaft" immer mehr abnimmt: Väter sind häufig berufsbedingt abwesend, steigende Scheidungsraten führen zu immer mehr Ein-Eltern-Familien ohne Vater. Aber auch der mathematik- und theorielastige Physik- und Chemieunterricht in den klassischen Gymnasien schreckt von ingenieur- und naturwissenschaftlichen Studien ab: So nennen 30 Prozent der Abiturienten Physik als unbeliebtestes Schulfach, dicht gefolgt von Chemie. Dagegen stößt das - nur an technischen Gymnasien - unterrichtete Fach "Technik" auf fast ungeteilte Zustimmung. Außerdem kann von Technikfeindlichkeit bei jungen Leuten keine Rede sein: Über die Hälfte findet Sonnenenergie, Multimedia, Auto und Handy gut. 30 Prozent sind sogar ausgesprochen technikbegeistert, nur 22 Prozent bezeichnen sich als eher skeptisch. "Kommt die Schule dieser Einstellung entgegen, wie die Technischen Gymnasien, so wird die Neigung zu technischen und naturwissenschaftlichen Studien gefördert", so Prof. Dr. Ortwin Renn, Sprecher des Vorstandes der TA-Akademie. Zwar nahm in Baden-Württemberg die Zahl der Frauen, die ein ingenieurwissenschaftliches Fach studieren, leicht ab (1996: 6.175; 1998: 5.781) - dennoch gilt Technik nicht mehr als reine Männersache: Nur noch drei Prozent der Schüler und 21 Prozent der Schülerinnen sind der Meinung, dass Technik Männersache sei. Männlichen Schülern wird dabei von Eltern, Lehrern oder Ämtern häufiger ein ingenieurwissenschaftliches Studium nahegelegt als Mädchen - so rieten die Arbeitsämter nur 10 Prozent der ratsuchenden jungen Frauen, aber 30 Prozent der Männer zu einem ingenieurwissenschaftlichen Studium. Insgesamt liegt die Zahl der männlichen Schüler, die ein technisches Studium anstreben, rund zweieinhalbmal höher als die der Frauen. "In der Summe ergibt sich ein überraschend starker geschlechtsspezifischer Zugang zu technischen und naturwissenschaftlichen Studiengängen", resümiert Dr. Michael Zwick. Das Wissenschaftsministerium initiierte vor zwei Jahren eine Informationskampagne. Die Hochschulen des Landes beraten eingehend über Studienmöglichkeiten und -chancen in den Ingenieur- und Naturwissenschaften. Bereits Anfang 1998 hatte Wissenschaftsminister Klaus von Trotha einen Arbeitskreis "Nachwuchssituation im Ingenieur- und Informatikbereich" - unter anderem mit Vertretern der Wirtschaft - eingesetzt, der ein breites Maßnahmenbündel gegen den Mangel an Ingenieuren erarbeitete. Minister von Trotha: "Erfreulicherweise stieg die Zahl der Studienanfängerplätze in den Informatikstudiengängen an den Hochschulen und Berufsakademien in Baden-Württemberg zwischen 1996 und 1999 um mehr als 40 Prozent. Auch in den Jahren geringer Nachfrage seitens der Wirtschaft und der Studieninteressenten hat Baden-Württemberg die Kapazitäten in den Informatikstudiengängen nicht etwa vermindert, sondern zum Teil sogar ausgebaut." Da vor allem die Schule persönliche Neigungen und Vorlieben - auch die zu Technik und Naturwissenschaft - fördert oder abschwächt, schlagen die Autoren der Studie unter anderem vor, die Lehrpläne für naturwissenschaftliche Fächer an Gymnasien zu revidieren: weg von der theoretischen und mathematischen Abstraktion, hin zu mehr Anschaulichkeit und Experimentiermöglichkeiten. Auch eine flächendeckende Einführung des Faches "Technik" an allen Gymnasien - neben dem herkömmlichen Physikunterricht - könnte nach Ansicht der Wissenschaftler langfristig die Bereitschaft zu technischen Studiengängen fördern. Schließlich sollte auf überzogene und unkalkulierbare Leistungsanforderungen an den Universitäten verzichtet werden - überzogene Studienanforderungen und praxisferne Übungen sind nach der Studie Hauptgründe für den Abbruch des Studiums. Insgesamt hat jedoch die Technik in Baden-Württemberg einen guten Ruf. Wissenschaftsminister Klaus von Trotha: "Schon die 1998 von der TA-Akademie in unserem Auftrag erarbeitete Studie "Wahrnehmung und Bewertung von Technik in Baden-Württemberg" hat gezeigt, dass die Bevölkerung den Einsatz von Technik differenzierter und ausgewogener sieht als dies bisher vielfach angenommen wird."

*Zwick, Michael M. und Renn, Ortwin: "Die Attraktivität von technischen und naturwissenschaftlichen Fächern bei der Studien- und Berufswahl junger Frauen und Männer", (Präsentation der Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg) Die Studie kann für DM 15 bei der Akademie für Technikfolgenabschätzung bestellt werden: Fax 0711/9063-299 Ansprechpartner: Dr. Michael Zwick, Tel. 0711/9063-163


VDI-Präsident Prof. Hubertus Christ fordert eigenen Technik-Unterricht

Einen eigenständigen Technik-Unterricht neben den naturwissenschaftlichen Fächern wie Physik oder Mathematik hat der Präsident des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI), Prof. Hubertus Christ, auf der "Chemnitzer Industrie Kontakte" gefordert. Dieses Fach sei in Großbritannien und Frankreich schon lange üblich. Deutschland dürfe hier nicht den Anschluss verlieren. Ferner setzte er sich für eine Verkürzung der Schulzeit auf zwölf Jahre ein. Die Berufsaussichten für junge Ingenieure bezeichnete er als hervorragend. Die Industrie könne aber auch auf ausländische Fachkräfte nicht verzichten. Deshalb unterstütze der VDI die Green Card, so Christ weiter. Die Berufsaussichten für junge Ingenieure sind hervorragend. Das erklärte der VDI-Präsident Prof. Hubertus Christ kürzlich bei der "Chemnitzer Industrie Kontakte" (CIK 2000). Derzeit, so Christ, werden rund 60.000 Ingenieure pro Jahr benötigt. Dieser Trend werde auch in den kommenden Jahren anhalten. Weil die Zahl der Studienanfänger gesunken sei, könnten die Unis und Fachhochschulen aber nicht so viele Ingenieure bereit stellen. Der VDI unterstütze deshalb die Green Card und die Anwerbung ausländischer Fachkräfte. Deutschland mit seinem hohen Exportanteil müsse auch bereit sein, Arbeitskräfte zu importieren. Ausländische Ingenieure, die bei uns arbeiten, seien die besten Botschafter für deutsche Produkte. Weil die Zahl der Arbeitsplätze etwa im Maschinenbau in den neunziger Jahren um 16 Prozent abnahm, sei in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden, man brauche keine Ingenieure mehr. Tatsächlich sei aber in dieser Branche der Umsatz um 40 Prozent und die Zahl der Ingenieure um 30 Prozent gestiegen. Vor zehn Jahren waren dort nur acht von hundert Beschäftigten Ingenieure, heute sind es bereits zwölf. Christ räumte ein, dass die Verbände und auch der VDI dies in der Vergangenheit nicht genügend heraus gearbeitet hätten. Mittlerweile habe man aber reagiert und gemeinsam die Kampagne Think-Ing ins Leben gerufen, die auch im Internet vertreten ist (http://www.think-ing.de/). Sie soll helfen, junge Leute für den Ingenieurberuf zu interessieren und die Zahl der Studienanfänger wieder deutlich zu steigern. "Wir brauchen die Technik, um unseren Lebensstandard zu erhalten, und dazu brauchen wir Ingenieure," so Christ weiter. Der Ingenieur der Zukunft müsse nicht nur fachlich solide ausgebildet, sondern auch gesellschaftlich und sprachlich kompetent sein. Er müsse vernetzt denken und handeln können, seine Tätigkeit sei dynamisch und nicht statisch. Für die Schulen forderte er einen eigenständigen Technik-Unterricht, wie er in Großbritannien und Frankreich schon üblich sei. Der globale Wettbewerb sei mehr und mehr auch ein Wettbewerb zwischen verschiedenen Bildungssystemen. Hier dürfe Deutschland nicht den Anschluss verlieren. Dazu müsse der Unterricht auch gründlich entrümpelt werden - zwölf Jahre Schule seien genug. In diesem Zusammenhang ging Christ auch auf die 52.000 arbeitslosen Ingenieure ein. Zwar sei die Hälfte von ihnen bereits über 55 Jahre, dennoch sei die Situation untragbar. Doch auch hier helfe der VDI: Er vermittle seit kurzem arbeitslose Ingenieure in ein sechsmonatiges Praktikum, das bei Bewährung in eine Festanstellung übergeht. Die Erfolgsquote bezifferte Christ mit 60 Prozent. Die "Chemnitzer Industrie Kontakte" werden jedes Jahr vom Arbeitskreis Studenten und Jungingenieure des VDI an der TU Chemnitz organisiert. Dort stellen sich Unternehmen mit ihren beruflichen Perspektiven vor. Die TU Chemnitz war erst in vor kurzem in der Wochenzeitung "Die Zeit" als die "Perle der ostdeutschen Unis" bezeichnet worden.
Weitere Informationen finden Sie unter:
http://www.think-ing.de/
http://www.vdi.de/
Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr

 

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