Atom(ausstieg)
Blockaden auf der Castor-Strecke
Dannenberg - Kurz vor dem Beginn des bisher größten Transports von Atommüll in das Zwischenlager Gorleben (deutsches Bundesland Niedersachsen) haben Atom-Kraftwerksgegner am Sonntag bei Dannenberg die Transport-Route blockiert. Trotz des Demonstrationsverbotes besetzten bei Splietau mehrere hundert AKW-Gegner und Landwirte mit Traktoren die Straße von Gorleben nach Dannenberg. Nach Angaben der Einsatzleitung richtete dabei ein Polizeibeamter seine Dienstwaffe auf einen Landwirt, der mit dem Traktor auf die Straße fuhr.
"Das Wendland wird verrückt"
Man gehe nicht davon aus, dass der Beamte habe schießen
wollen, sagte ein Sprecher der Einsatzleitung in Lüneburg.
Der Vorfall werde untersucht. Möglicherweise habe sich der
Beamte durch den Traktorfahrer bedroht gefühlt. Nach Angaben
der Bürgerinitiative (BI) Lüchow-Dannenberg richtete
der Polizist, um eine Beteiligung des Bauern an der Blockade zu
verhindern, seine Dienstwaffe zunächst auf einen Reifen des
Traktors und anschließend auf den Fahrer.
Die AKW-Gegner im Landkreis Lüchow-Danennberg protestierten
seit Sonntagmittag unter dem Motto "Das Wendland wird verrückt"
zunächst mit symbolischen Dorfgründungen gegen den bevor
stehenden Transport von zwölf Castor-Behältern nach
Gorleben. Anti-AKW-Ortsgruppen und Bauern hätten entlang
der Castor-Route elf Dörfer mit Traktoraufmärschen und
Picknicken symbolisch neugegründet, sagte BI-Sprecher Francis
Althoff. An den Aktionen hätten sich mehr als 1.500 Menschen
aller Altersgruppen beteiligt. Aus zwei der symbolischen Gründungen
entstand am Sonntagabend die Straßenblockade bei Splietau.
Zeitgleich versammelten sich weiter östlich an der Castor-Strecke
500 Menschen zu einer Andacht.
Furcht vor Atommüll-Endlager
Der am Mittwoch in Dannenberg erwartete Transport soll nach Angaben
der Bürgerinitiative am Montagabend nahe der französischen
Wiederaufarbeitungsanlage La Hague starten. Mit den Protesten
wollen die Castor-Gegner auch auf die Folgen des Transports aufmerksam
machen. Die Bürgerinitiative befürchtet, dass jeder
weitere Transport in das Zwischenlager die Errichtung eines Atommüll-Endlagers
in Gorleben wahrscheinlicher macht.
Ziviler Ungehorsam
Die Kampagne "X-tausendmal quer" plant nach eigenen
Angaben auch bei diesem Castor-Transport wieder gewaltfreie Aktionen
zivilen Ungehorsams. Für den "Tag X" sei eine gewaltfreie
Sitzblockade auf der Straßenstrecke vorgesehen. Für
Montag habe sie "eine Demonstration gegen die Einschränkung
des Grundrechts auf freie Versammlung im Wendland" angemeldet.
Der Weg führt in das Gebiet entlang der Transportroute, in
dem Demonstrationen verboten worden sind.
APA/AP/ch
Lauterbourg/Gorleben - Zwölf Behälter mit Atommüll rollen seit Dienstag durch Deutschland. Der bisher größte Castor-Transport kommt von französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague und wird am Donnerstag im Zwischenlager Gorleben erwartet. Am Nachmittag überquerte der Zug mit den Behältern die deutsch-französische Grenze bei Lauterbourg. Nach zunächst problemloser Fahrt wurde der Transport am Abend in Mannheim vorübergehend von Demonstranten, die sich mit einem Rohr an die Schiene gekettet hatten, aufgehalten.
Festnahmen
Sie wurden losgeschweißt und von der Polizei festgenommen.
Fünf weitere Atomkraftgegner wurden festgenommen. Insgesamt
hatten rund 25 Personen den 600 Meter langen Zug mit etwa 1.300
Tonnen verglastem Atommüll an Bord aufgehalten. Der Zug setzte
seine Fahrt nach etwa 90 Minuten fort. Die Demonstranten benutzen
nach Angaben der Polizei die so genannte Kleingruppentaktik. Einen
ersten durch Blockade erzwungenen Stopp nutzten zwei Gegner aus,
um sich an die Schienen zu ketten.
Der Konvoi, der von einem massiven Polizeiaufgebot gesichert wird,
sollte am Mittwoch im niedersächsischen Wendland eintreffen.
Nach dem Umladen in Dannenberg soll er am Donnerstag an seinem
Zielort Gorleben, der mit der Bahn nicht erreichbar ist, eintreffen.
Vor allem diese letzten zwanzig Kilometer der Strecke, die mit
LKW-Tiefladern bestritten werden muss, gelten als problematisch.
Suche nach Endlager
Deutschlands Umweltminister (Grüne) verteidigte die derzeitigen
Castor-Transporte. "Ein Verschieben des Mülls ins Ausland
kommt für mich nicht in Frage", sagte Jürgen Trittin.
Gleichzeitig wies er den Vorwurf niedersächsischer Politiker
zurück, die Bundesregierung verschleppe die Suche nach einem
alternativen Standort für ein atomares Endlager. Er rechne
damit, dass es bis 2006 ein wissenschaftlich und rechtlich abgesichertes
Standort-Bestimmungsverfahren geben werde. Danach könne mit
der konkreten Suche begonnen werden. Der Arbeitskreis Auswahlverfahren
Endlager suche gerade nach geeigneten Kriterien für einen
Standort.
Ewiges Provisorium?
Die Bundesrepublik Deutschland hat nach wie vor kein Atommüll-Endlager.
Gorleben ist eines von zwei überregionalen Zwischenlagern.
Atom-Gegner befürchten, dass das Provisorium vollendete Tatsachen
schafft. Ein Salzstock unter dem Ort gilt als ein möglicher
Endlager-Standort. Deutschland muss in den nächsten Jahren
noch etwa 160 Behälter mit Atommüll aus La Hague und
der britischen Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield zurücknehmen.
Vom Jahr 2005 an soll deutscher Atommüll dann direkt bei
den 19 Kernkraftwerken zwischengelagert werden.