Frankfurt
Rechts und links Hochhäuser mit Firmenschildern auf Englisch, ein Wolkenkratzer vorne, auf drei Fahrspuren Luxusgeländewagen und gepanzerte Geldtransporter, im Radio amerikanische Nachrichten wäre das Taxi nicht ein Mercedes, man fühlte sich wie in Downtown Seattle oder Toronto. Aber es ist die Friedrich- Ebert- Straße, das Einfallstor vom Flughafen in die City von Frankfurt am Main. Sommer in der Stadt, deren Skyline sie zu "Mainhattan" macht. Unter den Hochhäusern auch grauweiße Zwillingstürme: Die Europäische Zentralbank. 48 Stockwerke hoch, ein Siebzigerjahre-Bau, billig im Vergleich zu den anderen, noch höheren Granit- und Glastürmen. Hier wird das handfesteste Symbol des geeinten Europa gestartet und gesteuert, der Euro. Und daneben werden die deutschen Finanzen verwaltet und vermehrt, in allen Währungen. Hier schlägt das Herz der drittgrößten Wirtschaftsmacht der Welt, ihr sensibelster Muskel, das Geld.
MULTIKULTURELL Doch die Hochhäuser sie stehen laut Frankfurter Allgemeiner Zeitung, der ersten Zeitung der Nation, vor starker Vermehrung bieten nur ein Bild der Stadt. Das berüchtigte Bahnhofsviertel wirkt noch immer schäbig. Der schöne Platz um die Hauptwache, das historische Zentrum, ist leer; an dem Sommertag stehen vor dem Geburtshaus von Deutschlands größtem Dichter Goethe abgesehen von einigen Japanern kaum Touristen. Und doch mischen sich Gesichter aus aller Welt mit den typisch deutschen. Sind doch offiziell 28 Prozent, inoffiziell mehr als 30 Prozent, der 650.000 Einwohner der Stadt Ausländer. Damit hat Frankfurt den höchsten Ausländeranteil Deutschlands und einen der höchsten Europas. Slawische Sprachen sind so häufig wie der weiche Lokaldialekt und die hohen Stimmen aus Fernost. Ununterscheidbare Skateboarder, amerikanisches Outfit, dunkle und blonde Köpfe die nächste Generation von Frankfurtern. Auch einen Block weiter, vor der Börse, der größten des Kontinents: Viel Internationalität, hier mit klar europäischem Anstrich.
FEILSCHEN Mittag auf dem Opernplatz, dem eindrucksvollsten der Stadt: Umgeben von den Schirmen der Bistros und Edelitaliener sonnt sich die Alte Oper, das vielleicht agilste Konzerthaus im Land; am Nebentisch feilschen deutsche Geschäftsleute um Millionenimmobilien; ein stetig von "Knete" redender Bentley-Besitzer beschimpft jemanden via Handy wegen liebloser Autowäsche; Japaner im geschlossenen Anzug reklamieren die total überhöhte Rechnung; blonde Sekretärinnen auf Mittagspause schlecken Eis. Der Terminkalender gestattet einen Museumsbesuch. Ein extravaganter Steg über den Main mit seinen brummenden Frachtkähnen leitet zum Städel'schen Museum, wo eine Vincent-van-Gogh-Ausstellung der Weltklasse lockt. Über internationales Publikum wachen freundliche junge Wärter, keiner ist deutscher Muttersprache. So verehrt die multikulturelle Gesellschaft ihre Ikonen. Nebenan warten die gemütlichen Äpplewoi-Stuben, die "Heurigen" Frankfurts. Dann geht es zurück zum Airport. In der riesigen Passage unter dem Hauptbahnhof sorgt eine Gruppe aggressiver Albaner für Nervosität. Blitzartig ist Polizei da und wieder Ruhe.
ORGANISIERT Zwölf Minuten braucht die Bahn zum Flughafen, dem zweitgrößten Europas. 130.000 Passagiere täglich genießen hier deutsche Organisation vom Feinsten, manchmal sogar garniert mit heimischer Gelassenheit. Amerikanische Hektik oder europäische Dynamik? Beides und mehr: "Mer Frankforder sin hald so!"
Reinhard Frauscher Frankfurt
Meinung von oskar, 2001-09-02 20:51
Die Stadt des EUROs
Insgesamt sehr gut beobachtet ! Ich verbringe Woche für Woche
3-4 Tage in dieser Metropole und könnte sie kaum besser beschreiben.
Doch wenn man diese Stadt einmal am Wochenende erleben "darf",
sieht die Sache ein wenig trostloser aus. Leere Straßen,
geschlossene Geschäfte, wenige geöffnete Lokale. Diese
Stadt ist nun mal ein einziger "Businesscontainer",
leben möchte ich dort sicherlich nie.
APA/jos