Randalismus

Neues Ausweis- und Passrecht beschlossen
Blickpunkt Bundestag vom 01.04.2000
GESETZENTWURF ANGENOMMEN

(in) Das Pass- und Personalausweisrecht wird geändert. Dies beschloss der Bundestag am 23. März, als er auf Empfehlung des Innenausschusses (14/2993) einem entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung (14/2726,14/2888) zustimmte. Mit der Änderung sollen notwendige Anpassungen und eine Verwaltungsvereinfachung erreicht werden. Auch soll durch eine Ausdehnung der Passbeschränkungen auf verbotswidrige Ausreisen das Rowdytum bei internationalen Sportveranstaltungen bekämpft werden. Erreicht wird dies durch klare Regelungen zum Eigentumsrecht der Bundesrepublik Deutschland am Pass und Personalausweis, durch eine Aufhebung der gesetzlichen Gebührenobergrenzen für die Ausstellung von Grenzübertrittspapieren und eine Strafbewehrung der so genannten passbeschränkenden Maßnahmen.

http://www.fussball-deutschland.de/buch.shtml

Vielen wird noch der Vorfall im französischen Lens vom 21. Juli 1998 in Erinnerung sein: Deutsche Hooligans greifen den französischen Gendarmen Daniel Nivel an, schlagen ihn brutal zusammen und lassen ihn mit schweren Verletzungen stark blutend liegen.


Das ist ein extremes Beispiel für die immer noch große Gefahr, die von Hooligans ausgeht. Ein anderes Risiko der deutschen (und internationalen) Hooligan-Szene ist die zunehmende Einflussnahme von Rechtsextremisten auf die ehemals Politisches nur als Provokation verwenden wollenden Hooligans.
Ein Beispiel dafür liefert die Analyse der Teilnehmerkreise einer verabredeten Schlacht nach Spielende, in der Szene als "dritte Halbzeit" betitelt, und zwar der am 15. Mai 1999 nach dem Spiel der Offenbacher Kickers gegen Waldhof Mannheim. Unter den Offenbacher Fussball-Schlägern ließen sich gut 100 Neonazis ausmachen, deren Äußeres auf Bestellungen beim Sturm-Versand, dessen Betreiber Christian Hehl ebenfalls in der Menge weilte, schließen ließ. Auf Mannheimer Seite trugen viele T-Shirts der Nazi-Band Screwdriver, deren Merchandising-Lizenz in Deutschland an Lars Schultz, Betreiber des Ladens Wayjard in Biebern, wo das Fussballspiel stattfand, vergeben ist. Eben dieser Lars Schultz war unter den Offenbacher Hooligans.


In Stadien der Amateurligen (Regional-Liga und darunter) stellen Hooligans mit ihren Verbindungen zu Rechtsextremen mittlerwiele einen Machtfaktor dar, stellenweise werden Nazis sogar ins Sicherheitskonzept des Stadions integriert, wie z. B. Frank Förster, Sohn eines REP-Funktionärs, Stadion-Ordner wurde. Die Fussball-Stadien stellen für Neonazis einen Freiraum dar, können sie sich doch hier nahezu ungestört treffen, ohne aus der Masse der Anderen heraus isoliert werden zu können. Füher traten sie noch in den Stadien der beiden Profi-Ligen auf, doch seit repressiver Massnahmen der Vereine (Stadionverbote) oder der Polizei (Meldeauflagen, Ingewahramnahmen) musste sich die Szene auf die Amateur-Fussball-Ligen-beschränken.

Rechte Organisationen profitieren vor allem von der Tatsache, das ein nationalistisch-autoritäres Weltbild das Ideal das "klassischen, unpolitischen Hooligans" verdrängt hat. So verbreiteten die NPD und die Republikaner im Wahlkampf zur Bundestagswahl 1998 ihre Propaganda vor dem Berliner Olympiastadion, dem Sitz von Hertha BSC. Was in der ersten Liga nur auf dem Papier gefordert wurde ("Deutschland den Deutschen" etc.), wurde dann in der dritten Liga beim Spiel des BFC Dynamo gegen Türkyemspor Berlin versucht, in die Tat umzusetzen: Schon während des Spiels wurden massiv rassistische Sprechchöre gerufen, nach dem Spiel kam es dann vereinzelt zu Jagdszenen auf türkische Spieler und Fans.

Es mag vieleicht übertrieben erscheinen, von festen Neonazi-Stukturen unter Hooligans zu sprechen, doch das große Organisierungspotential, hervorgerufen auch durch verstärkte Nutzung moderner Kommunikationsmedien, und die hohe Gewaltbereitschaft sind ein Sicherheitsrisiko für jeden anders denkenden Fussball-Fan oder ausländischen Mitbürger. Desweiteren hat die Tat von Lens gezeigt, dass sicherheitspolizeiliche Massnahmen oft nicht ausreichen, wo viele Hooligans zusammentreffen.



"Sie haben nicht mehr das, was man Moral nennt":

Wütende holländische Hooligans in der Innenstadt von Rotterdam


Die Fans mit den eiskalten Herzen


Nirgends ist derzeit die Szene der Hooligans brutaler als in Holland. Ein Wissenschafter bezeichnet die Täter als "Gelegenheitsarmee". Im Juni findet ausgerechnet in ihrem Land die Fussball-Europameisterschaft statt.


VON HOLGER GERTZ

Das Video ist ziemlich grobkörnig, man braucht ein paar Augenblicke, bis man sich zurechtgefunden hat. Da ist eine Wiese, da eine Strasse, Strommasten und dunkle Vögel. Der Film, schwarzweiss, ist zufällig aufgenommen von der Überwachungskamera an der Autobahn, unten am Bildrand läuft die Datumsanzeige. 23. März 1997, kurz nach 13 Uhr.

Zwei Autos stehen auf der Wiese, eins brennt und schickt Rauchschwaden in den Himmel. Dann die Menschen: Eine grosse Gruppe läuft über den Acker, dick eingemummelt in Anoraks, Stiefel an den Füssen oder Turnschuhe. Einige recken die Arme oder klatschen sich ab. Sie scheinen ausgelassen zu sein. Und irgendwo da hinten liegt ein Mann, wie ein Wal, der an den Strand geschwemmt worden ist. Das ist Carlo Picornie. Er versucht, sich vom Boden abzudrücken, aber der Arm knickt ein. Da hat er noch eine halbe Stunde Leben.

Das Bild läuft weiter, wie schmutzige Watte hüllt Rauch die Menschen ein. Paul van Gageldonk schaut sich das Video an, als sehe er es zum ersten Mal, dabei hat er es schon hundert Mal gesehen. Aber es ist kein Spielfilm, der einen irgendwann loslässt, weil man weiss, wie er ausgeht. Carlo Picornie, Anführer der Hooligans aus Amsterdam, ist an diesem Tag von den anderen, den Hooligans aus Rotterdam, umgebracht worden, auf einem Acker an der Autobahn von Bewerwijk. Das ist das Ende. Und weil Gageldonk es kennt, entlässt es ihn nicht.

Als wäre Krieg


Als im vergangenen Oktober Feyenoord Rotterdam in der Champions League bei Borussia Dortmund spielte, verbot die Rotterdamer Vereinsführung den Fans, mitzukommen, weil die Rotterdamer dafür bekannt sind, dauernd fremde Stadien zu verwüsten. Die meisten Fans sind friedlich, aber einige Hundert sind Hooligans und gelten als die schlimmsten Europas. Der Klub fürchtet um sein Image.

Die Dortmunder Polizei verteilte Sondereinheiten am Stadion, der Bundesgrenzschutz zog die Holländer schon bei der Anreise aus den Zügen. Für die im Juni beginnende Europameisterschaft ist das gleiche Programm geplant. Höchste Sicherheitsstufe gilt vor allem für die beiden ersten Gruppenspiele der deutschen Mannschaft gegen Rumänien in Lüttich (12. Juni) und gegen England in Charleroi (17. Juni). Reisende müssen aber auch schon Tage vorher bei ihrer Fahrt nach Holland und nach Belgien mit Kontrollen auf beiden Seiten der Grenzen rechnen, sagt Lutz Intorp, Leiter der Bundesgrenzschutzinspektion Aachen. Sie schotten die Stadien ab, als wären sie eine Festung. Es ist nur Fussball. Aber manchmal könnte man denken, es ist Krieg.

Richter und Henker


Paul van Gageldonk, 47, ist Reporter bei der holländischen Illustrierten "Nieuwe Revu" und kennt die Feyenoord-Hooligans wahrscheinlich besser als jeder andere. Er ist jahrelang mit ihnen zu Spielen gefahren, war mit ihnen in Diskotheken, hat bei ihnen daheim recherchiert. Jetzt hat er eine Geheimnummer, und an der Tür seiner Wohnung in einem Seebad steht der Geburtsname seiner Frau. Die Amsterdamer Hooligans haben ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt, weil in seinen Reportagen die Rotterdamer die aus Amsterdam beschimpfen, als Schwule und Juden. Die Amsterdamer sehen in Gageldonk einen Verbündeten der Feyenoorder, "so sind die "Hools", du bist Freund oder Feind". Die Feinde werden gehetzt.

Auf dem Video kommen ein paar Rotterdamer auf Picornie zu, gehen langsamer, als fürchteten sie, er könne sich wehren. Aber er kann nicht mal mehr davonlaufen. Zwei beugen sich über den Liegenden. "Sehen Sie, da sprechen sie noch mit ihm", sagt Gageldonk. Als hätte ihm jeder Einzelne das Todesurteil zu verkünden und es mit zu vollstrecken, mit einem Stich oder einem Hieb. Ein Schnellurteil auf einer Wiese, mit Richtern, die Henker sind.

Der Philosoph Elias Canetti hat in "Masse und Macht" die Jagdmeute so beschrieben: "Der Abstand zwischen der Meute und ihrem Gegenstand, der sich allmählich verringert, verringert sich für jeden. Die Jagd hat einen gemeinsamen tödlichen Herzschlag. Er hält lange an über wechselnden Boden, er wird heftiger, je näher man dem Tiere kommt. Wenn man es erreicht hat, wenn es zum Treffen kommt, hat jeder zum Töten Gelegenheit, und jeder versucht es. Auf ein Geschöpf können sich die Speere oder Pfeile aller konzentrieren."

Geschäftsleute als "Hools"


Carlo Picornie war Hotelbesitzer: ein gemachter Mann; ein Hooligan der alten Schule, sozusagen, "einer der ersten Generation", wie Gageldonk sagt. Leute aus allen Schichten, Geschäftsleute und Arbeitslose, sind "Hools". Das macht es so schwer, sie zu erkennen. Es hat bei den Alten einen moralischen Code gegeben. Man kämpfte nur mit blossen Fäusten und versuchte, normale Fans rauszuhalten. Wenn Hooligans erzählen, beschreiben sie Reize, die jeder von früher kennt. Räuber und Gendarm. Man läuft davon, das Herz schlägt so laut, dass man meint, man könne es draussen meterweit hören. Man hört die Gegner hinter sich keuchen. Oder ist selber Jäger und geniesst die Furcht in den Augen des anderen.

Mit Fäusten wollte Carlo Picornie zeigen, dass die Amsterdamer stärker sind als die aus Rotterdam. Er war mit 35 Jahren der Szene ein bisschen entwachsen, vielleicht hat er deshalb nicht damit gerechnet, dass sich seine Kumpane aus Amsterdam so schnell vertreiben lassen würden, abgeschreckt von der Brutalität der Rotterdamer. Und nicht damit, dass er, schon liegend, weiter traktiert würde. "Wenn einer zu Boden geht, ist das früher ein Zeichen gewesen, von ihm abzulassen", sagt Gageldonk. Die erste Generation habe sich daran gehalten, und als Picornie tot war, gaben die Alten aus Rotterdam eine Anzeige im "Telegraaf" auf: "Für uns warst du Carlo. Auch bei uns hast du Ansehen und Respekt genossen. DAS hätte niemals geschehen dürfen." Ein hilfloser Versuch, sich zu entschuldigen und zu distanzieren von den jüngeren Hooligans, den Männern der zweiten und dritten Generation. Es habe in der Gruppe bittere Debatten gegeben, sagt Gageldonk, auch Schuldzuweisungen, aber die Jungen seien nicht zu rühren gewesen. "Sie haben nicht mehr das, was man Moral nennt."

Im Januar 1999 nahmen Hooligans nach einem Freundschaftsspiel in Leverkusen die BayArena auseinander. Im April 1999 randalierten Hooligans bei der Meisterfeier von Feyenoord in der Rotterdamer Innenstadt. Die Polizei, hilflos, schoss. Zwölf verletzte Hooligans, vier verletzte Beamte. Zehn Millionen Mark Sachschaden. Im Juni 1999 prügelten sich "Hools" nach dem Spiel Groningen gegen Sparta Rotterdam. Elf verletzte Beamte, 32 festgenommene Hooligans. Vor dem Länderspiel Holland gegen Schottland im Mai 2000 in Arnheim randalierten ein paar Dutzend Fans des Fussballklubs NEC aus Nimwegen, wurden aber vor Spielbeginn von Hundertschaften Polizisten regelrecht aus der Stadt abgeschoben.

In der vergangenen Saison wurden insgesamt 1550 Randalierer festgenommen, unter ihnen waren mehr 16- bis 18-Jährige als in den Jahren zuvor. "Und sie haben mehr Aggressivität gezeigt als früher", sagt Henk Groenevelt von der Fachgruppe, die bei der Polizei mit Vandalismus beschäftigt ist. Polizisten weigerten sich, Dienst bei Fussballspielen zu machen. Aus Angst.

Enthemmt mit Kokain


Etwas ist aus dem Ruder gelaufen. Das kann mit dem Land und seinen Gesetzen zusammenhängen. Holland ist liberal: Als in den Achtzigern die Polizei gegen Hausbesetzer vorging, gab es viel Kritik. Man müsse deeskalieren, reden statt bestrafen. In Holland gibt es frei verkäuflich Pornovideos, alle Spielarten, im Fernsehen lugen sie den Leuten noch genussvoller in die Betten als in Privatsendern anderer Länder. Holland hat nicht nur "Big Brother" exportiert: Es ist ein freies Land, auch bei Drogen.

"Wir versuchen, alles zu tolerieren", sagt Gageldonk. Er sagt nicht, dass das anders werden soll. Aber er findet, es könnten nicht alle mit so viel Freiheit umgehen. "Die Jungen sind aufgewachsen in einem Klima, in dem sie alles dürfen." Er hält das Video an und lässt seinen Finger über den Schirm fliegen: "Der ist bekannt als Kokser, der auch, der auch. Seit sie sich mit Kokain enthemmen, wird alles schlimmer."

Es war immer schlimm, gerade in Rotterdam, der Malocherstadt, die noch Narben aus dem Zweiten Weltkrieg trägt. In den Strassen und in den Herzen. Man kann das im Stadion sehen: Wenn es gegen deutsche Mannschaften geht, heben ganze Blöcke den Arm zum Hitlergruss. Man kann das hören, an den Liedern, die sie singen. Als Louis van Gaal Trainer der verhassten Amsterdamer war und bekannt wurde, seine Frau habe Krebs, sangen die Rotterdamer vom "Krebsweib".

Die EM im "Hoolland"


Die EM in Holland und Belgien ist ein riskantes Unternehmen. In "Hoolland", wie Gageldonk einmal sagt. Das Endspiel ist in Rotterdam. Der Europäische Fussballverband versteht sich als Institution, die die Nationen vereinigt. Der Sport als Brot für alle, keiner soll ausgeschlossen sein. Holland, sagen die Funktionäre, habe eine grosse Meisterschaft verdient. Es gibt so viel Begeisterung da und tolle Stadien.

Die Entscheidung für das Finale in Rotterdam war gefallen, ehe die Gewalt so brutal wurde. Jetzt müssen die Verantwortlichen das Schlimmste verhindern. Mit Beobachtungshubschraubern oder einem neuen Gesetz, das die präventive Festnahme bekannter Hooligans ermöglicht. Die Grenzhäuschen werden wieder besetzt, um "Hools" aus anderen Ländern fern zu halten.

An der Uni Leiden leitet Uri Rosenthal ein Krisenforschungs-Projekt. Professor Rosenthal hat für "Hools" einen neuen, eigenen Begriff gefunden: "Es ist eine Gelegenheitsarmee." Er sage das nicht gern, aber man müsse zu einer Politik übergehen, die untypisch geworden ist, nicht nur für sein Land: "Oft hilft nur "law and order"."

Auf dem Video beeilen sich die Rotterdamer, ihre Autos zu erreichen. Feyenoord spielt an diesem Tag in Alkmaar, sie wollen pünktlich im Stadion sein. Sie haben nur Zwischenstation auf der Wiese gemacht, um zu zeigen, wer der Stärkere ist. "Da stirbt einer, und die fahren zum Spiel", sagt Gageldonk. Er nimmt es als Symbol, für ihre Herzenskälte.

Auch er fuhr nach Alkmaar ins Stadion, die Schlägerei auf der Wiese habe er nicht richtig mitgekriegt, erst im Autoradio gehört, dass einer umgekommen war. Hätte er je gesehen, wie einer umgebracht wird, hätte er sofort der Polizei Meldung gemacht - und in Kauf genommen, dass seine Recherche im Milieu damit beendet gewesen wäre.

Der Mörder von Carlo Picornie wurde nie gefunden, das Video zeigt nicht den entscheidenden Hieb. Ein paar Hooligans kamen ins Gefängnis, der letzte ist 2000 wieder frei. Der Reporter besuchte die jungen Männer im Knast, und für einen Moment hatte er das Gefühl, es habe sich etwas zu regen begonnen. Sie jammerten, ihr Leben sei zerstört. Aber dann waren sie draussen, gingen auf den Platz, hörten die Ajax-Fans Hasslieder singen, wollten etwas dagegen halten, waren allein zu schwach und kehrten heim in die Gruppe. "Sie existieren nicht ohne die Gruppe", sagt Gageldonk.

"Kill Gageldonk"


Einmal spürte er selbst die Gruppe, ihre Wärme, wie sie einen umschliesst. Es war bei einem Spiel in der Provinz, als der Stadionsprecher durchsagte, ein Auto werde abgeschleppt. Es war seines. Er rannte raus und fand die Polizisten und den Hausbesitzer, der sie gerufen hatte. Dabei stand der Wagen gar nicht vor der Einfahrt. "Ich musste bis zehn zählen, um nicht auf den Mann loszugehen." Dabei hatte er sich vorher nie geprügelt. Er fuhr den Wagen weg, rannte ins Stadion zurück zu den "Hools" und erzählte die Geschichte. Sie boten ihm an, den Typen zu verdreschen. Er konnte nicht sagen, dass er das schlimm gefunden hätte. Das ist die Gruppe. "Hör nicht auf zu denken, wenn du zu denen gehst", hat seine Frau immer gesagt.

Auf dem Video verlieren sich die Bilder. Gageldonk blickt in das krisselige Rauschen weisser und schwarzer Punkte. Als wäre Sendeschluss. Manchmal will er, dass das zu Ende ist. Nicht mehr fürchten müssen, dass die Amsterdamer "Kill Gageldonk" an die Hauswand schmieren. Es ist noch nicht passiert, aber er hat davon geträumt. Die Buchstaben, blutrot, in die Dünen und in den Himmel geschrieben.

Bis zur EM bleibt er am Thema, um zu warnen. Vor kurzem hat Wim Noordzij vom Organisationskomitee verkündet, alles laufe wunderbar; jeder Besucher werde auf seinen Namen ausgestellte Karten haben und auf dem Weg ins Stadion drei Kontrollen passieren müssen. Nur leichtes Bier werde ausgeschenkt. Die Verantwortlichen glauben, gewappnet zu sein. Dann probten sie im Stadion mit 750 Statisten und ein paar Polizisten: Ein Brand mit Massenpanik sollte simuliert werden. Echte Hooligans kamen unerwartet dazu, es entstand eine kleine Panik, während deren ein Polizeiauto ein Kind anfuhr und ein Polizeipferd einen Statisten verletzte.

"Tja", sagt Paul van Gageldonk. Klick, macht der Recorder. Das Video ist aus. Der Film läuft weiter.

 


Rückstand, Ruck, Sieg

Die Deutschen lieben ihr Nationalteam trotz schlechter Leistungen. Matthias Deutschmann erklärt das Phänomen, mit der kritischen Distanz des Satirikers
VON CHRISTIAN ANDIEL

SonntagsZeitung: Matthias Deutschmann, als Satiriker müssen Ihnen Fussballer eine ideale Vorlage sein.

Matthias Deutschmann: Mit der vielzitierten Realsatire muss man aufpassen. In der Regel ist nicht satirefähig, was Fussballer von sich geben. Sie sind vollkommen auf ihre muskulösen Leistungen fixiert und damit auch meistens ausgelastet.

Um das deutsche Nationalteam gibt es Polemiken. Deutschland soll 80 Millionen Bundestrainer haben. Gehören Sie dazu?

Deutschmann: Mitunter, aber eigentlich halte ich mich da raus. Ich stelle keine Nationalmannschaft auf. Ich sehe, dass es die Institution Deutscher Fussballbund gibt, bei der jemand schnell in Ungnade fallen kann. Dabei kann es sich Deutschland momentan nicht leisten, nur auf einen Spieler zu verzichten, der einigermassen gut ist.

Die Globalisierung findet auch im Fussball statt. Ist denn die Begeisterung für ein Nationalteam nicht ein Anachronismus?

Deutschmann: Fussball hat in Deutschland eine grosse Bedeutung, selbst während des 2. Weltkrieges wurde die Meisterschaft ausgetragen. 1944 war Dresden deutscher Meister, heute fragt man sich, wo die damals spielten, vielleicht im Führerbunker? Tischfussball? Nach dem verlorenen Krieg war die deutsche Nationalmannschaft - in den preussischen Farben schwarz und weiss wohlgemerkt - eine Möglichkeit zur internationalen Rehabilitation auf sportlicher und auch diplomatischer Ebene.

Und dann kam das Wunder von Bern, der WM-Titel 1954.

Deutschmann: Als Satiriker kann man das sehr schön sagen: Wir haben uns damals in Bern in die Völkerfamilie zurückgeschossen. Die Nationalmannschaft hatte also etwas für Deutschland gutzumachen, sie kämpfte aus einem Rückstand heraus. Und dieses Rückstandsgefühl hat sich lange Zeit gehalten. Typisch für die Deutschen sind nicht Eleganz und zielgerichtetes Auftreten, sondern Pragmatismus, kämpferische Tugenden und immer wieder: Rückstand, ein Ruck durchs Team, Sieg. Ich hatte kein sportbegeistertes Elternhaus, aber beim Fussball stand immer die halbe Familie vor dem Fernseher, und wir verteidigten eine Führung mit Mann und Maus. Das hat eine Analogie zum Volkssturm, der im 2. Weltkrieg das Heimatland verteidigen sollte: Ein übermächtiger Gegner rollt an, aber wir halten den Strafraum und das Tor sauber. Die Nationalmannschaft war wichtig, um zu zeigen: Seht her, was wir im Stande sind zu leisten.

Das wirkt oft arrogant.

Deutschmann: Damals stimmte das noch nicht. 1954 rief niemand, wie das später Beckenbauer tat: Wir werden auf Jahre hinaus unbesiegbar sein. Die Spiele gegen England waren stets wichtig, weil sich Deutschland mit einem scheinbar übermächtigen Gegner messen konnte - wie Kaiser Wilhelm, der am Ende des 19. Jahrhunderts die Flotte ausbaute, um sich mit England zu messen. Es ist schon eine Nationaltragödie, dass das Wembley-Tor ausgerechnet gegen England zu Stande kam. Der Schweizer Schiedsrichter, der russische Linienrichter, da war natürlich schnell von Schiebung gemunkelt.

Davon ist heute weniger der Rede.

Deutschmann: Für die Spieler sind ihre Vereine viel wichtiger geworden. Dem Nationalteam ist die Seele abhanden gekommen. In den 50er- und 60er-Jahren, als Herberger und Schön als Bundestrainer wirkten, war es eine nationale Aufgabe. Das geschah ein bisschen aus der Haltung heraus: Wir sind vorbelastet, da war ein schrecklicher Krieg, und wir sind eigentlich fast geächtet unter den Völkern. Damals waren die Spieler vorzeigbar, da gab es keine Ausfälligkeiten mit Stinkefinger oder dass Matthäus im Bierzelt hockt und Holländer beleidigt.

Der Teamgedanke ist in der Nationalmannschaft verloren gegangen.

Deutschmann: Die Spieler lösen sich aus der Gemeinschaft, sie halten eigene Pressekonferenzen ab, sind wichtiger als der Nationaltrainer. Das hat auch damit zu tun, dass sich der scharfe Charakter der Nation auflöst. Es ist typisch in Deutschland, dass sich im Nationalteam das Problem der Einwanderung nur zögerlich abbildet. Die Vereine, mit ihren multikulturellen Mannschaften, sind da weit voraus. Derweil steht das Nationalteam immer noch für die Pflege des Reinheitsgebots des deutschen Blutes. Sollen sie doch einmal eine Mannschaft aufstellen mit Spielern, deren Grosseltern garantiert Deutsche waren. Diese Suche nach dem typisch Deutschen ist eh' lächerlich. Was hat etwa ein Alemanne mit einem Friesen zu tun?

Können Sie sich vorstellen, dass es einmal keine Nationalteams mehr gibt?

Deutschmann: Man könnte diese Mannschaften tatsächlich abschaffen und gibt stattdessen einem Klub die Ehre, sein Land zu vertreten. Dann könnten auch die Spieler noch mehr hin- und hergeschoben werden, Matthäus könnte noch mit 50 Jahren für Malta spielen.

Die Bedeutung des deutschen Nationalteams liegt also vor allem in der Vergangenheit, in den drei WM-Titeln.

Deutschmann: Zwei Weltkriege, drei Weltmeistertitel - das 20. Jahrhundert war das Jahrhundert der Deutschen. 1954 geschah, wie gesagt, ein "Wunder", als das wird es in Deutschland jedenfalls verkauft. Es war wohl vor allem viel Glück dabei. In den 60er- und 70er-Jahren kam es zu einem Generationenwechsel, Leute wie Beckenbauer, Netzer oder Heynckes traten auf. Das waren durchaus intelligente Leute, die etwas von Strategie verstanden. Das führte dazu, dass das Nationalteam auch spielerische Klasse hatte, nicht mehr als tapsige Landser-Truppe daherkam. Der WM-Sieg 1974 im eigenen Land war eine Steigerung zu 1954. Deutschland war damals immer noch ein eingeschränkter Staat. Und dann im eigenen Land Weltmeister werden, zudem noch gegen Holland, das war schon eine tolle Sache.

Und dann kam 1990 der bislang letzte Sieg.

Deutschmann: Das war wohl die Krönung der Wiedervereinigung: Kaum ist Deutschland eine Einheit, werden sie auch schon Weltmeister. Aber mit diesen Titeln ist es nun vorbei, die Nation bröckelt, und die Fussballer stehen nach dem Krieg auf dem Balkan auch nicht mehr unter Zwang: Die aussenpolitische Vertretung Deutschlands übernimmt jetzt wieder die Bundeswehr. Nebenbei bemerkt: Deutschland war Anfang der 90er-Jahre die treibende Kraft, die Kroatien quasi im Alleingang anerkannte und damit den Balkankonflikt bestimmt nicht entschärfte. Hätte Deutschland Kroatien damals nicht anerkannt, hätten wir nie an der WM in Frankreich gegen Kroatien ausscheiden können.

Als aussenpolitische Vertretung schadet das Nationalteam gar, wenn sich in seinem Sog Hooligans breitmachen.

Deutschmann: Wenn ganze Horden "Hurra, hurra, die Nazis, die sind da" brüllen, ist sicherlich manchmal die Lust an der Provokation dabei. Aber es gibt eben gut organisierte rechte Kreise, die überzeugt sind, dass Fussballspiele der ideale Orte sind, um Mitglieder für den eigenen Nazi-Verein zu rekrutieren. Es ist eine grosse sozialpolitische Aufgabe, dagegen vorzugehen.

Was können die Fussballer tun?

Deutschmann: Bei der WM 1998 hätte der DFB nach dem brutalen Überfall auf den Polizisten Nivel die Mannschaft aus dem Turnier zurückziehen müssen.

Aber dann wäre sofort der Vorwurf gekommen: Man beugt sich den Hooligans.

Deutschmann: Nicht unbedingt, man entzieht ihnen im Gegenteil ein Spielfeld: Wir bieten euch nicht den Hintergrund, um Leute totzuschlagen. Denn es ist ja nicht so, dass die Nazi-Parolen nur ausserhalb des Stadions geschrien wurden, damals in Lens hörte man sie sogar im Fernsehen. Aber dazu sagt niemand etwas, weil das wahnsinnig peinlich ist: Was ist das für eine Nationalmannschaft, die nach Frankreich fährt, und im Schlepptau hat sie 5000 Neonazis.

Nun findet die EM ausgerechnet auch in Holland statt, das eine ausgeprägte Hooligan-Szene hat. Freiburgs Trainer Finke hat der Uefa vorgeworfen, das sei geradezu eine Provokation dieser Schlägertypen.

Deutschmann: Alle grossen Fussballnationen haben doch dieses Problem . . . Wo soll die EM stattfinden? In der Schweiz? Das Stadion ist ein getreues Abbild der Gesellschaft. Die Intellektuellen haben ihre Ecke, die Kleinbürger, und so haben auch die Neonazis ihre Ecke. Vielleicht ist das das Faszinierende am Besuch eines Fussballspiels, die primitiveren Instinkte der Gesellschaft live zu erleben. Von der bengalisch illuminierten Masse geht eine archaische Anziehungskraft aus!

Fussball halt doch als Ersatzbefriedigung.

Deutschmann: Früher hiess das Brot und Spiele. Das hat sich etwas verfeinert, aber die Reflexe sind noch da. Ich habe das an mir selbst erlebt. Da brüllt man plötzlich Sachen, die man sonst nicht brüllt. Die andere Frage: Wohin sollen die Zuschauer mit ihren Emotionen, die pausenlos geschürt werden?

Von wem werden die Emotionen geschürt?

Deutschmann: Vom Fussball selbst. Das Spiel ist so angelegt, es ist von Ungerechtigkeiten durchsetzt. Man könnte es sterilisieren, mit dem Videobeweis, man kann Spieler im Nachhinein, für ihre dokumentierten Fouls, bestrafen. Aber wer will das wirklich? Die Zuschauer wollen die Strafe sofort sehen, den Penalty, die rote Karte, auch solche Dinge machen ein Spiel zum Ereignis.

Wie werden Sie die EM erleben?

Deutschmann: Ich schreibe an einem neuen Programm, werde die Spiele sporadisch verfolgen. Ich denke mal, für Deutschland wäre diesmal ein frühes Ausscheiden in der Vorrunde lehrreich. Ribbeck, der Teamchef, nennt sie bereits die stärkste Gruppe, was sie natürlich nicht ist. Da wird schon wieder am Mythos "Todesgruppe" gearbeitet . . .



Wir sind das Volk
Jungle World vom 29.03.2000
Gefährliche Orte XCVII: Wenn Fußball-Fans das Stadion verlassen, um
für Reisefreiheit zu protestieren, mag das berechtigt sein. Besonders
sympathisch ist es deswegen noch lange nicht.

von dirk hempel
Es ist fast wie früher. Wie vor etwas mehr als zehn Jahren. Demonstrierend zieht eine Menge durch Ostberlin. Ihre Forderungen: »Reisefreiheit für alle«, »Polizeistaat? Nein danke« und der Erhalt von Bürgerrechten. Ihr Treffpunkt: der Rosa-Luxemburg-Platz in Mitte - wegen der Freiheit der Andersdenkenden und so.

Man fühlt sich ausgegrenzt und appelliert an alle Umstehenden: »Solidarisiert euch mit uns« und »Reiht euch ein«, heißt es aus dem
Lautsprecherwagen. Denn, so erfährt man, es geht um die »Rechte von uns allen«. Um die von Atomkraft-Gegnern beispielsweise - ja
eigentlich sogar die von allen Bundesbürgern. Und dann stimmt man ein fröhliches Lied an: den in Ostberlin so beliebten FDJ-Titel »Bau
auf, bau auf, Freie Deutsche Jugend, bau auf« - mitgesungen vom größten Teil des Zuges.

Die Anwohner betrachten das ungewohnte Treiben auf der Straße eher mit Argwohn: So mancher bringt schon einmal sein Auto in Sicherheit.
Ein Westauto natürlich - Made in Wolfsburg. Warum? »Deren Ausreisefreiheit wird doch eingeschränkt, weil sie im Ausland immer alles kaputtschlagen. Dann machen die das hier bestimmt auch.« Und dann sagt der etwa 50jährige, was in Ostberlin zwingend folgen muss:»Früher hat es sowas nicht gegeben.«

Damit meint er natürlich den Demonstrationszug, nicht etwa die Einschränkung der Reisefreiheit. Das Böse kommt also wieder einmal aus dem Westen. Tatsächlich gibt es einige Anzeichen für diese These: Den Lautsprecherwagen ziert ein Nummernschild aus München, der Sprecher selbst ist durch seinen Zungenschlag eindeutig als Anwohner der Nordseeküste zu identifizieren, für die verteilten Flugblätter zeichnet ein Bremer verantwortlich, und so mancher Neonazi-Kader ist extra aus dem Ruhrgebiet zur Demonstration angereist. Ohne in der Menge aufzufallen freilich: Der Zug, der seinen Forderungen nach
eine Nachhut der DDR-Bürgerrechtsbewegung sein könnte, ähnelt vom Erscheinungsbild her einem Neonazi-Aufmarsch.

Was am vergangenen Samstag durch Berlins Mitte zieht, ist nämlich überwiegend kurzhaarig auf und national unter der Schädeldecke: Hooligans, die gegen eine Gesetzesneuerung protestieren. Es geht um Reisebeschränkungen und Meldeauflagen für die Fußball-Anhänger. Damit soll verhindert werden, dass sich die Deutschen - wie zuletzt bei der Fußball-Weltmeisterschaft vor zwei Jahren in Frankreich - im Ausland austoben. Einträge im Reisepass und die Verpflichtung, sich an bestimmten Tagen bei seiner Meldestelle einzufinden, sollen den Hooligans die kommende Europa-Meisterschaft in Belgien und den
Niederlanden verderben: Wer in der Vergangenheit bereits aufgefallen ist, für den gibt es in Zukunft keine Reisefreiheit mehr - zumindest
nicht dann, wenn Deutschlands sportlicher Stolz im Ausland auftritt.

Recht so, mag man sich denken: Wer sich nur auf Grund der Nationalität mit elf blöden Fußballspielern und ihrem lahmen Gekicke identifiziert und so etwas Spaßiges wie Sport mit dem schauerlichen Begriff Heimat verbindet, der hat es nicht besser verdient, als dass man ihn lebenslang in diesem Lande einsperrt - bis ihm seine geliebte Nation zum Halse raushängt. Bedauerlich allerdings: Die meisten Hooligans ließen sich wohl kaum mit solch obrigkeitsstaatlichen Mitteln von ihrer nationalen Selbstüberschätzung abbringen. Außerdem geht es SPD-Innenminister Otto Schily auch gar nicht um den Versuch einer späten Reeducation -dazu wäre er auch alles andere als geeignet. Schily geht es um das, was deutschen Innenministern immer besonders am Herzen liegt: Law and
Order.

Und da sind die Hooligans bestimmt nicht die einzigen, die nicht ganz den Vorstellungen der Bundesregierung entsprechen. Gerade in der Hauptstadt kennt man das zur Genüge: Der Hauptfeind ist nicht, wer sich mit dem eigenen Land identifiziert, sondern der Hauptfeind steht links. Die Berliner Polizei braucht dafür auch keine Sondergesetze, die ihnen Meldepflicht und Passeinträge gestatten. Am 1. Mai vergangenen Jahres empfahlen Staatsschutz-Beamte mehr als 20 jungen Leuten, sie hätten sich von der alljährlichen Demonstration der linken Szene fernzuhalten. Bei Zuwiderhandlung drohe Festnahme. Damals war das noch nicht legal. Aber wenn es gegen den Hauptfeind geht, ist Order auch ohne Law denkbar.

Von den Hooligans hatte das sogar der eine oder andere begriffen. »Heute wir, morgen ihr« heißt es auf dem Westimport-Flugblatt aus Bremen. Die Mehrheit des demonstrierenden Mobs führt sich aber genauso auf, als befände sie sich im Stadion: »Zick, Zack, Zigeunerpack«, »Deutschland - Hooligans« oder - noch anspruchsvoller- »Uffta, uffta, Tätaträ«, schallt es aus mehreren Hundert alkoholbenetzten Männerkehlen. Unterbrochen von einer Durchsage der Demo-Leitung: »Kann mal jemand Bier zum Lautsprecherwagen bringen!«

Bei der Polizei sorgt das für Erheiterung. Überhaupt ist dieser Aufzug von jenen, die aus Angst, davon betroffen zu sein, gegen die Gesetzes-Neuerung demonstrieren, in den Augen der Beamten eine gute Idee. Bietet er doch die Möglichkeit, die bestehenden Polizei-Karteien durch Videoaufnahmen zu ergänzen. Aber wozu überhaupt? Der gemeine Hooligan ist ohnehin nicht zu verkennen: In der rechten Hand das Handy, links die Bierbüchse, die Stimme tief und vor allem laut, grundsätzlich breitbeinig durch die Gegend marschierend, der Haarschnitt deutsch und die Gesinnung noch deutscher.

Grundsätzlich aber geben sich die Beamten freundlich. In Zusammenarbeit mit den Fußball-Clubs Hertha BSC, FC Union und BFC Dynamo hat man kleine Zettelchen (»Hallo Fußballfans«) vorbereitet. Die Message ist simpel: Fußball ist super, Gewalt nicht. Gerade nicht, wenn man sich als Deutscher auf dem Feldzug ins Ausland befindet - was Hooligans bekanntermaßen gerne tun. Warum? Die Polizei erklärt's nochmal: »Geschehnisse wie bei der WM in Frankreich schaden unserem Sport und dem Ansehen Deutschlands in der Welt. Das muss doch jedem Hooligan einleuchten.

Und tatsächlich bleibt der Zug - abgesehen von einer anfänglichen Rangelei untereinander - friedlich. Ist ja auch logisch, wie ein Polizeisprecher betont: »Das wäre ja deren Zweck gar nicht dienlich, wenn die hier Radau schlagen.« Dabei wussten die Beamten, dass sich manche Grüppchen anschließend verabredet hatten, um Krawall zu schlagen. Aber die Polizei hat sich natürlich längst darauf vorbereitet, wie der Behördensprecher grinsend erklärt: »Ich verspreche, es wird nichts mehr passieren.«

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