Rauchen

Nichtrauchen ist cool, Rauchen ist heiss
Um schärfere Gesetze zu verhindern, gibt sich die Tabakindustrie um die Gesundheit der Jugend besorgt. Das hält sie nicht davon ab, gezielt auf sie einzuwerben.

Von Jean-Martin Büttner

Nichtrauchen soll cool sein, behaupten die Hängeplakate in Trams und Bussen, die Werbespots am Fernsehen. Als besonders originell im Sinn von individuell und rebellisch kann man die Auftritte nicht bezeichnen, mit denen gegen das Nikotin geworben wird. Originell dafür der nicht genannte Auftraggeber der Aktion: Es ist die Vereinigung der Schweizerischen Zigarettenindustrie (CISC).

Man habe die Spots bei Jugendlichen breit getestet, sagt ihr Sprecher Yves Romanens; die Botschaft sei verstanden und gut akzeptiert worden, «sie scheint wirksam zu sein». Warum hat die Industrie, die sonst alles testet, die Wirkung ausgerechnet dieser Kampagne nicht auf ihren Erfolg hin untersucht? «Ja, das könnte man», sagt er; aber man tut es nicht.

Klage der Konsumentenschützer

Das hat wohl damit zu tun, dass die Tabakindustrie ihre Aufforderung zum rauchfreien Coolsein nicht ernst meint. Zwar hat sie mit der Lauterkeitskommission der Werbeindustrie schon vor zehn Jahren eine Reihe freiwilliger Selbstbeschränkungen vereinbart. Dazu gehört ein Werbeverbot in Zeitschriften, die sich «in deutlicher Weise an Personen unter 18 Jahren richten», wie es in der Vereinbarung heisst.

Wie aber die Lektüre von ausgewiesenen Jugendzeitschriften wie «Kult», «Trend Magazin», «Forecast», «Seventh Sky» und anderen belegt, die sich an 14- bis 30-Jährige richten und zum Teil gratis aufliegen, wirbt die Branche dort unbeirrt und unübersehbar weiter. Damit unterläuft sie sowohl die Vereinbarung mit der Lauterkeitskommission wie auch ihre eigene Jugendschutzkampagne. «Das ist nicht in Ordnung», sagt CVP-Vizepräsidentin Doris Leuthard, die der Lauterkeitskommission vorsteht.

Das findet auch die Stiftung für Konsumentenschutz, deren Präsidentin Simonetta Sommaruga eine Beschwerde gegen diese Inserate ankündigt. Auch die Werbewirtschaft müsse beweisen, sagt sie zuhanden der Lauterkeitskommission, «dass sie ihre eigenen Vereinbarungen durchsetzen kann»; eigentlich hätte sie erwartet, dass diese von sich aus einschreite. Für Thomas Zeltner vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) belegt das Vorgehen der Tabakindustrie ihre Doppelmoral: «In Jugendmagazinen werben sie für ihre Produkte, in ihrer Kampagne gegen das Rauchen behaupten sie das Gegenteil.» Wäre die Industrie wirklich um die Gesundheit der Jugend besorgt, könnte sie auf diese Art von Werbung verzichten.

Akzeptanz um jeden Preis

Der Widerspruch zwischen Tabakwerbung und Antiraucherkampagne löst sich auf, wenn man ihn als Strategie begreift. Wie in den USA setzt die Tabakindustrie in Europa vermehrt auf Einbindung statt auf Konfrontation. Um drohende Werbeverbote, Verkaufsbeschränkungen und andere Gesetzesverschärfungen zu verhindern, forciert die Branche die Kooperation mit Gesundheitsbehörden und Jugendverbänden. Anhand interner Dokumente verschiedener Tabakfirmen zeigt das «American Journal of Public Health» in seiner neusten Ausgabe, dass ihre Jugendprogramme von Anfang an als Lobbyinstrument zur Durchsetzung eigener Interessen verstanden wurden. Auf direktem Weg, indem das Rauchen als «adult choice» dargestellt und dadurch noch attraktiver gemacht wurde - und indirekt, indem man Politikern und Gesundheitsorganisationen gegenüber als besonnener Verhandlungspartner auftreten konnte. BAG-Direktor Zeltner: «Weltweit versucht die Industrie, um jeden Preis Partnerschaften mit den Behörden zu schliessen, sich auf diese Weise bei den Politikern zu empfehlen und mit ihrer Hilfe gegen griffige Massnahmen und strengere Gesetze anzukämpfen.»

Das gilt auch für die Schweiz, wo die CISC ihre Kampagne fürs Nichtrauchen sowohl mit dem Bundesamt für Gesundheit wie auch mit Pro Juventute lancieren wollte. Für CISC-Präsident Edgar Oehler beweise die Aktion, dass sie die Bemühungen von Eltern, Lehrern und Vertretern der Gesundheitsbehörden «tatkräftig unterstützt», Junge vom Rauchen fern zu halten. Dennoch wollten die Angefragten nicht mitmachen. Solche Kampagnen nämlich, sagt Zeltner, würden vor allem der Tabakindustrie helfen, «ihr Image in der Öffentlichkeit aufzupolieren».

Einsteiger immer jünger

Meinte es die Tabakindustrie mit ihrem Jugendschutz ernst, sagt der freisinnige Nationalrat und Präventivmediziner Felix Gutzwiller, brauchte sie nur jene Massnahmen mitzutragen, die von Fachleuten schon lange gefordert würden. Dazu gehören hohe Zigarettenpreise, Einschränkung der Tabakwerbung auf die Verkaufspunkte, Verbot der Zigarettenautomaten, konsequentes Abgabeverbot an Jugendliche unter 18 Jahren, Aufklärung an den Schulen und andere Präventionsmassnahmen sowie gut geführte Aufhörprogramme.

Wer mit Zigaretten sein Geschäft betreibt, muss damit rechnen, dass er die Hälfte seiner Kundschaft verlieren wird. Also braucht er immer wieder neue Konsumenten; und je früher jemand mit dem Rauchen anfängt, desto grösser ist die Abhängigkeit. In der Schweiz rauchen heute 40 Prozent der Jugendlichen zwischen 15 und 19 Jahren. Das Durchschnittsalter der Einsteiger ist auf 16 Jahren gesunken.