Stalingrad
Teil 1: "Wie kann ein Mensch dies ertragen"
Teil 2: Die Wende zu Hitlers Untergang
Von Stalingrad zum "Totalen Krieg"
"Manchmal bete ich und manchmal fluche ich über mein Schicksal. Dabei ist alles sinn- und zwecklos. Wann und wie kommt die Erlösung? Ist es der Tod durch die Bombe oder Granate? Ist es Krankheit und Siechtum? Wie kann ein Mensch dies bloß alles ertragen"" Feldpostbrief eines Soldaten im Kessel von Stalingrad zu Silvester 1942. Ein Zeugnis von vielen eines Dramas, das sich zum 60. Mal jährt: Die Schlacht von Stalingrad.
Am 31. Jänner und 2. Februar 1943 kapituliert die zweigeteilte 6. deutsche Armee, vor der Roten Armee. In Russland, das Hitler 1941 im Blitzkrieg erobern wollte, kommt der NS-Eroberungskrieg 1942 zum Stillstand. Die 6. deutsche Armee wird in Stalingrad eingekesselt. Lange, zu lange folgen die Kommandanten Hitlers Befehl: Keine Kapitulation. Erst im Hungertod der Soldaten, bei minus 30, 40 Grad, ohne Winterbekleidung, ohne Munition, geben sie auf.
ABSCHIED
Mitte Jänner 1943 wird den Soldaten befohlen, letzte Briefe zu schreiben. Todesahnung trotz Feldpostzensur: "Du warst mein bester Freund, Monika. Du hast dich nicht verlesen. Du warst es. Die Zeit ist zu ernst, um Scherze zu machen... Ringsherum bricht alles zusammen, eine ganze Armee stirbt, der Tag und die Nacht brennen."
Ein Soldat verbittert: "In Stalingrad die Frage nach Gott zu stellen, heißt sie verneinen... Und doppelt bedauere ich meine Worte, weil es meine letzten sein werden."
Der Blutzoll in Stalingrad auf einer Fläche von 1.500 Quadratkilometern, rund vier Mal die Fläche Wiens, ist unfassbar: Experten schätzen in der Region über 2 Millionen Tote, sowjetische, deutsche, Soldaten, Zivilisten. In Stalingrad stark vertreten sind Österreicher: Rund 50.000, darunter die 44. Infanteriedivision Hoch- und Deutschmeister. Nur 1.200 Österreicher kehren zurück.
Ein Hoch- und Deutschmeister ist der Burgenländer Josef Rosner, 84 Jahre: "Ich habe den ganzen Feldzug in Russland, beginnend ab 22. Juni 1941, mit dem ersten furchtbaren Kriegswinter mit viel Schnee und 35 Grad Kälte, mit den Schlachten in Kiew und Charkow mitmachen müssen. Als am 19. November 1942 die Russen durchbrachen, bildete sich der Kessel um Stalingrad, der mir als 'Höllenkessel' immer in Erinnerung bleiben wird."
Je länger die Einkesselung dauert, desto weniger Nachschub kommt durch. Die Essensrationen werden gekürzt. Ab 8. Dezember erhält jeder Soldat pro Tag 200 Gramm Brot, 120 Gramm Frischfleisch oder 200 Gramm Pferdefleisch, 50 Gramm Fett, 3 Zigaretten. Am 15. Dezember wird die Brotration auf 100 Gramm gekürzt, am 26. Dezember auf 50 Gramm. Das entspricht rund 100 kcal. Zum Vergleich: Der Tagesbedarf für Schwerarbeiter in Friedenszeiten liegt bei 3.800 kcal. Gefreiter Karl W. am Heiligen Abend 1942: "Heute ist der große Tag und ich sitze hier in dem traurigen Russland...Es gibt kaum etwas zu essen mehr."
Als die Sowjetische Offensive am 10. Jänner losbricht, sind die deutschen Soldaten am Verhungern. Rosner: "Wir konnten uns kaum mehr auf den Beinen halten, wir waren verwundet und standen vor dem Erfrieren. 4 Monate hatten wir keine Wäsche gewechselt, wir trugen bei minus 35 Grad Kälte noch immer die Sommerstiefel. Wir krochen mühsam in die Fliegerbunker von Stalingradski. 'Das ist das Ende', dachte ich mir." Mit den letzten Krankentransporten wird Rosner am 20. Jänner ausgeflogen. Nur 50 bis 100 von 1.500 Hoch- und Deutschmeistern schaffen dies. In Kriegsgefangenschaft gehen keine 100, nur 13 davon kommen durch.
UNTERGANG
Der Untergang der Hoch- und Deutschmeister ist dem NS-Regime peinlich. Im Wiener Konzerthaus lässt Gauleiter Baldur von Schirach sie neu aufstellen. Die NS-Propaganda versucht vergeblich, aus Stalingrad einen Heldentod zu machen. Dass Verherrlichungen der Kämpfe in Stalingrad, von einigen Ewiggestrigen abgesehen, kaum aufkamen, ist den vielen Zeitzeugen und Feldpostbriefen zu danken. Sie geben ein realistisches Bild des Leidens der Soldaten im Krieg, etwa: "Manchmal ist mir's zum Verzweifeln... Sowas zu erleben hätte ich nicht geglaubt, u. meine Gesinnung: Nie wieder Krieg" Die Historikerin Papadopoulos-Killius: "Hier beginnt die Bedeutung der Feldpostbriefe als historische Quelle, und die Parole 'Nie wieder Krieg"' erhält eine ganz andere Dimension."
Daten der Schlacht
Einkesselung: Am 23.8.1942 erreicht die 6. deutsche Armee Stalingrad. Am 22.11. wird sie eingekesselt. 284.000 Deutsche, Österreicher, Rumänen, Italiener kämpfen gegen mehr als 1 Million Sowjet-Soldaten aus 80 Nationalitäten.
Opfer: Etwa 150.000 deutsche Soldaten fallen im Kessel, 34.000 werden ausgeflogen, 91.000 geraten in Kriegsgefangenschaft, 6.000 kehren zurück. Auf sowjetischer Seite sterben mindestens 500.000, laut a. A. 1,1 Millionen Soldaten.
Österreicher: Rund 50.000 Österreicher kämpfen in Stalingrad. Rund 1.200 kehren aus Stalingrad bzw. Kriegsgefangenschaft zurück. Hoch- und Deutschmeister: Im November 1942 sind 1.500 in Stalingrad. Bei Kapitulation sind es keine 100 Mann. 50 bis 100 werden verwundet ausgeflogen. Die Kriegsgefangenschaft überstehen 13.
BÜCHER ZUM THEMA
"Stalingrad - Rückblick nach 60 Jahren", geschrieben von Heimkehrern. 250 Seiten. 20 ¤. Zu beziehen bei: Kameradschaft der Angehörigen 44. I.D. Hoch- u. Deutschmeister, 2100 Korneuburg, Karl Bodingbauer-Str. 23/21, Tel. 02262/61168. Wette / Ueberschär (Hrsg.): Stalingrad. Mythos und Wirklichkeit einer Schlacht. Frankfurt 1997. Fischer Taschenbuch. 10,30 ¤.
Kaum bahnte sich auf der Welt eine Krise an, griff er zum Telefon und rief in den Redaktionen an. Unter Hinweis auf Bibel, Bergpredigt und Militärtheoretiker Clausewitz rief er zum Frieden auf.
Er hieß unter Journalisten "Stalingrad-Huber". Er hatte die Schlacht von Stalingrad überlebt. Lebenslehre aus seiner Grenzerfahrung: Einsatz für den Frieden. Um "Stalingrad-Huber" ist es still geworden. Doch er hat Gesinnungsfreunde: Zum 60. Jahrestag rufen Stalingrad-Veteranen die USA auf, keinen Irak-Krieg zu beginnen.
Stalingrad-Kämpfer als Friedensaktivisten: Ihr Einsatz ist Gegenreaktion auf die Menschenverachtung, mit der sie zusammen mit 280.000 Soldaten vor 60 Jahren vom NS-Regime in die Kesselschlacht von Stalingrad geschickt wurden.
VERANTWORTUNG
Die Kapitulation am 31. 1. und 2. 2. 1943 in Stalingrad gilt als Wende im Zweiten Weltkrieg. Ironie der Geschichte, dass Adolf Hitler, der sich als "GröFaZ" (Größter Feldherr aller Zeiten) feiern ließ, die Verantwortung dafür trägt. Sofort nach Einkesselung der 280.000 Soldaten in Stalingrad bittet der Kommandeur der 6. Armee, General Friedrich Paulus, ein nüchterner und gehorsamer Stratege, Hitler um Vollmacht zum Ausbruch: "Munition und Betriebsstoff gehen zu Ende... Die Armee geht in kürzester Zeit der Vernichtung entgegen... Bitte auf Grund der Lage... um Handlungsfreiheit." Hitlers Antwort: "Jetzige Wolgafront und jetzige Nordfront ... unter allen Umständen halten."
Am 9. Jänner bieten die Sowjets ehrenvolle Kapitulation an. Paulus muss ablehnen. Er ersucht Hitler um Genehmigung zur Aufgabe. Dessen Antwort: "Verbiete Kapitulation". Am 25. Jänner befiehlt Hitler: "Heldenhaftes Ausharren bis zum letzten Soldaten". Am 30. Jänner ernennt Hitler Paulus zum Generalfeldmarschall. Hitler meint: "Es gibt in der Kriegsgeschichte keinen Feldmarschall, der in Gefangenschaft geht."
Er irrt. Einen Tag später kapituliert Paulus. Hitlers Zorn ist grenzenlos: "Der Mann hat sich totzuschießen, so wie sich früher die Feldherren in das Schwert stürzten, wenn sie sahen, dass die Sache verloren war."
Stalingrad markiert die Wende. Aber den Krieg gegen Russland hat Hitler bereits verloren: Schon nach den ersten drei Monaten des Russlandkrieges wird der Vorstoß im Herbst 1941 gebremst. Hitler zaudert. Die Generäle drängen, Moskau zu erobern. Hitler, der Ende 1941 den Oberbefehl des Heeres übernimmt, strebt nach Süden zu den Wirtschaftszentren der Ukraine und den Erdölfeldern des Kaukasus. Die Offensive bleibt im russischen Winter stecken.
Als es wegen Stalingrad zum Konflikt mit General Jodl kommt, schreit Hitler ihn an: "Und wie wollen Sie, Jodl, diesen Krieg ohne das Kaukasus-Öl gewinnen?"" Mit Stalingrad ist auch der Kaukasus-Vorstoß gescheitert. Das ist für Hitler auch eine Niederlage im Prestigeduell gegen Stalin. Bezeichnend die Befehle beider Diktatoren für Stalingrad. Hitler am 9. November 1942 im Münchner Bürgerbräukeller: "Keine Macht der Erde kriegt uns von dort wieder weg"" Stalin: "Keinen Schritt mehr zurück" Halten oder sterben""
STALINS STADT
Für Stalin ist der Kampf um "seine" Stadt Ehrensache. Die Evakuierung der Zivilbevölkerung verbietet er: "Eine leere Stadt kann man nicht verteidigen." Er gibt KP-"Politkämpfern" Schießbefehl: "Diejenigen, die sich in Gefangenschaft begeben wollen, sind vor Ort zu erschießen, ihre Familien als Verräter der Heimat zu verhaften." 13.500 Sowjet-Soldaten werden in Stalingrad von eigenen Leuten erschossen. Das Duell gegen Hitler gewinnt Stalin. Nun drängt die Rote Armee nach Zentraleuropa. Hitlers NS-Regime schlittert in die Niederlage und macht sich schlimmster Menschenrechtsverbrechen schuldig, um den eigenen Untergang aufzuhalten.
ZUR PERSON
Paulus der General, der Hitlers Befehl verweigert
Schon am Frankreich-Feldzug 1941 hat Paulus mit der 6. deutsche
Armee teilgenommen. Ihren Oberbefehl übernimmt er Anfang
1942 im Russland-Feldzug. In der Sommeroffensive 1942 erhält
er Befehl, nach Stalingrad vorzustoßen.
Paulus gilt als nüchterner Stratege und als ein Hitler gehorsamer General. Als die 6. Armee am 22./23. November 1942 in Stalingrad eingekesselt wird, lehnt er einen Ausbruch auf eigene Faust ab. Paulus hat die Parole: "Haltet aus, der Führer haut uns raus". Doch der versagt sogar die Zustimmung zur Kapitulation.
Den Schritt gegen Hitler wagt Paulus am 31. Jänner 1943 mit der Kapitulation in Stalingrad. In sowjetischer Kriegsgefangenschaft wird Paulus zum Hitler-Gegner: Er tritt dem "Bund Deutscher Offiziere" bei, gegründet von Stalingrad-Offizieren, der deutsche Soldaten zum Überlaufen und zum Widerstand gegen die Nazi-Diktatur aufruft. Im Frühjahr 1946 sagt Paulus als Zeuge der sowjetischen Anklage vor dem Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozess aus. 1953 zieht Paulus in die DDR. Dort nützt Walter Ulbricht sein Wissen aus, um einen eigenen DDR-Generalstab aufzubauen. Paulus stirbt 1957 in Dresden.
CHRONOLOGIE
13. März 1938: Anschluss Österreichs an Hitler-Deutschland.
September 1938: Annexion des Sudetenlandes.
1. September 1939: Deutscher Überfall auf Polen: Beginn
des Zweiten Weltkriegs.
10. Mai 1940: Beginn des Westkriegs. Deutsche Blitzoffensive
zur Eroberung der Niederlande, Belgiens und Frankreichs.
6. April 1941: Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Jugoslawien
und Griechenland.
22. Juni 1941: Deutscher Überfall auf die Sowjetunion,
Beginn des Russland-Feldzuges.
22./23. November 1942: Einkesselung der 6. deutschen Armee
in der Wolga-Metropole Stalingrad.
31. Jänner und 2. Februar 1943: Kapitulation der deutschen
Armee im Kessel von Stalingrad.
13. Mai 1943: Kapitulation der Achsenmächte beendet
Afrikafeldzug.
3. September 1943: US-Landung auf dem italienischen Festland.
6. Juni 1944: Alliierten-Landung in der Normandie.
20. Juli 1944: Attentat auf Hitler scheitert.
29. März 1945: Rote Armee überquert Grenze zu
Österreich. Beginn der Vier-Mächte-Besatzung.
27. April 1945: Karl Renner bildet Provisorische Regierung.
30. April 1945: Hitler verübt Selbstmord.
7. Mai 1945: Deutsche Kapitulation. Kriegsende in Europa.
Nur wenige Tage, nachdem am 2. Februar 1943 in Stalingrad die Waffen schwiegen, pinselten in deutschen Städten anonyme Schreiber die Jahreszahl "1918" auf Häusermauern eine Mahnung an die deutsche Niederlage im Ersten Weltkrieg. Sogar Parolen wie "Stalingrad-Mörder" und "Hitler-Massenmörder" geschrieben unter Lebensgefahr von Menschen, denen die Tragödie von Stalingrad die Augen geöffnet hatte. Der Sicherheitsdienst (SD) notierte über die Stimmung, in der Bevölkerung herrsche die Überzeugung vor, die Zerschlagung der 6. Armee bedeute "einen Wendepunkt des Krieges".
Tatsächlich war die Kapitulation in Stalingrad trotz schärfster Zensur der NS-Diktatur nicht zu verheimlichen. Obwohl die Feldpostbriefe der in Stalingrad kämpfenden Soldaten durch strenge Feldpost-Zensur gefiltert wurden und nur Positives berichtet werden durfte, kamen Briefe in die Heimat durch, wie dieser aus dem Familien-Archiv des Autors.
Der einfache Soldat Hermann Klambauer schrieb schon Ende November 1942: "Ich darf Euch nicht mehr schreiben. Nur, die Parole heißt: Jeder Mann fällt, wo er steht, größter Kampfeinsatz und härteste Disziplin wird gefordert. Wenn Ihr jetzt ein bisschen nachdenkt, findet Ihr heraus, was hier los ist. Daheim wird im Radio bestimmt nichts gemeldet." Hermann Klambauer fiel am 30. Dezember 1942 in Stalingrad. NS-Propagandaminister Joseph Goebbels erkannte sogleich die Folgen der Kapitulation in Stalingrad. Am 4. Februar 1943 schrieb er in sein Tagebuch: "Wir sind gezwungen, die Aufgabe Stalingrads dem Volke mitzuteilen. Das ist ein sehr bitterer, aber notwendiger Entschluss . . . Die Meldung von Stalingrad übt im deutschen Volke eine Art von Schockwirkung aus."
Selbst Adolf Hitler, der als Oberbefehlshaber der Wehrmacht und seit Dezember 1941 explizit auch des Heeres die volle Verantwortung für Stalingrad trug, wusste um den Signalcharakter der Niederlage Bescheid. Hitler tobte über General Paulus, der sich ergab: "Der Mann hat sich totzuschießen." Persönlich war Hitler durch Stalingrad so aus der Bahn geworfen, dass er Wochen lang nicht öffentlich auftrat. Propagandaminister Goebbels reagierte innerhalb des NS-Regimes am schnellsten und versuchte, das Blatt in einer Rede zu wenden, die als beispielhaft für Massendemagogie in der Geschichte gilt.
NS-PROPAGANDA
Am 18. Februar, zwei Wochen nach Stalingrad, peitschte Goebbels im Berliner Sportpalast eine Menge eigens dafür ausgesuchter Parteimitglieder auf. Seine Rede gipfelte in zehn rhetorischen Fragen. Die entscheidende vierte: "Ich frage euch: Wollt ihr den totalen Krieg? Wollt ihr ihn, wenn nötig, totaler und radikaler, als wir ihn uns heute überhaupt noch vorstellen können?" Zehn Mal rief die Masse hysterisch "Ja!". Die NS-Diktatur nahm die Niederlage in Stalingrad zum Anlass, in einen beispiellosen Vernichtungskrieg zu ziehen. Wutentbrannt ordnete Hitler die Zerstörung der industriellen Infrastruktur der Sowjetunion auf dem deutschen Rückzug an der Auftakt zu schlimmsten Kriegsverbrechen über die bisher begangenen hinaus.
Der Völkermord des Holocaust wurde vollends industrialisiert. Die NS-Diktatur ließ jede moralische Schranke fallen. Was die Wehrmacht betraf, so begannen viele, ob einfacher Soldat oder Offizier, an Hitler zu zweifeln. Ab nun versuchten Wehrmachtsangehörige mehrmals, Attentate auf Hitler zu verüben. Die Pläne scheiterten jedoch alle.
ATTENTATE AUF HITLER
So gelang es zwei Offizieren, auf dem Rückflug von der Ostfront am 13. März 1943 eine Bombe in Hitlers Flugzeug zu schmuggeln der Anschlag schlug fehl. Eine Woche später scheiterte ein Selbstmordattentat eines Offiziers. Die Gegnerschaft in der Wehrmacht führte zum Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944, das ebenfalls scheiterte.
Widerstand gegen die NS-Diktatur wuchs nach Stalingrad aber auch von außen: In sowjetischer Kriegsgefangenschaft wurden Stalingradkämpfer von deutschen Kommunisten im Exil angeworben, die Front zu wechseln. Antifaschistischer Widerstand formierte sich im "Bund Deutscher Offiziere" und im "Nationalkomitee Freies Deutschland". Dort wurden hochrangige Stalingrad-Offiziere aktiv voran General Friedrich Paulus und General Walther von Seydlitz.
Beide Gruppen begannen, deutsche Soldaten zur Befehlsverweigerung und zum Widerstand gegen die NS-Diktatur aufzurufen. Führendes Gründungsmitglied des "Nationalkomitees Freies Deutschland" war der Kommunist Walter Ulbricht. Nach Kriegsende rekrutierte Ulbricht wichtige Kader zum Aufbau der DDR-"Volksarmee". Die NS-Diktatur versuchte ab Stalingrad, alles in ihrem Machtbereich mit in ihren Untergang zu ziehen. Die NS-Verbrechen schlugen zurück auf die deutsche Gesellschaft.
HISTORIKER-WERTUNG
"Den Toten ein Gesicht geben"
Die Bewertung der Schlacht um Stalingrad ist zunehmend nüchterner
Einschätzung gefolgt. Nach Ansicht des Historikers Stefan
Karner werden heute "viel weniger die militärischen
Aspekte der Schlacht betont, viel mehr die Folgen der Schlacht
und das Rundherum, die Opfer. Die Frage erhebt sich: Wer waren
die Menschen in dieser Schlacht? Da waren ja rund 1,2 Millionen
Tote in diesem Kessel!"
Auf deutscher Seite kämpften nicht nur Deutsche, auch Österreicher, Rumänen, Italiener. In der Roten Armee kämpfte, so Karner, "eine multinationale Truppe: an die 80 Nationalitäten! Viele aus Sibirien, Russen, Ukrainer, Weißrussen, Tschetschenen." Tausende Zivilisten gerieten in die Kämpfe.
Vor Gleichsetzung der Verbrechen Hitlers und Stalins in Stalingrad warnt Karner: "Beides lässt sich wissenschaftlich vergleichen, aber nicht gleichsetzen. Der Krieg wurde von Hitler-Deutschland begonnen, darüber kommt man nicht hinweg!" Für Karner ist es "wichtig, dass man die Opfer nicht vergisst. Man muss den Toten von Stalingrad auch auf sowjetischer Seite wieder ein Gesicht, einen Namen geben!"
BUCHTIPPS Über Stalingrad ist eine Fülle Bücher, auch literarisch (Konsalik: Der Arzt von Stalingrad. Wöss: Hunde, wollt ihr ewig leben), erschienen. Hier eine kleine Auswahl zeithistorischer Werke
* Guido Knopp: Stalingrad. Das Drama. Bertelsmann 2002. 24,60
Euro.
* Wette, Ueberschär: Stalingrad. Mythos und Wirklichkeit
einer Schlacht. Fischer 1997. 10,30 Euro.
* Antony Beevor: Stalingrad. Die Hölle im Kessel. Orbis 2002.
12,90 Euro.
* Horst Zank: Stalingrad, Kessel und Gefangenschaft. Mittler &
Sohn 2001. 10,30 Euro.
* Kurt Pätzold: Stalingrad und kein zurück. Militzke
2002. 18,40 Euro.
* "Stalingrad - Rückblick nach 60 Jahren", geschrieben
von Heimkehrern. 250 Seiten. 20 Euro. Bezug bei: Kameradschaft
der Angehörigen 44. I.D. Hoch- u. Deutschmeister, 2100 Korneuburg,
Karl Bodingbauer-Str. 23/21, Tel. 02262/61168.