Stasi
Im Januar 1987 erhielt ich die Genehmigung, aus Ostberlin zum Geburtstag meiner Tante nach Westberlin zu fahren. Bei dieser Reise folgten mir Beobachtungskräfte der HAVIII des MfS nach Westberlin. Ich habe davon nichts bemerkt. Bei der Rückreise wurde ich dann "planmäßig" vom Zoll einer Tiefenprüfung mit Leibesvisitation unterzogen.
Im Nachhinein läßt der Beobachtungsbericht eine gewisse
Komik nicht vermissen, wie der folgende Ausschnitt aus dem Bericht
zeigt:
06.00 Uhr an der Wohnanschrift von "Antenne" begonnen. "Antenne" verließ mit seiner Ehefrau um
07.09 Uhr die Wohnung und begab sich zu Fuß zur nahegelegenen Bushaltestelle, von wo aus die Busse in richtung Köpenick fahren.
08.18 Uhr traf "Antenne" mit seiner Ehefrau auf dem S-Bahnhof Friedrichstr. ein. Während die Ehefrau auf dem Bahnhofsvorplatz wartete, begab sich "Antenne" in die Bahnhofshalle, wo er sich eine S-Bahn-Fahrkarte kaufte und die Toiletten aufsuchte. Nach einem kurzen Gespräch wurde "Antenne" durch seine Ehefrau bis zur GÜST Friedrichstr. begleitet, wo er sich verabschiedete. Neben zwei Reisetaschen und einem Stoffbeutel führte "Antenne" noch einen Grabstrauß bei sich.
Gegen 08.30 Uhr
passierte "Antenne" die GÜST Friedrichstraße.
Auf dem Westteil des Bahnhofs wurde "Antenne" von einer
männlichen Person erwartet. Es gab eine herzliche Begrüßung.
Von dem gezeigten Verhalten schlossen die Beobachtungskräfte,
daß es sich bei der männlichen Person um einen Verwandten
von "Antenne" handelte sowie daß dessen Erscheinen
nicht vorher vereinbart war, denn "Antenne" war überrascht,
daß er abgeholt wurde.
Personenbeschreibung der männlichen Person:
Alter:
Größe: Gestalt: Haare: Gesicht: bes. Kennzeichen: Kleidung: |
35 - 40
Jahre 170 - 174 cm kräftig untersetzt mittelblond, halblang rund, Vollbart, Brille keine graue 3/4 lange Kutte, blaue Hose, braune Stiefel |
08.55 Uhr
verließen "Antenne"
und sein Begleiter im S-Bahnhof Mariendorf den Zug und begaben
sich zu Fuß durch den Steglitzer Damm in Richtung Grabertstraße.
"Antenne" und sein Begleiter betraten für ca. 3
Minuten das Tabakwaren/Zeitschriftengeschäft Steglitzer Damm
97/99, wobei nicht festgestellt werden konnte, welche Einkäufe
getätigt wurden.
Nach Verlassen dieses Geschäfts gingen beide Personen auf
direktem Wege zum Wohnhaus Grabertstr. 10, welches sie gegen
09.10 Uhr betraten. Durch den Begeiter von "Antenne" wurde die Haustür des o. g. Wohnhauses aufgeschlossen. Nachdem "Antenne" und sein Begleiter bis
14.15 UhrEin Pkw mit dem pol. Kennzeichen B - CH 6715 parkte vor dem Haus. Die Insassen, eine weibliche Person, ca. 40 Jahre alt, in deren Begleitung ein Kind war, betraten, nachdem diese vorher klingelten, das Haus.
14.50 UhrDas Haus wurde durch ein älteres Ehepaar, das zu Fuß die Grabertstr. entlang kam, betreten.
14.55 UhrEine männliche Person, ca. 35 Jahre alt, Brillenträger, suchte die genannte Anschrift auf. Die Person kam zu Fuß und trug eine dunkle Aktentasche und einen Plastebeutel bei sich.
15.00 Uhr Zwei weibliche Personen, ca. 25 Jahre alt, betraten mit einem Kleinkind das Haus Nr. 10.
15.05 Uhr Eine ältere weibliche Person betrat das Haus, nachdem sie zuvor bei der Fam. Zahn klingelte.usw. usw.
17.15 Uhr verließen zwei männliche Persone das Wohnhaus Grabertstr. 10, begaben sich zu dem Pkw BMW B - CX 2783 und fuhren zum Steglitzer Damm Richtung Rathaus. Die männliche Person, die auf dem Beifahrersitz saß, konnte zweifelsfrei als das Objekt "Antenne" identifiziert werden. Zum Fahrer des Pkw konnten keine eindeutigen Aussagen getroffen werden. Auf Grund der Statur des Fahrers liegen bestimmte Ähnlichkeiten mit der Person vor, die "Antenne" am Bahnhof Friedrichstr. abgeholt hat.
Der genannte Pkw BMW trat bis 20.30
Uhr nicht mehr in
Erscheinung. Daher wurde die Beobachtung zu diesem Zeitpunkt für
diesen Tag beendet.
Bei dem Wohnhaus handelt es sich um ein 4-geschossiges Gebäude,
in dem folgende Familien wohnen:
Es folgen die einzelnen Namen.
Nachfolgende Pkw parkten auf dem in unmittelbarer Nähe gelegenen
Parkplatz bzw. direkt vor dem Haus:
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Unklar ist, ob die Gestapo oder die Sowjets Gut Dolgenbrodt enteigneten
Susanne Lenz
Die Gestapo kam am 13. April 1945 nach Gut Dolgenbrodt. Gutsherr
Heinrich Specht hatte zwei desertierten Flakhelfern Unterschlupf
gewährt und irgendjemand hatte ihn denunziert. Specht kam
an diesem Tag ums Leben. Ob er Selbstmord begangen hat oder von
der Gestapo erschossen wurde, weiß bis heute niemand. Auch
konnte nicht geklärt werden, ob die Gestapo das Gut damals
beschlagnahmte - eine für die Zukunft des Ortes im Landkreis
Dahme-Spreewald entscheidende Frage.
Dass es so gewesen ist, sagt Heinrich Spechts Sohn Eberhard. Kurz nach der Wende erhob er Anspruch auf das einstige Gut seiner Familie. Doch das Landesamt für offene Vermögensfragen lehnte den Antrag ab. Gegen diese Entscheidung klagte Specht beim Verwaltungsgericht in Cottbus. Gestritten wird um eine Fläche von rund 300 Hektar - fast die gesamte Fläche der Gemeinde Dolgenbrodt.
Rückkehr nach dem Krieg
Das Landesamt geht davon aus, dass das Gut im Zuge der Bodenreform durch die Sowjets enteignet wurde. In diesem Fall hätte Specht keinen Anspruch auf Rückübertragung. "Eine Beschlagnahme durch die Gestapo müsste bewiesen werden, und das geht nicht mehr", sagt Bernd Späte vom Landesamt. Auch Eberhard Specht kann das nicht, denn er war im April 1945 nicht in Dolgenbrodt. Als "Halbjude" musste er seit 1944 Zwangsarbeit in einem Außenlager des KZ Buchenwald leisten. Im Februar 1945 konnte er fliehen. Er tauchte in Berlin unter. Erst nach dem Krieg kehrte Specht nach Dolgenbrodt zurück. Nach dem Selbstmord seiner Mutter wanderte er 1946 zur Schwester nach Brasilien aus. Noch heute lebt er in São Paulo. Er ist 84 Jahre alt.
Der Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin, Johannes Tuchel, hält den Fall Specht für eindeutig. "Es handelt sich bei der Aktion im April 1945 um eine Beschlagnahme durch die Gestapo", sagt Tuchel. Er hat über Dolgenbrodt ein Gutachten angefertigt. Doch das reicht nicht. Nur ein überprüfbares Dokument zur Beschlagnahme kann offenbar den Fall für Specht entscheiden.
Spechts Berliner Anwalt Andreas Giese hat deshalb jetzt beantragt, Unterlagen aus der Gauck-Behörde in das Verfahren einzubeziehen. Giese geht davon aus, dass der damalige sowjetische Geheimdienst NKWD sämtliche Gestapo-Akten in der Ostzone beschlagnahmt hat. Der NKWD habe diese Akten nach Gründung der DDR an die Stasi weitergeleitet, glaubt Giese. Ein Teil der Stasi-Akten lagert heute bei der Gauck-Behörde. Erst wenn diese ihre Bestände überprüft hat, kann nach Auskunft des Gerichts das Verfahren fortgesetzt werden. Wie lange das dauert, weiß niemand.
Das Gutshaus in Dolgenbrodt wurde 1947 abgerissen, das gesamte Gelände parzelliert. Dolgenbrodter und viele Flüchtlinge, die 1945 von Osten gekommen waren, haben hier Häuser gebaut. "Es gibt Menschen, die leben hier seit 50 Jahren", sagt Bürgermeisterin Gerlinde Hake (parteilos). "Doch sie dürfen ihre Häuser nicht vererben und nicht veräußern."
Anwalt Andreas Giese sagt, Eberhard Specht wolle auf die Grundstücke, auf denen vor Jahrzehnten Häuser gebaut wurden, verzichten. Er hat der Gemeinde einen Vergleich vorgeschlagen: Zwei Drittel des Geländes sollen die Gemeinde beziehungsweise die jeweiligen Eigentümer behalten dürfen, ein Drittel will er zurück. "Es gibt viele Parzellen, die erst Anfang der 90er-Jahre verkauft worden sind", sagt Giese. Anspruch erhebe Specht auch auf die Wochenendgrundstücke am Wasser. Die Gemeinde hat den Vorschlag abgelehnt.
Sozialhilfe auf Kredit
Aus Grundstücksverkäufen in Dolgenbrodt, die derzeit nur mit Spechts Zustimmung getätigt werden können, liegen bereits 1,5 Millionen Mark auf Treuhandkonten, sagt Giese. Dieses Geld stehe Specht zu. Auf die jährlichen 300 000 Mark Pachteinnahmen dagegen wolle sein Mandant verzichten.
Eberhard Specht ist ein armer Mann, wie er selbst sagt. Er habe in Brasilien als Vertreter gearbeitet. Eine Rente bekomme er nicht. "Es würde mir helfen, wenn ich ein paar Grundstücke in Dolgenbrodt verkaufen könnte." Auf Bemühen seines Anwaltes hin zahlt die Bundesrepublik Specht jetzt Sozialhilfe, allerdings nur auf Kredit: Bekommt Specht sein Gut wieder, muss er das Geld zurückzahlen.
Quelle: Berliner Zeitung vom 08.03.2000
Schlagworte: Geschichte, Einzelschicksale, Nationalsozialismus