Mein Toern
auf der Roald Amundsen
Im Sommer '99 ging's auf der Roald Amundsen von Eckernfoerde nach Brest. Es war meine zweite Reise auf diesem Schiff, ein Jahr zuvor bin ich von Travemuende nach Kiel auf der Ostsee gefahren. Dabei hat mir der Rahsegler so dermassen gut gefallen das ich unbedingt wieder mit musste. Diesmal sollte es durch den Nord-Ostsee-Kanal und den Aermelkanal gehen.Montag der 18.10.99, 1. Tag
Um 10Uhr ist Treffen in Eckernfoerde. Ich lass mich hinfahren und zweifle etwas ob es so schlau war im Oktober segeln zu gehen. Gebucht hatte ich im Sommer bei bestem Wetter, und noch kurz vorher hatte ich allen anderen etwas vom 'Goldenen Herbst' erzaehlt. Jetzt ist es kalt, ein Schauer loest den Naechsten ab. Ich bin mal wieder zu frueh da, aber das macht nichts, so darf ich noch beim stauen der letzten Vorratslieferungen helfen. Hie und da wird noch gearbeitet, die vorhergehende Werftzeit wird noch schnell abgeschlossen, der letzte Schliff mitgegeben. Dann trudeln immer mehr Mitsegler ein, und weil alle anderen beschaeftigt sind und ich schon mal auf dem Schiff war bekomme ich gleich meinen zweiten Job : Rechte Hand der Empfangsdame. Eine steile Karriere! Gegen Mittag sind dann alle da und wir sammeln uns zur Begruessung durch Kaept'n Paule an Deck. Einweisung, insbesondere zur Sicherheit an Bord, Einteilung in die Wachen, Tauschwuensche bei den Kojen und Ausgabe der Klettergurte werden abgearbeitet, dann gibt's Mittagessen. Dabei kann ich schon mal meine 4/8 Wache etwas kennenlernen. Dabei ist Rainer, Konditor mit eigenem Cafe in Frankreich, Rentner Gerd hat den Toern von seiner Frau geschenkt bekommen, Frank und Katrin sind Lehrer an einer Waldorfschule in Niedersachsen, Andreas ist ein liebenswerter Spinner und Bundeswehrarzt. Haly ist Amerikanerin und arbeitet bei Outward Bound, Mauro kommt aus Italien, Adrian ist einer von drei schwarzschlipsigen Wandergesellen, und Wachfuehrer Joerg studiert an der TH Darmstadt, genau wie ich damals. Nach dem ablegen geht's unter Motor nach Kiel. Waehrend der Fahrt geht Joerg mit dieser gemischten Gruppe das erste mal in's Rig, zum kennenlernen. Ich hab das zwar schon mal mitgemacht, aber spannend ist es trotzdem. Am Abend legen wir am Bahnhofskai in Kiel an, wir warten den naechsten Tag fuer die Kanaldurchfahrt ab. Nach der Einteilung der Hafenwache geht's noch mal auf ein schnelles Bier in die Stadt, dann ist der erste Tag auch schon vorbei.Dienstag der 19.10.99, 2. Tag
Um acht gibt es Fruehstueck.Katrin hat sich freiwillig zur Oberbackschafterin fuer die ganze Woche gemeldet, und man merkt schon jetzt das diese Entscheidung fuer alle anderen ein Gluecksfall ist. Ich hab Pech und darf nicht einen Tag Kuechendienst machen, die Kombuese ist einfach zu flach. Vielleicht gefaellt mir das Schiff auch deshalb so gut ;-) Nach dem Fruehstueck ist noch Zeit, wir wollen erst um zehn ablegen. Einige Kleinigkeiten am Schiff werden noch erledigt, einige Einkaeufe getaetigt. Erst laechel ich noch, dann merk ich das meine Zahnpasta alle ist und geh wie viele andere noch schnell mal in den Supermarkt. Als alle wieder da sind geht's los, die Foerde rauf zur Schleuse Holtenau. Es ist ziemlich kalt, aber immerhin trocken als wir den Lotsen uebernehmen. Das Anlegemanoever in der Schleuse verlaeuft nicht gerade schulmaessig, zum Glueck sieht uns kaum einer. Ich weiss nicht was ich eigentlich erwartet habe, doch die Schleusung ist ziemlich unspektakulaer. Im Kanal angekommen ist nicht viel fuer uns zu tun. Wir erzaehlen uns Geschichten, betrachten die Landschaft, bewundern die Bruecken. Ein komisches Gefuehl an Bord eines Schiffes zu sein und an beiden Seiten von Kuehen beobachtet zu werden. Einige Stellen am Kanal kenn ich, Rensburger Hochbruecke, die Faehre bei Legan, doch aus dieser Perspektive sieht es schon etwas anders aus. Wir begegnen auch einigen ziemlichen dicken Poetten in einer Entfernung bei der auf See schon mal die Rettungswesten angelegt werden wuerden. Es gibt viel Zeit uns mit dem Schiff vertraut zu machen, Knoten zu ueben, nochmal in's Rigg zu gehen und die Aufgabe der vielen Belegungnaegel auswendig zu lernen. Spaeter als gedacht machen wir in Brunsbuettel fest. Es ist abzusehen das dies die letzte Chance auf Landgang fuer die naechsten Tage ist, und so machen wir uns in kleinen Gruppen auf um das Nachtleben von Brunsbuettel zu erkunden. Viel ist in dieser Ecke nicht los, mich verschlaegt es mit fuenf bis sieben anderen ins 'Trucker's Inn'. Geboten wird kuehles Holsten und ein warmes Plaetzchen, was will ich mehr am Ende dieses Tages.Mittwoch der 20.10.99, 3. Tag
Schon wieder koennen wir ausschlafen. Unglaublich, nur unterbrochen von einer kurzen Hafenwache haben alle eine ruhige Nacht hinter sich gebracht. Es droht schon fast erholsam zu werden, aber jeder spuert das hinter den Schleusentoren die Nordsee lauert. Der Wetterbericht verspricht Ostwind der Staerke 6, ideal fuer uns. Einer der drei Wandergesellen steigt ab, die anderen beiden sind noch etwas mitgenommen von ihrer langen Abschiedsfeier am vorhergehenden Abend. Jetzt sind noch 38 Crewmitglieder an Bord. Wir legen ab, fahren in die Schleuse von Brunsbuettel ein und dann weiter durch die Elbe Richtung Nordsee. Der Wetterbericht behaelt recht, und endlich, am dritten Tag der Reise, ertoent das lang ersehnte Kommando : " Klar zum Segel setzen! " Unsere Toppsgasten schicken ihre Trainee's in die Masten, jetzt duerfen wir richtig Hand anlegen. Es dauert alles etwas lange, man kennt sich eben noch nicht so richtig aus. Nachdem die angewiesenen Segel klargemacht sind geht es zurueck an Deck und das eigentliche setzen der Segel beginnt. Es werden Geitaue gefiert und Schoten geholt das es eine wahre Pracht ist. Schliesslich ist es geschafft. Als Belohnung gibt es eine ungewoehnliche Ruhe an Bord, ich bin zunaechst etwas irritiert. Aber dann wird mir klar was passiert ist : Der Diesel ist aus! Und wir bewegen uns doch...Donnerstag der 21.10.99, 4. Tag
Der Tag hat frueh um 04h00 angefangen, doch die Wache war eher ruhig. Der Wind ist konstant, auch wenn er ungluecklicherweise genau wie wir langsam immer mehr auf Sued dreht. Wir brassen immer haerter und nehmen mehr und mehr Rahsegel weg. Als Gruss aus der Werftzeit verlieren wir den Schaekel vom Vorstengestagniederholer. Sehr unschoen, Joerg muss in den Mast und setzt als Provisorium den Niederholer mit einem Schaekel auf's Stag. Mehr als aergerlich ist das wenige Wachen spaeter dasselbe Missgeschick beim Innenkluever passiert, der Schaekel knallt auf's Vorschiff, nicht ungefaehrlich. Fuer uns bleibt dennoch genug Zeit um den Tag kommen zu sehen und mit den anderen meiner Wache ueber Gott und die Welt zu reden. Je mehr es auf den Wachwechsel zugeht umso deutlicher meldet sich mein Magen, aber vor acht ist nicht an Fruehstueck zu denken. Das schmeckt wie immer wunderbar, Nutella ist in ausreichenden Mengen an Bord, es gibt keinen Anlass fuer Meuterei. Danach leg ich mich in die Koje, und um neun Uhr morgens bin ich im Land der Traeume. In welchem Urlaub macht man das schon? Als die Mittagsglocke laeutet schael ich mich aus dem Schlafsack. Mein Magen meldet sich schon wieder. Beim Anblick der Nudeln in Tomatensauce auf meinem Teller weiss ich auch warum : Ich bin seekrank! Einen halben Loeffel zwing ich mir runter, den Rest geb ich den Fischen. Auch der halbe Loeffel voll will noch was von der Welt sehen, also hinterher damit. Ich bin an der Reling bei weitem nicht der Einzige. Da ich es an Deck fuer zu ungemuetlich befinde bleibt mir nichts anderes als zurueck in die Koje. Bis zum Wachwechsel um vier nimmt das schlechte Gefuehl noch zu, aber wenn ich dann in der Koje unter mir zusehen muss wie Gerd leidet weiss ich : Es koennte noch viel schlimmer kommen. Die Wache geht recht schnell vorbei, um 20h07 lieg ich wieder flach und der Tag ist gelaufen.Freitag der 22.10.99, 5. Tag
Zwanzig vor vier Uhr am morgen hoeren wir in Kajuete 12 wieder die uns schon gut bekannte Stimme von Sebie aus der 0-4 Wache : "Hallo, aufstehen, es ist kurz vor viertelvor vier, Wachwechsel. Zieht euch warm an, es ist windig und kalt, und das Oelzeug nicht vergessen". Eigentlich versoehnt Sebie's Stimme mich immer mit den widrigen Umstaenden, aber heute bin ich immer noch ein wenig seekrank. Trotzdem, rauf geht's, aufstellen, die abziehende Wache wuenscht uns eine 'gode Wacht', wir eine 'gode Ruh', Rituale muessen sein auf einem Traditionssegler. An Deck mit der frischen Luft fuehl ich mich eigentlich ganz gut. Deshalb melde ich mich auch als Joerg einige Freiwillige sucht um im Grossmast verschiedene Rahsegel besser zu packen. Das Schiff rollt zwar ganz ordentlich, es ist dunkel und kalt, aber ich bin ja nicht zum Spass unterwegs ;-) Also rauf. Ich bin mit Adrian auf der Luvseite der Untermars und zieh den zweiten Zeising nach als mein Magen protestiert. Erst versuch ich noch mit ihm zu diskutieren, aber dann hat er gewonnen : Das bischen Tee was drin ist muss wieder raus. Ich seh der Ostfriesenmischung noch nach, zum Glueck ist der Wind stark genug um die vom Regen verduennten Bestandteile an Schiff und Mitsegler vorbei auf der Luvseite in den Kanal zu tragen. Danach werden mir die Beine etwas weich und ich lass den Holzwurm alleine weitermachen. Zurueck auf's Deck, sicher ist sicher. Mit dem Blick auf den Horizont gerichtet oder auf's Ruder gehen konzentriert wird es acht, und schon wieder zieht es mich direkt in die Waagerechte. Die Mittagsglocke laesst mich kalt, erst zum naechsten Wachwechsel beweg ich mich wieder. Inzwischen kann ich nicht mehr genau unterscheiden ob es die Seekrankheit ist oder die unfreiwillige Fastenzeit die mich schlaff macht, immerhin hab ich seit 32 Stunden nichts mehr gegessen. Der 'Dienst' ist zum Glueck nicht besonders anstrengend, Ausguck, Rudergaenger, Deck schrubben, mal ein Stagsegel setzen oder bergen, klar Schiff wer kann ohne das ihm unter Deck schlecht wird. Ich trau mich nicht, erst nach Ende der Wache geh ich wieder runter. Vor'm einschlafen nehm ich all meinen Mut zusammen und knabber etwas Zwieback. Wenn das man gut geht...Sonnabend der 23.10., 6. Tag
Es geht gut! Wie jeden Tag stehe ich um halb vier auf und mach Wache, und diesmal reizt mich auch das Fruehstueck wieder. Kaum zu glauben wie lecker alles schmeckt wenn sich nach fast zwei Tagen Pause wieder Hunger einstellt. Bei Gerd sieht das anders aus. Ihm geht's immer noch schlecht, aber er zwingt sich immer wieder mit an Deck und macht das Beste draus, geradezu respekteinfloessend. Seitdem er uns erzaehlt hat das ihm seine Frau diesen Toern geschenkt hat ueberlegen wir uns immer neue Sachen mit denen er sich 'raechen' koennte ;-) Alle an Bord haben inzwischen eine gewisse Routine im Umgang mit dem Schiff und dem ungewohnten Tagesablauf. Man weiss was zu tun ist wenn es heisst "Klar zum bergen des Grossstengestag", ich merke selbst wie das Gefuehl fuer's Schiff beim Rudergehen immer besser wird, man entwickelt Vorlieben und Abneigungen gegenueber bestimmten Aufgaben und Situationen. Es entsteht ein ganz eigener Lebensrhythmus, bestimmt von Wetter, Schiff und der Gemeinschaft an Bord. An diesem Abend bleibe ich nach der Wache noch etwas in der Messe sitzen, schliesslich geht es mir wieder gut. Der Kapitaen spielt auf der Gitarre, die Haribo Lakritztuete macht die Runde, wir lachen, erzaehlen uns Geschichten und ich erteile Sebie eine Lehrstunde in Backgammon. Kaum zu glauben das es noch etwas anderes auf dieser Welt gibt, der Alltag ist Lichtjahre von uns entfernt.Sonntag der 24.10., 7. Tag
Der Wind hat weiter aufgefrischt, immer noch aus suedlicher Richtung, Staerke 7-8, Tendenz zunehmend. Sebie hat uns beim wecken mal wieder eindringlich zu Oelzeug und warmer Waesche geraten, und das ist gut so. Wir haben nur noch wenig Segel oben, die Maschine laeuft staendig damit wir noch einigermassen Fahrt ueber Grund machen. Die Stroemung macht uns ebenfalls zu schaffen, mal schiebt sie uns mit einigen Knoten an, dann kippt die Tide und wir bleiben fast stehen. Es ist verdammt nass und ungemuetlich an Deck, wir gehen nur noch gesichert auf's Vorschiff. Es geht zu wie im Fahrstuhl, das Schiff bohrt sich in die Wellen, man kann hinter'm Ruder nur mit Muehe das Gleichgewicht halten. Es ist fast unglaublich das die Backschaft noch Broetchen und sogar Ruehrei hinbekommen hat. Spaeter wird mir glaubhaft versichert das drei Leute noetig waren um den Ofen auszuraeumen : Einer haelt das Blech, die zwei anderen den Ersten. Doch nur weil etwas auf dem Tisch steht heisst es noch nicht das man auch essen kann. Staendig rutscht alles hin und her, Tassen schwappen ueber, Andreas fliegt durch die Messe und raeumt den halben Tisch ab, Udo verliert beim Tee holen das Gleichgewicht und findet sich mit dem Feuerloescher im Arm in der Ecke wieder. Zum Glueck passiert nichts Ernsthaftes, wir nehmen's mit Humor. Ich entscheide mich mal wieder fuer die Koje als einzig sicherem Platz, nicht ohne zuvor das Leesegel auszupacken. Gegen 11Uhr werde ich wieder wach. Es ist ungewoehnlich dunkel. Jemand hat die Bullaugen mit den Stahlschotten gesichert. Die Roald rollt und stampft, es muss noch schlimmer geworden sein. Ich beschliesse nach oben zu gehen um die Lage zu erkunden. Bereits auf dem hinweg hoere ich die neuesten Info's : Der Wind hat Staerke 10, in Boeen 12, erreicht. Der Luftdruck faellt mit etwa 4 hPa pro Stunde. Wir machen keine Fahrt ueber Grund mehr, alle Segel sind geborgen. Es darf niemand an Deck ausser dem Steuermann, dem Rudergaenger und den zwei Ausgucks. Die Backschaft hat den Dienst eingestellt, es wird nichts warmes zum Mittag geben, die Arbeit in der Kombuese waere viel zu gefaehrlich. Nicht weit von uns entfernt ist ein Fischer zu sehen, das Boot huepft auf den Wellen wie ein Korken. Verrueckt bei dem Wetter hier draussen fischen zu wollen. Dasselbe denkt er sicherlich von uns, und wir sind nur zum Spass unterwegs! Unsere Brigg rollt heftig hin und her, bis zu 46 Grad Schraeglage, fuer ein so grosses Schiff schon ganz ordentlich, aber bei Windgeschwindigkeiten bis 74kn, also etwa 130km/h, kein Wunder. Ich fuehle mich trotzdem sicher, es macht sogar Spass den Hauch von Abenteuer zu erhaschen. Einige andere scheinen im Moment Zweifel an Schiff und Kapitaen zu haben, zumindest sehen ihre Gesichter so aus. Dann aendern wir unseren Kurs. Es ist sinnlos weiter gegen das Wetter anzukaempfen, also entscheidet Paule das wir in den Schutz der Isle of Wight ablaufen, aber auch das dauert noch ueber zwoelf Stunden. Waehrend meiner Wache am Nachmittag ist das Schlimmste schon vorbei, trotzdem schlagen einem die Regentropfen wie Hagelkoerner in's Gesicht. Als die Ankerkette gegen drei Uhr morgens ausrauscht schrecke ich kurz hoch, aber der zweite Gedanke ist bereits : Ankern, also keine volle Wache, schoen. Kurz darauf ist ein ungewohntes klirren zu hoeren. Eindeutig : Ein Kasten mit Hopfentee! Offensichtlich gibt es ein Ankerbier. Ich ueberlege ernsthaft ob ich aufstehen soll, gleite jedoch ab in das Land der Traeume.Montag der 25.10., 8. Tag
Am naechsten Morgen ist alles ganz ruhig. Das Schiff steht wie eingefroren, Fruehstucksduft macht sich breit. An Deck sticht einem die Sonne in die Augen, es ist angenehm warm. Wir liegen zwischen der Isle of Wight und dem englischen Festland vor Anker. Jetzt ist Wunden lecken angesagt. Die Bestandsaufnahme zeigt das Vorstenge-, Grossstenge- und Fockobermarssegel so stark beschaedigt sind das wir sie tauschen muessen. Daneben gibt es noch einen Haufen kleinerer Dinge : einige Bloecke sind zerschlagen, etwas laufendes Gut zerrissen, es fehlt an Zeisingen, unter Deck muess aufgeraeumt und Klar Schiff gemacht werden, das Messing gehoert poliert. Ueberall wuseln wir herum und holen, spleissen, fieren, schrubben, naehen, packen aus, packen ein, jeder sucht sich etwas Arbeit. Das alles passiert in einer extrem entspannten Atmosphaere, es bleibt Zeit in der Sonne zu sitzen, Tee zu trinken oder der Musik aus der schnell aufgebauten bordeigenen Stereoanlage zu lauschen, trotzdem geht die Arbeit sehr effektiv voran. Es wird viel gelacht und erzaehlt, und Gerd ist das erste mal nach der Kanalausfahrt nicht nur an Deck sondern auch im Mast. Unser Zeitplan ist allerdings voellig durcheinander geraten. Der Stop in Guernsey wird abgesagt, stattdessen organisert das Buero in Hamburg einen Dieseltanker vor Ort. Am spaeten Nachmittag geht er laengsseits und hustet kurz in unseren Tank. Wir tauschen mit der Tankercrew Bier gegen Rotwein, denn am Abend wollen wir unsere Abschlussfeier vorziehen. Es werden Tische und Baenke aufgebaut, der Grill wird angeworfen, die Kueche uebertrifft sich wieder selbst und zaubert ein wunderschoenes Buffet auf's Deck. Kaept'n Paule lobt uns weil wir im Sturm so tapfer ausgehalten haben und so ungemein fleissig beim aufarbeiten der Nachwirkungen waren. Wenn ich mich recht erinnere sollen wir besser gewesen sein als so manche Stammcrewgruppe auf Werftzeiten :-) Tatsaechlich sind wir wieder voll seeklar, und nachdem das erste Bier getrunken und die erste Wurst gegessen ist entwickelt sich ein schoener Abend nach einem tollen Urlaubstag.Dienstag der 26.10., 9. Tag
Nach dem Fruehstueck laufen wir relativ spaet aus. Unter Motor geht es um die Isle of Wight herum gen Brest. Der Wind weht immer noch von vorne, also ist der Diesel wieder gefragt. An Deck ist es warm und sonnig, nur die Duenung erzaehlt noch von dem Sturm der vor 36 Stunden hier gewuetet hat. Erste Abschaetzungen ueber unsrere Ankunftzeit in Brest werden gemacht, die meisten lauten auf Mittwoch abend. Geplant war Dienstag abend mit anschliessender Abschiedsfeier. Die haben wir jetzt schon hinter uns gebracht, das ist nicht das Problem, aber einige Mutige haben schon vor der Reise ihren Zug ab Brest reserviert, natuerlich fuer Mittwoch nachmittag. Das wird sicher nichts, soviel steht fest. Mein Zug faehrt am Donnerstag um 07h00, und ich mach mir Hoffnungen den auch zu erwischen. Andererseits ist es erstens nicht so wichtig und zweitens sowieso nicht in meiner Hand. Viel schlimmer ist die Vorstellung das es wirklich nur noch eineinhalb Tage sind bis der Toern vorbei sein soll. Doch die koennen wir alle noch geniessen. Gegen Mittag entdeckt uns ein Hubschrauber der Royal Navy. Es ist nicht das erste mal das wir fuer Hubschrauber, Flugzeuge, Segler und andere zum Schauobjekt werden, doch dieser Pilot scheint ein besonderes Herz fuer Rahsegler zu haben. Er umkreist uns minutenlang und winkt aus seiner Kanzel, wir winken natuerlich zurueck. Waehrend meiner Wache am Nachmittag interessiert sich dann ein wirklich grosser, froschgruener Frachter fuer uns. Zunaechst entgegenkommend dreht er, geht auf Rammkurs, kreuzt wenige hundert Meter voraus unseren Kurs und entschwindet dahin woher er gekommen ist. Wir spekulieren kurz ob ein Zusammenstoss von unserem Gegner ueberhaupt wahrgenommen worden waere, lassen diesen unschonen Gedanken jedoch schnell wieder fallen. Die Stimmung am Abend in der Messe laesst spueren das es vielleicht der letzte Gemeinsame an Bord sein koennte, doch es sollte anders kommen.Mittwoch der 27.10., 10. Tag
Wir laufen immer noch unter der franzoesichen Kueste in Richtung Brest, der Wind kommt stabil von vorne, der Diesel ackert bestaendig vor sich hin. Der Sonnenaufgang ist schoen, die Temparaturen tagsueber geradezu mild. Es gibt nicht viel zu tun, wir erzaehlen uns viel, schlafen, essen, trinken. Beinahe koennte man sich wie auf einer Kreuzfahrt fuehlen. Es gibt fast keinen Unterschied zum vorigen Tag, nur das Ende der Reise ist wieder etwas naeher gerueckt. Wir haben sogar franzoesische Gaeste an Bord : Mehrere Spatzen scheinen unsere Masten mit den heimischen Baeumen zu verwechseln. Kurz vor Mittag wird es ploetzlich unruhig, ich schrecke aus meinem Schlaf hoch. Der Ausguck hat Delphine an Steuerbord gesichtet! Ein Blick aus dem Bullauge und tatsaechlich, nur wenige Meter neben dem Schiff tanzen die eleganten Schwimmer an der Wasseroberflaeche. Ich also schnell angezogen, den Photoapparat geschnappt und an Deck, doch es ist zu spaet. Die Tiere sind bereits zu weit weg fuer den schwachen Zoom meiner Kleinbildkamera. Gegen Abend dann die naechste Stoerung der Leichtigkeit unseres Seins : Ein Boot der franzoesischen Kuestenwache taucht auf. Nachdem es uns langsam umkreist hat sehen wir wie das Beiboot zu Wasser gelassen wird. Wir stoppen die Maschine und empfangen die fuenf Beamten. Die nehmen ihren Job ernst, schauen grimmig und kontrollieren unsere Papiere. Mehrere Mitsegler muessen ihre Kojen und Habseligkeiten durchsuchen lassen. Fast schon fertig kontrollieren zwei noch unseren Maschinenraum und kommen mit einem breiten Grinsen zurueck das Schadenfeude oder Mitleid ausdruecken koennte. Sie wuenschen uns eine gute Reise und verabschieden sich. Wir setzen unsere Fahrt fort und versuchen die verbliebene Zeit in der guenstigen Stroemung auszunutzen bevor die Tide wieder kippt. Als ich meine Wache am Abend um acht beende ist es noch ein gutes Stueck bis Brest, fuer mich eine willkomene Verlaengerung der Reise, bei anderen kommt bereits Termindruck auf.Donnerstag der 28.10., 11.Tag
'All Hands on Deck' schallt es rauh durch die Gaenge. Mal was anderes, auch von der Zeit her, denn es ist erst 02h00. Kurz darauf steh ich wie Dutzende andere verschlafen an Deck. Wir befinden uns wenige Meilen vor Brest. Das Schiff muss auf's anlegen an Backbord vorbereitet werden, ein fuer uns geradezu ungewohntes Manoever. Wir legen die Festmacher an Deck, machen Wurfleinen klar und halten nach Tonnen, Landmarken und Lichtern Ausschau. Langsam tastet sich die Roald in den Hafen. Es ist nicht wirklich eng, aber Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Eine letzte Schwierigkeit tut sich auf als festgestellt wird das unser Dingi nicht einsatzbereit ist, wir also niemanden zum festmachen auf die Mole schicken konnen. Um diese Zeit ist auch kein Mensch im Hafen zu sehen, also muess Kaept'n Paule nochmal Praezisionsarbeit leisten. Das ist kein Problem fuer ihn, gegen 04h00 liegen wir an unserem reservierten Platz fest. Der Diesel ist aus, fuer viele ist die Reise vorbei, eine etwas melancholische Stimmung macht sich breit. Es gibt noch ein Abschlussbier, man tauscht Adressen aus, verabschiedet sich. Auch ich packe meine Sachen, mach mich fertig fuer die Abreise, druecke allen die ich kennengelernt habe nochmal die Hand und danke Paule fuer den schoenen und sicheren Toern. Gegen 06h00 heisst es dann endgueltig Abschied nehmen. Nach ueber 7 Tagen auf dem Schiff habe ich wieder festen Boden unter den Fuessen, ein ungewohntes Gefuehl ueber das ich mich nicht wirklich freuen kann.Im TGV auf dem Weg nach Paris denk ich nochmal zurueck an Rainer, unseren Broetchenbaecker, unsere Steuerleute Kora und Torsten, Seebaer Waldi, die Backschaftschefin Katrin, meinen Wachfuehrer Joerg, Holzwurm Adrian, den seekranken aber immer gutgelaunten Rentner Gerd, Mauro aus Italien und Haley aus den USA, die liebe Sebie, das Schiff, die Crew, unsere gemeinsam bestandenen Abenteuer. Mit dem guten Gefuehl eine tolle Zeit gehabt zu haben schlafe ich ein, beruhigt durch die Tatsache das mein naechster Toern auf der Roald schon gebucht ist : Im Juni '00 von den Bermudas nach Boston...
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