Sollte man Deutsch lernen?
 Hat Deutschlernen einen Sinn?
 



Die Verbindung zwischen Deutschland und Japan ist traditionell stark und wird kuenftig auch so bleiben.  Das laesst sich vor allem im wirtschaftlichen Bereich deutlich erkennen, denn Deutschland haelt Japan fuer das Zentrum der asiatischen Laender, wo ein enormes Entwicklungspotential vorhanden ist.
Und Deutschland gilt fuer Japaner immer noch als das Land, wo innovative Technik geboten ist.
Dennoch scheint die deutsche Sprache fuer Studenten in Japan nicht besonders attraktiv zu sein.
Woran liegt das?   Ist es heute wirklich sinnvoll, Deutsch zu lernen?


Ich bin als Uebersetzerin taetig und bekomme verschiedene Aufgaben, wie z.B. technische Anleitungen, Handelskorrespondenzen, wirtschaftliche-, wissenschaftliche, medizinische Abhandlungen u.s.w. Durch sich staetig vermehrenden Aufgaben stelle ich fest, dass sich die wirtschaftliche- und wissenschaftliche Beziehungen der beiden Laender stetig ausbauen.

Aber vor kurzem machte ich eine bittere Erfahrung.
Von meiner Agentur bekam ich eine Anfrage: Eine japanische Firma sucht eine Dolmetscherin, die einen deutschen Techniker bei der Produktionsstaetten-Besichtigung begleitet. Kurz darauf stellte sich jedoch heraus, dass dieser Techniker gut Englisch spricht.
Weil die japanischen Techniker auch Englisch koennen, hielt man es dann fuer ueberfluessig, eine deutschsprachige Dolmetscherin zu beauftragen. Mir wurde also abgesagt.

Dann lernte ich eine Germanistik-Studentin kennen.  Sie hielt sich ein Jahr in Deutschland auf und spricht fliessend Deutsch.  Sie moechte also bei einer deutschen Firma arbeiten, konnte bisher aber keine Stelle finden, weil bei deutschen Firmen heutzutage nicht unbedingt deutsche Sprachkenntnisse gefragt sind.  Deutsche sprechen ausserdem hervorragend Englisch! Demnach scheint das Deutschlernen heute nicht mehr praktisch, sondern eher ueberfluessig zu sein.

Trotzdem ist es meines Erachtens sinnvoll, denn die Sprache ist nicht nur ein Kommunikationsmittel, sondern auch ein Mittel zum Denken.  Vor allem bei der deutschen Sprache ist eine tiefgreifende Denkweise gefragt: Deutschland ist als das Land der Philosophen bekannt.
Bei dieser Sprache handelt es sich darum, aus verschiedenen Stoffen eine These herauszufinden.  Deutsche pflegen, zu reflektieren und einer Problematik gegenueber kritisch eingestellt zu sein.

In letzter Zeit sorgten in Japan mehrere Skandale wie Bankrott renommierter Geldinstitute und Korruptionen unter Staatsangestellten beim Finanzministerium fuer grosse Aufregung.  Angesichts der Pressekonferenz sahen wir, dass sich die Firmenvorstaende oder der Finanzminister manchmal weinend entschuldigten.  Aber eine Erklaerung ueber die Hintergruende und effektive Loesungsvorschlaege fanden nicht statt.

In Deutschland analysiert man dagegen in solchen Faellen, warum und wie sich solche Affaeren ereignen konnten.  Anschliessend werden konkrete Massnahmen vorgeschlagen, damit kuenftig derartiges nicht mehr passiert.
Uns Japanern ist natuerlich schon laengst diese Schwaeche bekannt und wir versuchen die Situation zu aendern.
Zum Beispiel stellte man neulich bei der Aufnahmepruefung einer Universitaet solch eine Frage:  Warum existiert auf dem Mars kein Wasser mehr?  Dabei wird nicht erwartet, eine richtige Antwort zu schreiben, denn diese Frage ist wissenschaftlich noch nicht geklaert, sondern der Denkprozess wird geprueft.
Kandidaten sollen dieses Problem von verschiedenen Aspekten aus betrachten und einen Schluss ziehen.  Bisher sollten die Schueler bei der Pruefung oft vorgegebene Antworten schreiben.  Aber in Wirklichkeit sind wir staendig mit neuen Problemen konfrontiert, wobei unter alten Loesungsbeispielen keine effektive Loesung zu finden ist.  Also muss man selber eine Loesung finden, wobei die Denkweise nach deutscher Art besonders hilfreich wirkt.


In letzter Zeit machten mehrere grosse Unternehmen Pleite. Die Anstellungsgarantie, die in Japan bisher als selbstverstaendlich galt, ist gefaehrdet.  Japaner muessen also damit rechnen, kuenftig in einer noch haerteren Wettbewerbsgesellschaft zu ueberleben.  Dabei ist vor allem analystische Denkweise und die Faehigkeit der Problemloesung erforderlich.
In diesem Sinne ist Deutschlernen sinnvoll, weil bei dieser Sprache selbstaendiges Denken besonders gut gefoerdert wird.

29. April 1998

 

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