Sissis Leben war voller Widersprüche. Viele sehen in ihr nur das Mädchen, daß an dem strengen österreichischen Hofzeremoniell zerbrach. Andere achten sie als eine emanzipierte und engagierte Kaiserin, die durch geschickte Diplomatie zwischen Österreich und Ungarn zu vermitteln suchte und sogar der Monarchie skeptisch gegenüber stand.

Sisi und die Wertschätzung, die ihr heute noch entgegengebracht wird, kann nur verstehen, wer beide Seiten dieser faszinierenden Frau kennt. Was Sisi tat, für was immer sie einstand, sie war mit Liebe und Überzeugung bei der Sache. Eine Biographie dokumentiert die Liebe zu ihrer Heimat und das Leid, das ihr zugefügt wurde.

1. Die Königen des Herzens

Elisabeth, von ihrem Volk als "Sissi" fest ins Herz geschlossen, ist bis heute unvergessen: Sie ist die wahre Königin der Herzen. In diesem Jahr (1998) jährt sich der Tag ihrer Ermordung in Genf zum 100. Mal. Die Welt gedenkt einer der imponierendsten Frauen der Geschichte. Veranstaltungen, Ausstellungen und Demonstrationen der Ehrerbietung in Deutschland, Österreich und Ungarn erinnern an die unvergeßliche bayerische Prinzessin und späteren Kaiserin von Österreich.

So widersprüchlich wie ihre Persönlichkeit ist auch über Jahrzehnte hinweg ihre Darstellung in der Öffentlichkeit. Sissi war zugleich Märchenprinzessin und aufgeklärte Frau. Ihr Leben als "Kaiserin  wider Willen" war geprägt von höfischem Glanz und Ihrer Bereitschaft zur Pflichterfüllung für ihr Volk, aber auch von Individualität, Eigenwillen und ihrer Fähigkeit sich selbst zu inszenieren. Stets aber blieb sie allen Schichten ihres Volkes verbunden.

Es ist kein Zufall, wenn Prinzessin Diana immer wieder mit "Sisi" verglichen wird: Beide waren wunderschöne Frauen und verliehen den Ländern, die sie repräsentierten, Würde und Eleganz. Beide fanden als Mitglieder prunkvoller Herrscherhäuser Kontakt zur Bevölkerung, in ihrem sozialen Engagement waren sie seelenverwandt. Und beide kamen auf tragische Weise ums Leben.

2. Glückliche Jugendjahre

Elisabeth wurde zu Weihnachten des Jahres 1837 in München geboren. Die Tochter Herzog Maximilians in Bayern und der bayrischen Königstochter Maria Ludovika wurde erzogen fern des Münchner Hofes in Schloß Possenhofen. Hier entwickelte Elisabeth sich zu einem unkonventionellen, freiheitsliebenden und überaus sensiblen Menschen.

Den 23jährigen Kaiser Franz Joseph lernt die erst 15jährige Sissi im Sommer 1853 kennen. Der Kaiser ist so angetan von ihrer Einfühlsamkeit und Eleganz, daß er die Heiratspläne seiner Mutter durchkreuzt: Statt Sissis Schwester Helene zu heiraten, feiert er schon am Tag nach dem ersten Zusammentreffen mit Elisabeth Verlobung mit "seiner Sissi". Ein Jahr später, im April 1854, geben sich Kaiser Franz Joseph und die bayerische Prinzessin Elisabeth das Ja-Wort in der Wiener Augustinerkirche. 15.000 Kerzen erleuchten, als die 16jährige Sissi dem österreichischem Kaiser Franz Joseph am 24. April 1854 ihre Liebe schwört. Die Wiener Augustinerkirche ist mit feinstem rotem Samt ausgelegt. 70 Bischöfe  und Prälaten assistieren dem Erzbischof von Wien, als der dem schönen und reichsten Brautpaar der Welt seinen Segen gibt.

Vier Jahre nach der umjubelten Hochzeit scheint das kaiserliche Glück vollendet: Nach den Töchtern Sophie und Gisela brachte Sissi den lang erwarteten Kronprinzen Rudolf zur Welt.

3. Sissis Rebellion

Wegen ihres Liebreizes und ihrer Natürlichkeit wurde sie in der Öffentlichkeit schnell zu einer Kaiserin, wie sie sonst nur Märchenbücher beschreiben. Doch privat tauchen bald unlösbare Probleme auf: Die Kaiserin mußte ihr Leben auf dem Land gegen das unerbittliche Zeremoniell des Wiener Hofs eintauschen. Vom ersten Tag an fühlte sich die junge Kaiserin unglücklich, die Wiener Hofburg bezeichnet sie als ihren "goldenen Käfig". Das Reglement am Hofe ist streng, die herzlose Schwiegermama führt ein unnachgiebiges Regiment. Schon in den ersten Ehejahren wurde aus der sonst so lebhaften Sissi eine Kaiserin, die sich in Einsamkeit und Krankheit flüchtete. Dem Kaiser, der seine Frau über alles liebt, lassen die Amtsgeschäfte wenig Zeit, um mit seiner Sissi zusammen zu sein "Ach, wenn er doch nur kein Kaiser wäre!" vertraut sie einmal ihrer ehemaligen Gouvernante an. Vieles mußte Sissi mit sich geschehen lassen, doch als man ihr selbst dieErziehung des Kronprinzen nicht zutraut, rebelliert sie offen. Sissi verläßt 1859 den Kaiser, um in Einsamkeit auf den Inseln Madeira und Korfu oder auch und in Venedig zu leben.

4. Politishes Verständnis

Doch Sissi ist immer eine außergewöhnliche und selbstbewußte Frau gewesen. Sie tritt liberal und fortschrittlich auf und beginnt sich politisch zu engagieren. Die Donaumonarchie umfaßt unter Franz Joseph eine große Zahl verschiedener Völker, Deutsche, Ungarn, Tschechen, Slowaken und viele mehr. An den aufbrechenden Nationalitätenkonflikten droht das österreichische Reich zu zerbrechen. Vor allem Ungarn kämpft erbittert um Autonomie und stürzt den österreichischen Vielvölkerstaat in eine tiefe Krise.

Immer häufiger wird Sissi jetzt auf Schloß Gödöllö - nahe Budapest - gesehen und steht im österreichisch-ungarischen Konflikt ganz auf Seiten der Ungarn. Ihr viertes Kind, Marie Valerie, das Sissi 1868 allen Eheschwierigkeiten zum Trotz bekommt, erzieht sie ausschließlich in ungarischer Sprache. Durch ihre Liebe zu Ungarn und ihren Friedenswillen gelingt es ihr, 1867 mit zu Schlichtung des Konflikts beizutragen. Dank ihrer Unterstützung wird ihr Ehemann der österreichische Kaiser auch zum König von Ungarn gekrönt. Beide Länder sind sich damit gleichgestellt.

5. Sissis einsame Jahre

Nach der Krönung von Franz Joseph zum ungarischen König muß sich Sissi immer mehr zurückhalten und flüchtet wieder in ihr Privatleben. Hier, fernab diplomatischer Pflichten, lebt sie ausschließlich für sich, ihre Schönheit und ihre Interessen. Sie reitet wie eine Hochleistungssportlerin und will Gedichte schreiben wie der von ihr verehrte deutsche Dichter Heinrich Heine.

Jeden Tag mehrere Stunden pflegte sich Sissi: Im kaiserlichen Turn- und Toilettenzimmer formt die Monarchin an Ringen und Sprossenwand ihre Figur. Sie verfügt über ein für damalige Verhältnisse hochmodernes Badezimmer mit Kupferwanne, und in langen Sitzungen wurde die fersenlange Haarpracht in komplizierte Flechtfrisuren verwandelt. So bezeichnete sich Sissi einerseits als die "Sklavin ihrer Haare", andererseits war sie sehr perfide, was ihr Aussehen anbetraf: Um die "Modelmaße" – sie hatte einen Taillenumfang von 47 cm – zu betonen, ließ sich Elisabeth nicht nur schnüren, sondern in ihre Kleider einnähen.

Doch Schicksalsschlägen konnte sie sich nicht entziehen: Neben ihrer Tochter Sophie (1857) verlor die Kaiserin auch auf tragische Weise ihren so bewunderten Cousin, den Bayernkönig Ludwig II: Im Starnberger See 1886 ertrank Ludwig, der Erbauer so wundervoller bayerischer Schlösser wie Schloß Nymphenburg und Neuschwanstein auf bis heute rätselhafte Weise. Sissis Schwager, Kaiser Maximilian von Mexiko, wird von Rebellen erschossen. Und den größten Schlag ihres Lebens, den Selbstmord ihres Sohnes Rudolf im Jahr 1889, konnte sie nie überwinden.

Trost fand Sissi bei ihren zahlreichen Wanderungen. Oft erregte sie Aufsehen durch regelrechte "Gewaltmärsche". Ihre gesunde Lebensweise und die traumhaften Landschaften gaben ihr körperliche und seelische Kraft. Sissis "Wanderschritt" war so stürmisch, daß viele ihrer Begleiter Mühe hatten, mitzuhalten. Viele der von ihr bevorzugten Wege sind heute rekonstruiert und bieten damit Gelegenheit, auf den Spuren dieser weltberühmten Frau zu wandern.

Stets in Schwarz gekleidet, verbrachte sie die letzten Jahre ihres Lebens fern des Wiener Hofes und ihres Ehemanns auf Dutzende von Reisen. Ihre jahrzehntelangen Hungerkuren führten sogar zu Hungerödemen und Depressionen. Sissi hatte Selbstmordphantasien. Die 60jährige Kaiserin wurde am 10. September 1898, als sie kurz nach Mittag an der Uferpromenade des Genfer Sees den Liniendampfer nach Montreux besteigen wollte, vom 24jährigen Anarchisten Luigi Lucheni mit einer Feile niedergestochen. Der Attentäter, der sie als Repräsentantin des ihm verhaßten monarchischen Prinzips sah, traf eine lebensmüde Frau, die ihren Tod herbeigesehnt hatte. Sieben Minuten nach dem Anschlag verstarb Sissi, die wahre Königin der Herzen. Kaiser Franz Joseph schreibt Jahre nach ihrem Tod die Worte nieder: "Die Zeit vergeht, der Schmerz bleibt." "Keine Thränen wird man weinen", so lautet der Anfang eines Gedichts von Kaiserin Sissi. Und weiter: "Fröhlich wird die Sonne scheinen /Auch an meinen Sterbetagen."

Tatsächlich war es ein wunderschöner und sonniger Herbsttag, als Sissi In Genf einem Attentat zum Opfer fiel.