Wahlrechtsreferendum gescheitert –
Palaver ohne Ende auf dem Quirinal
von Peter Weber
Das Wahlrechtsreferendum in Italien ist am vergangenen Sonntag knapp am vorgeschriebenen Quorum gescheitert. Nachdem sich die Befürworter nach den ersten Hochrechnungen noch als sichere Sieger wähnten, kam in der Nacht die kalte Dusche, als das Innenministerium bekanntgab, daß die Wahlbeteiligung nur bei 49,6 % gelegen habe. Die Mehrheit für das Referendum war zwar mit 91,7 % Ja-Stimmen geradezu erdrückend, doch leider nichtig.
Die Gegner der Reform hatten mehr oder weniger verdeckt zum Wahlboykott aufgerufen und damit letztlich Erfolg. Zu Hilfe kam ihnen dabei der dramatische Konflikt im Kosovo, der in den Medien alle anderen Fragen verdrängte, und die Tatsache, daß die Abstimmungen seit 1995 nur noch am Sonntag stattfinden. Die Wahlmüdigkeit und Verwirrung der Wähler angesichts der komplizierten Fragestellung taten wohl ein übriges.
Das Scheitern des Referendums bezeichnet einen weiteren schweren Rückschlag für den Versuch einer Modernisierung der zerrütteten Institutionen. Die Blockierung durch 48 Klein- und Kleinstparteien im Parlament scheint mit diesem Ergebnis nun auch durch das Volk abgesegnet. Entgegen allen Beteuerungen ist die immer wieder versprochene Verfassungsreform damit in weite Ferne gerückt.
„Die politische Klasse des Landes ist durch das Ergebnis delegitimiert", erklärte begeistert der Kommunistenführer Fausto Bertinotti. Schwankungssüchtige Kleinparteien wie seine „Rifondazione Comunista" werden den Italienern auch im nächsten Jahrhundert erhalten bleiben.
Zu den Verlierern gehörten dagegen alle jüngeren Hoffnungsträger der italienischen Demokratie wie Mario Segni, Antonio Di Pietro und Romano Prodi. Der künftige EU-Kommissionspräsident, der den Europäern für eine kurze Saison ein neues Italien vorführte, hatte sich bereits in der Woche vor der Abstimmung definitiv nach Brüssel verabschiedet (nachdem er von den Sozialisten in Strasburg zum Verzicht auf seine Kandidatur bei den Wahlen zum Europaparlament genötigt worden war).
„Jetzt bekommen die Konservativen Oberhand", kommentierte mit düsterem Ausdruck der Referendumsbefürworter Gianfranco Fini (Nationale Allianz). Eine allzu pessimistische Sicht ? Am Tag nach dem Referendum wurden bereits wieder über zehn verschiedene Vorschläge für eine parlamentarische Wahlrechtsreform vorgebracht, wobei die meisten nun für eine Rückkehr zum Proportionalsystem eintraten. Schon bald werden sich alle wieder am Verhandlungstisch treffen. Das Palaver kann weitergehen.
Weber, Peter: Wahlrechtsreferendum gescheitert - Palaver ohne Ende auf dem Quirinal, in: Das Parlament, a.49 no.?, Bonn, ?. April 1999, p.?.