Kurz nach acht Uhr morgens im Auslandsterminal des Frankfurter Flughafens. Trotz der frühen Stunde und trotz jet lag zeigt der durchtrainiert und sportlich wirkende Brandon Lee keine Anzeichen von Ermüdung. Der Steckbrief des Jungstars ist fast noch unbeschrieben: Brandon Lee, einziger Sohn des Karate-Stars Bruce Lee, amerikanischer Staatsbürger, 24 Jahre alt. Brandon kommt gerade aus Namibia, wo er für seinen ersten Kinofilm "Laser Mission" vor der Kamera stand: "Ich spiele einen jungen CIA-Agenten, der in Angola einen berühmten Laser-Experten treffen soll, um ihn zur Zusammenarbeit mit den USA zu überreden. Der von Ernest Borgine gespielte Laser-Forscher wird vor meinen Augen von Terroristen entführt. Ich versuche natürlich, ihn da rauszuhauen. Es ist im Grunde eine ironische Action-Story, nicht so furchtbar ernst gemeint, mit viel Humor zwischendurch."
Beabsichtigt Brandon Lee in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, der ja ein reiner Actiondarsteller war? "Nein, überhaupt nicht", antwortet Lee Junior, "Ich möchte nicht als Actionstar bekannt werden, sondern ich will in ersten, anspruchsvollen Rollen auftreten. 'Laser Mission' ist für mich so etwas wie ein Werkzeug. Der Film ist für eine breite Publikumsmasse konzipiert, und ich hoffe, durch ihn einen gewissen Bekanntheitsgrad zu erreichen.
Lee gibt in aller Offenheit zu, daß ihm Actionfilme eigentlich gegen den Strich gehen. Die Tatsache, daß Topstars wie Arnold Schwarzenegger und Sylvester Stallone mit ihren letzten Hauerfilmen an der Kinokasse nicht den erwarteten Geschäftserfolg verbuchen konnten, versetzt ihn gar in freudige Erregung: "Gottseidank. Es ist an der Zeit, daß die Leute diesen Mist links liegen lassen. Ich weiß überhaupt nicht, was an Filmen wie 'Rambo' so besonders aufregend sein soll." Lee steigert sich in einen regelrechten Wutausbruch hinein: "Man könnte mir gar nicht genug Geld geben, damit ich mich freiwillig in ein Kino setze und mir so eine Scheiße ansehe."
Und die Filme seines Vaters? Worin sieht er den Unterschied zwischen den alten Bruece-Lee-Filmen und moderner Actionkost? "Die Filme meines Vaters sind allesamt phantastisch, aus dem einfachen Grund, weil er darin mitspielt. Mein Vater besaß eine so dynamische, charismatische Erscheinung, daß er jeden Film aufwertete. Er war der Nurejew der Karate. Er wird immer unerreibar bleiben".
Bevor Brandon Lee "Laser Mission" drehte, nahm er in Boston and New York Schauspielunterricht. Seine ersten Rollen, die er für das amerikanische Fernsehen annahm, waren noch stark vom väterlichen Image beeinflußt. 1985 erschien er in der US-Fernsehenproduktion "Kung Fu - The Movie", anschließend fuchtelte er in "Kung Fu - The Next Generation" mit den Handkanten.
Seine größten Vorbilder sind James Dean und Yukio Mishima. Wenn Lee über sie redet, gerät er ins Schwärmen: "Beide hatten ihre eigenen Visionen, die sie in ihrer Kunst und in ihrem Leben so extrem wie nur möglich auslebten. Sie gingen an ihre Grenzen. Sie stellen für mich die absolute Perfektion dar." Von Mishima stammt denn auch Lees Lieblingsroman, "Der Seemann, der die See verriet". Und Dean? "Er war so verdammt cool. Ich liebe jeden seiner Filme." Zwar behauptet er, Dean in keiner Form kopieren zu wollen, andererseits verbreitet er bevorzugt solche Fotos von sich, die ihn in Dean-ähnlicher Pose zeigen: geschürzte Lippen, nach vorn übergebeugte Haltung, die Mundwinkel schräg nach unten gesenkt.
Ist Brandon Lee ein Macho? Eine Frage, über die er erst lachen muß und dann längere Zeit nachdenkt: "Ein Macho ist doch jemand, der auf künstliche Weise bestrebt ist, in der Öffentlichkeit ein bestimmtes Image von sich zu erzeugen, der also die Wahrnehmung anderer über die eigene Persönlichkeit setzt, ein Mensch, der fremdbestimmt wird. Diese Haltung bildet die absolute Umkehrung meiner Lebensphilosophie. Mir ist es gleichgültig, ob ich ein Macho bin oder nicht."
Brandon Lee, ein Mensch mit festgefügtem Weltbild, ein Mann, dessen stark ausgeprägtes Selbstbewußtsein sich mit Sensibilität und fast meditativer Ruhe paart. Ganz bestimmt nicht der Chuck Norris von morgen, womöglich eher ein zukünftiger Kino-Desperado wie Sean Penn. "Alles, was zählt, ist die eigene Vision und der unbedingte Wille, sie in die Tat umzusetzen" - das Credo des Brandon Lee.
hr
Cinema 4/1989
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