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Ein großer Dichter sagte einmal „...die Welt ist eine Bühne, auf der wir alle unsere Rollen spielen müssen“ – der Leser mag` entscheiden, wie ich meine Rolle spielte...
Der authentische Roman beginnt im Jahre 1966, in der ehemaligen DDR und endet im Jahre 1999, auf dem Boden des inzwischen vereinigten Deutschlands und an der Schwelle zum neuen Jahrtausend. Zwischen Vorurteilen, Ängsten und Hoffnungen, zwischen staatlicher Unterdrückung und familiärer Harmonie; wächst ein fünfzehnjähriger Junge auf, der mit der Zeit merkt, daß er Anders als die anderen ist und in der Folgezeit damit leben muß, sein großes Geheimnis für sich zu behalten. Er muß lernen, in der Erlebniswelt der Jugendlichen seine sexuellen Ambitionen zu verheimlichen, seine homosexuelle Neigung zu unterdrücken oder zu offenbaren. Eine schauspielerische Begabung zu zeigen, die er eigentlich nicht hat... In seinem weiterem Leben prägen sich tiefe Eindrücke aus der homosexuellen Szene genauso ein, wie aus dem Milieu der Knastwelt unter DDR – Verhältnissen. Nur mühsam lernt er zwischen Freund und Feind zu unterscheiden, aber auch zwischen ausgelassener Sexualität und tiefer Einsamkeit. Sein Doppelleben führt ihn in Depressionen, aber auch zu glücklichen Höhepunkten seines Lebens. Einen Großteil dieses Lebens verbringt KAY SCHNEIDER nach der Suche nach dem Sinn des Lebens, den er fast vergeblich zu suchen scheint. Ein Junge, der zum Mann wird...ein Mann, der in Widersprüchen zu sich und seiner Umwelt lebt, leben muß. Der zwischen der Gaunerwelt und einem gutbürgerlichen Leben wandelt, zwischen den hohen Grundwerten gesunder Moral und dem Abgrund zum Verbrechen balanciert. Ein Mann, der aber auch, bewußt und unbewußt, zum Verräter an sich selbst und Anderen wird und nur mühsam zum eigenem Ich findet. Ein Mann, der sich selbst zuweilen haßt, indem er glaubt, versagt zu haben. Hat er versagt ? Der Leser mag´ sich sein eigenes Urteil bilden...
- Der Autor –
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06.10.1966 Am Vorabend des Nationalfeiertages der DDR, wurde ich zu einem Noteinsatz des ROTEN KREUZ gerufen. Ich, das war ein 14jähriger, dürrer, kleiner und nicht sehr hübscher Junge, der ohne Brille ziemlich hilflos war. Ich nahm meine Sanitasche für Notfälle und stieg in das wartende GST-Fahrzeug, was uns einsammelte und zur Stalinallee fahren sollte. Unterwegs sagte man uns, daß wir die Aufgabe hätten, jugendlichen Demonstranten zu helfen. Um neunzehn Uhr dort angekommen, bot sich uns ein Bild des Schreckens. Überall in der teilweise sehr verwüsteten Allee, lagen Jugendliche auf der Erde, die teilweise blutüberströmt, nach einem Sani schrien oder schon ohnmächtig da lagen und nichts mehr von ihrer Umwelt begriffen. Nur den wenigsten gelang es , sich noch waagerecht zu halten. Andere lieferten sich mit der Polizei regelrechte Straßenkämpfe. Die Polizei schlug wahllos auf alles ein, was auch nur den Anschein des Widerstands machte. Holzknüppel, Gummiknüppel und Totschläger waren es auf der staatlichen Seite, die man einsetzte. Pflastersteine und selbstgebastelte Molotow – Cocktails, waren es auf der Gegenseite. Zugweise wurden wir an den Schwerpunkten in diesem heillosen Chaos eingeteilt und wußten sehr bald, daß jeder auf sich allein gestellt war, zu groß war dieses Massenchaos. Kurzzeitig dachte ich an meinen Freund, Peter Brehm, der ein As im Judo war. Schön wäre es, wenn er jetzt hier wäre, vielleicht hätte ich mich an seiner Seite sicherer gefühlt. Doch das gerade Peter hier war, war einfach unmöglich, er als systemtreuer FDJ`ler...Im übrigen verstand ich sowieso nicht recht, um was es hier eigentlich ging. Es war die Zeit der Blumenkinder, der Hippis und Langhaarigen, auf denen es besonders Zivilisten, die sich als Mitarbeiter der Staatssicherheit ausgaben, und Polizisten, abgesehen hatten. Aber auch Soldaten sah man schreiend und prügelnd durch die Allee hasten. Gerade als ich darüber nachdenken wollte, warum dies alles so sei, wurde ich pudelnaß, denn ich war, wie so oft im späteren Leben, zur falschen Zeit, am falschen Ort...ich sah nur noch den Wasserstrahl eines Polizeifahrzeuges auf mich zukommen. Wir wurden vom eiskalten C – Rohr- Strahl dermaßen zurück geworfen, daß wir fast gegeneinander fielen. Es herrschte ein heilloses Chaos, was sich die Polizei und die zivilen Schlipsträger zu nutze machten, in dem sie massenweise Handschellen anlegten und die Leute in ein Wohnhaus verschleppten, wo den meisten, mit Gewalt und Schlägen, im Keller die Haare geschnitten wurden und Menschenrechte im Dunkel der Keller an Wert verloren... Ich verband gerade einen solcher langhaarigen Typen, als mich die Kanone eines anderen Wasserwerfers erneut unsanft zur Seite schleuderte. Es war schon ein recht kurios – makaberes Bild: der junge, etwa 19, hatte den Kopf von mir halb verbunden und ich lag drei Meter von ihm im Straßendreck und hielt das Verbandsende hoch über meinen Kopf, damit es ja „steril“ bliebe. Der stämmige Jugendliche kroch mühsam zu mir und es gelang mir noch, die letzten Meter Verband anzulegen, dann stand er spontan und plötzlich auf, verbiß sich seine Schmerzen, die man seinem Gesicht ansehen konnte und hielt mir seine breite Pranke entgegen, die ich dankbar ergriff, denn ich war noch immer halbliegend auf dem nackten und kaltem Straßenpflaster. „Komm´in den U-Bahn-Schacht“ rief er mir zu, indem er mich fest am Arm packte, das es schon fast weh tat. So festgehalten, folgte ich ihm bis zur Samariterstraße . (Ob die Straße wußte, was sie –in der derzeitigen Situation- für einen unsinnigen Namen trug ?) Als wir die Treppen verließen und im U-Bahn Tunnel angelangt waren, stockte mir der Atem. An den Wänden standen, die Arme hinter den Nacken verschränkt, hunderte, zumeist Jugendliche. Bewacht von der Volkspolizei und Männern in Zivil. Fast jeder Zweite von ihnen trug eine MP`i im Anschlag. Ihren verbissenen Gesichtern war anzusehen, wie Ernst es sie meinten und das sie die Waffe auch benutzen würden. An einer Ecke sahen wir drei Polizisten, die einen Jugendlichen mit ihren Gummiknüppeln bearbeiteten, der schon aus dem Mund und den Ohren zu bluten begann. Ein schwangerndes Mädchen wollte ihm helfen, als ein Vopo ihr in den Magen schlug und dieses mit den Worten begleitete „Ist der Balg von dieser Kapitalistensau, dann brauchst du beide nicht mehr.“ Mir kam das Kotzen und ich erbrach mich: direkt vor den Füßen eines Schlipsträgers, der das Pech hatte in meiner Nähe zu verweilen. Urplötzlich zog dieser einen ausziehbaren Gummiknüppel, an dem Vorne eine Stahlkugel befestigt war, die ich nun auf meinem Rücken spüren durfte. Gleichzeitig trennte er mich von meinem Begleiter, der inzwischen Handschellen trug. Der Zivile packte mich am Arm „Komm´mit, so was wie dich brauchen wir hier gerade noch“ und lachte dabei zynisch, so daß ich nicht wußte, wie er eigentlich seine Worte meinte. Er brachte mich in die Bahnhofsaufsicht der U - Bahn und zeigte mir in diesem kalten Dienstzimmer einen wimmernden Jungen, der zusammengeschlagen, gekrümmt in seiner Blutlache lag. „Nimm´dir den braunen Wessi vor und dann mach´das du Land gewinnst.“ Klärte er mich noch auf, bevor er mich verließ und die Tür krachend hinter sich zuschlug, das ein Bild von Ulbricht seinen angestammten Platz von der Wand in Richtung Boden verließ, wohin es nach meiner Meinung sowieso hingehörte, wie ich nach diesem Tag sozialistischer Erziehung, selber feststellen mußte. Obwohl mir selbst noch die Schulter von dem derben Hieb des Knüppels brannte, bückte ich mich zu dem Jungen hinunter, der wohl auch so alt wie ich und gleicher Statur war. Uns unterschied nur, daß ich eine Brille trug und dunkelblonde Haare hatte, er aber pechschwarze Haare sein Eigen nannte. Ich besah mir seine klaffende Kopfwunde, fühlte seinen Puls und konnte, auch ohne Arzt zu sein, nur noch feststellen, daß er nicht mich, sondern einen Priester brauchte. Erschüttert, aber ideologisch – ernüchternd, wandte ich mich an den Polizisten der sinnlos an der Tür herumstand und sagte ihm, das der Junge dringendst einen Arzt brauche, da er sonst sterben würde, weil seine Wunde, aber auch sein Blutverlust zu groß waren. Der Typ an der Tür sah mich verständnislos an, lachte plötzlich laut auf und gab den im Sterben liegenden einen Tritt mit seinen Stiefelspitzen, der der schrill, aber kurz aufschrie. Er warf mit einem schnellem Ruck seinen Kopf zur Seite, sah mit einem halb flehenden, halb vorwurfsvollen Blick in die Augen seines Peinigers, dann kippte sein Kopf nach Vorn runter, wo er regungslos liegenblieb. Ich sah den Jungen an, dann den Polizisten und wieder den Jungen- ich wollte nicht glauben, was ich da sah und mußte mich umdrehen, um nicht selbst tätlich zu werden, gegen den Uniformierten; denn ich war am Rande alle Beherrschungen zu verlieren, die ich noch in mir hatte. „Mach´ daß du mir aus den Augen kommst, ehe du auch noch dran kommst, wegen Unterstützung staatsfeindlicher Kräfte.“ brüllte er mich an. Ich ging, zwar zähneknirschend, aber ich ging. Konnte ich doch sowieso nichts mehr für den Jungen tun... Erschöpft, traurig und erschüttert von den Ereignissen der letzten Stunden, verließ ich, wegen meiner Sanitäteruniform ungehindert, die U – Bahn - Bereiche und fuhr mit der Linie 4 der Straßenbahn nach Hause. In der Bahn sagte mir eine ältere Frau mitleidig „Junge, du blutest ja.“ Ich besah mir die von ihr bezeichnete Stelle und stellte fest, das es das inzwischen verkrustete Blut des Sterbenden war, bei dem ich zuletzt war. Mich packte eine ohnmächtige Wut, weil ich all´ dem so tatenlos zugesehen habe –zusehen mußte. Und eigenartig, obwohl ich recht sozialistisch erzogen wurde, empfand ich nun Abscheu und Ekel gegen den Staat, der solche Schläger zu Polizeibeamte machte und ich empfand das erstemal in meinem Leben, echte Sympathien für die geschlagenen Jugendlichen, wovon der Älteste kaum über Zwanzig war. Diese langhaarigen Jugendlichen paßten nicht in das „saubere und ehrenwerte“ Gesellschaftsbild, was sich die Altherrenriege um Walter Ulbricht und Genossen in diesem Staat erträumten... Aber dies und vieles andere, begriff ich mit meinen 15 Jahren noch nicht ganz. Bis zu diesem Tag wußte ich nur alles aus „sozialistischen“ Lehrbüchern, Zeitungen und Filmen (-wohlbemerkt DDR-Fernsehen). Ich wußte kaum wie die wahre Alltagsrealität aussah und wurde davor von meinen Eltern wohl behütet und beschützt, sicher, in den Glauben mir nur Gutes damit zu tun. Mein Vater war ein alter SPD – Kämpfer, der in Stalingrad eine Kugel „ für Führer, Volk und Vaterland “ abbekam und sie nach Deutschland „ importierte“, was ihm tägliche Kopfschmerzen einbrachte. Meine Mutter war recht katholisch und so wuchs ich in mitten der widersprüchlichsten Weltanschauungen auf, fand mich oftmals nicht zurecht und verlebte eine Kinderzeit zwischen Beten und Fahnenappell. Man wußte ich nicht, wer da eigentlich im Recht war; doch nach diesem denkwürdigem Tag wußte ich nur, daß in mir etwas wuchs, was nicht zum Bild paßte, was ich mir einbildete und es keimte ein Widerstand in mir, den ich mir noch nicht erklären konnte. Sicher aber wußte ich: Kay, hier ist was faul und dagegen mußt du was tun ! 07.10.66 Nach einer sehr schlaflosen Nacht, zerbrach ich mir darüber den Kopf, wie ich und was ich dagegen tun könnte, diesem Regime zu schaden, was ich nicht mehr als „mein Vaterland“ ansah. Noch wußte ich nicht Wie und Was ich tun würde, aber ich wußte bereits schon Wann. Es mußte am Abend des sogenannten Nationalfeiertages sein, an dem allen Menschen sichtbar gemacht werden mußte, wie beschämend dieser Staat war ! Ich frühstückte eine Kleinigkeit, zog mir – mit Absicht – die vom Staat so verpönnten Jeans an, die ich von einer Schwester von mir aus dem „Westen“ geschickt bekommen hatte und fuhr in diesem „kapitalistischen Aufzug“ zu meinem Freund Peter, dessen Vater „nebenbei“ IM des MfS war, wie ich Jahrzehnte später durch einen Zufall erfuhr. Im sechsten Stock seiner Wohnung angelangt, empfing mich Peter freudestrahlend, doch dämpfte er seine Stimmung sofort, als er mit seinem Feingefühl in mein Gesicht und danach auf meine Jeans sah und merkte, das Heute etwas mit mir nicht stimmt. „Was ist los, Kay?“ fragte er mich „Ärger zu Hause ?“ Ich verneinte und plötzlich – kamen die Tränen. Die angestaute, hilflose Wut brach sich seine Tränenbahn und ich konnte nichts dagegen tun. Peter sagte nichts, legte einen Arm um meine Schultern und zusehends wurde ich ruhiger. Ich legte meinen Kopf an seine Schulter und Peter wartete bis ich mich beruhigt hatte. Schließlich tat mir seine menschliche Wärme wohl und zögernd erst, dann ohne mich zu verhaspeln, erzählte ich ihm meine Erlebnisse der Stalinallee... Er unterbrach mich kein einziges Mal und schien selbst erschüttert zu sein. Mit versteinerten Gesicht hörte er mir zu. Dann ging er mit seinen großen Schritten in seinem ebenso großen Zimmer auf-und-ab. Blieb sinnend stehen, um wieder hin-und-her zu gehen. Schließlich setzte er sich zu mir und sagte „ Tja, Kay, alles ist zwar schrecklich, aber die sind doch selbst Schuld. Wären sie zum Friseur gegangen, hätten sie keine langen Haare – nichts wäre denen passiert.“ Mit offenen Mund sah ich meinen Freund an. „Aber Peter“ wagte ich meine Ansicht zu vertreten und ihm das Erstemal zu widersprechen „mit welchem Recht müssen die denn gleich zuschlagen, noch dazu so brutal?“ Und ich setzte hinzu „Ist das nicht Recht jedes Einzelnen, ein Stück persönlicher Freiheit, lange Haare tragen zu dürfen ? Sind es deshalb gleich Gammler, Verbrecher oder Staatsfeinde ?“ „Nicht alle, aber die Meisten.“ konterte Peter. Dann ging er zum Fenster, sah hinunter auf das trudelnde Alltagsleben, drehte sich um und sagte, für mich verständnislos, „Ich glaube Kay, wir werden langsam erwachsen und das ist nicht immer gut, denn dann beginnen wir von allein zu denken. Selbständig zu denken, - wie man bei dir sieht“ sagte er, drehte sich um und zur Tür zeigend setzte er hinzu „ Es ist wohl angebracht du gehst jetzt.“ Ich war wie vor den Kopf geschlagen, war das noch mein Freund, der mir soviel bedeutete, mit dem ich Stunden über Stunden gemeinsam spielend, lernend, aber auch sportlich, gemeinsam verbracht hatte ? Ich erhob mich wortlos vom Sessel und ging ihm in den Flur nach, wo er schon meine Jacke in der Hand hielt. Fragend sah ich ihn an, bis er mir schließlich sagte, allerdings ganz leise, denn sein Vater war ja SED – Mitglied „Kay, mich interessierst du, als Freund, als Mensch, verstehst du ?“ und setzte ebenso leise hinzu „Aber nicht deine Scheiß´verdammte Politik. Politik ist eine Hure, jeder benutzt sie, wie er sie will. Mich interessiert sie, wie die neueste Wasserstandsmeldung vom Nil.“ Er zog mir meine Jacke über und sagte nur noch „Komm´wieder, wenn du normal geworden bist.“ Er gab mir, das Erstemal, keine Hand zum Abschied. Benommen fuhr ich nach Hause, doch in Gedanken nahm mein Plan Formen an... Nachdem ich meine Eltern begrüßt hatte, ging ich auf mein Zimmer. Dort angekommen, entnahm ich meiner Schulmappe mein Schreibzeug und machte mir Notizen. Ich formulierte einen Text, den ich als Flugblatt verwerten wollte und malte die Umrisse des Partei -und Staatschefs Walter Ulbricht, dessen markanter Spitzbart sich gut als Karrikatur eignete und durchkreuzte dessen Gesicht. Unter diesem „Bild“ Setzte ich den inzwischen fertigen Text: Nieder mit dem Regime !
Deutsche wehrt Euch und seid bereit zum Kampf gegen die unmenschliche, rote Diktatur, unter Ulbricht und seinen Marionetten ! Nieder mit der Mauer und dessen Erbauern !
Wenn auch Ihr aktiv dagegen demonstrieren wollt, dann kommt am 07. Oktober 66 zur Stalinallee in Berlin!
Wir wollen mit unserer Demonstration zeigen, das es noch Patrioten gibt !
- Mit deutschen Gruß – Nach nur wenigen Stunden hatte ich bereits über 90 Exemplare fertig, die ich noch in dieser Nacht anbringen wollte. Natürlich brachte ich damit gewisse Leute auf die falsche Spur, indem ich im Flugblatt die WIR-Form benutzte, doch daran dachte ich erst viele Tage später und es sollte auch Folgen haben, die ich Heute noch gar nicht sehen konnte. Inzwischen hatte ich über 200 Blätter fertig, mein Blaupaier war auch alle und es wurde auch langsam zu spät um noch weiter auf der Maschine zu schreiben. Ich hatte ein ziemlich lautes und altes Modell und Angst, meine Eltern zu sehr zu stören, zumal mein Vater seit gestern unter starken Kopfschmerzen litt, wieder einmal. So packte ich alles zusammen und schlich mich gegen 22/00 Uhr aus der elterlichen Wohnung, ohne bemerkt zu werden. Dann nahm ich die erste U – Bahn, fuhr bis Endstation, wartete bis der Fahrer den Zug ablief und begann dann, von Hinten nach Vorne durcharbeitend, den Kleber auf die Blätter zu streichen und diese in den Abteilen anzubringen.. Ich hatte Glück, die ersten Leute die einstiegen, schenkten zwar den Flugblättern Beachtung, aber nicht den kleinen Jungen, der innerlich zitternd, still , aber beobachtend, an einer Tür herum stand... An der nächsten Haltestelle verließ ich den Zug und wechselte in die Gegenrichtung, die ich ebenfalls mit meinem „Informationsmaterial“ versorgte. Im tiefsten Innern meiner kindlichen Seele war ich das erste mal im Leben richtig glücklich, tat ich doch endlich einmal etwas ganz konkretes gegen diesen Staat, –der mich zu einem linientreuen FDJ-ler erzogen hatte und nicht bemerkte, das in diesen Stunden ein Staatsfeind geboren wurde... Als ich etwa 50 meiner Aufrufe verklebt hatte, wechselte ich in zwei verschiedene Straßenbahnlinien, brachte auch dort unauffällig einige meiner mitgeführten Blätter an und „beehrte“ noch etwa 30 verschiedene Telefonzellen mit meinem Besuch, die ich auf meinem Nachhauseweg abklapperte. Befriedigt mit meiner Arbeit betrat ich gegen Morgen unsere Wohnung, wo mich auch gleich meine Mutter erwartete, eine zierliche, aber herzensgute Frau. Sie hielt mich am Arm fest und sagte „Junge, ich will ja gar nicht wissen wo du die Nacht warst, aber bleibe gleich angezogen und renne zur nächsten Telefonzelle und hole Hilfe. Vater geht es sehr schlecht. Hier hast du Geld und beeil dich einen Arzt zu holen.“ Hätte ich das vorher gewußt, wäre ich in der letzten Telefonzelle gleich geblieben dachte ich mir, doch meine Mutter war nicht zum scherzen aufgelegt. Ihre Tränen im Gesicht sagten mir, das es verdammt Ernst sein mußte und da ich ja erst etwa 30 Telefonzellen hinter mir hatte, kam es nun auf eine mehr oder weniger auch nicht mehr an. Nachdem ich den Notarzt gerufen hatte, ging ich auf mein Zimmer, was eine Treppe höher als unsere Wohnung war. Mein älterer Bruder, mit dem ich das große Zimmer teilte, schlief noch fest und hatte von all den Vorgängen nichts mitbekommen. Ermattet von meiner freiwilligen Nachtschicht fiel ich in mein Bett und schlief den Schlaf der Gerechten. 08.10. 66 Es war in der vierten Stunde, wir hatten gerade Betriebsökonomie, als mir ein Mitschüler leise zuraunte „Du, beim Direx sitzen zwei Kriminaler, die sich über dich unterhielten, hast du was ausgefressen ?“ In Gedanken ging ich mein Sündenregister durch, doch eigentlich war mein Gewissen rein, mal abgesehen von den zwei Schachteln Zigaretten die ich vor einigen Tagen an einem U-Bahn- Kiosk geklaut hatte. Nicht im entferntesten dachte ich daran, daß meine nächtliche Aktion von gestern, damit in Verbindung stehen könnte, denn in meiner Aktion sah ich eigentlich nur Widerstand, der nach meiner Meinung zwar nicht gern gesehen wird, aber doch nicht strafbar sei...nun ich wußte damals nicht viel über Gesetze und Paragraphen. „Woher weißt du das eigentlich? Fragte ich meinen Nachbarn. „Mensch, die Sekretärin ist doch meine Tante“ sagte er und grinste... ich konnte mir schon denken, was für eine Tante diese Tante im Leben des gutaussehenden 16jährigen Mitschülers war, der ständig mit seinen Weibergeschichten in der Berufsschulklasse prahlte. Noch während der Unterrichtsstunde machte ich mir Gedanken über die Kripo. Nach Schulschluß – es war übrigens niemand von der Kripo bei mir oder hatte nach mir verlangt – ging ich ahnungslos nach Hause, wo mich die Information meiner Mutter überraschte, daß mein Vater mit einem Schlaganfall ins Krankenhaus eingewiesen wurde und zwei Herren in Zivil im Wohnzimmer auf mich warteten. Nun fiel es mir wie Schuppen von den Augen das die hartnäckigen Typen es auf mich abgesehen hatten, wegen meinen Flugblättern. Während ich noch in der Küche stand, ging meine Mutter mit einem Kaffeetablett ins Wohnzimmer und sagte zu mir „Geh nach Oben in dein Zimmer, ziehe dir andere Sachen an und komm´dann ins Wohnzimmer Kay.“ Ich nutzte die Abwesenheit meiner Mutter und stahl aus dem Küchenschrank ihre Geldbörse, die stets in der obersten Schublade war, entnahm ihr 300,- Mark und das gesamte Kleingeld, etwa nochmals 20,- Mark; legte die leere Börse wieder in die Schublade und verließ auf schnellstem Wege die elterliche Wohnung, wobei ich Glück hatte, daß das Wohnzimmer kein Fenster der Parterrewohnung zur Straßenseite hatte. Mit gemischten Gefühlen und Reue wegen den entwendeten 300,-Mark , fuhr ich zum nächsten Fernbahnhof, ohne eigentlich ein Ziel zu haben, ich wollte nur schnell weg und vor allem nicht in den Knast, wohin man mich bestimmt stecken würde. Ziellos verbrachte ich einige Stunden auf dem Bahnhof Lichtenberg, trank die zwölfte Limonade, aß die vierte Bockwurst, rauchte die einundzwanzigste Zigarette und kam mir so hilflos und verlassen vor. Irgend etwas mußte ich unternehmen, doch wohin fragte ich mich. Schließlich fiel mir meine Schwester auf dem Lande ein und in meiner kindlichen Überlegung bedachte ich natürlich nicht, das man mich sicherlich dort zuerst suchen würde... Es war 23/15 Uhr, als ich im Zug Berlin – Magdeburg saß. Gegen 0/10 Uhr kam ich in Brandenburg an, wo der Zug wegen einer Gleisbettverschiebung hielt und nicht weiterfuhr, wie wir Fahrgäste, vier an der Zahl in meinem Abteil, erfuhren. Kurz entschlossen, Dank meiner dicken Brieftasche eines Lehrlings auf der Flucht, verließ ich den Zug und suchte mir das nächstliegende Hotel. Das Hotel war bequemerweise gegenüber dem Bahnhof gebaut, was mir, hundemüde wie ich war und kotzübel von den Genuß der ungewöhnlich vielen Zigaretten, natürlich von Vorteil war. Ich betrat den Vorraum des Hotels, in dem es schon nach allerlei Ausdünstungen der Küche roch und meldete mich an der Rezeption an, deren Theke ich nur auf Zehenspitzen erreichte. „Na, kleener, haste dich verloofen, oder wat willste ?“sprach mich eine recht ungepflegt wirkende, etwa 50jährige Frau an. „Ich möchte heute Nacht hier übernachten, wenn es möglich wäre“ sagte ich im artigen Ton zu ihr. „Na, dann füll´mal den Anmeldeschein aus“ sagte sie, wobei mir ihr übler Schweißgeruch appetitlich in die Nase wehte, sodas ich mich etwas von ihr abwenden mußte, denn mir war schon ohne diese Zugabe übel genug. Ich nahm den Schein, setzte mich an einem kleinem, wackligen, runden Tisch, auf dem paar Kunstblumen standen. Als ich husten mußte, flog eine Staubwolke auf mein Anmeldeformular, was erstmal davon befreien mußte. Nachdem ich endlich die Übereste jahrelanger Ordnungsliebe beseitigt hatte, konnte ich den Schein ausfüllen. Ich gab ihm der „Dame“ zurück, die den Schein keines Blickes würdigte und so meine Schönschrift mißachtete, daß ich fast sauer war mir soviel Mühe gemacht zu haben. Als ob sie sich dafür entschuldigen wollte, lud sie mich zu einem sogenannten Begrüßungstrunk ein. Na ja, warum nicht, sagte ich mir, der bis dahin noch nie Alkohol im Leben getrunken hatte und folgte der „Dame“ in ein dämmriges Etwas, denn ich wußte echt nicht, ob das eine Kneipe, ein Zimmer, eine Kammer oder eine Toilette war, was wir da betraten; es hatte den „angenehmen“ Geruch Aller an sich. Nicht nur das sich zunehmend meine Müdigkeit bemerkbar machte, nein, nun mußte man mich auch noch als Geruchsfresser engagieren, was meine Laune nicht sonderlich hob. Meine rundliche Zweizentnerbegleitung schien dies alles nicht zu stören. Sie stank weiter vor sich hin und verbreitete kostenlos den Duft der weiten Welt. „Mensch Trude, haste wat Neuet mitjebracht ?“ sprach sie auch gleich ein älterer Herr an, der durch sein Dialekt nochmals betonen wollte, daß er auch Berliner sei. Seine Hände wogen sicher fast mehr als sein ganzer Körper, von dem Jesus sagen würde EINE LANGE DÜRRE WIRD KOMMEN...Etwa sechs große Ringe mit dicken Steinen zierten die knochigen Hände des etwa 70jährigen stark alkoholisierten Mannes, der fast zwei Meter groß war. Mir war dieser schleimige Typ sofort unheimlich und absolut unsympathisch, was ich ihm auch spüren ließ, indem ich mich von ihm demonstrativ abwandte, als „Trude“ gerade zu der wandelnden Leiche sagte „Mensch, geh doch selber auf den Strich und laß´den Kleenen zufrieden, der weeß doch nich mal, wozu er seinen hat.“ Sprachs und schenkte uns drei Gläser Klaren ein. Ich trank das Gesöff das erstemal in meinem jungen Leben, doch wußte sofort, das der liebe Gott hier seine Hand im Spiel haben mußte, denn nach dem vierten Korn schlief ich am Tisch ein und weiß bis Heute nicht, wie ich auf mein Zimmer kam und warum ich nackt erwachte... 09.10. 66 Als ich gegen Morgen erwachte, sah ich mich in einem fremden Doppelbett – noch immer nackt – liegen. Neben mir ein etwa 20jähriger Junge. „Na, Alter, auch schon wach?“ fragte er mich blöd . Ich war stinksauer, Erstens hatte ich das, was Erwachsene eine Kater nannten, zweitens fühlte ich mich mit meinen fast 15 Jahren keineswegs alt und drittens sah der Blödeste, daß ich wach war, wozu die Frage also ? Ich sah ihn mir etwas genauer an und stellte fest, daß er sicher nicht der Sohn eines Millionärs war. Für seine Größe hatte er eine viel zu kleine Badehose an, wo seine Umrisse deutliche Konturen ahnen ließen, an welcher Stelle Gott ihm sein Geschlechtsteil versteckt hielt. Auch sein Unterhemd, Turnhemd oder was immer dies auch sein sollte, war nicht aus der italienischen Mode, sondern war ein Gemisch aus einem Stück von einem Bademantel, einem Ringerdreß und einer Regenkutte aus den Beständen der NVA. Ein Unikum, kein Mensch und ich dachte mir, geschieht dir Recht, du Trottel, was gehst du auch mitten in der Nacht auf Flucht ? Als ob der Typ meine Gedanken erriet, sagte er geradezu „Aber nicht, daß dich auch die Bullen suchen, oder ?“ Ich sah ihn nicht gerade freudestrahlend von seiner Feststellung an und konterte „Dich doch auch, oder ?“ „Hm“ war seine äußerst aufschlußreiche Bemerkung dazu. „Übrigens, ich heiße Rene“ stellte er sich plötzlich vor und mir blieb nichts weiter übrig, auch meinen Namen zu nennen. „Wollen wir uns anziehen und zusammen frühstücken ?“ „OK“ sagte ich kurz, denn irgendwie war mir der Typ unheimlich. Als er sich aus seiner Bettdecke schälte und aufstand, konnte ich nicht anders, als ihn nur zu bewundern: er war etwa 1,85m groß, hatte eine muskulöse, gewölbte, breite Brust und seine Arme waren die eines Bauarbeiters. Dagegen war ich klein und mickrig. Als er sah, wie ich ihn bewunderte, regte dies wohl an sein Ego, denn er spannte die Oberarme an und sagte „Siehst du Kleiner, 38 stolze Zentimeter Muskeln, im kaltem Zustand.“ Ich wußte zwar nicht, was da warm und kalt sei und nichts mit dem Gerede anzufangen, aber dennoch wußte ich, daß er mindestens das Doppelte von meinen Armen hatte und so ließ ich ihn reden; nach dem Motto, solange er redet, tut er mir nichts. Er stand immer noch von seinem eigenem Körper in Anspruch genommen vor dem Spiegel und posierte, mal die Arme spannend, mal die Brust hervor hebend und erklärte mir, was Posen seien und wie anstrengend es gewesen sei, zu solchem sportlichen Körper zu gelangen. „ Komm´ mal her Kleiner, kannst mal Papi am Bizeps fassen“ sagte er zu mir. Ich bequemte mich der Ruhe willen, aufzustehen und faßte an seinen Oberarm, der stahlhart zu sein schien. Ich hatte mehr als Respekt vor diesen Armen und fühlte mich in meinem Selbstbewußtsein total erniedrigt, denn solch´ straffe Muskeln, an denen kein Gramm Fett war zu besitzen, konnte einem schon Minderwertigkeitsgefühle einflößen. Lobend stammelte ich „Toll Rene, wie hast du das denn geschafft ?“ „Ganz einfach, mit Wassereimern“ kam seine für mich verständnislose Antwort. Er bemerkte dies und fügte erklärend hinzu „Mann Kleiner, im Knast da gibt es keine Hanteln, da macht man Wassereimer voll und dann strecken, beugen und so weiter, du verstehen ?“ Ich nickte achtungsvoll. Plötzlich hob er mich, mit der Schnelligkeit einer Katze, an beiden Armen hoch und sagte „Oh, du bist ja nur Löschblattgewicht, mit dir kann ich ja nicht einmal trainieren“. „Ist auch nicht in meinem Sinn“ kam es mir trocken von den Lippen. Er lachte kurz und wurde urplötzlich Ernst, während er mich behutsam auf den Boden zurückstellte und fragte mich, warum mich denn die Bullen suchten !? Ich setzte mich auf die Bettkante, in stillem nach einem Frühstück sehnend, und erzählte ihm zaghaft von meiner nächtlichen Aktion und vom ersten Tag meiner Flucht. Rene kam zu mir auf die Bettkante, legte einen seiner noch ungewaschenen Arme um mich, daß ich dachte ich muß ein Pferd tragen und erzählte mir einiges aus seinem abenteuerlichen Leben. Wollte ich alles glauben, dann war er ein Waisenkind, aufgewachsen unter der Obhut von DDR-Kinderheimen, er war zweimal wegen Schlägereien vorbestraft und hatte schon drei Jahre in Haft verbracht. Nach seiner letzten Haftentlassung hat er als Transporthelfer bei den Gleisbauarbeitern der Bahn gearbeitet. Dort hatte er eine tätliche Auseinandersetzung mit seinem „Brigadier“, die in einer Flucht seinerseits endete, da er nicht noch einmal wegen Körperverletzung inhaftiert werden wollte. In den letzten Wochen ernährte er sich dadurch, daß er Zugreisende um ihre Geldbörsen erleichterte, damit sie nicht soviel Last tragen müßten. Wer reist, der hat auch Geld, war seine Devise und bei der Gelegenheit gab er mir 260,- Mark. |
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Was soll ich damit ? fragte ich „ich habe doch selbst Geld.“ Er korrigierte mich „Du hattest selbst Geld, - sieh´ mal nach.“ Ich sah in meinen Geldbeutel, aber er schien aus Zwiebelleder zu sein, denn mir tränten bei dieser gähnenden Leere die Augen. Zögernd und immer mit einem Seitenblick auf seine kräftigen Oberarme, fragte ich ihm „das – das – warst DU?“ Er lächelte „Ja, aber du armes Schwein tust mir in der Seele leid, dir geht´s ja genauso mies wie mir, nur daß ich noch den Vorteil habe, damit zu überleben“ und er wies auf seinen gesamten Körperbau, indem er nur mal kurz seine Luft anhielt und seine Brust hervor trat, das man ein Geldstück dazwischen legen konnte, ohne das es vermutlich herunter fiel. In Gedanken sagte ich mir, bei solchem Körperbau könnte ich wohl auch überleben und trotzdem konnte ich mir nicht verkneifen, ihn zu fragen, was denn die Kraft mit seinem Diebstahl meines Geldes zu tun hätte. „Erstens“ antwortete er mir „war das kein Diebstahl, sondern sozialistische Umlagerung zu Gunsten eines Notleidenden“ klärte er mich grinsend auf „Und Zweitens kann man – durch seine Kraft – auch Dinge machen, die zwar nicht sauber sind, aber zum Überleben beitragen und da kommt es schon mal vor, daß du jemanden weh tun mußt, weil der einfach nicht kapiert, daß er mit soviel Geld nicht rumlaufen, sondern es lieber mit mir teilen sollte.“ Er grinste und sagte nur abschließend „Passiert doch viel zu viel auf den Straßen Deutschlands, oder ?“ Nun, bei soviel Sarkasmus und Ironie, mußte sogar ich lächeln, obwohl mir mein Hunger immer bewußter wurde und ich empfand das Erstemal so etwas wie Solidarität zu diesen Irren und sicher fehl geleiteten, aber zunehmend sympathisch wirkenden Typ und so nahm ich dankbar mein Geld wieder an mich und verstaute es ganz tief in meinem Geldbeutel, was er grinsend beobachtete. Wir waren noch beide in Unterwäsche, als es an der Tür klopfte. „Ja?“ meldete sich Rene. „Beeilt Euch, Jungs“ kam es von der Tür her „In einer Stunde kommen die Bullen, verstanden ?“ „Ja, Trude, danke“ reagierte Rene. Ich sah ihn, wieder einmal, fragend an, als er mir erklärte, das jeden morgen um Sieben Uhr die Polizei die Meldezettel der vergangenen Nacht einsammelt und dann vergleichen sie mit ihrem Fahndungsbuch, wer gesucht wird und ist die Person dann noch hier, wird sie festgenommen und wenn sie sich wehrt, dann hat sie den „sozialistischen Wegweiser“ sprich Gummiknüppel im Rücken und danach die Acht, sprich das stählerne Armband von der Firma GREIF UND HORCH GmbH. Ich konnte mir nach dieser symbolhaften Erklärung von Rene gut vorstellen: mit diesem verrücktem Huhn auf einer Zelle und die Zeit würde wie im Flug vergehen. Ich ahnte zu diesem Zeitpunkt nicht, wie nah ich mit meinen Gedanken der Wirklichkeit war. „OK, Kay, ich würde sagen, wir machen es uns noch eine halbe Stunde gemütlich und dann verduften wir, einverstanden ?“ Als ob mir eine andere Wahl blieb, sah ich kurz auf seine breiten Schultern und automatisch formten sich meine Lippen zu einem artigen „Ja, Rene“, was er zur Kenntnis nahm. Was er eigentlich darunter verstand, es sich noch gemütlich zu machen, wußte ich nicht und wartete erst mal ab. Ich brauchte schon einige Sekunden, ehe es mir leicht dämmerte, was Rene vielleicht gemeint hat und mir fiel der nasse Fleck ein, den ich auf unserem Lacken in der Mitte zwar entdeckt hatte, aber nicht registrieren, geschweige davon sprechen wollte und meine Gedanken erratend, griff er mich plötzlich mit der Gewandtheit eines Panthers an, indem er mit einer seiner breiten Hände um meinen Hals griff und die Andere landete an meinem Geschlechtsteil. Seine muskulösen Schenkel drückten sich gegen meine, wobei ich nicht die leiseste Chance der Gegenwehr hatte, zu stark war sein Druck, zu enorm seine Körperlast auf mir, so daß ich eine resignierte und abwartende Haltung einnahm. „Ich mag dich Kleiner und wenn du mitspielst, passiert dir nichts, versprochen.“ Ich erwiderte nichts und um keine Zweifel aufkommen zu lassen, setzte er hinzu „Kay, du willst doch nicht, das die Kripo hier eine Leiche vorfindet, oder ?“ Es war für mich kein Zweifel, wer die Leiche sein würde und so fügte ich mich dem Schicksal, wobei seine Körperkräfte den Ausschlag gaben. Noch immer wußte ich nicht, was er eigentlich von mir wollte, denn nur ein Ringkampf konnte es nicht sein, so jedenfalls wie ich sie oft mit Peter gemacht hatte, denn dazu waren die Chancen zu ungerecht; was also hatte der Kerl mit mir vor ? Und plötzlich begann ich den Kerl zu hassen, der mit seinen ganzen 75 Kilogewicht auf mich herum turnte, als ob ich aus Gummi und nicht aus der zarten Masse von 48 Kilo wäre. Langsam hatte ich auch Schwierigkeiten zu atmen, aber das schien dem irren Kerl nicht zu interessieren. Als ich dann noch an meinem Glied etwas sehr Hartes fühlte, sagte ich ihm, er solle doch sein Schlüsselbund aus der Hosentasche nehmen, es drücke mir zu sehr; worauf er herzhaft lachte, in diesen Bereich mit einer Hand griff, sein Glied hervorholte und mir sagte: „Meinst das als mein Schlüsselbund?“ grinste und hielt mich so fest umschlungen, daß ich nur noch schwer Luft bekam. Mit einer Hand hielt er noch immer an meiner Halskehle fest, mit der anderen aber holte er mein Glied aus meiner Badehose und legte geschickt sein Eigenes darüber und nach sehr kurzer Zeit bekam ich Gefühle, die ich bis dahin nie gekannt hatte. Durch die Körperwärme von Rene und seinen noch immer anhaltenden Schenkeldruck ersteifte sich auch mein Glied und irgendwie fand ich den Zustand nicht mehr abstoßend, was er auch zu fühlen begann, denn er lockerte seine Hand am Hals, bis diese ganz weg war, um mich liebevoll, aber kräftig zu umarmen. Schließlich betastete er meinen Körper mit einer Zärtlichkeit, die ich diesem Muskelpaket nie zugetraut hätte und ich fühlte, das hier zwei Menschen liebebedürftig waren; was lange noch nicht heißt, daß mir diese Art zwischenmenschlicher Unternehmungslust gefiel. Ich war einfach zu überrumpelt, auch durch seine anfängliche massive Gewaltanwendung, daß ich fähig war, geordnete Gedanken zu fassen. Alles was nun geschah war spontan, nicht überlegt und teilweise nur vom Geschlechtsteil regiert, was genauso verrückt spielte, wie Rene seins. Plötzlich drehte mich Rene kraftvoll auf den Bauch und legte sich über mich und ich spürte plötzlich einen stechenden Schmerz, denn er benutzte mich, wie man ein Mädchen von Vorn benutzte, nur tat er dies bei mir von Hinten. Zuerst schrie ich fürchterlich vor Schmerzen auf, so das seine breite Hand meinen Mund blitzschnell fest geschlossen hielt und ich nur noch durch die Nase atmen konnte. Ich wünschte Rene alle auf der Welt erfundenen Todesarten. Mir war es egal, ob er gerädert, erhangen, erdrosselt, geköpft oder erschlagen wurde: nur befreien sollte man mich von ihm. Er zog langsam sein Glied aus meinem After als er merkte, daß ich unter unwahrscheinlichen Schmerzen leiden mußte, strich sanft über meine Haare, küßte meinen Hals und ich erkannte Rene nicht mehr. Aus dem Löwen wurde eine sanfte Katze, die um mein Wohl bemüht war. Schließlich legten sich meine anfänglichen Schmerzen und Rene nahm das als Anlaß sein Glied wieder in den After zu stecken, wobei er total sanft, es hin-und-her bewegte. Unter immer weniger Schmerzen , schien sich mein Körper an diese Bewegungen zu gewöhnen und ich ließ seine immer schneller werdenden Stöße über mich ergehen und bemerkte zu meinem Erstaunen, daß sich mein eigenes Glied immer stärker versteifte und ich Gefühle bekam, die schön, aber unbekannt waren. Ich war in einem innerem Zustand voller Widersprüche, die ich noch nie durchmachen mußte. Teilweise begann ich diesen Typ mit ganzer Seele zu hassen und verfluchte ihn mit allen unchristlichen Ausdrücken, die ich im Kopf hatte und ich begann mich teilweise vor ihm zu ekeln, aber wiederum merkte ich an meinen eigenen Gefühlen, das ES mir gefiel, mit ihm meinen ersten Sex im Leben zu haben. Mir gefiel plötzlich seine brutale Art und seine Zärtlichkeit, zu die er durchaus fähig war, denn er hatte eine gewisse Harmonie darin, die mich anregte. Ich kam auch gar nicht dazu, mich wehren zu wollen, denn immer wenn er seine brutale und harte Kraft anwendete, mir seine Muskeln spüren ließ und ich vor Schmerzen beginnen wollte zu stöhnen, lockerte er sofort seine Griffe und wurde wieder lammfromm zärtlich, so daß ich Sekunden annahm eine Frau liege neben mir. Als er endlich fertig war, drehte er mich zur Seite, preßte seine Schenkel zwischen meine und nahm mein Glied in seine Hand. Seine rhythmischen Bewegungen an meinem Penis waren nun voller Liebe und Zärtlichkeit, so das es nicht lange dauern würde, bis ich zum Höhepunkt käme, als er plötzlich mein Glied in seinen Mund legte. Nach zwei weiteren Minuten verschluckte er sich fast und ich wurde um mehrere Lebenserfahrungen reicher. Beide fielen wir rücklings auf das Bett, erschöpft, aber dennoch irgendwie erleichtert und fast glücklich und nach diesen zwanzig Minuten umarmte ich Rene. Freiwillig. Langsam erhoben wir uns und Rene steckte uns von meinen Zigarette zwei Stück an und legte sie mir Eine auch in den Mund, wobei er zu mir sagte „Kay, hätte ich geahnt, daß das bei Dir das Erstemal ist, hätte ich es gelassen und als ich es endlich gecheckt hatte, war es schon zu spät, da war ich schon zu geil auf dich.“ „Tja, Tarzan, du hast mich ja nicht gefragt“ antwortete ich und lächelte das Erstemal. „Hm, Tarzan ist gut“ sagte er „war mal mein Spitzname im Knast.“ Er rauchte und sah mich an. „Was schaust du denn so?“ fragte ich ihn. „Nun“ sagte er „es ist doch echt schade, da haben wir uns kennengelernt und nun müssen wir uns wieder trennen. Schade, echt doof.“ innerlich mußte ich das Gleiche denken, äußerlich aber sagte ich nur „Vielleicht sehen wir uns noch mal.“ Ich wußte nicht, wie Recht ich haben würde. Endlich wuschen wir uns schnell, in einer Schüssel, die noch aus dem ersten Weltkrieg zu sein schien und man sich nur wundern konnte, das nicht auch noch Einschüsse von Napoleon dran waren. Das Wasser war genauso dreckig, wie die Gardinen grau waren. Das Einzige was vor Sauberkeit blitzte, war ein Bilderrahmen, dem man seine ehrliche Funktion beraubte und statt einem Aktfoto oder einem Landschaftsbild, war dort eine schäbige Preisliste des Hotels untergebracht. Wir begaben uns zur Rezeption, wenn man sie so nennen sollte, bezahlten unser Zimmer und begaben uns auf die Straße. „War echt nett mit dir, Kay“ sagte Rene und hielt mir seine breite Pranke entgegen „Du kannst immer auf mich bauen, egal, wann und wo wir uns je wiedersehen. Merk´ dir das gut, ich sage das nicht zu jedem, OK?“ Auch ich gab ihm meine Hand, die er drückte und sagte nur „Find ich Super von Dir. Weißt du Rene, für mich war das alles recht ungewohnt und ich muß das erst noch verarbeiten, aber eines sollst du wissen: du warst echt Klasse und ich würde mich freuen, wenn du dein Wort hältst. Also mach´s gut und egal wohin, aber komme gut an. Tschüß Rene“ und gerade als ich mich umdrehen wollte, packte er mich noch mal an meine Schulter, drehte mich zu sich und sagte leise „Kay, egal, wann, wo oder wie wir uns je wiedertreffen sollten, ich bin nur dann dein Freund, wenn du die Schnauze hältst. Über alles.“ Wobei er ALLES besonders betonte, daß ich sofort wußte, was er meinte...ich nickte nur, wir drückten uns nochmal die Hände und trennten uns. Jeder von uns ging einen ungewissen Weg entgegen. Gegen Nachmittag traf ich bei meiner Schwester ein, die mich schon zu erwarten schien. In der Hand hielt sie ein Telegramm, was sie mir zum lesen gab „Komme bitte sofort zurück – Stop – Vater schwer krank – Stop – ich brauche dich, Mutti“ Eigentlich war ich dumm, ich hätte mir denken können, daß meine Mutter ahnen würde, wohin ich geflohen bin; doch wenn sie es ahnte, dann müßte sicher auch bald die Kripo hier sein. Resignierend sagte ich nur „OK“, trank schnell meine Milch, aß noch dort Mittag, es gab mein Lieblingsgericht: Senfsose mit Eiern und war eine Stunde später schon an der Dorf – Bushaltestelle , der wie mir meine Schwester sagte, zur nächsten Stadt fährt. Daß sie mich direkt in eine Grenzstadt schickte, wußten wir wohl beide nicht. Der Überlandbus war ein wenig überheizt und so war es kein Wunder, daß ich bereits nach wenigen Minuten bei Manitou im Himmelreich war und schlief. Ich weiß nicht mehr, wie spät es eigentlich war, als mich jemand aus meinen schönen Träumen weckte und derb an die Schulter griff, aber ich weiß, daß ich darüber nicht gerade glücklich war. „Eh, Junge, Endstation, weiter geht’s nicht, dahinter ist Sperrgebiet“ und er zeigte mit der Hand einen Umkreis, das man denken könnte der Sperrkreis reiche bis Paris, Rom und Madrid. Der Fahrer ging wieder auf seinen Sitz und ich verließ den Meinigen. Als ich auf der Straße stand, war es mir wie ein Wink mit dem Zaunpfahl, daß ich auf meiner Flucht ausgerechnet in einer Grenzstadt landete und so beschloß ich instinktiv die Gelegenheit zu nutzen und zu versuchen, irgendwie in den Westen zu gelangen; denn hier hatte ich ja nichts mehr verloren. Zu Hause war ich ein kleiner bis mittelgroßer Dieb, für den Staat ein gesuchter Staatsfeind, wie mir Rene glaubhaft versicherte, nachdem er sich meine Story der Flucht angehört hatte. Was also hielt mich noch hier ?Ich ging erst mal ziellos durch die Stadt, namens Quedlinburg und setzte mich in ein kleines Café, was direkt am Markt war. Dort trank ich einen Kaffee und wartete darauf, das es möglichst schnell dunkel wird, um irgendwie zur nahen Grenze zu kommen, dabei wußte ich zu dieser Zeit nicht einmal, das die Grenze noch fast 40 km entfernt war. Ich glaubte einfach den netten Busfahrer. Gegen 19/oo Uhr, ich wollte gerade aufstehen und gehen, setzte sich ein etwa 19jähriger Junge zu mir und sprach mich nach Feuer an. Ich fragte ihn, auf welcher Seite er es gerne hätte, aber seine Intelligenz schien nicht von Einstein zu stammen, denn er sah mich doof an und so gab ich ihm einfach Feuer für seinen Glimmstengel, worauf er sich artig bedankte und mich in seinem Dialekt fragte, ob ich hier wohne und was ich hier so treibe. Neugierig war er also nicht, er wollte nur viel wissen und so tat ich ihm den Gefallen und erzählte ihm, daß ich auf Reise von meiner Oma sei ( die schon vier Jahre tot war, Gott sei ihrer Seele gnädig ) und nun wieder nach Berlin wolle. Ich staunte nicht schlecht, wie mir die Schwindelstory über die Lippen kam, eingedenk der Worte und Instruktionen von Rene. Im stillem sagte ich: Danke Rene, hast mir echt geholfen! Mein Gegenüber schien mit dieser Antwort wohl auch zufrieden zu sein, denn er nickte stumm und beschäftigte sich mit seinem Sahnetörtchen, als ob es nichts wichtigeres im Leben gäbe, als gerade dieses Sahnetörtchen wissenschaftlich nach seinen Zusammensetzungen zu untersuchen, dabei spielte es natürlich keine Rolle, ob er die Hälfte der Torte auf seinen Jeans hatte und die andere Hälfte genießerisch, lautstark und unüberhörbar aß beziehungsweise schlurfte, wie eine alte Lady, die mit ihrem Drittgebiß auf ihre letzte Stunde des Abschiednehmens wartete. Schließlich hatte ich von diesem Typ die Schnauze voll und verließ grüßend das Café, indem ich am liebsten gerufen hätte: Herr Ober, einen neuen Gast bitte. Nun, ich war im Harz, was mir auch bald klar wurde. Als es nun auch noch zu schneien begann, brach ich meine Pläne erst mal ab. Ich suchte mir ein Hotel, was ich nicht lange suchen mußte, denn es war auch gleich auf dem Marktplatz und hatte die sinnende Bezeichnung „Zum schwarzen Bären“, ich kam mir eher wie ein schwarzer Peter vor, aber trotzdem ging ich zur Rezeption, die einen guten Eindruck auf mich machte. An der Rezeption ging alles ziemlich schnell, ganz problemlos, ohne das jemand überhaupt eine Frage stellte, obwohl ich doch eigentlich erst 14 war und mir das man doch ansehen mußte. Leider hatte man auch hier kein Einzelzimmer frei und ich mußte ein Doppelzimmer nehmen. Es war inzwischen fast 22/oo Uhr und ich dachte daran, das dies die Zeit war, in der meine Eltern gewöhnlich zu Bett gingen. Wie mag es meinen Vater wohl gehen, ging es mir durch den Kopf ?! Ich kannte ja sein Leben und auch daß er im „Stalingrader Kessel“ verwundet und eingeschlossen war. Ich wußte von seinem Granatsplitter, den er damals abbekommen hatte und daraufhin einer der wenigen war, die man nach Beuthen ausflog. Doch seit diesem Wintertag 1942 hatte er diese verdammten Kopfschmerzen, die auch oftmals seine Stimmung beeinflußten. Leidtragende darunter waren dann immer meine Mutter, mein älterer Bruder und ich. Vater hatte eine eigene Therapie: er ging, immer wenn die Kopfschmerzen unerträglich wurden, in den Keller und hackte Holz, um so seinen Frust abzubauen, wie er uns erklärte. Als er wieder aus dem Keller kam, war er auch meist guter Laune. Meine Mutter war die Einzige unserer Familie die seine Phasen mit stoischer Ruhe aufnahm und derweil im Sessel fern sah und stets nach zehn Minuten einschlief. Wagte ich sie dann zu wecken, war ihr Kommentar stets der Gleiche „Ich hab´ doch nicht geschlafen, wie kommst du nur darauf ?“ und lächelte mich müde an, dabei waren erst fünf Sekunden vorbei, als sie noch alle Bäume Sibiriens bearbeitete und nicht selten dabei ein Pfeifkonzert abgab, das selbst Herbert von Karajan seine ungeteilte Freude dran hätte. Ja, so musikalisch war meine Mutter, daß sie selbst in Schlaf D – und C – Moll pfeifen konnte. Schön, wäre es, wenn auch ich jetzt Schlaf finden könnte und ich wünschte mir den Tiefschlaf meiner Mutter herbei, was natürlich eine idiotische Idee war. Ich stand von meinem Bett, was noch mir allein gehörte, wieder auf, zog mich an und beschloß, da an einschlafen sowieso nicht zu denken war, mir noch ein wenig die Kleinstadt anzusehen. Ich gab an der Rezeption die Zimmerschlüßel ab und begab mich auf die verschneite Straße. Ja, wohin dachte ich mir und ging in Richtung Kirche, obwohl ich als ehemaliger FDJ – Sekretär meiner Berufsschule, weit davon entfernt war Christ zu sein. Ja, eigentlich war es noch schlimmer, denn zu diesem Zeitpunkt wußte ich gerade einmal das es eine Bibel gab, deren Bedeutung ich aber nicht kannte. Gleich hinterm Markt sah ich auch schon die Kirche, einfach zu romantisch, um daran vorbei zu gehen. Ein paar Jugendliche standen in der Nähe des Kirchentores und diskutierten über etwas, was ich nicht hören konnte. Als ich sinnend ein paar Schritte vor – und – zurück ging, wurden sie auf mich aufmerksam und ein etwa 16jähriger Junge löste sich aus der Gruppe und kam auf mich zu und fragte, ob er mir irgendwie helfen könnte. Ich wüßte nicht wieso und verneinte deshalb, dabei sah er mich aus großen braunen Augen skeptisch an, so das er mir leid tat und ich ihn einfach mal fragte, was sie denn dort treiben, fast mitten in der Nacht und bei der Saukälte. (?) Es waren ca. zehn Grad minus an diesem Abend, laut Thermometer am Hotelfenster. Der Typ sah mich prüfend an und sagte „Eigentlich könnte ich dich dasselbe fragen, aber erst mal meine Antwort: wir, das heißt konkret acht Jungen und zwei Mädchen, sind ein evangelischer Jugendkreis, hatten gerade Jugendstunde und zum Abschluß haben wir noch über einen Mathäusbrief diskutiert.“ „Ach, ihr schreibt euch gegenseitig Briefe, um danach darüber zu diskutieren ?“ fragte ich mit ernstem Gesicht; worauf der Typ schallend und herzlich anfing zu lachen, das es fast beleidigend war. Ich verzog meinen Mundwinkel, was er wohl bemerkte, denn er entschuldigte sich auch gleich und sagte „Komm´ doch mit rein ins Warme, wir könnten uns da weiter unterhalten und wenn du willst auch zusammen beten.“ „Also, nach beten ist mir eigentlich nicht zumute, weil ich nicht weiß, ob mich der Kumpel da Oben auch hört“ sagte ich und sah seinen verblüfften Gesichtsausdruck, daß ich grinsen mußte. „Du warst wohl noch nie in der Kirche ?“ fragte er mich. „Nö“ sagte ich “Gott hat mich ja noch nie gerufen“ klärte ich ihn auf. Nun war es an ihm, daß er grinste, worauf wir uns im stillem Einverständnis sympathisch fanden. „Nun komm´ schon mit, du kleiner Pharisäer“ sprach er gutgelaunt auf mich ein, worauf ich antwortete „Also wenn dein Pharisäer was zu essen ist, komme ich mit rein, denn ehrlich, mir knurrt der Magen“. Er lachte nur, stellte mich seinen Freunden vor, die eigentlich Glaubensbrüder hießen, wie er mich aufklärte und ich nur sagen konnte „Dann habt ihr aber einen fleißigen Papi, daß ihr so ´ne große Familie seit“, worauf ich mich endgültig zum Gespött gemacht hatte, alle lachten und eigenartigerweise war mir niemand sauer. Wir gingen in ein gemütliches Hinterzimmer, was direkt hinter dem Altar war, man von vorn aber nicht gleich sehen konnte. Nachdem ich meine Omastory, Gott schenke ihr die wohlverdiente Ruhe, heruntergeleiert hatte und nicht einmal wußte, ob man mir glaubte; luden sie mich zum Essen ein und ich verschlang mit einem wahrem Bärenhunger ihre mitgebrachten Brotpakete. Sie sahen mich nur einmal schief an, als ich sofort zu essen begann. Erst danach klärten sie mich auf, daß ich hätte zu Gott beten müssen, um mich für das Brot zu bedanken, worauf ich natürlich in den nächsten Fettnapf trat, indem ich sagte „Aber das Brot ist doch vom Bäcker“ worauf meine neuen Brüder nur resignierend den Kopf schütteln konnten. Schließlich luden sie mich zu einem Spaziergang auf die Kirchturmspitze ein, daß ich mir mal die Stadt von Oben betrachten könnte. „Jetzt bei Nacht ?“ fragte ich verständnislos. „Na klar“ sagte der 16jährige zu mir „wir haben doch Vollmond, da kannst du weit sehen.“ „OK“ sagte ich nur und schloß mich der Truppe als Letzter an. An der Turmeingangs-tür fragte ich noch nach dem Fahrstuhl...danach schwieg ich für einige Zeit um nicht zum Clown der Nation zu werden...So ging ich die Stufen zum Turm hoch und vergaß dabei nicht das Zählen derselbigen. Bei der Zahl 94 hörte ich auf zu zählen... Oben angekommen erwartete uns ein eisiger Wind, aber wir hatten wirklich gute Sicht. Einige zeigten mir die schemenhaften Umrisse ihrer Wohnhäuser, was mich „wahnsinnig“ interessierte, wo ich doch im Hotel schlief und nur eine Nacht bleiben wollte. Ganz weit hinten sah ich einige hohe Türme und ich fragte meinen Begleiter, ob das die Grenztürme seien, aber er verneinte dies und sagte mir nur, dies seien die Wachtürme der Russenkaserne, die dort einen Standort mit einer großen Sendeanlage haben. Nachdem wir alle zähneklappernd wieder unten angekommen waren, trennten sich alle voneinander, nicht ohne sich vorher zu umarmen und ich dachte mir, beruhigend zu wissen, daß ich nicht allein auf Jungens stehe. Mein Begleiter, der immer in meiner Nähe war, sagte mir, daß er noch Zeit hätte, denn er wohne gleich neben der Kirche, sein Vater sei dort Pfarrer und wenn es mir nichts ausmache, so würde er mich noch gern begleiten und dabei fragte er mich, wo denn meine Oma wohne. Ich konnte ihm schlecht sagen, das die Würmer sie vermutlich schon angeknabbert haben und so mußte ich wohl oder übel, mit einem Teil der Wahrheit raus und sagte ihm nur, daß ich eigentlich im Hotel wohne, aber er möchte mich bitte nicht weiter mit Fragen quälen. Er nickte überraschend wortlos, fast verständnisvoll und begleitete mich einige Meter bis zum Hotel. Vor der Eingangstür fragte er mich, ob er mit rein kommen dürfe. Ich bejahte, warum auch nicht und holte den Zimmerschlüssel; danach holte ich ihn, denn er mußte sich an der Rezeption vorbei schleichen, denn Nachtbesuche waren hier nicht erwünscht, wie mir die Rezeptionsdame schon bei meiner Ankunft aufgeklärt hatte. Wir gingen in mein vorübergehendes Zuhause, was noch immer von mir allein bewohnt war. Wir zogen uns unsere Winteranoraks aus und ich ließ ihn erst mal Platz nehmen, wobei ich ihn fragte, ob er was zu trinken möchte. „Tja, wenn du noch zwei Kaffee besorgen könntest, wäre es prima.“ Und so nahm ich meine Brieftasche aus dem Anorak und besorgte uns, trotz der späten Stunde, zwei Kaffee, die ich aufs Zimmer brachte. Ich fragte ihn, ob er mit Zucker wolle, worauf er trocken sagte „Ja, zehn Löffel, aber bitte nicht umrühren.“ Und dabei schelmisch grinste. Ich glaube, wir verstanden uns immer besser und das Eigenartige daran, wir wußten und spürten es Beide. Wir sprachen dann einige Zeit über ihn, von seiner Jugendgruppe, seinen Eltern und seinen zwei Brüdern, die beide aktive Sportler waren und zur Zeit bei den Grenztruppen der NVA ihren Dienst taten, ungern zwar, aber Gesetz war Gesetz. Der eine Bruder war ein Ruderer, der andere war im Boxen. „Und du?“ fragte ich „machst du auch irgendwas, oder von was kamen deine breite Schultern ?“ Robert sah mich erstaunt an und sagte seinerseits „Du bist der Erste, der mir das sagt, aber schön zu hören, geht runter wie Honig.“ Sagte er lächelnd und setzte hinzu, daß er Roberto hieße und schon drei Jahre im Ringen sei, es ihm dort viel Spaß mache und zur Zeit der Beste des Bezirks in seiner Gewichtsklasse sei; was er nicht ohne stolz hervor hob. In Gedanken dachte ich mir, das man darauf auch stolz sein könne und ich muß zugeben, ihn beneidet zu haben. Im übrigen staunte ich nicht schlecht darüber, was für ein Glück ich hatte, bisher nur Sportler kennengelernt zu haben, sei es Peter mein Judo – Schulfreund oder Rene, dem Kraftsportler und nun Roberto, den Ringer, dem man alles aber keinen Ringer ansah. Er war nicht viel größer als ich, nur in den Schultern übermäßig breit und hatte zudem kleine, zarte Hände, denen man die Kraft zu einem Würgegriff keineswegs zutrauen würde. Ich erwähnte, daß ich einige Privatstunden im Judo bei meinem Freund in berlin gemacht hätte und es blieb nicht aus, daß er mich testen wollte, obwohl es inzwischen schon ein Uhr morgens war. Wir warfen das Bettzeug in einen Sessel, nahmen die Matratzen herunter und legten diese auf den Fußboden, wie eine große Matte zusammen und zogen uns beide bis auf die Unterwäsche aus. Roberto ging in Kampfstellung und erwartete meinen Angriff, während ich auf seinen wartete, schließlich machte er den Anfang, griff mit einer Hand meinen rechten Arm blitzschnell in die Senkrechte und legte seinen Arm um meinen Hals, der er gleichzeitig nach unten drückte, während seine Beine mir einen Tritt versetzten, der mir , da zu überraschend, den Boden unter den Füßen wegzog und so gelangte er ziemlich schnell, mit mir zusammen auf die Matratzen, wobei ich natürlich die zweifelhafte Ehre hatte, unter ihm zu liegen. Wie ich sehr schnell bemerkte, war seine Beinkraft nicht besonders, so daß mir meine angesetzte Beinschere so gut gelang, daß ich mich damit drehen konnte und mich nach Oben wendete, obwohl er mit beiden Armen dagegen ankämpfte. Mir gelang der Halswürgegriff und so lag ich seitlich von ihm, in der besseren Position und konnte mir nicht verkneifen anzugeben, indem ich ihn fragte „Sag´ mal Roberto, kann dir dein lieber Gott nicht helfen ?“ Das jedoch hätte ich lieber nicht sagen sollen, denn wie aus heiterem Himmel gelang ihm mit beiden Händen ein sehr schmerzhafter Griff in die Nieren, daß ich schon vor Schreck meinen Würgegriff los ließ. Dies nutzte natürlich Roberto sofort aus, indem er mich aus der Seitenlage auf den Rücken drehte, sich total auf mich legte und dabei nun seinerseits eine Beinschere um meine Oberschenkel legte, daß ich mir wie in einem Schraubstock vorkam. Ich mußte innerlich zugeben, ihn arg unterschätzt zu haben, vielleicht aber wollte er mich anfangs auch nur gewinnen lassen. Plötzlich lockerte er die Beinschere, hielt aber nun meine zwei Arme an den Unterarmen mit seinen Händen so fest, das es mir vorkam, als hätte er den Schraubstock nur verlagert, denn ich konnte noch soviel meine Kräfte anwenden, ich kam nicht gegen diese Stärke des Roberto an. Ich war einfach bewegungsunfähig, einerseits durch die noch angespannte Beinschere, andererseits durch den Haltegriff an meinen Armen. Einige Sekunden verharrten wir beide in dieser Stellung, als er plötzlich begann, rhythmische Bewegungen zu machen und mich dabei fest ansah. Er hielt inzwischen nicht mehr meine Arme sondern meine Hände fest und ich fühlte, wie sein Herz, aber auch mein´s, immer heftiger pochte. Mir wurde unheimlich zumute, denn ich konnte einfach nicht glauben, das sich hier etwas anbahnte, wie ich es schon mit Rene erlebt hatte und doch war es so. Als ich fühlte, das sich unsere Glieder berührten und er dies mit Absicht weiterhin tat, hatte ich keinerlei Zweifel mehr und zog ihn nun meinerseits fest an mich, wobei er seinen Griff der Hände sofort los ließ, als er merkte, das kein Widerstand von mir zu erwarten war. Nun entwickelte er ein Temperament, was ich diesen Roberto nie zugetraut hätte. Er drehte mich wie er wollte, legte sich auf mich, legte sich unter mich, blieb kurze Augenblicke in den Aktionen anhaltend, um kurz darauf mit doppelter Energie mich zu umarmen und zu liebkosen. Schließlich nahm er mein Glied und befriedigte es, während dessen ich mich an seinen muskulösen Oberarmen und seiner Brust erregte. Ich weiß nicht, was er an mir fand, aber als auch ich ihn befriedigt hatte, sagte er nur: „Kay, du bist der Zweite, mit dem ich mal was hatte, aber du bist der Bessere.“ OK, sagte ich mir, ich kannte ja den Ersten nicht...Wir zogen uns wieder an, räumten das Chaoszimmer auf und er setzte sich zu mir ans Bett. „Sag´ mal, Roberto“ fragte ich ihn „fangen alle deine Ringkämpfe so an und enden, wie bei uns ?“ Er lachte „Nee, nee, aber bei dir wurde mir auf einmal so und du bist echt gut drauf.“ Ich wußte zwar nicht ganz wie er dies meinte, aber dennoch war ich mit der Antwort zufrieden. Er streichelte mich über den Rücken und sagte „Kay, was ist mit dir nun wirklich los, du hast doch irgendwas ?“ Und auf einmal brach es über mich herein, ich begann zu heulen, erst ganz wenig und auf einmal. wie in einem Weinkrampf. Es schüttelte meinen ganzen Körper, so das ich nicht mal merkte, das Roberto meine beiden Hände nahm und sie schweigend, aber mitfühlend, drückte. Ich merkte, daß mir seine fürsorgliche Anteilnahme echt gut tat und beruhigte mich langsam ch wusste nicht einmal, warum ich eigentlich heulte, aber ich glaube, es war die Angst vor der ungewissen Zukunft und die Verzweiflung, von meinen Eltern getrennt zu sein, ich ahnte nicht, wie oft ich dieses Gefühl noch in den nächsten Jahren spüren sollte. Auf einmal hatte ich auch Vertrauen zu Roberto, was vielleicht an dem Erlebnis auf den Matratzen lag...Ich erzählte ihm alles, die ganze Wahrheit und er hörte sich alles an, ohne mich zu unterbrechen. Ich dachte schon, Peter sei vor mir, denn es war ja auch seine Art, mich reden zu lassen und dann zu fluchen, zu wettern oder – was seltener vorkam, mich auch mal zu loben. Roberto wetterte nicht, er legte seine Hände auf meine Schultern, zog mich an sich und drückte mich mit einer unglaublichen Kraft, daß ich dachte, jetzt hast du nur noch eine Rippe. Roberto ließ mich los und sagte nur „Das Kind werden wir schon schaukeln“ und daß er jetzt gehen müsse, aber am Morgen im Cafe auf dem Markt mit mir zusammentreffen müsse. Ich soll jedenfalls um zehn Uhr dort sein. „Schlafe noch paar Minuten und mache Dir keinen Kopf, ich helfe dir, OK?“ sprachs und ging. Nur langsam fanden sich meine Gedanken wieder und ich konnte klar denken, an Schlaf allerdings nicht. Ich war überrascht, wieviel Menschen es gab, die Anders waren, also schwul und begriff nur langsam, das dies eine eigene Welt sein müsse, in der ich noch viel zu lernen habe. Aber im Moment hatte ich andere Sorgen.... Innerlich war ich nun wieder ruhig, hatte ich doch meinen ersten Kumpel in der Fremde gefunden, der mir auch helfen wollte und nicht wie Rene, mir seine Hilfe anbot und dann einfach verschwand. Ich stellte den Wecker für 8/30 Uhr und hatte so noch eine Stunde etwas Ruhe, in denen ich meine Gedanken ordnen konnte, denn noch mal einschlafen – dazu war ich zu wach. Ich machte das Licht aus...
10.Okt. 1968
Laut klopfte es an der Tür, als ich erwachte. Ich öffnete und Roberto stand vor der Tür. „Du?“ fragte ich blöderweise „Ich denke wir treffen uns erst um Zehn.“ Sagte ich. „Mußt schon entschuldigen“ antwortete er „ich weiß, das es erst kurz vor Sieben ist, aber ich habe gestern Nacht beziehungsweise eigentlich heute Früh“ und er grinste mich an „mit meinem Vater über dich gesprochen und wir sind der Meinung, du solltest dich der Polizei stellen.“ Er kam an mein Bett, umarmte mich herzlichst und redete auf mich ein und sprach wie ein Wasserfall, übrigens, auch so feucht. Nachdem ich mir einige mal mit dem Taschentuch übers Gesicht fuhr, bremste er endlich seinen Redefluß und wartete auf das, was ich sagen würde. Er wartete vergeblich. Ich gab keine Antwort. Ich war zutiefst enttäuscht von Roberto. Nun, was sollte ich schon erwarten, ich war 14, er 16 und dazu noch –fast – überzeugter Christ. Ich rauchte eine Zigarette und überlegte fieberhaft, wie ich ihn wieder los werden könnte, doch er nahm mir diese Sorge ab, indem er meine Hände ergriff, fest drückte und mir einen kleinen Zettel in die Hände legte, worauf die Anschrift stand, wo ich ihn und seinen Vater finden könnte. Es war sogar eine kleine Skizze gemalt, damit ich den Weg schneller finden könnte, ohne Fremde Leute nach den Weg fragen zu müssen. Ich sagte ihm, daß ich komme, ohne jedoch daran zu denken, dies in die Tat umzusetzen, denn jetzt war ich froh, daß er ging. Ich sagte ihm, daß ich nur noch die Hotelrechnung begleichen müsse. Roberto ging, nachdem wir uns noch mal flüchtig umarmt hatten. Nachdem ich im Hotelrestaurant gefrühstückt hatte, begab ich mich nochmals auf mein Zimmer und zählte das verbleibende Geld. Nach Abzug der Zimmerkosten und für mein bescheidenes Frühstück, verblieben mir immerhin noch fast zweihundert Mark. Nun stand auch mein Entschluß fest: ich dachte nicht im Traum daran, zu Roberto und dessen Vater zu gehen, um mich dann selbst den Bullen zu stellen. Noch hatte ich Geld und dachte mir, es noch irgendwie bis zur Grenze zu schaffen. Lustlos, doch noch mit etwas Optimismus verließ ich gegen halb Zehn Uhr das Hotel der wundersamen Begegnungen. Ich wollte die verbleibenden Stunden, bis es zu dunkeln begann, im Wartesaal der MITROPA verbringen. Diesmal setzte sich nur eine alte Frau mit einer kleinen Flasche stinkenden Bonnekamp zu mir, den auch mein Vater nach jedem Eisbein, wegen der Verdauung wie er stets versicherte, trank. Ich nahm den penetranten Geruch des Gesöffs noch einige Meter in die Bahnhofshalle mit, als ich zwei dunkelblau - uniformierte Transportpolizisten sah. Ich drehte mich schnell um und ging die Haupttreppe runter, dann blindlings in die erste Straße hinein und stand plötzlich vor dem Volkspolizeikreisamt. Scheiße, sagte ich mir, dumm gelaufen und drehte mich kurz entschlossen in die entgegengesetzte Richtung, sah eine Bushaltestelle, den ankommenden Bus und sprang hinein, obwohl ich nicht wußte, wohin er eigentlich fuhr. Ich fuhr drei oder vier Stationen und kam in einem kleinem Dorf an, wo sich vermutlich jeder kannte und ich als Fremder gleich aufgefallen wäre. Aus diesen Überlegungen heraus, beschloß ich das Dorf zu umgehen. Es war eine idyllische Gegend und hätte ich nicht den Streß mit meiner Flucht, wäre dies eine schöne Wanderung geworden. So aber taten, mir Städter, schon nach wenigen Kilometern die Füße weh, auch bekam ich langsam Hunger. So schwenkte ich beim zweiten Dorf ein, suchte und fand eine kleine Dorfschenke, die um diese Uhrzeit noch total leer war. Ich bestellte einen Gulasch und bekam ein Etwas. Dieses Etwas bestand aus Klößen, die eher kleinen Gummibällen glichen und Gulasch den man nur erahnen konnte, denn die paar Fleischfasern konnte man kaum den Namen geben der auf der Karte stand. Nun gut, der Hunger trieb auch diese ungewöhnliche Mahlzeit hinein und gesättigt verließ ich die bäuerliche Kneipe, mit dem großen russischem Ofen an dem ein Bettlacken zum Trocknen befestigt war. Inzwischen wurde es Spätnachmittag und es begann zu schneien. Ich hatte jedoch keine Handschuhe bei und so begann ich langsam zu frieren und ich mußte mir langsam Gedanken um eine Übernachtung machen, denn bis zur Grenze würde ich es wohl nicht schaffen – sie war weit und breit noch nicht zu sehen. Ich mußte also irgendwo die Nacht verbringen und möglichst nicht auf der Straße, denn dieses würde ich bei minus Sieben Grad wohl kaum überleben. Ich würde wohl einschlafen, ohne je wieder aufzuwachen, da ich Wärme jedoch liebte, fand ich keinen Gefallen an der Idee als Eiszapfen mein Leben zu verkürzen. Und so ging ich nun etwas schneller, immer mit dem suchendem Blick nach einer Bleibe für die Nacht. Schließlich entdeckte ich eine alte, große Scheune; die ich erst mal einige Zeit beobachtete, ehe ich mich an sie heran wagte. Ich öffnete die knarrende, unverschlossene Tür und sah mich um. Da es zu dunkel war, konnte ich nur abwarten bis sich die Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten. Schließlich bemerkte ich, daß ich mich in einer LPG – Vorratsscheune befand, in der es nur Strohballen und etwas Werkzeug an den Wänden gab. Es roch arg muffig nach altem Heu. Ich suchte mir eine Ecke, die ganz hinten gut versteckt war und so konnte ich zwar den Eingang sehen, mich aber niemand, weil dieser Teil zu weit im Dunkeln lag und durch Strohballen zusätzlich verdeckt wurde. Ich baute mir ein kleines Lager in dieser hinteren Nische, legte mich hin, deckte mich mit etwas Stroh zu und schlief todmüde in wenigen Minuten ein.
....lautstark wurde das Scheunentor aufgerissen und ich erwachte vom Gebrüll eines Menschen, der in Todesängsten zu sein schien. Ich war noch nicht richtig wach, als ich deutliche Stimmen hörte, die von zwei oder drei Menschen stammten. Ich richtete mich vorsichtig auf – und , mir stockte der Atem. Vor mir standen zwei große und sehr kräftige Bauernjungen, denen man die tagtägliche schwere Landarbeit sofort ansah. Gott sei Dank, bemerkten sie mich nicht, weil ich noch genug Heu als Deckung hatte. Bloß jetzt nicht niesen, Kay, ging es mir durch den Kopf. Beide Jungens, deren Alter ich auf etwa achtzehn bis zwanzig schätzte, hatten ein Mädchen bei sich, was gefesselt, zwischen ihnen laufen mußte. Das Mädchen war etwa fünfzehn oder vielleicht sechzehn Jahre alt und sah nicht gerade häßlich aus, nur daß sie sehr verweinte Augen hatte, wenn man das bei der Beleuchtung, die keine war, beurteilen konnte. Ich hörte, wie der Eine zu seinem Kumpel sagte „Mensch, die Alte oder keene, also zier dich nicht, oder biste een verkappter Schwuler ?“ Mir gefror das Blut in den Adern, ich hielt meinen Atem noch stiller, als er sowieso schon war und hatte Angst. Ganz primitive Angst. Was wäre, wenn sie mich entdeckten ? Mit einem kräftigen Ruck schmiß der angesprochene das Mädchen, das nun mörderisch schrie, in den Heuhaufen, der etwa zehn Schritte von mir entfernt war und warf sich über sie, wobei der andere ihn noch anfeuerte und schweinische Bemerkungen machte, deren Sinn ich nicht immer verstand. So sagte er zum Beispiel:“ Laß´ dir doch mal einen blasen, die hat doch die richtigen Bläserlippen dafür.“ Ich wußte nicht, was er meinte, denn ich sah weit und breit keinen Luftballon, den man hätte aufblasen können. Verständnislos sah ich dem weiteren Treiben der Beiden still zu. Der viel Größere der Beiden, der seinen Kumpel angefeuert hatte und nun sinnlos herumstand, untersuchte nun die Scheune, wobei ich mich schnell ducken mußte, war ich doch Beiden körperlich bei weitem unterlegen. Auf eine tätliche Begegnung wollte ich es nicht ankommen lassen, sie hätten mich vermutlich mit bloßen Händen erwürgt, ohne sich sonderlich dabei anstrengen zu müßen und ich dachte an Peter, dessen angelernte Griffe mir bei diesen Beiden wohl auch nichts nützen würden. Ich hätte schon mit einem zu tun, aber gleich zwei solcher Riesen zu besiegen, war einfach aussichtslos. Endlich ging der Größere der Beiden, den ich auf etwa 1,90 m schätzte, zu seinem Kumpel zurück, der mit rhythmischen Bewegungen verbunden, noch immer auf dem armen Mädchen lag. Das Mädchen schrie nicht mehr, es wimmerte nur leis, denn ich sah, das der Kleinere der Beiden, der noch immerhin einen Kopf größer als ich und wesentlich kräftiger war, dem Mädchen mit einem Schal den Mund verschlossen hatte und auch ständig daran zog, so das ich schon annahm , er wolle sie töten; doch sie zuckte noch im Rhythmus seiner brutalen Stöße, wobei er mit seinen ungewöhnlich muskulösen Schenkeln ihre zarten Beine zu erdrücken schien. Mit seinen Oberarmen verbog er dem Mädchen die Arme nach hinten, hielt sie aber nur mit einer Hand zusammen und nahm die andere, um an ihren Brüsten derb zu zupacken. Ich sah im Schein der Dämmerung, wie sicherste Schweiß – und Angstperlen auf der Stirn des Mädchens widerspiegelten und hatte unsagbares Mitleid mit ihr, doch wie sollte ich ihr helfen ? Erstens, waren mir die Typen nun mal körperlich überlegen und zweitens, ich konnte nicht einmal Hilfe holen, denn wie sollte ich hier an sie vorbei, zur einzigen Tür gelangen, ohne bemerkt zu werden und drittens, würde ich dies wirklich erreichen, müßte ich die Bullen holen, von denen ich doch selbst gesucht wurde. Endlich ließ der Kleinere von ihr ab und rollte sich mit den Worten zur Seite: „So, Großer, nun kannst du mal dein Stößchen machen, bis ich wieder fit bin.“ Gesagt, getan. Der Größere warf sich nun mit der Wucht seines Gewichtes auf ihr, daß ich dachte, das es dem Mädchen alle Rippen bricht und sie sich vor Schmerzen versuchte zu drehen, doch dies schien dem Kerl nicht zu stören, im Gegenteil, um so mehr sie versuchte sich zu wehren, um so brutaler und lustvoller wurde er. Er schien seinen Spaß an ihrer Ohnmacht zu haben und wurde nur noch wilder und rücksichtsloser zu ihr. Allein seine Hände waren die einer mittleren Toilettenbrille, seine Arme hatten etwas Gorillaartiges an sich und seine Schenkel waren schon eher die eines Elefantenbabys, als eines Menschen. Sicher machte er nebenbei Kraftsport, aber was er jetzt machte, hatte damit nichts mehr zu tun, denn er quälte das Mädchen geradezu, um nicht zu sagen, daß er es folterte. Um so brutaler er wurde, um so mehr schien er sich dabei zu erregen. Er warf das wehrlose Mädchen wie eine Puppe hin und her, warf sich auf sie, rollte sich wieder von ihr, sprang sie an und legte sich wieder der Länge nach auf sie, so das sie von seinem Gewicht erdrückt erneut versuchte zu schreien, was man durch den Schal nicht ganz so laut hören konnte. Mit einer Hand hielt er noch immer ihre beiden Hände zusammen, wie es auch der Kleinere getan hatte; mit der freien Hand nahm er nun sein Glied in die Hände und urinierte auf ihren Bauch, mit den Worten: „Baby, wenn ich vorher mal muß, geht’s hinterher auch schneller.“ Das Mädchen war nun völlig erschöpft, lag still unter seiner Last und ließ nun alles still und widerstandslos über sich ergehen. Der Gorilla wischte mit einem Taschentuch die Spuren seines Urins herunter, legte sich nun wieder auf sie, brachte sein Glied dorthin, wo es nach seiner Meinung auch hingehörte und stieß mit ihr gemeinsam mit einer Schnelligkeit, die man ihm nicht zutrauen konnte vom Boden ab und nahm sie in hockender Stellung und beglückte sie auf seine fiese Art, das einem nur vom zusehen schlecht werden konnte und ich mußte mich umdrehen, um nicht kotzen zu müssen. Ich sah zu dem anderem Typ hin, der sich unterdessen wieder frei gemacht hat, sein Glied in der Hand hielt, den Beiden genießerisch zusah und sich dabei selbst befriedigte. Unter anderen Umständen wäre mir dieser Typ sicherlich sympathisch gewesen, denn er erinnerte mich irgendwie an Rene; aber jetzt widerte er mich nur an und es ekelte mich an, seinen Samenerguß zusehen zu müssen. Aber was sollte ich tun, ich mußte sie beobachten, damit ich nicht von ihnen beobachtet wurde. Während dieser ganzen Prozedur, in der an ein Schlafen nicht zu denken war, schneite es draußen und die Kälte kam in alle Ritzen. Dies mußten wohl auch endlich die zwei Typen bemerkt haben, denn als sie endlich ganz von dem Mädchen abließen, sagte der Kleinere nur „Scheißkälte, komm´ lass´ uns verduften.“ Ich glaubte meinen Worten nicht zu trauen, die wollten auch in den Westen flüchten ? Und so banal es klingt, ich beschloß ihnen auf den Fersen zu bleiben, vielleicht käme ich dadurch meinem eigenem Ziel näher ? Nur was sollte aus dem bedauernswerten Mädchen werden, was auf diese bestialische Art mißbraucht wurde ? Ich brauchte mir darum jedoch keine Gedanken machen, denn im gleichen Augenblick nahmen mir beide die Antwort ab, indem sie dem Mädchen nun auch noch die Füße zusammen banden.
Nun kontrollierten sie ihre Handstricke und zu meinem Erstaunen entfernten sie den Schal von ihrem Mind. Sie schrie auch nicht mehr, lag nur apathisch da und wimmerte noch immer leise vor sich hin. Ihre Augen hatten eine merkwürdige Irre und Kälte zugleich in sich, das sich mir das Herz zusammen zog. Der Gorilla öffnete mit den Zähnen eine mitgebrachte Flasche Schnaps, die sie beide austranken, wobei der Kleinere dem Mädchen einen Schluck anbot, zum reden nicht fähig, schüttelte sie verneinend den Kopf. Schließlich erschöpft vom Sex und benebelt vom Alkohol, schliefen beide Typen, eng nebeneinander ein. Auch das Mädchen schien eingeschlafen zu sein, es redete leise im Schlaf vor sich hin. Worte, die man nicht verstand. Auch ich war übermüdet, drehte mich ermattet und von den Ereignissen völlig überfordert auf mein Strohlager und schlief sofort ein. 11.Okt.66 Am anderem Morgen, als ich aufwachte, lag nur das Mädchen da. Eine leere Schnapsflasche erinnerte an die zwei Typen, die natürlich verschwunden waren. Ich rappelte mich hoch und befreite das Mädchen sofort von ihren Stricken, aber – sie schien nicht mehr zu atmen. Ich legte meinen Kopf auf ihre unbekleidete Brust und horchte auf ihren Atem, den ich nicht bemerken konnte. Schließlich gab ich auf und sah voller Erschrecken, aus ihrem Mund Blut sickern, wie ein ganz dünner roter Faden. Ich drehte sie langsam um, sah auf ihrem Rücken zwei tiefe Wunden und neben ihr ein blutverschmiertes Messer, wie ich es mal bei einem Fleischer gesehen hatte. Es stand fest, das Mädchen lebte nicht mehr. Mißbraucht und ermordet von zwei Menschen, die ich gesehen hatte. Panische Angst befiel mich, ich begann zu zittern, nahm in plötzlicher Hektik meine kleine Reisetasche und rannte aus der Scheune, in den noch so jungen, aber blutigen Morgen hinein... 23 Jahre später10.12.1989 Einsam saß ich in meiner kleinen Wohnung in Rochlitz. Vor wenigen Tagen war ich noch Häftling in Bautzen, mit einer vierjährigen Freiheitsstrafe, die gerade eben begonnen hatte und nun war ich zwar frei, aber allein. Ich besah mir die unrenovierte Wohnung, die mir Abteilung Inneres zugewiesen hatte. Die Wohnung bestand aus zwei Zimmern, einer Kammer und der Toilette auf dem Hof, ein Bad oder Küche gab es nicht. Die Küche war ein Herd in einem der beiden Zimmer, deren Öfen zwar rußten, aber nicht wärmten, wie es eigentlich ihre Aufgabe wäre. Um nicht im Qualm zu ersticken, heizte ich nicht (-womit auch ?) und wickelte mich bei der Dezemberkälte in zwei Decken ein. Ich besah mir immer wieder meine vier Wände, in denen ich nicht glücklich war. Ich hatte weder Bilder an den Wänden, noch wesentlich viel Mobiliar. Ich besaß nur das, was mir die Abteilung Inneres besorgt hatte, da waren zwei Stühle, eine abgenutzte, alte Couch, ein wackliger Tisch, ein „Weimar“-Radio mit einem hübschen magischen Auge, ein schwarzweiß Fernseher Größe 34 mit ausziehbarer Antenne, indem man doch nur zwei Sender empfangen konnte, nämlich die einzigen beiden DDR – Sender. Das alles hatte ich in einem Zimmer untergebracht, denn für Zwei reichte das Mobiliar nicht aus, Im anderem Zimmer hatte ich nur einen kleinen Abstelltisch auf dem Geschirr und Bestecke für zwei Personen waren. Das alles hatte ich Abteilung Inneres zu verdanken, wobei man sagen muß, das es mich noch halbwegs gut traf, denn ich kenne Fälle, in denen man weitaus geiziger zu den Haftentlassenen war und die froh sein konnten, wenn sie Freunde hatten...Freunde, ja die hatte ich ja nun auch nicht mehr, denn alle die ich hatte, haben sich abgewandt, als ich nach Bautzen kam. Ich wußte zwar ihre Adressen, wollte aber selbst nicht den Anfang der Kontaktaufnahme machen, denn etwas Stolz hatte ich schon noch... Der Abend begann genauso trostlos wie der Morgen begonnen hatte. Ich mußte endlich aus meiner Lethargie erwachen und etwas tun. Ich machte mir einen Kaffee Marke Rondo und zündete mir eine Zigarette an, um besser überlegen zu können. Im Radio brachte sie gerade Nachrichten und man berichtete, das Tausende die neuen Grenzbestimmungen nutzten, um den Westen zu besuchen und wie eine Erleuchtung kam es über mir, daß ich doch das Gleiche machen könnte, nur mit dem Hintergedanken, dort zu bleiben; denn was hielt mich noch hier ? Arbeit würde ich, mit etwas Glück doch auch dort finden. Mein Kaffee war fertig und ich trank in Ruhe meinen vermutlich letzten Ostkaffee, denn mein Entschluß stand fest. Ich erhob mich, schloß meine Wohnung sorgfältig ab und schrieb mit Kreide an meiner Wohnungstür „Komme nicht wieder, bin in den Westen gegangen“ Gott sei Dank hatte ich noch mein Entlassungsgeld und konnte mir somit die Fahrkarte leisten und so fuhr ich in einen überfüllten Zug mit Stehplatz bis zur Grenze, wo die lieben Grenzbeamten auf die Ausweiskontrolle verzichteten, denn sie wären sowieso nicht durchgekommen, denn wir standen so dicht nebeneinander, daß man ahnen konnte, was der Andere zu Mittag aß, wenn man seinen Atem roch. Es war schon ein komische Gefühl, das erstemal durch das Grenzgebiet zu fahren, was 40 Jahre tabu war und ich glaube den Anderen ging es auch nicht anders, denn kaum waren wir wenige Meter hinter dem Stacheldraht, begannen die Leute hörbar aufzuatmen, vereinzelt hörte man Klatschen und Rufe wie „Endlich frei!“, „Scheiß` Zone“ und ähnlichem. Der Zug fuhr weiter bis Hof, wo die Meisten von ihnen ausstiegen und ich endlich einen Sitzplatz ergattern konnte. Von Hof ging es weiter bis Gießen, wo ich gegen 21/00 Uhr ankam. Niemand kann die Gefühle nachempfinden, der es nicht selber erlebt hat, nach 40 Jahren roter Diktatur den freien, demokratischen Westen zu betreten; den ersten Westbahnhof zu sehen, der sich, außer den Gleisen, in Nichts mit den Ostbahnhöfen glich. Die Reklame blendete einem genauso wie die Auslagen in den zahlreichen Bahnhofsgeschäften und es fiel mir ein, daß ich ja nicht einmal Westgeld besaß, denn die Fahrkarte konnte ich noch mit Ostgeld bezahlen. Ich ging zum Fahrkartenschalter und fragte, wo denn das Flüchtlingslager sei, von dem man schon in Bautzen gesprochen hatte. Nachdem ich eine ziemlich gute Wegbeschreibung erhielt, machte ich mich auf den Weg dorthin, aber nicht ohne an jedem zweiten Ladenfenster staunend zu verweilen, - zu groß waren die Unterschiede zu den HO oder Konsum – Geschäften Marke DDR. Nach einem Fußweg von nur zwanzig Minuten war ich, nach meinem Schaufensterbummel, nach zwei Stunden endlich am Lager, wo mich am Tor eine lange Warteschlange empfing. Nach etwa weiteren 40 Minuten war ich aber schon vorläufig notiert, hatte eine Zimmerzuweisung und einen kleinen Imbissbeutel in der Hand. Ich ging über einen großen Hof, fand mein Haus 3 in dem ich die ersten Wochen oder gar Monate wohnen sollte, bis alle Formalitäten erledigt wären und ich vielleicht in irgendeinem Bundesland Wohnung und Arbeit finden würde. Nachdem ich mich den zwei Mitbewohnern vorstellte und wir uns kurz bekannt gemacht hatten, bezog ich mein Bett mit einer Bundeswehrgarnitur und ging erschöpft von der Bahnfahrt und den ersten Westeindrücken müde ins Bett, wo ich auch gleich, träumend von „Nutella“ und „Sarottischokolade“, einschlief. 31.12.1989 Die Tage im Aufnahmelager waren wie verflogen und schon standen wir an der Schwelle zum neuem Jahrzehnt. Viele Hoffnungen hatte ich auf das kommende Jahr, in dem ein neuer Lebensabschnitt seinen Anfang nehmen sollte und ich hoffte irgendwo Arbeit zu finden und natürlich auch Wohnraum, möglichst besseren als ich ihn in Rochlitz hatte. Zwischenzeitlich verliefen die Tage ziemlich monoton. Täglich gingen meine Mitbewohner und ich in den großen Speiseraum, wo wir alle Mahlzeiten einnahmen; Skat spielten oder uns bei einem Kaffee unterhielten. Noch nie hatte ich soviel Menschen aus so viel verschiedenen Ländern konzentriert in einem Raum gesehen, wie es hier der Fall war und eigenartiger Weise herrschte Harmonie zwischen allen. Vielleicht lag es daran, das man miteinander auskommen mußte; denn wer gegen die Lagerregeln verstieß „durfte“ seinen Sachen packen und gehen und wer wollte dies schon aufs Spiel setzen ? Am dritten Tag wurde ich vom Verfassungsschutz vernommen, den ich aber, Glück braucht der Mensch, beanstandungslos durchlief, dann erhielt ich 100,-DM Begrüßungsgeld und kaufte mir für 39,-DM meinen ersten, kleinen Kassetten-Radio-.Recorder Made Westgermany und ich war richtig stolz auf meine neue Errungenschaft; dieser kleine Stereorecorder, den ich hier in einem An-und-Verkaufsladen erhielt, hätte im Osten gut seine 700,-DDR-Mark gekostet...Der Anfang war gemacht. Noch in der gleichen Woche wurde ich von Caritas eingekleidet, das heißt nicht neue Textilien, aber alle waren sauber und fast ungetragen, denn ich hatte nur zwei Garnituren an Bekleidung mit und meinen sogenannten Diplomatenkoffer, indem ich nur einige Papiere und Unterwäsche hatte. Mein jetziger Tagesablauf bestand darin Tagsüber in Zeitungen und Illustrierten zu blättern, um nach Arbeit & Wohnung zu suchen. Nachdem Mittagessen ging ich meistens mir die Stadt Gießen ansehen, schlenderte durch dessen Straßen und ging meiner neuen Lieblingsbeschäftigung nach, dem Schaufensterbummel. (Was waren das für Emotionen das erstemal im Leben einen Videorecorder zu sehen !) Abends ging ich oft in den Speiseraum, in dem ein großer Fernseher stand und sah unbekümmert Westfernsehen und mußte mich erst langsam dran gewöhnen, daß das hier normal war... 3 Jahre später02.09.1992 Wir rollten schon drei Stunden auf den Schienen von München nach Berlin. Jerry Fonda, mein Freund und jetziger Geschäftspartner, hatte es sich bequem gemacht und hörte über seinen Walkman „Roxette“; ich dagegen sah aus dem Fenster und hing meinen eigenen Gedanken nach. Jerry hatte mich zu dieser spontanen Reise überredet und ich fand es auch gut so. Hatte ich doch nun die Möglichkeit, vor Ort, in Leipzig einen Zwischenhalt zu machen und nochmals persönlich mit Björn und Rene über unsere Geschäfte zu reden und meinen Geschäftsanteil zu kassieren –dachte ich. Auch Jerry machte mir wenig Hoffnung darauf, denn er meinte, das im Moment nichts lief. Die Kripo München und ebenso die Kripo Leipzig waren schon am „arbeiten“ , aber hatten noch nichts Handfestes erreicht. Für unser Glück. Unser Pech dagegen war, daß Jerry und ich auf unsere finanziellen Anteile aus dem Reinerlös der EC – Schecks angewiesen waren und diese Summe waren nicht unerheblich. Jeder in unserer Gruppe hat sich selbst Aufgaben angenommen, wobei wir Rene als unseren Chef ansahen, obwohl wir nie über diesen Punkt gesprochen hatten, fanden wir dies irgendwie selbstverständlich, er war nicht nur das organisatorische Talent von uns, mit der meisten kriminellen Intensität, sondern vermutlich auch der Stärkste von uns und so akzeptierten wir seine Stellung in unserer Gruppe ohne lange darüber reden zu müssen. Zu den speziellen Aufgaben zum Beispiel von Jerry gehörte es, den Verbindungsmann zwischen Leipzig – Berlin -und München zu spielen, sowie die Finanzen zu überwachen, was mich betraf. So überbrachte er mir Rene´s Geld nach München oder holte Ware ab, sprich Schecks oder EC – Karten. Meine Aufgabe war es, EC – Karten und die dazu gehörenden EC – Schecks aus meinem Betrieb zu 2organisieren“, den ich des Nachts zu bewachen hatte. Letztere Aufgabe nahm ich allerdings, bei 10,50 DM – Stundenlohn, nicht sonderlich ernst. Rene´s Aufgabe war es, für Einlöser zu sorgen, sowie die Endnummerierung der Karten und Schecks zu veranlassen, was mittels speziell dafür angeschaffter Maschine, geschah. Allein die Anschaffung dieser Maschine kostete, wollte man Rene glauben, etwa 40.000,-DM. Mit Björn dagegen hatten jedoch Jerry und ich einen getrennten, zusätzlichen, Deal. Er nahm uns die „organisierte“ Ware gegen Cash, also gegen sofortiger Barzahlung, ab; während uns Rene erst nach Einlösung der Schecks auszahlte. Weder Jerry, noch ich, ahnten zu diesem Zeitpunkt, daß uns Rene betrog, indem er uns von angeblichen Schwierigkeiten erzählte, während er in Wirklichkeit über eine halbe Million in Bargeld umsetzte, derweil er uns mit läppigen 2.300,-DM abspeiste. Zu diesem Zeitpunkt als wir noch gedankenverloren im Intercity saßen, ahnten wir von diesen Manipulationen noch nichts. Ich selbst hatte noch etwa 300,-DM bei mir und Jerry etwa davon die Hälfte. Es wurde also höchste Zeit uns mal wieder bemerkbar zu machen und wieder „abzukassieren“. Da auch Jerry dieser Meinung war, kam es zu dieser gemeinsamen Reise nach Leipzig, um Rene unseren Besuch abzustatten. Nach über sechs Stunden Fahrt erreichten wir endlich Leipzig, wo wir uns ein Taxi nahmen. Gegen acht Uhr morgens klingelten wir Rene wach. Nach mehrmaligen läuten öffnete uns ein unausgeschlafener Rene in Badehose. Ich kam nicht umhin, ihn mir näher anzusehen, da ich ihn noch nie mit freien Oberkörper gesehen hatte, der sich sehen lassen konnte. Ich wußte von Jerry, daß Rene sehr sportlich war, aber daß er solch´gut – geformte Brust hatte, nötigte mir Respekt ab. Auch seine kräftigen Beine, denen man jahrelanges Fußballtraining ansah und seine Oberarme, die durch Karate gestählt waren, konnte man nicht übersehen. Auch Jerry konnte sich diesem seltenem Anblick nicht ganz widersetzen, denn ich sah ihn, wie er sich Rene von Unten nach Oben ansah, keine Miene verzog und mit einem Blick zu mir in´s Schlafzimmer sah, wo wir wußten, daß Rene dort seine Waffe hatte, eine „Baretta“, die dort immer schußbereit unter seinem Bett lag. Rene war mit allen Wassern gewaschen und es gab wohl kaum einen Zweig, in dem er nicht seine Hände drin hatte, vorausgesetzt, das es sich finanziell lohnte. .. 6 Jahre später09.10.98 Nun ist es schon über einen Monat her, seit ich begann auf Udo´s wahnsinnige Pläne einzureden. Doch bisher noch erfolglos, für ihm stand nur eines fest: er wollte weg und in Holland ein neues Leben versuchen und ginge dies nicht, so wollte er sich das Leben nehmen. Er hatte einfach den Lebensmut verloren, zu kämpfen. Ich konnte noch so viel reden, ihn überzeugen, argumentieren, alles war umsonst, er hatte seinen Entschluß scheinbar schon definitiv in seinen Gedanken gespeichert, jederzeit abrufbereit in die Tat umzusetzen, fragte sich für mich nur, welcher der beiden Varianten zutraf ? War es die Arbeitsplatzsuche in Holland, dort ein Zimmer finden und ein neues Leben zu starten oder war es Variante Zwei, von der er genauso viel sprach, sich das Leben zu nehmen, wenn sein Geld zu Ende ist und er nicht einmal bis Holland kommen sollte. Es war eigentlich wie damals, als er von Heut´auf Morgen nach Spanien abreiste und erst nach fünf Wochen wiederkam; ohne Geld, halbverhungert, wohnungslos und den Blick in den Augen: verzeih´mir! Zu Heute war nur der Unterschied, daß ich damals „nur“ wollte, daß er sich eine eigene Wohnung sucht, weil meine Wohnung auf die Dauer für zwei Personen einfach zu klein war und Heute hatte er seine eigene Wohnung und außer vielleicht einer gewissen Abenteuerlust hatte er keinen akzeptablen Grund, alles hinzuschmeißen, denn seine Begründungen, er habe zuviel Schulden, keinen Job und auch Angst sein geliebtes Auto verkaufen zu müßen, waren meiner Meinung keine Gründe, im Verzweiflungsfall sich das Leben zu nehmen. Schulden hatten viele Menschen, auch ich, doch ich sage immer, Schulden sind keine Hasen, die rennen nicht weg und irgendwie stimmt das ja auch. Und das er keinen Job hatte ? Meine Güte, den hatten etwa 3,9 Millionen Menschen nicht und nehmen sich deshalb nicht das Leben und sein Auto war ja nun der kleinste Grund, deshalb zu verzweifeln. Logo, für einen Arbeitslosen war der Unterhalt zu teuer und irgendwann kommt die Stufe vom Sozialamt, aber, wieviel Menschen mußten den erniedrigen Gang zum Arbeitsamt oder zum Sozialamt machen oder auch ihr Auto verkaufen, aber deshalb resigniert man doch nicht. Das Leben geht weiter und, es kann so schön sein. Solcherart versuchte ich ihn nochmals zu bewegen, sein Vorhaben aufzugeben. „Udo, wir gehen nachher in´s Internet, suchen für dich nach Arbeit, wie wir es in den vergangenen Wochen schon mehrmals getan haben und wenn alles schief geht, na, und? Dann begleite ich dich zum Sozialamt, wir geben deine Wohnung auf und du kannst bei mir wohnen, solange bis du wieder auf vernünftigen Beinen stehen kannst. Mensch, Udo, wir sind doch Freunde, haben schon soviel gemeinsames erlebt, sind durch Dick und Dünn gegangen und irgendwie haben wir es doch immer geschafft, den Kopf oben zu behalten, oder ?“ Er sah mich kurz traurig an und plötzlich merkte ich ein Aufleuchten in sein Gesicht, als ob er schon haargenau wüßte, was er vorhatte, er lächelte sein ureigenes, verschmitztes Lächeln, wo man nie wußte woran man ist und fragte mich unerwartet: „Kay, hast du denn keine Lust, mich zu begleiten ? Schmeiß alles hin und komm´ mit “ und er setzte ein flehentliches, eindringliches „Bitte“ hinzu. Diese Frage kam so überraschend für mich, daß ich nicht gleich antworten konnte, er bemerkte dies und tat das, was er nur machte, wenn er besonders gute Laune hatte, er kniff mich in meine empfindlichste Stelle, im Oberschenkel. Nun war ich endgültig ratlos, wer sollte Udo noch verstehen ? Ich glaube, er war ein Zuckerlecken für jeden Psychiater...Ich sah ihn einfach sprachlos an und bat um Bedenkzeit, denn schließlich eilte die Sache ja nicht und was die Abenteuerlust betraf, so waren wir uns ja sowieso stets gleich und einer Meinung. Über seine Antwort war ich allerdings nicht viel verwundert: „Kay, Zeit haben wir keine, Zeit ist Geld und das geht mir bald aus“ strich sich über seine lange Haarsträhne, wie er es immer tat, wenn er was unterstreichen wollte und fügte hinzu „ Heut´ ist Freitag, Montag früh bist du mit den wichtigsten Sachen abreisefertig, dann trinken wir noch bei dir einen Kaffee und dann fahren wir“ machte eine kurze Pause und sagte nur noch „Ansonsten, mein Freund, trennen sich unsere Wege und ich muß allein fahren; überleg´ es dir gut, ich meine es Ernst.“ Das allerdings brauchte er nicht hinzusetzen, denn ich kannte ihn ja nun über vier Jahre und wußte, wann er was Ernst meinte oder ob es Einer seiner vielen Späße war, wenn er mal wieder übermütig wie ein Kind war und nicht wußte, daß er eigentlich schon 37 war. Wir gaben uns die Hand und er ging in seine Wohnung und ließ einen Kay zurück, der nicht wußte, was er machen sollte.. 10.10. Nun hatte ich eine schlaflose Nacht hinter mir und noch immer keinen Entschluß gefaßt, sollte ich Udo in´s Ungewisse begleiten ? Was würde sein, wenn unser Geld zu Ende ginge und wir nicht einmal mehr nach Berlin zurückkehren könnten, wenn er keine Arbeit fände, wenn... es gab einfach zu viele Wenn´s und das machte mir seinen Entschluß nicht viel leichter und langsam bekam die Meinung Oberhand, daß ich vielleicht auch zu alt für solch´ein Hasardspiel sei, immerhin war ich zehn Jahre älter, als mein noch immer jugendlich-frisch erscheinender Udo. Am Nachmittag ging ich in die Wohnung von Udo, wir hatten ja Beide Schlüssel des Anderen und sah ihn schon in Vorbereitung seine Reisetasche zu packen. „Na, Udo, ich glaube, du meinst es wirklich Ernst, was ?“ „Logo, langsam müßtest du mich doch kennen, oder reichen da vier Jahre nicht aus?“ „Hm“ war meine einzige Antwort und ich ging nachdenklich hinunter in meine eigenen vier Wände 12.10.98 Heute war nun der Montag der Entscheidungen, aber er blieb der Montag d e r Entscheidung, denn ich konnte mich nicht durchringen, alles aufzugeben, wozu ich Jahrelang brauchte, es aufzubauen und, ich war einfach zu müde, solch eine anstrengende Reise in´ s total Ungewisse, mitzumachen. Nachdem Udo gegen 8/00 Uhr in meine Wohnung kam, stellte er seine Reisetasche ab .Mit ein wenig beklemmenden Gefühl sah ich aus der Reisetasche ein Stück Schlauch heraussehen und ich fragte Udo, was er denn damit will ? „Na, Kay, wozu brauche ich wohl den alten Waschmaschinenschlauch, he?“ und als ich ihn fragend ansah, erklärte er mir, daß er sich ja das Leben nehmen will, wenn er kein Glück in Amsterdam hat und er setzte erklärend hinzu, daß er den Schlauch dafür benötige, um Abgase seines Wagens in´s Innere leiten zu können.“ Ich weiß nicht warum, aber ich nahm das nicht Ernst und antwortete ihm scherzend, dann mußt du dir aber vorher noch einen antrinken und ich sagte ihm, die Flasche Wein stehe in der Küche (sie war von Andy, meinem Neffen ein Geschenk und da ich keinen Alkohol trinke, wäre sie kein Verlust für mich.) Er überging meine Sätze und wir begannen zu frühstücken wie wir es in den vergangenen Wochen sooft gemeinsam taten, seit er arbeitslos war. Beim Frühstücken besprachen wir in der Vergangenheit meist den Tagesablauf, denn wir unternahmen das Meiste gemeinsam. Nur Heute war alles anders, er war besonders gut gelaunt, scherzte mit mir und selbst meine Vögel spürten seine ausgelassene Fröhlichkeit, denn sie zwitscherten besonders freudig an diesem verregneten Tag. Ich konnte mir das nur so erklären, daß Udo damit seine Resignation und Traurigkeit kaschieren wollte und vielleicht schon meine Absage ahnte und damit übergehen wollte. Nur nach der zweiten Tasse Kaffee, fragte er mich, als ob dies die bedeutungsloseste Frage der Welt wäre „Und Kay, du bleibst hier, stimmt´ s ?“ Ich nickte nur, denn mir war, als ob ein Klos im Halse steckte, mir war zum Heulen zumute und mich erfaßte ein undefinierbare Angst, die ich noch nicht deuten konnte. Udo stand auf, nahm seine Reisetasche und fragte mich nur, ob ich ihm noch zum Auto begleite, ich nickte. Ich trug ihm seine Reisetasche, damit er eine Hand für die Wagentür frei hatte, stellte selbst die Tasche auf dem Rücksitz und wollte ihn umarmen, denn wer weiß, wann wir uns wieder sahen, doch er wehrte sanft ab und sagte nur „Laß´ Kay, du weißt, ich hasse Abschiednehmen.“ Dann gab er mir seine Wohnungsschlüssel mit den Worten, ich wüßte ja, was ich zu tun hätte. Ich nickte wieder, denn mein Klos im Hals schien nur noch größer zu werden und erfaßte instinktiv noch einmal seine Hand und drückte sie ungewöhnlich fest, was er auch spürte, denn er sagte „Willst du mir meine Hand brechen ?“grinste und fügte hinzu „Kay, dann fahre ich mit der Nasenspitze am Lenkrad. Aber im Ernst, mach´ s gut und laß´ dich nicht unterkriegen.“ Das sagte er zu mir, obwohl es eigentlich an mir wäre, dies zu sagen, aber vermutlich spürte er, was in mir vorging und plötzlich reichte er mir aus dem Wagenfenster seinen Talisman, der uns bei allen Fahrten und ihn damals nach Spanien begleitet hatte: es war ein kleines Bündchen Federn und Zierfäden, ein alter Indianerschmuck, den er einen Portugiesen in Spanien abgekauft hatte und der, einer alten indianischen Weisheit nach, Glück bringen sollte. „Nimm´ du sie, ich brauch´ sie nicht mehr.“ Startete den Wagen und ließ mich sprachlos an der Straßenecke zurück. Nach wenigen Metern winkte er mir noch einmal zu, was er sonst nie tat (er fand es albern und sagte nach einem Vorwurf von mir mal als Antwort, daß wir ja wohl nicht verheiratet seien.). 12.10.) Noch immer hielt ich den Indianerschmuck in der Hand, der sonst stets an seinem Rückspiegel seinen festen Platz hatte ( Udo sagte mir einmal, der bewahre ihm vor Unfälle ) und ganz tief im Innern keimte ein Gefühl, was mir sagte, daß Udo nie zurück kommen wird und wie so oft in den letzten Tagen, ging ich nachdenklich in eine leere Wohnung zurück, um die Fenster in Udo´s Räumen zu schließen, was er wie immer vergaß, denn die ersten Wolken und eine Regenschauer nahten und in Gedanken dachte ich an Udo, der in den vier Jahren seit wir zusammen waren, mein zweites Ich geworden war. Ich ging zurück in meine eigene Wohnung und wollte mir einen Kaffee machen, als ich bemerkte das die Flasche Wein fort war.. 20.10.98 Nun sind acht Tage vergangen und Udo hat sich noch immer nicht gemeldet, obwohl er mich anrufen wollte, um mir zu sagen, ob er Erfolg hätte. Langsam beginne ich mir Sorgen um ihm zu machen, schließlich ist er mir nicht gleichgültig. Ich kann es nicht nachvollziehen, was in ihm vorgeht, daß er mich so im Ungewissen läßt, er muß doch wissen, daß ich mich um ihm sorge. Ich kann es nicht verstehen, daß man gegenüber seinem Freund so gleichgültig sein kann. Noch während ich diesen Gedanken nachging, klingelte das Telefon und in stiller, aber unendlich freudiger Erwartung die sächselnde Stimme Udo´s zu hören, griff ich nach dem Hörer, doch was meinen Ohren dann in den nächsten Minuten zugemutet wurde, übertraf die kühnsten Gedankengänge derer ich fähig sein könnte. Am Telefon war Udo´s Schwester Kerstin aus G. im Thüringer Raum. Sie teilte mir mit, das man Udo´s Leiche in einem Wald gefunden hätte und er sich mittels Abgasleitung in sein Auto, das Leben genommen hätte. Dies geschah am 16. Oktober, nahe der holländisch - deutschen Grenze. Nachdem wir uns gegenseitig viele Fragen stellten, aber uns auch gegenseitig versuchten zu trösten, legte ich den Hörer erschüttert auf und rauchte erst mal zwei Zigaretten hintereinander. Ich habe alles irgendwie geahnt, ja sogar gewußt...ich machte mir unendliche Vorwürfe, dies nicht verhindert zu haben, doch stellte ich mir auch gleichzeitig die Frage, wie hätte ich dies tun können ? Er war 37 und hatte in vielen Dingen seine eigene Anschauung, seine eigene Meinung und hätte sich, um nichts in der Welt, von einem bereits gefaßten, festen Entschluß abbringen lassen, dazu kannte ich ihn viel zu gut. Mir kam der Gedanke, warum habe ich ihn eigentlich nicht mit Gewalt festgehalten ? Vielleicht hätte ich es geschafft, ihn ans Bett zu fesseln, bis er wieder klar im Kopf wäre; aber dann dachte ich auch gleichzeitig daran, wie ich bei unseren Ringkämpfen, die wir in schöner Regelmäßigkeit durchführten von 20 Kämpfen bei mindestens Zehn unterlag, denn seine Schnelligkeit war einfach Spitzenklasse und seiner enormen Beinkraft, bedingt durch viel Radfahren , konnte ich nicht viel entgegen setzen. Nur im Armdrücken waren wir gleich, keiner konnte den anderen besiegen...bei diesen Erinnerungen kam mir das erstemal zum Bewußtsein, daß das alles vorbei sei, daß ich nicht nur einen Freund verlor, den ich seit 1992 liebte, sondern auch einen Sportpartner, mit dem es echt Spaß machte, gegenseitig die Kräfte zu messen, was ich sicher schon Heute heute vermißte und ich begriff nicht, daß er niemals wiederkommen würde, das nie wieder die Tür aufgeht und er mich fragt, „na, Kay, wie bist du heute drauf, Lust zum Match ?“ In den überwiegenden Fällen sagte ich Ja. (Nur, leider kam es in den letzten Monaten nur noch selten zu dieser Freizeitvergnügung, an der wir beide Spaß hatten, denn dadurch bedingt, daß wir haargenau das gleiche Gewicht und exakt die gleiche Größe besaßen, waren natürlich die allerbesten Kampfvoraussetzungen gegeben, von denen Profisportler nur träumen konnten.) Auch unser gemeinsames Training an unserer Fitnessmaschine würde in Zukunft einer Soloaktion Platz machen müssen. Und nochmals ging es mir durch den Kopf, wie ich dies hätte verhindern können und wußte nur zu gut, daß mein Gewaltgedanke der absurdeste war, denn a) ist es zweifelhaft, ob ich es körperlich und b) ob ich es jemals seelisch geschafft hätte, ihm Gewalt anzutun, ihm, der so ein liebenswerter Mensch war –und ich spürte wie zaghaft sich die ersten Tränen ihren Weg auf meinem unrasierten Gesicht bahnten... Noch am gleichem Nachmittag informierte ich meine Schwestern, meine Nichte und meinen Freund Jerry , die Udo alle kannten, von dessen Freitod – sie alle waren genauso erschüttert wie ich, genauso sprachlos über dessen viel zu frühen Tod. Nachdem ich überall hin telefoniert hatte, all denen, die Udo kannten, blieb ich allein mit meinem Schicksal, mit meiner unendlichen Traurigkeit und ich beschloß ins Bett zu gehen, obwohl es erst kurz nach zwanzig Uhr war. Im Bett wühlte ich mich hin-und-her und konnte nicht einschlafen, was weder daran lag, daß ich nicht müde war, noch daran, das es zeitlich gesehen nicht meine Schlafens-gehens-zeit war. Es lag einfach daran, daß ich es einfach nicht glauben wollte, das es Udo wahr gemacht hat, daß seine Drohung Ernst war, daß ich ihn niemals wieder weder umarmen könnte, noch liebkosen durfte und ich fühlte eine Leere in mir, wie ich sie nicht einmal bei Uwe oder Jens verspürt hatte; sicher, ich hatte sie Beide sehr gern, doch bei Beiden war es ein wenig aus äußerlichen Gründen heraus, denn mit Uwe hatten mich zwei harte, aber auch streckenweise sehr „schöne“ Knastjahre verbunden und irgendwie wußte ich, daß unser Ende sicher ein kriminelles werden würde und so war ich auch irgendwie befreit, als er starb, denn mir blieb eine Zukunft im Knast dadurch erspart, denn ich wußte, ich hätte mich weder der Kraft Uwe´s noch seinen Überredungskünsten entziehen können...und bei Jens? Nun, ich kannte ihn einfach nicht lange genug, um wahre Liebe aufzubauen, er war „nur“ jung, sehr gutaussehend, kräftig und auch sehr liebevoll zu mir und wir wollten ja nach Haftende eine gemeinsame Zukunft aufbauen, aber irgendwie fehlte an dieser Partnerschaft der sogenannte i – Punkt und so war zwar der menschliche Verlust an Beiden genauso stark ausgeprägt, wie heute bei Udo, es tat mir um sie sehr leid; aber die Innere Leere, das zermürbende Alleinsein, das spürte ich erst Heute und ich glaube, dies war das erstemal im Leben, daß ich solche Traurigkeit hatte. Ich hätte heulen mögen und konnte es nicht, ich hätte schreien mögen, mein ganzes Leid in die Welt raus schreien mögen, doch ich lag stumm und apathisch im Bett, nicht fähig die Augen zu schließen, die mir nur Udo zeigten, wie er vor mir stand, mit seinen schelmischen Lächeln im Gesicht, seinen lebensfrohen, spöttischen Augen und seinen zarten Lippen, die nicht fähig waren, einen Mann zu küssen. Ich kannte mich nicht wieder und hätte am Liebsten das Gleiche getan, wie er und ich weiß nicht einmal, was mich daran hinderte...vielleicht war es seine Schwester, die mich jetzt mehr brauchte als ich mich selbst ? Ich wälzte mich schlaflos auf meinem, von Tränen, feuchten Kopfkissen und plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen, warum er in den letzten Tagen immer wieder davon anfing, ob ich nicht mitkommen wolle: er wollte nicht, daß ich ihm auf seine Abenteuerfahrt nur begleite, nein, er wollte, daß wir gemeinsam starben, er wollte mit mir in den Freitod und es kam wie ein Blitz über mich, daß er mich auch liebte, nur auf seine Art. Auf eine Küss-mich-nicht-und fass-mich-doch-an-Art, was auch seinem Charakter entsprach. Nachdem ich nun dies auch im Innern verarbeiten konnte, vermißte ich ihn noch mehr und ich konnte nicht daran glauben, daß er mich allein ließ und hatte Angst vor den kommenden Tagen und Wochen, in denen ich ohne ihm, allein und einsam sein würde...und ich hatte Angst vor der gähnenden Leere in meinem Herzen und dem Gewitter in meiner Seele.. 26.10.98 Es ist wie ein Hohn, aber zehn Tage nach Udo´s Tod bekommt er Post vom Arbeitsamt, in dem ihm ein Job als Kraftfahrer angeboten wird und das Kuriose daran, die Arbeitsstelle wäre etwa 7 min. Fußweg von seiner Wohnung entfernt. Hätten die vom Arbeitsamt nicht früher schreiben können oder Udo nicht die paar Tage bis zu seiner Entscheidung warten können ? Sind Gottes Wege wirklich so undurchschaubar ? Heute telefonierte ich auch wieder mit Kerstin, Udo´s Schwester und am Ende des Gesprächs fand ich noch eine tragische Kuriosität heraus, nämlich, daß Udo und ich doch über zwei Jahre nach seiner Schwester gesucht haben und als wir mal in Gera waren, um meinen neuen PC abzuholen, fuhren wir an ihren Haus vorbei, was direkt an der Bundesstraße steht, die wir für die Rückfahrt nach Berlin benutzten ... Es war schon verrückt, wie Hart das Schicksal manchmal sein konnte... 30.10.98 Nun sind vierzehn Tage vergangen, seit Udo sich das Leben nahm und mir kommt es noch immer vor, als wäre es erst gestern. Ich hätte nie gedacht, daß mein Leben durch Udo´s Abgang so sehr leer sein würde, das es weh` tut und man den Schmerz nicht beschreiben kann. Nun versuche ich mich von seinem Tod abzulenken, was mir bis in den Abendstunden auch meist etwas gelingt, so habe ich am letztem Wochenende seine gesamte Wäsche gewaschen, die zwar sauber war, aber trotzdem irgendwie den Körpergeruch von Udo noch in sich hatte und ich sträubte mich dagegen diese Sachen anzuziehen, solange noch „leben“ in ihnen ist. Vorgestern hatte ich das erstemal ein Oberhemd von Udo an –ich mußte es nach zehn Minuten wieder ausziehen, ich kam mir vor wie ein Leichenflederer und bekam ein unreines Gewissen; obwohl ich genau weiß, das es in Udo´s Sinn wäre, seine Kleidung darin zu ehren, indem man sie auch trägt und dabei an ihn denkt; aber es ist schwer, dies auch innerlich zu verstehen und in die Tat umzusetzen. Ich glaube, dafür brauche ich einfach mehr Zeit und ich werde mich weiterhin versuchen abzulenken, um den nötigen Abstand zu seinem Tod zu gewinnen, was mir sicher viel abverlangt und nicht leicht werden wird, aber ich muß es wenigstens versuchen. Gestern habe ich zum Beispiel seine Musikkassetten angehört, doch dies war ein Eigentor, denn als ich seine Musik hörte, fuhr ich gedanklich mit ihm im Auto, denn die meisten seiner Kassetten hörten wir bei unseren Fahrten, so auch die Irische Folklore, die uns nach Hamburg begleitete und einen Hauch von Dramatik, Romantik, aber auch Religionskrieg auf die Autobahn brachte und so beendete ich das Abhören seiner Kassetten und suchte nach anderen Ablenkungen, aber wo ich auch hinsah, alles erinnerte mich an Udo, an den Wänden seine Bilder, auf dem Tisch sein Kerzenständer, den er jeden Abend beim Fernsehen benutzte, um dadurch Strom zu sparen, seine Möbel, die ich ihm bei seinem Einzug in seine erste, eigene Wohnung schenkte ... Aber am Schlimmsten wurde es, wenn ich mein Schlafzimmer betrat, dorthin habe ich seine Couch gestellt, auf der er jeden Abend fern sah, seinen Sessel, den er zweckentfremdete, indem er darauf ein Tablett stellte und den Sessel als Tisch benutzte...überall war sein Atem zu spüren und legte ich mich in´s Bett, um zu schlafen, stand er vor meinen geistigen Augen, grinste mich schelmisch an oder er lag auf seiner Couch und ich spürte, wie er an die unendliche Freiheit in Kanada dachte, wohin er einmal auswandern wollte und es dennoch für immer ein Traum bleiben sollte. Eine Träne ran über mein Gesicht und so schlief ich langsam ein, aber nur, um von ihm zu träumen...ich träumte die wirresten Träume, die ein Mensch nur fähig ist zu träumen und wachte früh mit Gedanken an Udo auf...und so begann ich jeden Morgen mit der Angst vor die Nacht... Ich mußte mir was einfallen lassen, um nicht völlig seelisch kaputt zu gehen, denn ich erwischte mich schon bei den Gedanken, Udo nachzugehen, um an seiner Seite zu sein. Ich wußte, ich würde damit alle meine Verwandten und den einzigen Freund, der mir noch verblieb, Jerry, sicher bitter enttäuschen und ich liebte auch viel zu sehr mein Leben, um es selbst zu beenden und alles in mir sträubte sich, Udo noch näher zu sein, durch meinen eigenen Tod, obwohl ich nicht wußte, ob dies in seinem Sinn wäre oder nicht; aber ich mußte diese Gedanken einfach los werden und wußte auch schon wie. Ich nahm mir vor, für kurze Zeit zu Jerry zu fahren, der mich sicher verstehen würde und der vielleicht auch imstande war, mich wieder auf den Boden der Realitäten zu bringen. 08.11.1998 Anfang der Woche war ich bei meinem Freund Jerry zu Besuch, ich wollte einfach auf andere Gedanken kommen. Ich brauchte Abstand von Udo, den ich mir darin erhoffte Tapetenwechsel zu machen, raus aus der Wohnung, wo soviel an ihn erinnert Als ich bei ihm ankam wußte ich, trotz herzlicher Umarmung meines Freundes, daß ich nicht lange bleiben würde...schon im Flur begegnete mich ein Hauch Sterilität, die schon fast unangenehm war, so das man sich unwohl fühlte, sobald man sich schon setzte, man hatte schon Angst Schmutz und Krümel zu hinterlassen, so das man, um diese nicht zu hinterlassen, ganz artig auf seinem Couchplatz saß; nicht fähig, ein Bein über das Andere zu legen. Es ist eigenartig, aber trotz der menschlichen Wärme, die mir mein Freund entgegenbrachte und die echt ehrlich gemeint war, konnte ich mich nicht in seiner Wohnung wohl fühlen. Vielleicht fehlte mir beim Kaffee auch nur meine geliebte Zigarette, vielleicht war es aber auch, daß ich unbewußt zu vergleichen begann, zwischen Jerry und Udo, denen zwei Welten trennten. Abgesehen von den körperlichen Maßen und der Intelligenz, gab es keinerlei Berührungspunkte... traurig, aber auch irgendwie befreit und zugleich erschüttert fuhr ich zurück nach Berlin, wo ich eine leblose Wohnung vor fand ... 12.11.98 Nun habe ich ein wenig Abstand zu Udo´s Tod gefunden, glaube ich, obwohl die gähnende Leere in meinem Leben aktueller denn je ist; er fehlt mir überall. Heute vor einem Monat verließ er mich, da habe ich mich von ihm verabschiedet, mit der Gewißheit, ihn ja wieder zu sehen... Meine Nächte sind unverändert grausam. Ich kann nur schwer einschlafen und schlafe ich nach Stunden des umherdrehens endlich ein, so träume ich entweder chaotische Träume von ihm oder ich erwache und suche erfolglos lange nach neuem Schlaf. Habe nun vom Arzt ein Psychopharma bekommen, was ich täglich einnehme. Dieses Mittel hat den Vorzug, daß man glaubt, allem gegenüber eine gewisse Gleichgültigkeit entgegen zu bringen. Man hat eine Leck-mich-am-Arsch-Stimmung, die einem den ganzen Tag begleitet. Erst in den Abendstunden, wenn die Schlaftablette wieder einmal umsonst eingenommen ist, fühlt man, das jede Medizin erfolglos ist, wenn das Seelenfeuer der Trauer brennt. In diesen Momenten möchte ich Udo ganz nah sein, ihn umarmen und drücken und dann kommt es wie ein Damoklesschwert über mich, daß er ja nicht mehr da ist und die Erkenntnis läßt mich erschauern, daß er nie wieder kommen wird und ich stecke meinen Kopf unter die Decke, wo es warm und mollig und doch so einsam ist... Jeden Tag das Gleiche und ich habe Angst vor den nächsten Tag, der mir ein Tausendstes mal bestätigen wird, daß Udo mich allein gelassen hat und ich zusehen muß, wie ich damit klar komme. Es gibt Momente, da würde ich am Liebsten bei ihm sein, doch irgendeine innere Stimme hat meiner Depression den Kampf angesagt und noch hat diese undefinierbare Stimme das Kräftemessen gewonnen. Ich lebe.(!) 23.11.98 Die Tage und Wochen vergehen und noch sehe ich jedem Skoda auf der Straße nach, der die Farbe von Udo´s Wagen hat; dann schaue ich stets auf das Nummernschild und bin bei jedem Blick erneut enttäuscht. Teilweise geht es mir nun wie Cindy es ergangen sein muß, wenn Udo früh zur Arbeit fuhr. Ich konnte gehen wohin ich auch wollte, kaum war ein Auto in der Nähe, was nur Udo´s Auto ähnlich sah, blieb meine Hündin ruckartig stehen und ich konnte sie nur durch gütiges Zureden zum weiterlaufen bewegen. Nie werde ich ihre Blicke vergessen, wenn ich zu ihr sagte „Nein, Cindy, es ist nicht Udo.“ Sie verstand es, sah mich traurig an und wedelte nicht mehr mit der Rute...und wie groß war die Freude, wenn zum Nachmittag endlich sein Auto ankam und wir, wie immer um diese Uhrzeit beim Gassi-gehen, ihn sahen. Cindy bellte, wedelte wieder freudig mit seiner Rute und ich machte ihn von der Leine los; damit er Gelegenheit hatte, Udo auch vernünftig anzuspringen und dies geschah fast immer mit solcher Wucht, daß sich Udo, an die Hauswand lehnend, ihn nur dort erwarten konnte, zu groß war die Kraft der 46-Kilo-Hündin. Nun hatte ich damals meine Hündin wegen Udo töten lassen und Heute habe ich Beide nicht mehr, wie grausam kann das Schicksal sein. Meine Tage vergehn fast monoton, wenn nicht ab-und-zu aufbauende Telefonate wären. So erhielt ich gestern, völlig überraschend, den zweiten Anruf von Thomas, einem Exkollegen von Udo; der schon bei ersten Telefonat Anteilnahme an Udo´s Tod zeigte. Wir sprachen eine Weile von Udo, aber auch von anderen Dingen und am Ende des Telefonats hatte ich den Eindruck einen Freund verloren und Einen gewonnen zu haben und irgendwie hatte ich das Gefühl, als ob wir uns schon jahrelang kannten, obwohl wir uns noch nie sahen. Ich freute mich, mit meinem Schmerz und meiner Trauer nicht allein zu sein und das Gespräch mit Thomas half mir in meinem Entscheidungskampf zu überleben; denn seit Udo´s Tod kämpften noch immer zwei Seelen in mir, die Eine wollte leben, die Andere bei Udo sein –und das Traurige daran: irgendwie hatten Beide Recht. Doch nach dem Telefonat mit Thomas hatte ich meine Entscheidung definitiv gefällt. Ich wollte und mußte weiterleben! Nicht nur für mich, sondern auch für all´die Menschen, die ich dann vielleicht enttäuscht hätte und die meinen Tod ebenso begreiflich gefunden hätten, wie dies im Fall von Udo war. Niemand begriff so richtig, warum er dies eigentlich tat und was ihn dazu bewog. Es ist auch echt schwer diesen vielleicht sinnlosen Tod zu verstehen und wer ihn nicht wenigstens etwas kannte, hatte noch weniger Chancen dies je zu begreifen; denn mir fiel es ja schon schwer seine innere Entscheidung nachzuvollziehen. Und ich glaube jetzt, daß seine Entscheidung aus verschiedenen Faktoren bestand, die unglücklicher Weise an einem dunklen – verregneten Tag zusammenprallten und so die, psychisch lange vorher vorbereitete Phase des Freitods zum Explodieren brachte. Es waren weder seine Schulden, die ihn dazu veranlaßten, noch die Gefahr, vielleicht demnächst seine Wohnung zu verlieren, weil er durch Arbeitslosigkeit nicht mehr die Miete bezahlen konnte; für all´dies gab es private oder staatliche Lösungen. Schwieriger war es zu helfen, wenn ein Mensch von sich glaubt, versagt zu haben ? Nichts im Leben erreicht zu haben, wofür es sich lohnte zu leben ! Und, ich glaube auch die Zwiespältigkeit seiner Gefühlswelt in erotischer Richtung war nicht ganz unschuldig an seiner Endlösung der Lebensfrage. Er wußte nie so richtig wohin er gehörte, er fand es geil mit mir zu schlafen und sehnte sich doch nach einer Frau im Bett. Er ließ sich von mir streicheln, wann immer ich wollte und hasste es doch, wenn sein Glied davon steif wurde. Er lernte ein Mädchen kennen und verpaßte dennoch mit Absicht das Rendezvous. Er sprach von Girls im Auto, während er mit seinem Schenkel gegen meins drückte. Ich glaube dieser Zwiespalt in seiner Seele, daß er einfach nicht den Weg finden konnte, ist nicht unbedeutet für seine Entscheidung gewesen, denn außer mir hatte er niemanden, abgesehen vom Thomas, den er aber auch nur von der Arbeit her kannte und seiner Schwester, die er zwar liebte, aber dennoch umsonst gesucht hatte. Trotz allem Humor war er der wohl einsamste Mensch, den ich je kannte und dennoch war ich stolz darauf nicht nur sein Freund sondern auch sein „Partner“ sein zu dürfen, er war mein zweites Ich und ich war Seins; ich hatte niemals vorher im Leben solch´ eine harmonische Freundschaft; in der die völlige Freiheit des Anderen im Vordergrund stand, die gegenseitige Toleranz und das gegenseitige Vertrauen Eckpfeiler dieser Partnerschaft waren. Das Vertrauen meinerseits war zum Beispiel so groß zu ihm, daß ich mich ihm blind anvertraute, wenn er Auto fuhr. So kann ich mich noch sehr gut an eine Story erinnern, die auf der Autobahn auf der Rückfahrt von Hamburg passierte. Wir fuhren gemächlich unsere 120 km/h, hörten von Kassette Tracy Chapman, plauderten über die blöden Autofahrer vor uns und dieser Tag war eigentlich ein Tag wie jeder andere, bis Udo plötzlich zu mir sagte „Ganz schön warm hier drin, was Kay?“ Ich nickte nur als Antwort . „Nicht sehr gesprächig was ?“und er sah mich schelmisch an, grinste und kniff mir in mein linkes Schenkel, daß ich kurz aufschrie. „Siehst du, kannst ja doch reden.“ sagte er und schmunzelte vor sich hin. Ich grinste zurück und plötzlich sagte er zu mir: “ Sag´mal hast du nicht Lust ? “Ich brauchte nicht lange überlegen, was er da meinte, denn man sah es seinen Augen an, die erwartungsvoll strahlten und so antwortete ich „Nun gut, dann fahr bei der nächsten Auffahrt rechts ran, du geiler Bock.“ „Wozu?“ konterte er. „Na, ich denke, wir wollen Liebe spielen?“ fragte ich zurück. „ Na, klar.“sagte er und setzte hinzu „Aber französisch und im Auto und ohne anzuhalten, wenn du Vertrauen hast.“ Und er wußte, daß ich Vertrauen hatte und so wurde es doch noch eine recht abwechslungsreiche Rückfahrt, ganz im Sinne einer Deutsch-Französischen Freundschaft. Wenn ich so überlege, war ich vielleicht auch der einzige Mensch zu dem Udo vollstes Vertrauen hatte, wir hatten keine Geheimnisse voreinander und jeder wußte vom Leben des Anderen. Er konnte zwar das Lügen nie lassen und er erzählte Märchen und spann seine Pläne wie im Traumzustand; aber dieses tat er nur bei Anderen: mich belog er nie und er sagte mir dies auch mal ungefähr so: „...wenn ich ein Dreiviertel meines Lebens damit verbringe anderen Märchen zu erzählen, sollte der Rest wenigstens die Wahrheit sein und die bekommt nur einer zu hören und das bist du, mein kleiner Seelenmülleimer“. Solcherart war unsere Freundschaft und deshalb kann ich nur spekulieren, warum er eigentlich starb, warum er sein Leben wegwarf und meines solchermaßen in´s Seelenchaos stürzte. Nur wer jemals einen Menschen selbst verlor, den er so liebte wie ich Udo, der kann nachempfinden, welch´ ein Verlust sein Tod für mich war, welche Leere ich empfand und das Leben fast nicht mehr lebenswert war. daß ich ihm schon folgen wollte und wäre nicht Thomas´ sein Anruf am richtigen Tag, zur richtigen Zeit, wer weiß, vielleicht hätte ich diese Zeilen nie beenden können. 08.12.98 Es ist wie ein Alptraum, aber statt ich mich langsam der Thematik Udo entferne, rücke ich oftmals näher an dieser heran, als es mir lieb ist. So vergeht kaum eine Nacht, in der ich nicht irgend einen Traum habe, der mit Udo zu tun hat. Nun habe ich seit 14 Tagen beschlossen, dem ein Ende zu setzen, in dem ich mich versuche selbst zu therapieren. Als Erstes habe ich die Psychopharma vom Arzt eigenständig abgesetzt, dann habe ich mehr Zeit für meinen PC investiert, um zu mich abzulenken. So spiele ich mit dem PC Karten oder Golf und komme so auf andere Gedanken. Dies allein reicht natürlich nicht und so war ich zufrieden, als ich einen Anruf meines Freundes Steffen erhielt, der nach vielen Wochen, mich wieder einmal besuchen wollte. Wir vereinbarten Termin und Uhrzeit und am Abend war er bei mir. Wie immer begrüßten wir uns umarmend im Flur und ich ließ ihn in meine Wohnung, wo wir auf der Couch erst einmal plauderten. Es war schön ihn neben mir zu wissen, denn außer Jerry und Alex, der mich stets nur Minuten besuchte (-und mit Beiden hatte ich ja keinerlei sexuelle Kontakte!), war Steffen meine einzige Verbindung, die mir auch sexuell etwas bedeutete. . . Schon während unserem Gespräch merkte ich, daß er etwas kühler wirkte als sonst und nachdem ich ihn fragte, warum; sagte er mir ehrlich, daß er eine neue Freundin hätte und sexuell ginge da nichts mehr mit mir. Für mich war dies natürlich ein enormer Schock, denn ich wußte: für Steffen gab es keinen Ersatz, genauso wie es nie für Udo einen geben würde; denn Beide waren auf ihre ureigenste Art einmalig. Der Hauptunterschied zu Beiden war, daß ich Udo echt liebte, er mich aber „nur gern hatte“ und Steffen hatte mich wenigstens genauso gern, wie ich ihn und das entwickelte eine Art Liebe, die unvergleichbar war, denn er hatte auch ein Mädchen gern, mit der er natürlich auch Sex hatte. Wenn wir aber Sex hatten, so war dies meist einseitig, das heißt, ich hatte meine vollste Befriedigung, er aber verzichtete auf seine Befriedigung, die er sich später bei seinem Mädchen holte. Es war schon eine eigenartige Beziehung die wir da führten...und manchmal zweifelte ich gar an dem Wort Freundschaft ... Nachdem ich eine Weile mit ihm geredet hatte, legte er sich plötzlich mit seinem ganzem Gewicht von satten 72 Kilo´s auf mich und drückte mich wild und dabei zärtlich an den Ohren leckend...er wußte, wie ich geil zu machen war und das diese Art mich zu beeinflussen nur Sekunden brauchte, bis sich mein Glied erhärtete und ich ebenso wild, seine muskulösen Schenkel drückte; bis ich vor Anstrengung schon zu schwitzen anfing; was ihm aber nichts ausmachte. Im Gegenteil, er fragte mich noch, ob ich nicht langsam mal zudrücken will. Er verspürte bei meinem Drücken weder Schmerz noch andere Regungen, obwohl ich mit aller Kraft seine Schenkel drückte und Udo sicher schon dreimal gesagt hätte: „Es reicht.“ lächelte mich Steffen nur mitleidig an und drückte nun seinerseits, daß ich noch geiler wurde, was er natürlich wußte. Er wußte, daß mich seine unwahrscheinlichen Kräfte animierten, seine gut – definierten Muskeln reizten und so drehten wir uns und ich warf mich über ihn und versuchte mich mit ihm zu ringen, was mir am Anfang auch gelang, denn durch einen Würgegriff bekam ich ihn zu fassen. Das Negative daran war nur, das auch seine Halsmuskeln so gut waren, daß ihm mein Würgegriff überhaupt nichts auszumachen schien, er ließ sich von mir in die Armbeuge nehmen, ohne jegliche Reaktion, daß ich ihm eigentlich doch Schmerzen zufügen müßte. Schließlich drehte er sich geschickt in die Seitenlage, griff mit beiden Händen zwischen Gesäß und meinem Hals und schon hob er mich an, als ob ich ein Fliegengewicht wäre, drehte mich in der Luft um die eigene Achse um mich sanft auf die inzwischen ausgezogene Couch zu werfen, wo ich unter ihm anlangte. 08.12.98 Über meinen Körper war nun aufrecht seine jugendliche, aber sehr kräftige Brust die ich mit beiden Händen abstützte. Es war ein unwahrscheinlich erotisches Gefühl, diese gewölbte Brust in meinen Händen zu halten, die Kraft hautnah, aber auch den Wohlgeruch seines Körpers zu spüren. Am liebsten hätte ich diese Stellung ein Leben lang, so sehr war sie für mich das Höchste, was es gab, aber dies war natürlich Illusion und so drehten wir uns seitlich, um meine Schenkel zwischen seinen durchtrainierten zu legen, die er sofort drückte, daß ich einen angenehmen Eindruck seiner Körperkraft bekam, denn gleichzeitig umarmte er mich, leckte wild und geil an meinem rechtem Ohr und ich wußte, daß es einfach keinen besseren Liebhaber als ihm gab und geben konnte; obwohl er weniger davon hatte, gab er sich unwahrscheinlich viel Mühe, daß ich zum Höhepunkt des Abends kam. Während er mich solcherart verwöhnte, onanierte ich mit der linken Hand, während meine Rechte seinen Bizeps festhielt; der durch ständiges Bewegen und anspannen, mich halb wahnsinnig machte, denn es gab nichts schöneres für mich als seinen Muskeln zu zu sehen, wie sie sich in ihrer Wölbung mal dehnten und spannten und mal erschlafften und es trotzdem muskulös aussah und so dazu beitrug, den absoluten Höhepunkt in wenigen Minuten zu erreichen; was auch der Fall war. Ich war stolz auf meinen Freund, mit dem ich mich ringen konnte, aber auch wir unsre Kräfte auch im Armdrücken maßen, sooft er bei mir war, Es frustrierte mich auch keineswegs, daß ich stets verlor, daß ich Null Chancen auf dem Boden hatte und noch weniger beim Armdrücken und das es eigentlich beschämend war, wenn man den Altersunterschied bedenkt, denn uns trennten fast 25 Jahre und noch nie hatte ich gegen seine enormen Kräfte ankommen können. Dies war mir eigentlich stets egal, Hauptsache ich hatte jemanden, mit dem ich kämpfen konnte, der mich auch seelisch verstand und während dem Kämpfen auch meist nahtlos zur Erotik überging und das Beste an ihm war nicht nur sein perfekter, Modell – Körperbau und daß er gut aussah, sondern daß er auf einen einging, sich dessen Psyche aneignete und so, bewußt und unbewußt, Einen zum absoluten Glücksgefühl verhalf und dies ist nicht nur sexuell gemeint, denn seine wärmende Ausstrahlung, allein wenn ich nur neben ihm saß und meine Schenkel zwischen seinen legte, war jede Sekunde des Lebens wert, die ich mit ihm verbringen dufte. Steffen war die Perfektion meines Jugendtraumes und ich beneidete ihn unwahrscheinlich und ich begann ihn zu lieben, wie wahrscheinlich niemals vorher einen Menschen. Ich weiß nicht, ob er dies wußte, denn Andeutungen hatte ich genug gemacht, aber ich bezweifelte, daß er den Ernst der Lage erkannte und ich ahnte, das für mich eine schwere Zeit bevorstand. Mit diesen Überlegungen behaftet und erschöpft vom erotischem Ringkampf, - schwitzend , aber total überglücklich, legte mich Steffen auf den Rücken, wo ich mit meinem Kopf noch einige Minuten an seiner breiten Brust verbrachte; still beobachtend, daß mir einige Glückstränen flossen, die Steffen nicht bemerkte. Nachdenklich mich erhebend, räumten wir das Zimmer mit wenigen Handgriffen auf und spielten am PC noch einige Runden Golf, bevor er sich – wie immer herzlich – von mir verabschiedete. 3 Jahre später17.November 2001 Nun sind schon über drei Jahre vergangen seit Udo von mir ging und außer einigen Andenken und dutzenden Fotos und Videofilmen ist mir nichts von ihm geblieben, als die Erinnerung an eine schöne Zeit und meine Einsamkeit. Ein Jahr nach seinem Tod habe ich mir einen neuen Hund angeschafft ( siehe DINA ), sie ist sehr lieb , treu und hilft mir enorm über meine Schmerzen hinweg. Wenn ich Dina damals nicht zu mir genommen hätte ... ich vermute, daß ich sehr bald Udo gefolgt wäre ... so aber habe ich wieder Verantwortung und ich merke, daß ich noch gebraucht werde. Nur wer selbst einen Hund hat, wird mir dies nachfühlen können... Im privaten Bereich hat sich nicht viel verändert, eher verschlechtert, zumindest was den finanziellen Teil meines Lebens betrifft. Ich schleiche mich von Monat zu Monat über die Runden und es kommt nicht selten vor, daß ich drei bis vier Tage vor dem “ Geldtag “ weder was zu essen , noch was zu rauchen habe; aber irgendwie vergißt mich Gott nie und so gelange ich dann doch noch bis zum “ Ersten “ : mein einziger Trost ist, daß ich nur Einer von 4 Millionen bin, denen es - leider - so ähnlich geht, wie mir. Die arbeitslos sind, von Unterstützungen des Sozialamts leben müßen und dennoch nie ganz den Kopf in den Sand stecken, denn irgendwie geht es mit Gottes hilfe, ja doch weiter und solange es noch Wunder gibt, verzage ich nicht. Zwei Wunder hatte ich erst kürzlichst. Wie Du. lieber Leser, es ja inzwischen auch weißt, habe ich verschiedene, weitere Homepages im Netz. Eines Tages erhielt ich eine Mail, worin ein Besucher einer meiner Pages sinngemäß schrieb “ He, Du hast doch so viele schöne Bilder drin, warum machst Du nicht mal kleine Videos mit rein, sie würden doch sicher Deine Page beleben ? ... “ Ich schrieb ihm darauf, daß ich Arbeitslosenhilfe und einen Wohngeldzuschuß vom Sozialamt erhalte, dazu noch daran arbeite , alte Schulden auf Ratenbasis abzuarbeiten - wie bitte schön , soll ich mir eine Webcam leisten, wenn ich genug daran zu tun habe, vom Ersten zum Ersten zu gelangen ? Es gingen noch zwei Mails hin und zurück und plötzlich kam sein Vorschlag , er schenke mir eine Webcam und einige Tage später hatte ich sie bei mir liegen, konnte mein erstes Versuchsvideo ins Netz bringen und dankte Gott dafür, das es noch solche Menschen gab, die uneigennützig halfen. Mein zweites Wunder hatte ich erst vorige Woche. Wie jeder weiß, kann Internet eine recht kostspielige Sache werden. Nicht daß ich über meine Verhältnisse viel surfe, wo ja die meisten Kosten entstehen, nein es sind in meinem Fall einfach die notwendigen Updates, um meine Homepages zu aktualisieren, also auf dem Laufenden zu halten, dazu kommt, daß ich natürlich durch diese Pagen bedingt viel Besucherpost erhalte, die ich natürlich auch beantworten muss. natürlich macht mir Beides Spaß, sonst würde ich es ja kaum machen, aber wie erwähnt, es geht auch ins Geld, siehe Telefonkosten - und so kam, wie es irgendwann einmal kommen mußte, ich geriet in Zahlungsverzug und eine ( für mich ) stattliche Summe von knapp über 400,-DM waren offen . Natürlich könnte man nun sagen, was braucht ein Arbeitsloser Internet ? Nun vielleicht hätte derjenige sogar Recht, wenn es nicht zwei Punkte geben würde, die für mich privat jedenfalls, Internet als lebensnotwendig erscheinen lassen. Warum ? Nun, wie der Leser aus den voran gegangenen Seiten weiß, lebe ich seit dem Tod von Udo ( da hatte ich kein Internet ) zurück gezogen und allein mit meiner Hündin. Natürlich habe ich zwei , drei Freunde und auch noch meine Familie, aber irgendwie ist man doch allein, denn alle führen ihr eigenes Leben, fast jeder für sich allein und es gibt oft Abende ( besonders in der Winterzeit ), wo ein Single wie ich einsam ist und ist das Wetter an diesem Tage auch noch bescheiden schön, dann kann man schon sehr schnell depressiv und melancholisch werden. Seitdem ich aber Internet habe, bin ich ausgeglichen, habe trotz meiner chronischen Geldnöte, immer gute Laune und fühle mich einfach nicht mehr allein. Ich kann irgendwo im Chat mal kurz neue Leute kennenlernen, erhalte viel Mailkontakte als Feedback und Resonanz auf meine Pagen und es wird eigentlich nie langweilig, denn bei meinen - derzeit -15 Homepages hat man natürlich auch laufend an Updates zu arbeiten und man fühlt einfach, man wird noch gebraucht, man ist noch zu etwas nutze. Wie wichtig diese Gefühle sind, habe ich bemerkt, als meine Tefonleitung tot war. Ich begann mich an Udo zu erinnern, der mir oft genug in seiner Arbeitslosigkeit sagte, wozu lebe ich eigentlich ? Mich braucht doch sowieso kein Schwein und vermissen wird mich auch niemand. Während mein Telefon tot war und ich keinerlei Kontakte mehr zur Außenwelt hatte, kamen auch mir diese furchtbaren Gedanken und ich wußte sie sind Falsch und konnte nichts dagegen tun. Ich ging mit meiner Hündin stundenlang Gassi, weil ich in der Seele verzweifelt war - mir wurde der Kontakt zu anderen Menschen einfach gestohlen, “ nur “ weil ich eine offene Rechnung hatte, die ich nicht wußte, wie ich sie begleichen sollte. Ich dachte dabei nicht an die Telekom, die natürlich im Recht war, sondern nur an mich, weil ich das erstemal bewußt bemerkte, wie wichtig mir das Internet geworden war : es war eine Art zu Hause, was ich schmerzlich vermisste und meine Sehnsucht nach der Außenwelt wuchs so sehr, daß ich mich zu einem seltsamen Entschluss auf raffte. Ich schrieb an dem , der mir die Webcam geschenkt hatte und bat ihm mir doch das Geld für die Telekom zu überweisen und ich schrieb auch an weitere Freunde, die ich hatte, eine ähnliche Mail; hatte aber bei niemanden die Hoffnung, auf positive Antwort, denn wer verleiht schon 400,-DM, wenn beim Anderem nur eine Ratenzahlung von 50,-DM zu erwarten ist ? Egal, ich dachte mir einfach, vertraue Gott , entweder ER hilft dir, oder es soll nicht sein. Nach wenigen Tagen, ich schrieb diese Mails bei meiner Nichte, denn wie erwähnt, meine Leitung war ja tot, erhielt ich einen Anruf und das zweite Wunder trat ein; der von dem ich es am Wenigsten erwartet hatte, nämlich der Webcam-Freund, überwies mir spontan das Geld für die Telekom; alle anderen , auch “liebe” Freunde darunter, hatten es noch nicht einmal nötig überhaupt zu antworten, obwohl sie alle meine Telefonnummer kannten ( also angerufen werden konnte ich ja noch , nur nicht rausrufen und ins Internet gehen ). Nun, dies war eine Lehre für mich, was ich von meinen “ Freunden “ zu halten hatte und ich dankte Gott, nicht nur für die Überweisung , sondern vor allem für dieses Wunder, denn ich hatte doch eher geglaubt, wenn überhaupt, dann kämen nur meine Freunde in Betracht und nicht ein Mensch, mit dem ich gerade mal wenige Mails getauscht hatte und der mich kaum kannte, der mir so fremd war, wie ein Bauer in Indien. Sorry. Ich war glücklich , das es solche Menschen gab , ohne die die Welt um vieles ärmer wäre und ich war stolz auf ihn, auf den, der an mich glaubte und Vertrauen hatte, daß er das Geld auch zurück erhält , ... ohne daß er mich je gesehen hätte! Und ich dankte nochmals Gott für dieses Wunder, der mir einen Engel zur Seite gestellt hatte... Unsagbar glücklich schlief ich in dieser Nacht ein, doch ein Alptraum lähmte meine Sinne. Ich träumte, ich läge auf einer baumlosen Wiese, neben mir meine Hündin, die etwas Gras fraß und ringsherum waren Bettler, die auf mich zukamen, doch ich hatte selbst nichts, was ich geben könnte und so rannte ich mit meiner Hündin weg, die die Welt nicht mehr verstand. Ich flüchtete in einen Wald, wo wir umherirrten und ich keinen Ausgang fand. Schweißgebadet und erschöpft erwachte ich am anderem Morgen und der Traum kam mir nochmal in Erinnerung und ich ahnte, was er zu bedeuten hatte : es war die nackte Angst vor der Zukunft, denn es war das erste Jahr in meinem Leben, wo ich kein Geld für Weihnachtsgeschenke hatte und mir Gedanken darüber machte.Ich wußte das es in diesem Jahr mein trostlosestes Christfest werden würde, was ich je hatte, denn mein Geld was ich vom Staat erhielt ging für Miete und die laufenden Raten drauf, ich würde vielleicht soviel behalten, daß ich - wie immer - mit Müh und Not durch den Monat kam, aber ich könnte niemanden eine Freunde machen, nicht einmal meiner Familie und das stimmte mich traurig, sodas gar keine richtige Freude auf kam, mein Internet wieder zu haben. Meine unmittelbare Zukunft war so düster, das sich Selbstmitleid einschlich, was ich eigentlich hasste und ich dachte daran, wie ich endlich einen Job erhalten könnte, der mich aus meinem Dilemma herausziehen könnte, doch ich hatte ja nicht einmal das Geld für den Friseur und Passbilder übrig und wer schon stellt einen Wachmann mit Hund an, der lange Haare hat ? Es war ein einziges Chaos, was mich auch nicht tröstete, wenn ich daran dachte, das es anderen Menschen noch schlechter geht, wie z.B. hungernden Kindern in Afrika ?! Und ich dachte daran, wie oft - gerade Weihnachten - gespendet wird. Ich dachte daran, wie ich selbst, als ich noch nicht arbeitslos war, auch gespendet hatte und nun, wo es mir selbst dreckig ging, mich jeder im Stich läßt, denn Gott kann man nicht zu einem dritten Wunder herausfordern. Ich weiß, daß meine Gedanken nicht der christlichen Moral entsprechen, aber ich habe auch nie behauptet ein richtiger Christ zu sein ( wobei man die Frage stellen müßte, was ist ein richtiger und unrichtiger Christ : gibt es das überhaupt ? ). Sei es, wie es sei, ich machte mir berechtigte Sorgen um meine Zukunft und war nochmehr traurig, daß ich nicht einmal Geld hatte, meinen drei engsten Familienmitgliedern etwas schenken zu können ... etwas Freude zu machen ... und suchte nach einer Ausrede über Weihnachten allein mit meiner Dina zu sein, um mich nicht meiner Armut schämen zu müßen...und bemerkte das erstemal, daß ich Angst vor Weihnachten hatte und fragte mich, ob Jesus das so gewollt hätte ? Ich fand keine Antwort, denn Wunder sind Mangelware...
Vorläufiges Ende |
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