140 Seiten
DinA5 Paperback
8,80 Euro
ISBN 3-935953-12-7
Titelbild von Mario Moritz
Neuauflage Oktober 2004
Udo Mörsch - Maschinengeschöpf
Mario Moritz - Die letzten BIOFORM
Barbara Jung - Happy Birthday
Titus Müller - Wasser
Udo Mörsch - Die Soldatin
Torsten Rybka - Short-Cuts
Armin Rößler - Menschenjäger
Jeannot Bildgen - Winterplanet
Udo Mörsch - Eiswelt
Vhermon wandte den Kopf leicht zur Seite und starrte seinen Beifahrer an. Manchmal wünschte er sich zu wissen, was das Geschöpf gerade dachte. Was natürlich Unsinn war. Fünfzehn dachte nicht, denn er war kein Mensch. Gab man dem Roboter eine Anweisung, nahm die Maschine ihre Arbeit auf. Rechenprozesse setzten sich in Gang und führten zum gewünschten Ergebnis. Zumindest meist. Leider war auch Fünfzehn ebenso wie der Jeep ein uraltes Modell. Der Roboter hatte längst ein störrisches Eigenleben entwickelt, was seine Funktionalität betraf. Manchmal dachte Vhermon, dass er den Blechmann nur noch aus reiner Nostalgie mit sich schleppte.
Er erblickte keine Menschenseele. Gerade einmal zwölf der baufälligen Hütten zählte er. Das winzige Dorf lag verlassen und wie ausgestorben da. Vielleicht, so hoffte Vhermon, gab es wenigstens einen Brunnen, wenn hier schon keine Menschen sein sollten. Vielleicht auch andere Hinterlassenschaften der Zivilisation. Obwohl er nicht wirklich daran glaubte. Sein eigentliches Ziel hatte er hier aber noch nicht erreicht, noch lange nicht, das wusste er. Und immer noch war die Möglichkeit gegeben, dass er einem Hirngespinst nachjagte. Einer Spur, die ins Leere führte. Ins Nichts.
Dann kam der Jeep im ungefähren Mittelpunkt des Dorfes zum Halten. Der Motor stotterte ein letztes Mal, ehe er erstarb. Das Risiko, dass das Fahrzeug nicht mehr anspringen würde, war groß. Doch er musste es eingehen.
"Kannst du etwas erkennen, Fünfzehn?", fragte Vhermon den Roboter.
Mein Favorit ist Menschenjäger von Armin Rößler, eine stark charakterisierende Erzählung, die sehr dicht und plastisch von Outsidern erzählt, ein sehr traditionelles Zukunftsbild, aber überragend in den Details.
Während Maschinengeschöpf von Udo Mörsch etwas expressionistisch daherkommt, wirkt Die letzten BIOFORM sehr sachlich, wodurch der Schluss aber besonders ergreifend wird. In Happy Birthday von Barbara Jung erscheint eine der sehr seltenen Utopien, die in eine positive Zunkunft führt, ein schönes Zeichen, das die Seiten der Sammlung überstrahlt. Wasser von Titus Müller ist eine sehr solide Arbeit, die einige Sichtweisen kopfstellt. Die Soldatin von Udo Mörsch ist ähnlich expressiv wie seine erste Geschichte, aber in seiner Anklage sehr ernst und intensiv.
Auch Torsten Rybkas Short Cuts machen große Freude, ich werde wohl nie wieder unbefangen Kühe jagen oder Regenschirme spannen können. Winterplanet von Jeannot Bildgen ist eine kurze Space Opera, deren Fortsetzung man sich wünscht. Einen würdigen Abschluss der Sammlung bietet Udo Mörsch mit der Eiswelt, die zwar eine für Perry Rhodan-Leser inakzeptable Entstehung von ES erzählt, aber darüber hinaus in klaren Szenen die Sinnlosigkeit von Macht darstellt.
Mit einer lesenswerten Vorstellung der Autoren endet viel zu früh ein gutes Buch.
Den Reigen eröffnet der Herausgeber selbst mit "Maschinengeschöpf". In dieser kurzen Story ist das künstlich hergestellte Wesen Tech auf der Suche nach dem wahrem Leben und findet nirgends welches. Aus Verzweiflung und der Befürchtung heraus, dass er selbst künstlich ist, leitet er selbst seine Vernichtung ein. Während seiner letzten Sekunden findet er Leben in Gestalt von einem kleinen Insekt, welches aufgrund seines Lebensraums von den Maschinen nicht wahrgenommen wird. Die Story soll wohl eine positive Aussage transportieren, scheitert damit aber in meinen Augen wegen ihres sehr gewöhnungsbedürftigen Stils. Mir hat sie nicht zugesagt und als Opener halte ich diese Story schlicht weg für fehlplatziert.
In "Die letzten BIOFORM" begleiten wir Mario Moritz in eine nicht all zu ferne Zukunft, in der biologisch hergestellte Kunstwesen machbar sind. Tao Haag ist einer der letzten dieser Wesen, die für die Menschen gefährlichen Arbeitsplätzen wie z.B. an einem Atommeiler tätig sind. Taos Leben neigt sich dem Ende zu und er ist gerade dabei, seine Nachfolgerin Nora Lee einzuarbeiten, für die er immer mehr Gefühle entwickelt. Dies ist den BIOFORM normalerweise kaum möglich, aber auch Nora Lee führt ihren letzten Einsatz aus, der darin besteht, Tao ein paar schöne letzte Stunden zu bereiten, indem sie ihn in die Geheimnisse des Sexlebens einweiht. Die Story hat kein Happy-End, sondern die beiden BIOFORM kommen den Willen ihrer Erschaffer nach. Vom Stil und auch vom Inhalt her hat mir diese Story wesentlich mehr zugesagt. Sie ist stringent erzählt, nicht mit Handlungsfäden überlastet und konzentriert sich auf eine zentrale Aussage, die zudem nachvollziehbar ausgearbeitet wurde.
Barbara Jung machte in "Happy Birthday" aus meiner Sicht den Fehler, zuviel Handlung in eine Kurzgeschichte reinzupacken. Zu Beginn schildert sie eine Geburtstagsparty, die in einem Apartment in einem riesigen Wohn- und Arbeitshochhaus stattfindet. Drei Freunde unterhalten sich über eine Tod bringende Seuche, die kurz zuvor in einem Nachbarturm ausgebrochen war. Da es kein Heilmittel gab, haben die Behörden den Turm hermetisch verriegelt und tödliches Gas eingeleitet. Um solch einen Tod zu entgehen, hat einer der drei Gasanzüge besorgt, die diese auch umgehend nutzen müssen. Bis dahin wird die Story in einem leicht rasanten Erzähltempo präsentiert. Dann aber überschlagen sich die Informationen, die der Leser erhält. Das Geburtstagskind kann nicht mehr selbst erleben, sondern bekommt die Informationen erzählt. Dadurch wirkt die Handlung sehr gerafft und spaltet sich vom ersten Teil der Geschichte ab. Hier wäre weniger eindeutig mehr gewesen. Die Autorin hätte nicht einen so informationshaltigen Schluss einbauen sollen, sondern diesen "kleiner" dimensionieren, dann wäre möglicherweise eine runde Story draus geworden. So ist sie von Stil her zwar lesenswert verfasst, schwächelt aber inhaltlich stark.
Titus Müller, der bereits zwei Romanveröffentlichungen beim Aufbau Taschenbuch Verlag vorweisen kann, setzt den Reigen mit "Wasser" fort. Wie der Titel bereits impliziert geht es um das wichtigste Gut des Menschen, ohne das er nicht überleben kann. In Müllers Kurzgeschichte sind die Wasservorräte der Welt in der Hand eines skrupellosen Konzerns. Einer der wichtigsten Wissenschaftler setzt sich mit seiner kleinen Tochter ab, flieht in die Wüste und bekommt beim Anblick eines Käfers, der die feinen Nebeltröpfen sammelt und dann davon trinkt, die Erleuchtung wie er die Menschheit retten kann. Gut geschrieben, aber nicht mehr als ein kurzer Appetithappen. Die Pointe ist zu einfach.
In einer genauso düsteren Zukunft spielt "Die Soldatin" von Udo Mörsch. Hier ist es eine ausgebildete Kämpferin, die irgendwann begreift, dass die Welt durch die ständigen Kriege keine Zukunft besitzen kann. Lediglich die Kinder bieten Anlass zur Hoffnung und so zieht sie die Konsequenz als eine Repräsentantin einer überholten Vergangenheit. Warum die Kinder zu Hoffnungsträgern werden, bleibt mir dagegen verschlossen. Die vom Autor gewünschte Aussage ist schon klar, aber mir fehlt eine schlüssigere Begründung. Kinder in den momentanen Kriegsgebieten leiden am meisten und eine bessere Zukunft dürfte ihnen auf Jahre verwehrt bleiben.
Torsten Rybkas "Gesammelte Short Cuts" sind schnell gelesen und laden auch nicht länger zum Verbleiben ein.
"Menschenjäger" von Armin Rößler entführt den Leser in eine Welt, die er bereits in "Wasser" kennen lernte und die ebenso zu "Die Soldatin" passen würde. Ein Menschenjäger kommt bei einem Jagdauftrag durch ein völlig verwahrlostes Dorf. Hier vegetieren Menschen, deren Vorfahren aus der Zivilisation ausgestoßen wurden oder flohen, denen er ihr letztes Hab und Gut abnimmt, um selbst in der Einöde überleben zu können. Am Ende drehen die Dorfbewohner den Spieß dann um. Die Geschichte ist gut geschrieben und die Darstellung der Skrupel des Menschenjägers sind durchaus glaubhaft. Ohne diese wäre die Story wesentlich kürzer geraten und der Leser hätte am Ende nicht einen Anflug von Bedauern gehabt. Eine der lesenswerteren Kurzgeschichten.
Jeannot Bildgen dürfte dem einen oder anderem aus dem Perry Rhodan-Umfeld oder von dessen SF-Serie DER KORSAIR her bekannt sein. Seine Story trägt den Titel "Winterplanet" und wirkt wie zu einer umfangreicheren Story gehörig. Darauf deutet vor allem der etwas komplexere Handlungshintergrund. Als "freistehend" würde ich dieses Werk nicht bezeichnen. "Winterplanet" wirkt wie ein Puzzelteilchen.
Die letzte Story stammt wieder von Udo Mörsch. In "Eiswelt" vollzieht ein Raumschiff auf einem Eisplaneten eine Notlandung. Durch Zufall überlebt der Kommandant und verlässt das Wrack auf der Suche nach Leben, wohl wissend, dass seine Vorräte begrenzt sind und dieser Planet sein Grab wird. Für ihn und alle anderen Besatzungsmitglieder gibt es aber ein Leben nach dem Tod. Ein Geisteswesen nimmt sie auf ins Kollektiv. Diese Story ist etwas intensiver erzählt, da der Autor sehr umfangreich die Gedankenwelt des Kommandanten ausarbeitete.
"Future World" vereint sehr unterschiedliche Geschichten und dies sowohl von der Themenwahl als auch vom Stil her. Auffallend ist die Häufung düsterer Zukunftsutopien, in der die Protagonisten zumeist den Tod finden. Teilweise ähneln diese sich sehr und man könnte meinen die Autoren hätten die gleichen Hintergrund für ihre Geschichten benutzt. Ein wenig mehr Abwechslung hätte dieser Sammlung gut zu Gesicht gestanden. Wobei ich aber nicht sagen kann, dass eine oder mehrere Stories wirklich sehr gut waren. Erfrischend neue Ideen bieten sie allesamt nicht. Einige haben mir vom Stil her mehr zugesagt als andere. Insgesamt gesehen stellt diese Anthologie für mich nichts herausragendes dar, sondern bietet durchschnittliche SF-Stories.