Inhalt:
Sein Finger strich sanft über die unterste Saite. Der Ton bot sich ihm als mächtiges Blau dar, vermischt mit einem winzigen Hauch von Grün, bauschte sich auf wie eine heranrauschende Meereswoge, die drohte, ihn zu verschlingen. Ein anderer Griff, ein harter Kontrast. Ein zartes Rot entstand, das ihm das Gefühl vermittelte, inmitten eines nicht endenden Blumenteppichs zu stehen, der ihn - seinen Körper und seinen Geist - vollständig umschloss. Er konnte sogar den betäubenden Duft der frisch knospenden Blüten riechen. Schnell spielte er eine Reihe von Tönen, dissonant und hart, die in einer raschen, verwirrenden Abfolge ein Farbgewitter über ihn hereinbrechen ließen. Die einzige Konstante blieb die Schwärze, ein zäher, dunkler Strudel, im Zentrum seiner Wahrnehmung verankert. Neugierig und abgestoßen zugleich hielt er diesen einen Ton. Der schwarze Wirbel sprang ihn an, sog ihn auf, schlug über ihm zusammen. Er schauderte. Eiseskälte lähmte seine Finger, die undurchdringliche Dunkelheit machte ihn blind. Die Stille ließ ihn fürchten, auch taub geworden zu sein. Gleichzeitig fühlte er sich an diesem Ort auf eine seltsame Art und Weise geborgen, heimisch fast, und er überlegte, wie es wäre, hier für immer zu bleiben.
Faust riss sich los. Er spielte vorsichtig einen neuen Ton, ein Licht entstand, schwach und kaum sichtbar erst, dann stärker werdend und immer heller aufleuchtend. Es verdrängte die Dunkelheit, machte sie vergessen und warf ihn selbst zurück in die reale Welt. Seine Finger lösten sich abrupt vom Instrument, als habe er ein glühendes Eisen angefasst. Kalter Schweiß stand auf seiner Stirn. Das halblaute Knacken, das die Tras weit hinten im Gaumen erzeugten, bewies ehrliche Anerkennung. Faust gab es die Gewissheit, einmal mehr angekommen zu sein. Nur langsam nahm Faust seine Umgebung wieder wahr. Dann sah er die Frau: mittelgroß, mit schmutzig blondem Haar, das Gesicht zu einem Ausdruck der Verachtung verzogen, von dem sie wohl dachte, dass es ihr gelänge, ihn zu verbergen. Sein Schädel meldete sich mit einem schwachen Brummen. Er wusste, dass es stärker werden würde - das Ferm wirkte immer gleich. Hinzu kam die Anwesenheit der Frau. Sie bedeutete Unannehmlichkeiten.
Unsicheren Schrittes begab er sich zur Bar. Die Aufmerksamkeit der Tras an seinem Spiel war bereits erloschen. Sie liebten seine Musik. Aber anhaltende Begeisterung war nicht ihre Stärke. Der Tras an sich lebte für den Augenblick. Keinem der drolligen Burschen würde es jemals einfallen, ihn um eine Wiederholung zu bitten. Warum auch? Sie wussten, dass er spätestens am nächsten Abend auf die Bühne zurückkehren würde.
Faust stellte sich neben die Frau. Der Wirt deutete sein Nicken richtig und stellte ihm ein Glas hin, zwei Finger hoch mit der bernsteinfarbenen Flüssigkeit gefüllt, der er morgen früh unter Flüchen wieder entsagen würde, nur um sie am Abend erneut mit Genuss zu trinken. Wenn es im Universum einen Teufel gab - dann hatte er das Ferm erschaffen.
Faust benetzte sich nur leicht die Lippen, ließ sich wie immer von der Tiefe des erdigen Geschmacks überwältigen und sagte euphorisch: "Haben Sie die Farben gehört?"