Entwurf für einen Antrag der Studierendenvertretung im Senat
Freiburg, 11.5.1998
An den Senat der Albert Ludwigs Universtität
betr: Erschwerte Promotionsbedingungen ab dem Wintersemester 1998/99
Mit dem Wintersemester 1998/99 sind die Promovierenden der Albert Ludwigs Universität von deutlich erschwerten wirtschaftlichen und fachlichen Rahmenbedingung betroffen. Diese ergeben sich aus der Umsetzung des § 54 des Universitätsgesetzes ( Neufassung vom 10.1.1995) und § 5 des Landesgebührengesetzes vom 23.5.1995. Danach ist es zum einen in Zukunft nicht mehr möglich, als Promovierender zugleich immatrikuliert zu sein und in einem Arbeitsverhältnis zu stehen (das Rektorat der Freiburger Universität hat die Grenze für derartige Arbeitsverhältnisse auf einen Verdienst von 640 DM monatlich festgesetzt). Zum anderen müssen Promovierende ab dem 5. Promotionssemester eine Gebühr von 1000 DM pro Semester bezahlen.
Angesichts dieser Situation haben die Promovierenden des Fachs Geschichte auf ihrer
letzten Vollversammlung am 27.4.1998 beschlossen, sich mit folgender Stellungnahme an den
Senat zu wenden:
I. Zur Unvereinbarkeit von Immatrikulation und Arbeitsverhältnis
1. Praktisch alle Studierenden müssen sich zumindest in der Zeit zwischen Abschlußprüfung und Beginn der Dissertation durch eigene Arbeit zwischenfinanzieren, selbst wenn sie später mit einem Stipendium rechnen können. Viele Stipendien und Unterstützungsprogramme haben eine zu kurze Laufzeit, in der ein Dissertationsprojekt nicht abgeschlossen werden kann. Nur durch eine Nebentätigkeit können Promovierende ihre Projekte dann erfolgreich zu Ende bringen. Bei der derzeitigen Knappheit an Stipendien und Promotionsstellen sind viele Promovierende gezwungen, ihre Doktorarbeit vollständig selbst zu finanzieren.
2. Die mögliche Fortsetzung der Promotion ohne Immatrikulation ist nichts weniger als selbstverständlich: Erstens erhöhen sich durch den Wegfall des Studentenstatus die Lebenshaltungskosten erheblich. Zweitens wird es kaum gelingen, ohne Vorlage eines Studentenausweises von einem Arbeitgeber eingestellt zu werden, und schon gar nicht für eine Tätigkeit, die die gleichzeitige Fertigstellung einer Dissertation erlaubt.
3. Der Entschluß, das geänderte Universitätsgesetz ohne rechtzeitige Information der Betroffenen und ohne jede Übergangsregelung umzusetzen, trifft besonders diejenigen, die ohne Kenntnis von § 54 ihre Doktorarbeit begonnen haben und sich selbst finanzieren.
4. Die Ausnahmeregelung für wissenschaftliche Hilfskräfte und TutorInnen ist
praktisch bedeutungslos, weil Hiwi- und Tutoratsstellen meistens den nichtexaminierten
Studierenden vorbehalten sind und Promovierende in der Regel bereits einen
Studienabschluß haben.
II. Zur 1000-DM-Gebühr ab dem 5. Semester
1. Es ist offensichtlich die Intention des Landeshochschulgesetzes, die Studierenden eine Gebühr zahlen zu lassen, wenn sie die Zeit überschritten haben, die man für die Erreichung des jeweiligen Studienziels für erforderlich hält. ("Das Bildungsguthaben [...] erlaubt es jedem Studierenden, sein Studium ohne Zahlung der Langzeitstudiengebühr abzuschließen." Merkblatt zum Bildungsguthabenmodell) Entsprechend ist auch im Studium das vorgesehene Bildungsguthaben nach Fachbereichen differenziert. Im Promotionsstudiengang hingegen beträgt das Bildungsguthaben unterschiedslos vier Semester für alle Fächer, und dies, obwohl die zur Anfertigung einer Dissertation erforderliche Zeit zwischen den einzelnen Fächern noch stärker differiert als die Zeit des Hauptstudiums. Während in manchen Fächern eine Promotion innerhalb von vier Semestern durchaus üblich ist, dauert die Anfertigung einer Dissertation in Geschichte, ebenso wie wohl in den meisten anderen geisteswissenschaftlichen Fächern, in aller Regel deutlich länger. Es muß möglich sein, daß auch die Promovierenden dieser Fächer zumindest so lange gebührenfrei immatrikuliert sein können, wie es für die Anfertigung ihrer Dissertation erforderlich ist.
2. Wenn die Promotionsdauer unter dem Druck der 1000 DM auf zwei Jahre verringert werden soll, leiden die Qualität und die Innovationskraft der Forschungsleistung. Riskante, aber eventuell vielversprechende neue Untersuchungen werden unter diesen Bedingungen gar nicht erst begonnen.
3. Wer während seiner Promotionsphase ein Praktikum von 6 Monaten Dauer machen will, kann dafür nicht von der Universität beurlaubt werden. Dies bedeutet, daß beim Erwerb von berufsqualifizierender Praxiserfahrung die Zahl der Promotionssemester ansteigt und die 1000-DM-Grenze damit sogar noch schneller erreicht wird.
4. Mittelfristig dürfte der spürbare Rückgang der Studierenden- und
Promovierendenzahlen auch für die Hochschule selbst zum Problem werden. Je weniger
Studierende an der Universität und an den einzelnen Seminaren und Instituten
eingeschrieben sind, desto weniger Landesmittel werden an die Uni und an die Seminare
verteilt. Die zu erwartenden Exmatrikulationen von Doktoranden schaden also letztlich
deren eigenen Fachbereichen.
Aus diesen Gründen bitten wir den Senat der Albert-Ludwigs-Universität, er
möge beschließen, an das Land Baden Württemberg einen Antrag auf Rücknahme der
geschilderten Erschwernisse bei der Promotion zu richten.
Für den Arbeitskreis der Promovenden im Fach Geschichte
Isabel Heinemann
Martin Faber