Martin Faber November 1996

Projektbeschreibung zum Dissertationsthema "Scipione Borghese als Kardinalprotektor"

Ausgangspunkt der Arbeit ist ein Dokument aus dem Fondo Borghese des Vatikanischen Geheimarchivs (Nr. I 535), das die Žmter und Protektorate von Scipione Borghese, dem Kardinalnepoten von Papst Paul V., auflistet und in kurzen Artikeln beschreibt. Genannt werden die Protektorate ber 2 Orden, 11 sog. Luoghi Pii, d.h. verschiedene Kirchen und mit ihnen verbundene Einrichtungen (darunter die Capella Borghese in S. Maria Maggiore, die Santa Casa in Loreto und ein Heim fr arme Weltpriester), 7 Nationen (darunter die deutsche mit ihren Einrichtungen in Rom, also Germanicum, Anima und Campo Santo), 6 St„dte, 2 Kollegien, 9 Kl”ster, 9 Bruderschaften und 4 Handwerkergilden. Untersucht werden soll, wie Borghese sein Protektorenamt jeweils ausgebt hat und wie sich in diesen Aktivit„ten seine Verflochtenheit im System der r”mischen Kurie spiegelt.

Die Einrichtung des Kardinalprotektorats entwickelte sich im Sp„tmittelalter und war bis zum Ende des 17. Jahrhunderts juristisch nur ungenau definiert. Infolgedessen gestaltete sich bis dahin die T„tigkeit der Protektoren sehr unterschiedlich, in Abh„ngigkeit von der kirchenpolitischen Lage, dem Charakter der einzelnen Institutionen und der Pers”nlichkeit der jeweiligen Beteiligten. Die rechtliche Unbestimmtheit lieá relativ groáen Spielraum fr die Einwirkung informeller pers”nlicher Beziehungen. Von Kardinal Borgheses T„tigkeit als Protektor der Dominikaner ist bereits bekannt, daá er ausgesprochen intensiv auf den Orden einwirkte und auch auf dessen innere Angelegenheiten weitgehenden Einfluá nahm.

Da Borghese seine Protektorate ber Einrichtungen ganz unterschiedlichen Charakters ausgebt hat, steht zu erwarten, daá auch seine Aktivit„ten jeweils von ganz unterschiedlicher Art und Intensit„t gewesen sind. Ebenso l„át sich voraussagen, daá auch die Forschungen zu den einzelnen Protektoraten unterschiedlich verlaufen und quantitativ und qualitativ sehr verschiedene Ergebnisse zeitigen werden. Ein Indiz dafr ist schon die Lage in der Sekund„rliteratur. Zur Geschichte der Kardinalprotektorate ber Orden und Nationen existieren immerhin einige Arbeiten, die sich zumeist mit einzelnen L„ndern oder Ordensgemeinschaften befassen, w„hrend gr”áere zusammenfassende Werke fehlen. Die Protektorate von St„dten, r”mischen Bruderschaften und Kl”stern scheinen bis jetzt dagegen so gut wie gar nicht untersucht worden zu sein, wenn nicht m”glicherweise entsprechende Arbeiten im eng begrenzten Bereich lokaler Geschichtsforschung entstanden sind und somit in den in Deutschland zug„nglichen Bibliographien kaum genannt werden. Dies k”nnte nur durch Forschung vor Ort, also vor allem in Rom, ermittelt werden. Ebenso drfte auch ein betr„chtlicher Teil der allgemeineren Sekund„rliteratur nur in Italien zug„nglich sein.

Žhnlich stellt sich die Lage bei den Quellen dar. Bisher stehen hier Zusammenfassungen aller Briefe Kardinal Borgheses an Mitglieder von Ordensgemeinschaften zur Verfgung, darunter der Dominikaner und Olivetaner, ber die er das Protektorat innehatte. Diese Briefe stammen aus dem vatikanischen Archiv, und es w„re zu„chst zu ermitteln, ob es dort auch Briefe und Dokumente zu seinen brigen Protektoraten gibt. Danach máte geprft werden, ob es in Archiven der jeweiligen Institutionen ebenfalls Dokumente ber Borgheses Protektorent„tigkeit gibt. Diese Arbeit verspricht sehr aufwendig zu werden, weil sie zum einen „uáerst dezentral abgewickelt werden máte. Denn die "Luoghi Pii", Kollegien, Kl”ster und die Kirchen der Bruderschaften und Gilden liegen ber ganz Rom verstreut, w„hrend sich unter Borgheses Protektoraten ber Nationen so entlegene L„nder wie Abessinien, Persien und Armenien befinden (diese sind allerdings zumeist mit einem Kolleg in Rom vertreten was aber nicht der Fall ist bei den St„dten, unter denen als entfernteste Avignon und Ragusa zu nennen sind). Zum anderen máte erst festgestellt werden, ob sich von diesen Institutionen berhaupt Archive erhalten haben, wo sie zu finden sind, ob sie zug„nglich sind und ob vorhandene Dokumente ber Borghese rationell zu finden und zu bearbeiten sind. Auáerdem haben die ersten Vorarbeiten ergeben, daá die (undatierte) Liste der Protektorate aus der Zeit zwischen 1628 und 1631 stammen muá, also erst nach dem Tod von Borgheses p„pstlichem Onkel entstanden ist, und daá er offenbar vorher noch weitere Protektorate innehatte. Aus diesen Grnden k”nnte sich im Lauf der Zeit die Notwendigkeit ergeben, die Liste der in der Arbeit zu behandelnden Protektorate sinnvoll einzugrenzen. Aufzuspren w„ren ebenfalls Dokumente der p„pstlichen Kurie ber Borgheses Protektorent„tigkeit. Hier drften vor allem die p„pstlichen Ernennungsbreven von Wichtigkeit sein, besonders wenn sie die Kompetenzen eines Protektorats genauer umschreiben. Denn diese waren meistens nicht von vornherein juristisch festgelegt und h„ufig umstritten. Bekannt ist bereits, daá es zu Beginn des Pontifikats von Paul V. eine Diskussion ber den Sinn von Ordensprotektoraten gab, in deren Verlauf sogar erwogen wurde, diese Institution ganz abzuschaffen. Insofern w„re es lohnend, Quellen aus der Zeit vor und nach Paul V. darauf zu untersuchen, ob sich die T„tigkeit und Bedeutung von Kardinalprotektoren w„hrend dessen Pontifikat ver„ndert hat. Ansonsten w„ren auch kuriale Dokumente von Belang, aus denen hervorgeht, wie Borghese sein Vermittlungsamt gegenber Papst und Kurie wahrgenommen hat, etwa durch die Proposition von Kandidaten fr Bischofssthle in den von ihm protegierten Nationen.

Mit diesem Material k”nnte dann in der Dissertation z.B. auf folgende Fragen eingegangen werden: Welche Faktoren tragen dazu bei, daá Borghese ein bestimmtes Protektorat bekommt (und ggf. auch wieder verliert)? Liegt hier die Initiative eher bei ihm oder bei den jeweiligen Institutionen? Auf welche Weise tritt er in Kontakt mit den Protegierten? Schriftlich, mndlich, durch Teilnahme an Versammlungen? In eigener Person oder durch Vertreter? Inwieweit handelt er im Interesse der jeweiligen Institutionen, einzelner Gruppen oder Personen aus ihnen, des Papstes und der Kurie, seiner selbst? Betreibt er Patronage von Personen? Mit welchen Einzelfragen befaát er sich und von welcher Seite werden diese an ihn herangetragen? Mit welchen Personen kommt er in Kontakt und warum? Hat er mit diesen Personen auch anderweitig Kontakt und wie wirkt sich das auf seine Protektorent„tigkeit aus? Zieht er aus seinen Protektoraten Vorteile, z.B. materielle, machtpolitische oder vielleicht sogar geistliche? Hat Borghese als Protektor Erfolg, warum oder warum nicht? W„chst sein Einfluá oder sinkt er, besonders nach dem Tod seines p„pstlichen Onkels?