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Folgendes Interview führte FACT am 26.02.1997 mit Gerhard Meier-Röhn, dem aus vielen Fernsehsendungen bekannten Sportchef des Süddeutschen Rundfunks, für den er schon seit vielen Jahren arbeitet.
FACT: Herr Meier-Röhn, wie wird man Fernsehmoderator? War das immer schon Ihr Berufsziel und wie sind Sie dazu gekommen?
M.-R.: Für mich war das eine Art Berufung. Ich wollte schon immer Sportjournalist werden. Schon als kleines Kind habe ich mich immer für Sport interessiert und schon mit 5, 6 Jahren mit einem Stück Holz als Mikrofon in der Hand Reportagen gesprochen. Selbst bei Weihnachtsfesten habe ich nie Lieder gesungen, sondern immer irgendwelche Reportagen aufgeführt. Ich hatte das schon immer im Blut und im Grunde ist das ein Traum, den ich mir dann verwirklicht habe.
FACT: Was für einen Ausbildungsweg haben Sie dafür beschritten?
M.-R.: Ich habe Sport, Geschichte und Politik studiert, bin also zweigleisig gefahren. Später habe ich mich dann ganz normal beim SDR beworben, habe zuerst ein Praktikum gemacht, danach eine Volontärstelle bekommen, in den Semesterferien gejobbt und bin so quasi reingerutscht. Wenn man Talent entwickelt und auch in die Medienlandschaft reinpaßt, sowohl vom Menschlichen als auch von der Begabung her, dann hat man Chancen, zu bleiben, und so war das bei mir. Man macht dann zuerst kleinere Sachen, danach immer größere und wächst so langsam in die Arbeit hinein. Nach dem Studium habe ich hier beim SDR als freier Mitarbeiter angefangen und bin seither hier geblieben.
FACT: Letztes Jahr haben Sie kurzfristig den Sport verlassen, waren für wenige Wochen Politikchef beim SDR und sind dann wieder zum Sport zurückgekehrt. Was war denn das für eine Geschichte?
M.-R.: Sie müssen wissen, daß ich schon immer Sport und Politik gemacht habe. Ich habe auch schon zehn Jahre lang Landespolitik gemacht, bevor ich Sportchef wurde, und habe dabei z.B. “Politik Südwest” und die ganzen anderen landespolitischen Magazine hier beim SDR aufgebaut. 1988 habe ich dann beschlossen, die Politik ruhen zu lassen und mal was anderes zu machen, wobei gerade die Vorbereitung für die olympischen Spiele 1992 in Barcelona unter Federführung des SDR anstand, was mich natürlich sehr gereizt hat und eine schöne Aufgabe war. Später hat man sich dann daran erinnert, daß ich schon in der Politik tätig war, und ist an mich herangetreten, mit der Frage, ob ich mir nicht vorstellen könnte, Politikchef zu werden. Daraufhin kam die Sache ins Rollen, weil ich mir schon vorstellen konnte, in einer neuen Funktion in die Politik zurückzukehren. Allerdings wurden dann leider einige Abmachungen nicht eingehalten, so daß ich gesagt habe, nein, nicht mit mir, wenn ich die eine Funktion verlasse, möchte ich auch wieder etwas gleichwertiges machen, so daß ich lieber wieder auf meinen alten Posten zurückgekehrt bin.
FACT: Aber grundsätzlich, unter anderen Voraussetzungen, könnten sie sich schon vorstellen, wieder in der Politik zu arbeiten?
M.-R.: Ich hatte ja zugesagt, allerdings unter bestimmten Bedingungen, die dann eben nicht eingehalten worden sind. Von der Eignung her ist das aufgrund meines Werdegangs keine Frage. Ich habe ja lange Jahre Politik gemacht, habe Sendungen entwickelt und beispielsweise die Landespressekonferenz hier in Baden-Württemberg geleitet. Mein Herz allerdings ist ein Sportherz. Wenn man so was mal mitgemacht hat, weiß man vielleicht auch, wo man hingehört. Ich habe aus der Geschichte jedenfalls auch durchaus positive Lehren gezogen.
FACT: Heißt das, daß Sie beabsichtigen, jetzt erst mal beim Sport zu bleiben oder könnte die Politik doch noch ein Gedanke sein, der für die Zukunft im Hinterkopf bleibt?
M.-R.: Im Moment ist das kein Thema mehr.
FACT: Gibt es in Ihrer Position noch große Aufgaben, die man annehmen möchte, oder persönliche Ziele, die man erreichen will?
M.-R.: Im Moment befriedigt mich das, was ich mache, voll und ganz. Falls wir jedoch in Zukunft durch die Senderfusion näher zusammenrücken sollten, gibt es da möglicherweise wieder zusätzliche Aufgaben, die einen fordern.
FACT: Sie sprechen die Senderfusion an. Glauben Sie tatsächlich, daß dadurch neue Aufgaben anfallen, oder befürchten Sie nicht, daß daher eher Stellen und Bereiche wegfallen und die Arbeit möglicherweise sogar schwieriger wird?
M.-R.: Insgesamt kann man das vielleicht so negativ sehen. Die Zusammenlegung wird bestimmt mit einem Arbeitsplatzabbau verbunden sein, wobei ich noch nicht sagen kann, in welchen Bereichen. Wenn ich aber die Programmbereiche betrachte, die zuerst Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz beinhalten, sehe ich keinen Arbeitsplatzverlust. Die Leute, die jetzt für Baden-Württemberg arbeiten, werden das weiterhin tun, genauso wie die in Rheinland-Pfalz, und die beiden Säulen werden in die ARD hineinarbeiten, so wie das jetzt auch schon passiert.
FACT: Sie sehen das also nicht so drastisch?
M.-R.: Wissen sie, ich gehe gerade von der Erkenntnis aus, daß wir in den letzten Jahren bei der ARD immer mehr Sendungen mit den gleichen oder manchmal auch weniger Leuten gemacht und nicht analog zur Programmvermehrung personell nachgerüstet haben. Das geht eben nicht, weil mir nur eine bestimmte Anzahl Planstellen zur Verfügung steht. Ich habe zum Beispiel viele freie Mitarbeiter, die sich inzwischen den Anspruch auf eine Festanstellung erarbeitet haben, das heißt also, daß es immer schwerer wird, in die Sender hineinzukommen, obwohl ich nach wie vor Personalmangel habe. Deswegen sehe ich - zumindest in meinem Bereich - schon Potential, wo immer es auch herkommt. Wir werden immer mehr Programm machen, mit hoffentlich irgendwann mehr Personal. Generell allerdings, was Produktion und vieles andere betrifft, ist eine Fusion keine leichte Geschichte.
FACT: Sie haben vorhin gesagt, daß Sport schon immer Ihr Hobby war. Ist er das immer noch oder wird durch das berufliche Interesse am Sport das persönliche zugedeckt? Gehen Sie zum Beispiel noch privat zu Sportveranstaltungen.
M.-R.: Das mache ich eigentlich schon, gerade bei den Sportarten, mit denen ich direkt verbunden bin. Ich kommentiere zum Beispiel oft Tennis, und das mache ich immer noch mit Leidenschaft, da spürt man, daß das meine Welt ist, und ich mich auskenne. Wenn ich zum Beispiel mal zum VfB gehe, dann habe ich Distanz, freue mich und hoffe, ein gutes Fußballspiel zu sehen. Ansonsten hat sich der Beruf aber natürlich gewaltig verändert. Es ist ja nicht mehr so, wie man sich das früher vielleicht mal vorgestellt hat, daß man Reporter ist, durch die Welt reist und berichtet. Es ist ja nur ein kleines Stück davon geblieben. Die hauptsächlichen Dinge, mit denen ich mich beschäftige, sind Personalentwicklung, Personalplanung, Konzeptionsentwürfe und ähnliche Dinge, ich renne von einer Sitzung zur nächsten, muß meinen Etat verwalten, die Kosten berechnen und so weiter. Der Charakter eines Sportchefs hat sich total verändert, seit wir uns im dualen System befinden, das heißt also die öffentlich - rechtlichen Sender auf der einen und die privaten auf der anderen Seite. Die Welt hat sich verändert, man muß gegenseitig voneinander kaufen, hohe Lizenzgebühren bezahlen und rechnen. Man ist inzwischen also auch Kaufmann geworden als Sportchef, und zwar in einer umfassenden Form. Die Zeiten, als man aus dem vollen schöpfen konnte, sind endgültig vorbei. Heute muß man kämpfen und schauen, daß man mit dabei ist, möglichst in der ersten Reihe, und wenn doch nur in der zweiten, muß man das beste daraus machen.
FACT: Wie beurteilen Sie die Kommerzialisierung des Sports und der Berichterstattung, gerade durch die privaten Sender?
M.-R.: Der Charakter der Sportberichterstattung hat sich mit dem Aufkommen der Privaten völlig verändert, aber nicht nur durch diese, sondern auch durch die Lizenzkosten. Dadurch hat sich der Journalismus weg vom kritischen hin zum Gefälligkeitsjournalismus entwickelt. Das ist eine beklagenswerte, aber reale Entwicklung. Ich würde sogar sagen, daß das erst in zweiter Linie mit den Privaten zusammenhängt, und in erster Linie mit hohen Kosten. Ein Beispiel: Ich bezahle eine Million für die Übertragung eines Tennisturniers, aber in der Woche davor sagen die drei besten Spieler ab. Jetzt habe ich das Turnier aber für viel Geld gekauft und kann den Zuschauern am ersten Tag nicht erzählen, daß die drei Wichtigsten nicht dabei sind und das Turnier dadurch abgewertet wird, weil dann alle abschalten. Also sage ich - auch aus eigenem Interesse heraus - daß die anderen Spieler, die da sind, ganz toll sind, und versuche, das ganze auf dem Bildschirm gut darzustellen. Das ist Gefälligkeitsjournalismus, aber eben der Zwang, in dem wir uns befinden. Die anderen Komponente sind die Privaten, die durch die zusätzliche Werbung noch einen draufsetzen. Das ist für mich ein zu starker Jubeljournalismus, den ich persönlich ablehne, für den ich aber, wenn ich bei den Privaten wäre, ein gewisses Verständnis aufbringen könnte. Allerdings zahlt sich dieser Jubeljournalismus nicht aus. Denken Sie nur mal an "ran" bei Sat 1. Zuerst wurden die hochgejubelt, so im Stile endlich gibt es einen Sender, der den verstaubten Beamten bei den Öffentlich-Rechtlichen mal zeigt, wie`s gemacht wird. Da wurden wir verspottet, weil wir bei den Verhandlungen geschlafen hätten und so weiter. Dabei war es sowieso eine rein politische Entscheidung, die Bundesligarechte einem Privatsender zu geben. Man will das duale System, also hat man gesagt, Sat 1 muß die Rechte bekommen, weil die sonst tot sind. Ich denke, da wird versucht, jedem etwas zu geben, und die Frage, wer was bis wann übertragen darf, ist weniger eine Frage des Geldes als der Politik. Aber inzwischen erleben wir die Umkehrung dieser Jubelgeschichte. SAT 1 hat mit “ran” größte Probleme. Erstens rechnet es sich nicht, was ein internes SAT 1-Problem ist, aber zweitens wird diese ganze Jubelgeschichte inzwischen ja auch von den Fußballern selbst, dem Bundestrainer und vielen anderen kritisiert. Der allgemeine Tenor ist doch momentan der, daß die fehlende Distanz und das Interesse weniger am Fußball als an den Geschichten drum herum stark kritisiert wird. Da liegt möglicherweise der Boomerang.
FACT: Wobei die Entwicklung ja noch nicht am Ende ist, wenn man beispielsweise an Pay-TV wie bei Premiere denkt.
M.-R.: Ich glaube, daß man technische Entwicklungen wie das digitale Fernsehen nicht aufhalten kann. Bei den Privaten ging alles auch viel schneller als man gedacht hatte und alle Skeptiker haben gestaunt. So wird es auch mit dem Digitalfernsehen sein. Die Vereine werden sich in einigen Jahren nach entsprechenden Urteilen nicht mehr global durch den Verband, sondern selbst vermarkten, sich dazu mit einzelnen Sendern zusammenschließen und so ins Digitalfernsehen einsteigen, wobei es aber immer Nachrichtenerstattung im “freien” Fernsehen geben wird.
FACT: Dann sehen Sie die zukünftige Nische der Öffentlich-Rechtlichen also in der Nachrichtenerstattung?
M.-R.: Bei der Bundesliga ja.
FACT: Meinen Sie, die Leute werden bei dieser Entwicklung, zusätzlich für Sportereignisse bezahlen zu müssen, mitmachen?
M.-R.: Die Leute werden mitziehen, so wie bei allen technischen Neuentwicklungen, die am Anfang immer skeptisch betrachtet und am Ende doch akzeptiert werden. Das einzige Problem ist die Preisgestaltung.
FACT: Weicht die ARD dann auf andere Sportarten aus, um den Verlust des Fußballs auszugleichen?
M.-R.: Der Fußball ist in Deutschland nicht zu ersetzen, und wir übertragen ja auch z.B. Länderspiele. Die Leute wollen vor allem Fußball sehen. Aber wir haben ja auch einen Auftrag, umfassend zu berichten. Wir sind der Olympiasender, wir zeigen Nordische Kombination, Leichtathletik, auch Fechten und ähnliche Sportarten, die sonst tot wären.
FACT: Gibt es denn eine Sendung, die Sie besonders gerne machen?
M.-R.: Ich mache am liebsten “Sport im Dritten”. Das ist aus dem Land, für das Land und beliebt im Land, man hat eine gewissen Nähe zu den Veranstaltungen und Sportlern. Das kommt unserer Grundaufgabe, nämlich der Landesberichterstattung, sehr nahe.
FACT: Und wie ist das Verhältnis unter den Kollegen?
M.-R.: Unter den verschiedenen ARD-Landesanstalten herrscht das Prinzip der Föderation, da ist viel Austausch und Zusammenarbeit. Der Kontakt zu den Kollegen von den Privaten ist auch viel besser, als man denkt. Der Kontakt zu den Kollegen von der schreibenden Zunft ist jetzt besser geworden, der war früher eher schlecht, vor allem nach dem Aufkommen der Privaten, die da doch teilweise bevorzugt wurden.
FACT: Zu Ihnen privat: Sie sind zwar vielbeschäftigt, aber gibt es einen speziellen Ausgleich in der Freizeit, vielleicht gerade in sportlicher Hinsicht?
M.-R.: Ich bin ein Tennisverrückter und spiele leidenschaftlich gern und viel. Früher habe ich auch Leichtathletik gemacht, bin die 400 Meter gelaufen. Außerdem spiele ich gerne mit der Redaktionsmannschaft “FC Sport im Dritten” Fußball, was sehr viel Spaß macht.
FACT: Sind Sie überhaupt so oft zu Hause, um dem nachgehen zu können?
M.-R.: Letztes Jahr mit Olympia war ich mehr unterwegs, da war es extrem. Dazu noch der verpatzte Ressortwechsel am Jahresende, das war schon ziemlich viel. Dieses Jahr wird’s etwas ruhiger.
FACT: Wir danken Ihnen für dieses Gespräch und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg.
J.B. / M.S. |